Buchtipp: Thriller-Serie um Evelyn Holm

Calden, Saskia, Der Puppenwald / Die falsche Patientin, Edition M, beide 2024

Wer wie ich auf Nervenkitzel und spannende Rätsel steht, dem sei hier eine kurze Empfehlung ausgesprochen. Beim Amazon-Imprint „Edition M“ sind zwei Bände von Saskia Calden um die Freiburger Ermittlerin Evelyn Holm erschienen. Ich habe sie gelesen und kann sie nur empfehlen. Kommendes Jahr soll voraussichtlich ein dritter Band veröffentlicht werden. Beide haben sehr interessante Gedankenexperimente als Grundlage.

Der Puppenwald“ spielt am Feldberg, wohin eine 16jährige junge Frau entführt wird, um der Tochter des Entführers als lebende Puppe zu dienen. Der Entführer ist ein Wilderer, dessen Leben mit dem der 16jährigen Jessica verknüpft ist. Und natürlich darf auch die Familie der Ermittlerin darin eine zentrale Rolle spielen. Ungefähr in der Hälfte des Buches war mir ziemlich klar, welchen Job Nikolas Holm, der Mann der Ermittlerin, in dem Ganzen hatte. Dennoch kommt am Ende ein letzter Twist, der mich völlig kalt erwischte.

Die falsche Patientin“ ist sowohl in Freiburg wie auch im südlicher gelegenen Kreis Lörrach platziert. Da ich eine Weile in der Region am südlichen Fuß des Feldbergs und in der Nähe der Schweizer Grenze wohnte, war es umso spannender, sich das im örtlichen Setting vorzustellen. Judith Lennard erwacht in einer geschlossenen Psychiatrie, wo sie unter falschem Namen eingeliefert wurde. Alle versuchen sie zu überzeugen, dass sie die Frau sei, deren Angaben in ihrer Krankenakte angegeben waren. Da sie weiß, dass ihre kleine Tochter sie vermisst, versucht sie alles, um aus der Klinik zu kommen und reitet sich damit nur noch tiefer in den Schlamassel rein. Evelyn Holm sucht mittlerweile verzweifelt nach Judith Lennard, da deren Spuren in einem Mordfall zum Vorschein gekommen waren. Wer steckt dahinter? Wer hält die Fäden in der Hand? Und: Was haben die Ermordete und Judith Lennard dieser Person angetan, um diese späte Rache durchstehen zu müssen?

Was mir an den beiden Bänden von Saskia Calden gut gefällt, ist ihre Art, mit sehr wenig grafischen Szenen von Gewalt trotzdem Nervenkitzel in groß zu veranstalten. Immer wieder führen Nebenschauplätze in die Irre, eine neue Wendung bringt die Gedankengänge zum Einsturz. Hin und wieder hat mich der Schreibstil etwas an Sebastian Fitzek erinnert, einen der Großen des Genres, wobei Calden versucht, die Spannung möglichst pausenlos aufrecht zu erhalten. Bei Fitzek hingegen dienen zuweilen bewusst gewählte Längen geradezu als „misdirection“, also als Ablenkungsmanöver von begonnenen Gedankengängen.

Mein Fazit: Ganz großes Kino. Für Liebhaber der Nervenkitzel-Literatur volle Lese-Empfehlung.

Fühlen und denken mit den Psalmisten

Abschließen möchte ich meine Serie zu den Psalmen mit einem letzten Gedanken. Hier nochmal die Blogserie zu den Psalmen:

Teil 1 zu Psalm 1 und 2

Teil 2 zu den Klagepsalmen

Teil 3 mein persönliches Erleben der Zeit in den Psalmen

Teil 4 zu den Rachepsalmen

Teil 5 zu Psalm 51 und dem krassesten Gebet

Natürlich ist damit vieles noch nicht gesagt. Natürlich kann man jetzt zu jedem Psalm auch noch eine ganze Auslegung machen. Aber das ist nicht meine Absicht. Ich möchte ganz im Gegenteil mehr Raum lassen, damit sich jeder Leser auch selbst noch mehr Gedanken machen kann.

Die Psalmen transportieren ganz viele Gefühle und Gedanken. Es sind die Gefühle der einzelnen Psalmisten zu Gott. Es sind aber auch Gottes Gefühle für uns. Und oft fallen sie in den Psalmen zusammen. Es sind Gottes Gedanken, die ER über uns hat, eingepackt in eine wunderschöne Sprache.

Was mich immer wieder sehr traurig macht, ist, wenn als Argument gebraucht wird, dass die Bibel dort, wo sie besonders schöne, lyrische Sprache verwendet, weniger ernst, weniger wörtlich genommen werden solle. Da muss ich mich dann doch fragen, ob ein Liebeslied, das jemand seiner Frau schreibt, deshalb weniger ernst zu nehmen ist? Ich glaube nein.

Die Psalmisten denken und fühlen ganz stark. Wenn ich da in Psalm 42 lese: Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele, o Gott, nach dir! (Ps 42:2), dann gehe ich zunächst einmal nicht davon aus, dass das eine Übertreibung oder ein rhetorisches Stilmittel ist, sondern die Korachiten, die diesen Psalm schrieben, wirklich einen immensen Durst nach Gott hatten. Einen Durst, der sich womöglich sogar physisch bemerkbar machte.

Doch sind die Psalmen nicht nur voll von Gefühlen und Gedanken – sie schreien geradezu danach, ausgesprochen, gesungen, aufgesagt zu werden. Und ich bin überzeugt, dass hier auch einer der Gründe für eine schöne Sprache der Psalmen liegt. Sie wollen so sein, dass man sie sich gut merken kann, um sie immer wieder im Alltag anzuwenden. Die Psalmen wollen, dass wir sie uns selbst immer wieder zusprechen.

Das finden wir auch an manchen Stellen, wie etwa in Psalm 103: Von David. Lobe den HERRN, meine Seele, und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! Der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen; der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit; der dein Alter mit Gutem sättigt, dass du wieder jung wirst wie ein Adler. (Ps 103:1-5)

David spricht hier zu sich selbst und hält seiner Seele die Versprechen Gottes vor, immer wieder. Und genau das ist für uns auch so wichtig. Dass wir unserer Seele die Vergebung Gottes zusprechen. Die Heilung Gottes zusprechen. Die Gnade Gottes zusprechen. Wie oft sind wir zu uns selbst gnadenlos – und wundern uns dann, wenn Zweifel aufkommen? Wie oft benehmen wir uns zu unserer Seele so, als wären wir unsere ärgsten Feinde?

Doch dann gehen die Psalmen auch weit über unser eigenes Wohlbefinden hinaus. Sie gehen hinaus ins Weltall, welches in die Psalmen mit einstimmt: Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündigt das Werk seiner Hände. Es fließt die Rede Tag für Tag, Nacht für Nacht tut sich die Botschaft kund. Es ist keine Rede und es sind keine Worte, deren Stimme unhörbar wäre. Ihre Reichweite erstreckt sich über die ganze Erde, und ihre Worte bis ans Ende des Erdkreises. Er hat der Sonne am Himmel ein Zelt gemacht. Und sie geht hervor wie ein Bräutigam aus seiner Kammer und freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen. (Ps 19:2-6)

Das ganze Weltall mit allem, was darin ist, stimmt in das Lob Gottes und in den Ruf mit ein, der an die ganze Welt ergeht: Singt dem HERRN ein neues Lied, singt dem HERRN, alle Welt! Singt dem HERRN, preist seinen Namen, verkündigt Tag für Tag sein Heil! Erzählt unter den Heiden von seiner Herrlichkeit, unter allen Völkern von seinen Wundern! Denn groß ist der HERR und hoch zu loben; er ist furchtbar über alle Götter. Denn alle Götter der Völker sind nichtige Götzen; aber der HERR hat die Himmel gemacht. Pracht und Majestät sind vor seinem Angesicht, Stärke und Herrlichkeit in seinem Heiligtum. Bringt dar dem HERRN, ihr Völkerstämme, bringt dar dem HERRN Ehre und Lob! (Ps 96:1-7)

Sei gesegnet!

Das krasseste Gebet der Psalmen

Eins hat mich die fast zweijährige Zeit mit den Psalmen gelehrt: Es gibt sooooo viele unterschiedliche Psalmen. Ich hatte lange das Vorurteil, dass Psalmen immer so ein ähnliches Schema haben, aber in Wirklichkeit sind sie sehr verschieden. Man findet echt für jeden Moment, für jede Gefühlslage, für jede Begebenheit einen Psalm.

Viele Psalmen beginnen einfach mit Gebet oder mit dem Hinweis auf den Autor und die Melodie. Zwischendurch gibt es aber auch welche, die einen Hinweis geben auf den Moment, in welchem sie geschrieben wurden. So etwa jener Psalm, den ich heute etwas näher ansehen möchte. Hier (Link) habe ich die Situation und den Psalm vor einiger Zeit als Gedicht verarbeitet.

Der Schlüssel zu Gottes Herz

In dem Psalm, welchen er in dieser Situation schrieb, machte König David eine Aussage, die das krasseste Gebet der Psalmen, vielleicht sogar der ganzen Bibel sind. Ja, am Kreuz betete der Herr Jesus auch ein sehr krasses Gebet, ER betete für Seine Feinde, die Ihn ans Kreuz nagelten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Ich bin mir unschlüssig, welches der zwei Gebete ich krasser finden soll. In gewisser Weise sind sie sich ähnlich.

Davids Psalm enthält einen Schlüssel, der uns zum Herzen Gottes führt: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten. (Psalm 51:19) Davor und danach hat sich David länger darüber ausgelassen, dass Gott eigentlich nicht so sehr an den Schlachtopfern interessiert ist. Ja, sie gehörten zum regelmäßigen, alltäglichen Gehorsam in der Zeit des Alten Testaments mit dazu. Sie waren ein Weg, mit dem Gott den Menschen zeigen wollte, dass Sünde etwas Schreckliches ist, was nur mit Blut und mit dem Leben eines perfekten Opfertiers, das man aufgezogen hat, für das man gesorgt hat, mit dem man einen persönlichen Preis bezahlt.

Mehr als mechanischer Gehorsam

Aber das Eigentliche, das, wonach sich Gottes Herz sehnt, ist nicht so sehr ein mechanischer Gehorsam. Der mechanische Gehorsam ist ganz klar immer noch besser als gar kein Gehorsam. Und trotzdem:

Der krasseste Moment im Leben eines Christen ist, wenn er zu Gott schreit: Herr, zerbrich mich! Nimm mich, forme mich, mach mein Herz von Herzen gehorsam, nicht mechanisch sondern aus Liebe zu DIR.

Und ich bin überzeugt: Wenn viele Menschen zugleich dieses Gebet neu entdecken, dann ist so vieles möglich. Dieses Gebet bedeutet gerade nicht: Herr, ich will meine Gaben und meine Persönlichkeit aufgeben und nur noch einen kleinen Bruchteil meines früheren Lebens. Im Gegenteil: Es bedeutet, dass Gott deine Kreativität und dein Wissen, deine Fähigkeiten und deine Gefühle nehmen darf und sie in etwas Neues verwandeln.

Es ist ein Leben, von dem Gott verspricht: Oder meint ihr, die Schrift rede umsonst? Ein eifersüchtiges Verlangen hat der Geist, der in uns wohnt; umso reicher aber ist die Gnade, die er gibt. Darum spricht er: »Gott widersteht den Hochmütigen; den Demütigen aber gibt er Gnade«. […] Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen. (Jakobus 4:5-6.10)

Gestillte Seele aus Gott

Interessant ist, dass König David mit den Jahren gelernt hat, diese innere Unruhe zu stillen und gegen seine Sünde anzukämpfen. So konnte er in einem anderen Psalm schreiben: Ein Wallfahrtslied. Von David. O HERR, mein Herz ist nicht hochmütig, und meine Augen sind nicht stolz; ich gehe nicht mit Dingen um, die mir zu groß und zu wunderbar sind. Nein, ich habe meine Seele beruhigt und gestillt; wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter, wie ein entwöhntes Kind ist meine Seele still in mir. Israel, hoffe auf den HERRN von nun an bis in Ewigkeit! (Psalm 131)

Ich habe meine Seele beruhigt, sagt David. Er hat Demut gelernt und Gott hat ihn erhört und erhöht. David hat gelernt, seiner Seele das Evangelium zu predigen. Vieles von dem, was uns zu schaffen macht, sind Dinge, die wir verdrängen. Ich darf in meinen Zeiten des Coachings (Link) auch vieles verarbeiten, wovon ich nicht dachte, dass es mir noch so sehr zu schaffen macht. Du darfst deiner Seele Gottes Gnade zusprechen und selber auch gnädig mit dir sein. Ein zerschlagenes Herz und ein zerbrochener Geist sind das ideale Material, mit dem Gott arbeiten kann.

Sei gesegnet!

Weg mit den Rachepsalmen?

In den Psalmen wird nicht nur gebetet, geklagt, gedankt. Manchmal geht es so richtig ans Eingemachte. Manchmal sind die Psalmen heftiger und schrecklicher als wir uns auch nur zu denken wagen. Manchmal haben sich Psalmisten ganz besondere Lynchmethoden für ihre Feinde ausgedacht, die eher an „Texas Chainsaw Massacre“ erinnern als an Lobpreissongs.

23 Ihr Tisch vor ihnen soll zur Schlinge werden und zum Fallstrick den Sorglosen! 24 Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht mehr sehen, und ihre Lenden sollen allezeit wanken. 25 Gieße deinen Grimm über sie aus, und die Glut deines Zorns erfasse sie; 26 ihre Wohnstätte soll verwüstet werden, und in ihren Zelten wohne niemand mehr!

(aus Psalm 69)

oder

7 O Gott, zerbrich ihnen die Zähne im Maul; HERR, zerschmettere den jungen Löwen das Gebiss! 8 Lass sie zerrinnen wie Wasser, das sich verläuft! Legt er seine Pfeile an, so seien sie wie abgeschnitten! 9 Sie sollen sein wie eine Schnecke, die dahingeht und zerfließt, wie die Fehlgeburt einer Frau, welche nie die Sonne sah!

(aus Psalm 58)

Wer sucht, wird noch eine Reihe mehr davon finden.

Was machen wir damit?

Wer sind unsere Feinde? Es gibt hierauf eine doppelte Antwort. Wenn du keine menschlichen Feinde hast, die dir etwas so Schlimmes antun, dass du dich danach sehnst, so zu beten, dann sei dankbar. Aber versuche nicht, diese Psalmen weg zu erklären oder aus deinem Gedächtnis zu streichen. Wir haben sie nötig.

tl:dr Wenn wir die Rachepsalmen wegerklären oder auslassen, berauben wir die Menschen, die Schlimmes durchmachen, an Worten und Gebeten und zwingen sie dazu, das Leid in sich hineinzufressen. Der Doppelpunkt der Rachepsalmen ist immer: Die Rache gehört Gott. Wir geben sie an Ihn ab, der gerecht richtet.

Wenn ich daran denke, was viele Menschen in ihrem Leben durchgemacht haben, wie viele Frauen schon als junge Mädchen darauf getrimmt wurden, wie „normal“ es angeblich sei, dass Männer und ältere Verwandte mit ihren Körpern tun dürfen was ihnen gefällt, was es für angeblich „normale“ „Spiele“ gibt, die sie daran gewöhnen, andere an ihre intimen Bereiche fassen zu lassen, wenn ich bedenke, wie viele schon früh sexuell missbraucht wurden und werden, oder wenn Menschen zur Prostitution gezwungen werden, dann verstehe ich auch, wo diese Psalmen ihren Platz in unserer Zeit haben.

Die Rachepsalmen sind kein Freibrief für Selbstjustiz. Sie sind Gebete, die Gott darum bitten, gerecht zu sein und ihnen und ihren Widersachern Recht und Gerechtigkeit zu geben. Sie sind legitime Gebete für Menschen in Ausnahmesituationen. Interessant ist, dass Jesus am Kreuz keinen Rachepsalm gebetet hat. Im Gegenteil – ER betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Jesus wusste, dass die Menschen, die Ihm das antaten, von einem Höheren angestiftet wurden.

Der ultimative Feind

Jesus wusste, dass der ultimative Feind nicht der Mensch ist, der etwas Böses tut. Der Mensch ist zwar für seine Taten verantwortlich und wird von Gott dafür zur Rechenschaft gezogen, aber wie Paulus schreibt: Unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte Satans. (vgl Epheser 6:10ff)

Und hier komme ich zur zweiten Antwort. Der ultimative Feind ist nicht der Mensch, sondern der gefallene Engel Luzifer, der als zweithöchstes Wesen den Platz Gottes einnehmen wollte und stattdessen zum Verkläger und Durcheinanderbringer der Menschen wurde, sie zum Ungehorsam und allen Arten von Übeln anstiftet. Deshalb haben die Rachepsalmen auch eine geistliche Ebene.

Am Ende wird dieser Widersacher tatsächlich in einem Akt, der durchaus aus einem der Texas Chainsaw Massacre Teilen stammen könnte, vernichtet – aber in Ewigkeit. Ohne Ende. Die Hölle, der Ort, an welchem Gott alles Gute entzieht und nur noch den Zorn zeigt, wird für den ultimativen Feind und alle seine Helfershelfer bereitet. Wie eine Schnecke, die in der Sonne austrocknet und nach Feuchtigkeit lechzt – doch ohne ein Ende in Sicht. Da ist dann die ultimative Gerechtigkeit für den ultimativen Feind, nach der sich die Psalmisten sehnen.

Vom Segen des Coachings

Liebe Leser, ich möchte euch heute auf eine persönliche Reise mitnehmen. Seit Anfang diesen Jahres bin ich in einem Coaching-Prozess, das heißt, ich werde gecoacht. Und dazu muss ich sagen, dass es unheimlich wertvoll ist für mich.

Wie kam es dazu? In vielen Bereichen meines Lebens habe ich mir vieles selbst angeeignet und auch selbst aneignen müssen. Ich habe sehr viele Interessen, Hobbies, spannende Themen, die ich „irgendwann mal noch machen möchte“. Vor etwa drei Jahren war ich irgendwo vor einem Burnout und habe die Reißleine gezogen, bevor mehr passieren konnte. Letztes Jahr gab es gewisse Gefühle eines Deja-vu, die mir klar machten: Jetzt muss was passieren. Ich muss lernen, meine Grenzen zu erkennen, zu akzeptieren, zu kommunizieren und Strategien für die Zukunft aufzubauen, die mir helfen, langfristig gesund zu bleiben.

Wenn ich so auf die ersten fünf Monate des Prozesses zurückblicke, sehe ich, dass ich in der kurzen Zeit schon viel stärker wachsen durfte als sonst in 2-3 Jahren. Das kommt vor allem auch davon, dass jetzt endlich die richtigen Fragen gestellt werden. Ich bin ja recht gut im Lösungen finden, zu allen möglichen Themen und Fragen. Aber eben – genau auf die richtigen Fragen kommt es an. In vielem ging ich davon aus, dass ich die richtigen Fragen stelle – was sich inzwischen aber oft als ineffizient herausstellt. Ich habe beispielsweise das Coaching mit dem Gedanken gestartet, dass ich noch bessere Strategien und durchgeplantere Abläufe in meinem Alltag brauche, um dann noch mehr in weniger Zeit zu schaffen. Wie gut, dass ich da lernen durfte, dass es auf anderes noch mehr ankommt.

Besonders hilfreich ist, dass das Coaching durch gute Aufgaben ergänzt wird, die über die jeweilige Session hinausgehen. Lesestoff, praktische Übungen zur Umsetzung im Alltag, Fragen zum weiter nachdenken, und so weiter.

Wann ist Coaching wichtig?

Grundsätzlich möchte ich aus meiner bisherigen Erfahrung sagen: Es kann immer und in jedem Lebensabschnitt hilfreich und wertvoll sein. Es würde den meisten Menschen gut tun, hin und wieder eine Art Lebens-TÜV zu machen, um zu sehen, in welchen Bereichen weiteres persönliches Wachstum dran ist. Und da muss ich sagen, dass ich es auch ein Stück weit bereue, das nicht schon vor zehn Jahren gemacht zu haben.

Aber spätestens wenn es immer wieder Konflikte gibt, die sich zuspitzen, statt dass sie die betroffenen Menschen stärken, oder wenn sich jemand ständig kraftlos und vom Leben überfordert fühlt, dann ist es wichtig, sich Hilfe ins Boot zu holen. Und zwar gilt hier: Je früher, desto weniger Aufwand wird nötig sein, um festgefahrene Verhaltensmuster wieder zu lösen.

Etwas ganz Persönliches

Coaching ist etwas ganz Persönliches, deshalb ist Vertrauen eine ganz wichtige Grundlage. Ich habe das Glück, dass ich meine Coachin Judith Müller schon länger kenne und es mir deshalb leicht fällt mit dem Vertrauen. Ich kann sie unbedingt weiter empfehlen. Wichtig ist immer, dass es für beide Seiten stimmt. Deshalb nimm dir genügend Zeit, um heraus zu finden, was du erreichen möchtest und wer da am besten helfen kann.

Eine Schwierigkeit kommt jedoch hinzu, nämlich dass Coach in Deutschland keine geschützte Bezeichnung ist. Jeder kann sich so nennen, und das wird auch häufig ohne entsprechendes Fachwissen und Ausbildung gemacht. Deshalb lohnt es sich, schon vor dem ersten Gespräch nach der Ausbildung, der Vereinigung, mit welcher der Coach zusammen arbeitet wird, den Methoden im Coachingprozess und so weiter zu fragen.

Ich möchte mit einem Zitat aus einer der mir im Coaching empfohlenen Literatur schließen:

Freunde dich mit deinen Bedürfnissen an. Heiße sie willkommen. Sie sind ein Geschenk Gottes, dazu geschaffen, um dich in eine Beziehung mit Sich Selbst und mit Seinen sicheren Menschen [„safe people“] hinein zu ziehen. Deine Bedürfnisse sind die Heilung für die Sünde der Selbstgenügsamkeit.“

(John Townsend, Henry Cloud, Safe people, S. 67, eigene Übersetzung)

Falls noch weitere Fragen bestehen, lasst gerne einen Kommentar da!

40 Jahre nach Francis Schaeffers Todestag – was bleibt? und Rückblick

Nun ist drüben auf der Seite von E21 (Link) auch mein Gastbeitrag zu Francis Schaeffer erschienen. Hier ein kurzer Auszug.

Ein besonders eindrücklicher Schlüsselmoment im Leben von Francis Schaeffer war sein Umgang mit seiner Glaubenskrise. Es war um 1951/52 herum, als er merkte, wie wenig von Gottes Realität in der Christenheit übrig geblieben war. Wie sich alles nur noch um Rechthaberei oder liberale Theologie drehte. Die einen wollten Wahrheit in den Mittelpunkt stellen und vergaßen dabei die Liebe zu den Menschen; die anderen hoben die Liebe hoch und machten dafür Kompromisse mit Gottes Wort. Francis Schaeffer wanderte längere Zeit immer wieder allein in die Berge oder ging auf dem Heuboden auf und ab. Er betete, rang mit Gott und sich selbst – und ging alle Gründe noch einmal neu durch, weshalb er damals Christ geworden war.

Dieser Umgang mit Glaubenskrisen sollte für unsere Zeit zum Vorbild werden. Weniger Ablenkung, mehr Ringen, mehr Fragen, mehr den Zweifeln nachgehen. Ungelöste Zweifel führen zu einem unangenehmen inneren Grundgefühl, welches über längere Dauer zu einer Abneigung gegen den Glauben wird. Als Verantwortliche in Gemeinden und Jugendarbeit ist es entscheidend, dass wir Zweifel nicht verteufeln, sondern als ganz normalen Teil des Menschseins verstehen und den Betroffenen helfen, der Wahrheit Gottes auf den Grund zu gehen. Leider werden solche Zweifel in unserer Zeit viel zu schnell abgetan oder verdrängt, unter den Teppich gekehrt, wo sie weiter gären und wachsen. Für die damalige Nachkriegsgeneration wurde L’Abri zu einer Auffangstation, einer Zuflucht für Menschen mit solchen Krisen. Ihnen wurde geholfen, alle Grundlagen des Lebens neu zu durchdenken. Durch die geradezu pandemische Ausbreitung dieser Zweifel wäre es nötig, dass an jedem Ort ein solches L’Abri entstünde.“

Wer weiterlesen möchte, hier nochmal der Link:

https://www.evangelium21.net/media/4278/40-jahre-nach-francis-schaeffer-was-bleibt

Rückblick:

Rückblickend bin ich sehr dankbar für diese Serie, die dieses Jahr zu Schaeffer entstanden ist. Es ist wichtig, dass das nicht vergessen geht, was er aufgebaut hat, sondern dass vielmehr von ihm gelernt wird.

Hier noch einmal die Beiträge:

Mein Einstieg in die Serie:

https://blog.jonaserne.net/francis-a-schaeffer-serie-zum-40-todestag/1378/

Gastbeitrag von Pfarrer Beat Laffer-König, der unter Schaeffer studierte:

https://blog.jonaserne.net/gastbeitrag-francis-a-schaeffer-zu-seinem-40ten-todestag-2024/1380/

Pastor Kai Kreienbring, der zeigt, wie relevant Schaeffer für unsere Zeit ist:

https://blog.jonaserne.net/gastbeitrag-zu-francis-schaeffer/1382/

Carolin Schmitt, die mit dem Verein BASISlager Karlsdorf-Neuthard eine Art neues L’Abri gründete:

https://blog.jonaserne.net/gastbeitrag-edith-und-francis-schaeffer-ein-leben-das-spuren-hinterlaesst/1384/

Das Interview mit Ellis H. Potter, welcher sich in L’Abri bekehrte und lange Zeit dort mitarbeitete:

https://blog.jonaserne.net/interview-mit-ellis-potter-ueber-francis-schaeffer-und-labri/1389/

Marcel Haldenwang, der sein persönliches Gemeindeerleben durch Schaeffers Schriften reflektiert:

https://blog.jonaserne.net/gastbeitrag-persoenlicher-bezug-zu-francis-a-schaeffer/1391/

Uwe Brinkmann, welchem die Schriften von Schaeffer halfen, seinen Glauben nicht dekonstruieren zu müssen:

https://www.brink4u.com/2024/05/14/zum-40-todestag-von-francis-a-schaeffer-1912-1984-eine-persoenliche-reflexion/

Und schließlich noch mein E21-Beitrag, in welchem ich noch einmal ganz allgemein die Relevanz des Lebens und Schaffens der Schaeffers für unsere Zeit bespreche:

https://www.evangelium21.net/media/4278/40-jahre-nach-francis-schaeffer-was-bleibt

An dieser Stelle herzlichen Dank allen, die mitgewirkt haben.

Viel Segen bei der Lektüre!

Gastbeitrag zum 40. Todestag von Francis Schaeffer

Uwe Brinkmann hat auf seinem Blog (Link) seinen Gastbeitrag zu Francis Schaeffer veröffentlicht.

Kurzer Auszug:

Dass jemand, der die Bibel ernst nahm [1] und das Thema Weltmission [2] und Gemeinde [3] als Herzensanliegen verteidigte, sich gleichzeitig mit philosophischen Fragen beschäftigte [4] und sich „sogar“ mit Fragen der Kunst [5] und des Umweltschutzes auseinandersetzte [6] … –, das war für mich geradezu unerhört. Francis Schaeffer wurde in meinen frühen 20-ern zu einer wahnsinnig starken Ermutigung, die ganze geschöpfliche Wirklichkeit als die eine Welt Gottes zu verstehen und mein Leben nicht in einen religiösen und weltlichen Teil aufzuspalten.“

Herzliche Einladung, den Rest seines Beitrags im Original zu lesen:

https://www.brink4u.com/2024/05/14/zum-40-todestag-von-francis-a-schaeffer-1912-1984-eine-persoenliche-reflexion/

Gastbeitrag: Persönlicher Bezug zu Francis A. Schaeffer

von Marcel Haldenwang

Jonas Erne hat mich gebeten, anlässlich des 40. Todestages von Francis A. Schaeffer mit wenigen Worten darzulegen, was Schaeffer für mich persönlich bedeutet.

Man muss nicht alle seine ideengeschichtlichen Linien für plausibel halten – und sicher hat er hier und da bei seinen geistesgeschichtlichen Bezügen zumindest „didaktisch reduziert“, vielleicht auch unzulässig vereinfacht –, man muss auch den Verlust des gesellschaftlichen Einflusses durch Christen nicht wie er bedauern, aber eines ist für mich klar: Schaeffer hat wie kein Zweiter die Anfechtungen der Gläubigen durch das post-christliche Zeitalter und die Postmoderne vorweggenommen und darunter gelitten. Und ich verdanke Schaeffer an zwei Stellen meiner geistlichen Biografie entscheidende Impulse.

Der Bitte von Jonas komme ich daher gern nach und habe Schaeffer zu Ehren bereits vor einigen Jahren meinen Youtube-Kanal nach seinem Bestseller „Gott ist keine Illusion“ benannt.

Wir schreiben das Jahr 2017: Francis A. Schaeffer und die Gesetzlichkeit

Schon länger litt ich an der gesetzlichen Verengung meiner Glaubensgemeinschaft und Ortsgemeinde. Vergeblich hatte ich seit langer Zeit für das Thema zu sensibilisieren versucht. Doch Anachronismen wie die nach Geschlechtern getrennte Sitzordnung wurden verteidigt, als ginge es darum, die Jungfrauengeburt oder leibliche Auferstehung Jesu zu verteidigen. 2017 versuchte ich meinem Anliegen durch ein mehrseitiges Essay zum Thema Gehör zu verschaffen, blieb aber, wie es schien, unerhört. Schließlich sah ich mich genötigt, mit meiner Familie in der fünften (!) Generation meine Glaubensgemeinschaft und Ortsgemeinde zu verlassen. Damit einher gingen, wie ihr euch vorstellen könnt, der Verlust meiner Haltegruppe sowie Anfechtungen, ob meine Analyse richtig gewesen oder ob ich übers Ziel hinausgeschossen war.

Ich verschlang viele Bücher zum Thema und stieß dann bei Francis A. Schaeffer in bereits genanntem Buch auf einen Brief, den ein Student an Schaeffer gerichtet hatte. Darin schreibt der Student, dass seines Erachtens viele junge Leute aus frommen Familien in die Fänge der liberalen Theologie geraten seien, weil man sie nicht darüber aufgeklärt habe, was die absoluten Maßstäbe des Wortes Gottes und was lediglich Überbleibsel aus der Zeit des Viktorianismus seien. So hätten seine Kommilitonen geglaubt, die kleinbürgerlichen Normen und den Viktorianismus nur hinter sich lassen zu können, wenn sie auch die absoluten Maßstäbe des Wortes Gottes aufgäben und die Orthodoxie verließen. Schaeffer mahnt im Anschluss an diesen Brief seine Leser eindringlich, das Haus aufzuräumen statt es niederzubrennen.1 Diese Metapher traf mich wie der Blitz, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen: Hatte ich nicht genau diesen Aufruf vernommen und versucht das Haus meiner Glaubensgemeinschaft aufzuräumen, damit es die nachrückende, akademisch gebildete Jugend nicht eines Tages niederreißen würde? Hatte ich nicht versucht zu sortieren, was bloße Tradition und durchaus veränderbar sein könnte und welche Überzeugungen und Lehrauffassungen zu den unveränderlichen Wahrheiten eines unwandelbaren Gottes gehörten?

Einige Zeit später stieß ich auf das Buch „Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts“, wo Schaeffer unter der Überschrift „Freiheit und Form“ seine Gedanken zum Thema exzellent weiter entfaltet:

Es gibt Form, und es gibt Freiheit. … Worum es mir in erster Linie geht, während wir dem Ende des 20. Jahrhunderts zugehen, ist einerseits, dass die … Kirche einen festen Platz hat und dass sie die Form einhalten sollte, die Gott geboten hat, dass uns aber anderseits ein weiter Spielraum für Veränderungen bleibt. Ich behaupte, dass wir Menschen nur mit eindeutigen Geboten der Schrift moralisch binden dürfen (dass wir darüber hinaus nur Ratschläge geben dürfen), dass wir ebenso in allen Bereichen, in denen das Neue Testament der Kirche keine Form vorschreibt, Freiheit genießen, die wir unter der Leitung des Heiligen Geistes ausüben sollen, um unserer besonderen Zeit und unserem speziellen Ort gerecht zu werden. … Mit anderen Worten: Das Neue Testament steckt gewisse Grenzen ab, aber innerhalb dieser Grenzen gibt es genügend Freiheit, sodass wir uns verschiedenen Orten und verschiedenen Zeitaltern anpassen können. … Wir müssen reden, wo die Schrift geredet hat. Wir müssen aber beachten, dass wir ebenfalls ihr Schweigen respektieren müssen. Innerhalb jeder Form gibt es Freiheit. … Gott hätte ja der Apostelgeschichte noch ein Kapitel anfügen und viel mehr Einzelheiten mitteilen können. Er hat es nicht getan. Und wir können doch nicht sagen, dass sich die Bibel irrt. Wir müssen glauben, dass nicht nur das, was uns gesagt ist, nach Gottes Willen und Inspiration letzte Gültigkeit besitzt, sondern auch, dass wir da, wo Gott schweigt, unter der Leitung des Heiligen Geistes Freiheit haben. Wenn die Kirche in einer sich wandelnden Zeit von ihrer Freiheit Gebrauch macht, dann wird es Kirchen geben, bis Jesus wiederkommt. Aber wir dürfen nicht zufällige historische Umstände oder behagliche soziologische Gegebenheiten aus der Vergangenheit mit Gottes absoluten Werten gleichsetzen, … Ist es nicht so, dass wir bibelgläubigen [sic] Christen oft gerade dann nicht mehr bibelgläubig sind, wenn wir soziologische Verhältnisse mit Gottes absoluten Werten gleichsetzen? Und ich bin überzeugt, dass das viele von euch unentwegt tun. Dadurch entsteht der Geruch der Verwesung, über den sich so viele Leute beklagen. Die ist die Wurzel eines großen Teils der Verwirrung in unseren christlichen Schulen und Kirchen: Man sieht nicht den Unterschied zwischen Gottes absoluten Werten und jenen Dingen, die lediglich ein Produkt historischer Zufälle sind. Ich habe den Vorteil, dass ich in vielen Ländern arbeite und gesehen habe, dass gottesfürchtige Menschen durch historische Gegebenheiten zu völlig unterschiedlichen Formen der Kirche geführt worden sind. Dasselbe gilt für verschiedenen Zeiten. Es hat Zeiten gegeben – besonders z. B. die Anfangszeit des Christentums –, in denen sich die Gemeinde nur in Privathäusern versammelte. Wer sich von Ihnen heute in einem schönen Kirchengebäude versammeln kann, der sollte Gott danken, dass Gott der Gemeinde entsprechend ihrer [sic] Bedürfnisse ein solches Gebäude geschenkt hat. Dieses Gebäude dürfen sie aber nicht mit einem absoluten Wert verwechseln. Verwechseln Sie nicht die Kirche mit einem Kirchengebäude. Das mag bis auf die Grundmauern niederbrennen. Aber die Zerstörung des Gebäudes zerstört nicht die Kirche. Es gab eine Zeit, in der sich die Kirche im Haus von Priska und Aquila versammelte. War diese Kirche deshalb weniger wert? Natürlich nicht. Aber das zeigt doch nur, dass der Heilige Geist zu verschiedenen Zeiten frei ist, verschieden zu führen. … Wir haben also Form und Freiheit. … Die Kirche soll bestehen, bis Jesus wiederkommt. Aber es muss ein Gleichgewicht zwischen Form und Freiheit geben, sowohl im Bereich der Gemeindeordnung, [sic] als auch in der praktizierten Gemeinschaft innerhalb der Kirche. Und es muss Freiheit unter der Leitung des Heiligen Geistes geben, das zu verändern, was verändert werden muss, damit die Kirche an ihrem Ort und zu ihrer Zeit veränderten Situationen gerecht werden kann. Andernfalls, glaube ich, wird die Kirche nicht als lebendige Kirche weiterbestehen können. Dann werden wir verknöchern und Christus aus der Kirche ausschließen. Dann werden seine Herrschaft und die Leitung des Heiligen Geistes leere Worte werden. Wir wollen dankbar sein, dass die Bibel uns eine bestimmte Form nennt. Dann müssen wir aber auch sorgfältig darüber wachen, dass wir uns nicht an unbiblische Formen binden, an Formen, die uns eine liebe Gewohnheit geworden sind, die aber in der Kirche des Herrn Jesus Christus keinen absoluten Rang haben. Abgesehen von den eindeutig festliegenden biblischen Normen, [sic] ist in der Ordnung und Arbeit der Kirche jede andere Einzelheit offengelassen, sodass sich die Kinder Gottes unter der Leitung des Heiligen Geistes darüber einigen können.2

Spätestens nach der Lektüre dieser Passagen war ich gewiss: Mein Dienst war zwar abgelehnt worden, aber mein Ansinnen hatte das Wohlwollen meines Herrn gefunden; wir waren nicht auf Abwegen und Gott würde uns als Familie nicht allein lassen auf der Suche nach einer neuen geistlichen Heimat!

Wir schreiben das Jahr 2022: Francis A. Schaeffer und die liberale Theologie

Die fanden wir dann auch nach einer mühsamen Odyssee durch unterschiedliche Gemeinden auf der Suche nach einer bibeltreuen. Die Geschwister einer „freien Brüdergemeinde“ in der Nachbarstadt nahmen uns schließlich herzlich auf, vertrauten uns schon bald verantwortungsvolle Aufgaben an, und mit Siegfried L. wurde mir ein echter väterlicher Freund und Vater in Christo geschenkt. Durch ihn wurden wir auch mit der Arbeit des Gideonbundes bekannt gemacht und schon bald Gideon-Mitglieder und Truckermissionare – ein Dienst, der mir schon lange am Herzen gelegen hatte, den ich aber auf eigene Faust nicht zu beginnen gewagt hatte.

Leider machte der geistliche Kampf auch in der neuen Glaubensgemeinschaft nicht lange Pause. Wir hatten uns gerade von der zurückliegenden Kontroverse um die (mutmaßliche) gesetzliche Verengung und dem Verlust unserer geistlichen Heimat erholt, als zur Dillenburger Konferenz der neuen Glaubensgemeinschaft im Jahr 2022 ein Gastreferent geladen wurde, der – akademisch verbrämt, aber unübersehbar – den Sühnungstod Jesu relativierte. Auch jetzt, beim Kampf an der entgegengesetzten Front, wo es dem Einbruch der liberalen Theologie zu wehren galt, war ich angesichts heftiger Gegenrede bisweilen verzagt und mir unsicher, ob ich ein Mandat Jesu besaß für diesen Kampf.

Da stieß ich beim Lesen einer Spurgeon-Biografie mit dem Titel „Spurgeon, wie ihn keiner kennt“ auf die von ihm mit seinem Baptistenbund ausgefochtene Downgrade-Kontroverse, bei der es auch bereits um den Einbruch von Bibelkritik, Allversöhnung und der Leugnung des Sühnungstodes ging. Ich sah sofort manche Parallelen zu den „Freien Brüdern“, die zunehmend offensichtlich auch keine Probleme damit hatten, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die bibelkritisch oder allversöhnlich waren oder gar den Sühnungstod Jesu relativierten. Ein Freund, der darum wusste, in welch schwerer See ich gerade unterwegs war, schrieb mir, dass auch Schaeffer bei seiner Auseinandersetzung mit solchen Angriffen auf den Kern des christlichen Glaubens Anleihen genommen hatte bei der Downgrade-Kontroverse. Die Tonaufnahmen, auf die er mich verwies, waren mir im Jahr 2022 eine große Hilfe und geistliche Stärkung.3

Mir gab zu denken, wenn auch Schaeffer sagt,

– dass der Konflikt ein alter ist und anhalten wird bis zur Wiederkunft Jesu,

– dass auch renommierte Namen vor Verführung nicht schützen,

– dass viele entgegen ihrer Erkenntnis in unseligen Jochgemeinschaften verbleiben,

– dass gemeinsame Evangelisation oft das Einfallstor für kompromittierende theologische Jochgemeinschaft ist,

– dass das Ringen um Reinheit der sichtbaren Kirche es evtl. erfordert, eine liebgewonnene Glaubensgemeinschaft zu verlassen,

– oder dass Kompromisse die nächste Generation in Gefahr bringen u. v. a. m.

Ich fühlte mich durch Schaeffer und Spurgeon gewissensmäßig vor die Wahl gestellt, in eine Gemeinde zu gehen, wo man ungestraft Gemeinschaft haben darf mit Leuten, die Fragen der Kategorie 1 (Sühnungstod) relativieren, oder aber in eine Gemeinde zurückzukehren, die wir 2017 verlassen hatten, weil wir glaubten, dass dort unwichtigen Gewissensfragen ein zu hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Wir kamen zu dem Entschluss, dass die Gemeinde vorzuziehen ist, wo man sensibel dafür ist, dass auch Verbindung mit Irrlehre beschmutzt. Meine Frau und ich kehrten daher Anfang 2023 nach großen geistlichen Kämpfen in unsere vormalige Glaubensgemeinschaft zurück; Corona hatte zumindest in Bezug auf die Sitzordnung zu einer Auflockerung der anachronistischen Form geführt.

Wir schreiben das Jahr 2023: Francis A. Schaeffer und die heutigen Bibelschulen

Erst in den vergangenen Herbstferien las ich Schaeffers letztes Buch, das er – bereits schwer gezeichnet von seiner Krebserkrankung – in dem Jahr herausbrachte, das sein Todesjahr sein würde: „Die große Anpassung. Der Zeitgeist und die Evangelikalen“.

Abermals stellt Schaeffer präzise und mit Verve heraus, wie entscheidend das Schriftverständnis ist – für ihn neben der Haltung zum Lebensschutz einer der beiden Lackmustests für Bibeltreue –, um als Christ dem Druck des Zeitgeistes etwas entgegenzusetzen.

Als tragisch empfinde ich, dass Stephan Holthaus (zusammen mit dem geschätzten Historiker Lutz von Padberg) noch im Vorwort schrieb:

Die Bibelfrage bleibt die Wasserscheide. Sie wird den weiteren Weg der Evangelikalen bestimmen. Werden sie den Weg vieler Institutionen und Werke gehen, die einflussreich und bibeltreu anfingen, aber bedeutungslos und liberal endeten, oder lassen sie sich zurückrufen zur Irrtumslosigkeit der ganzen Schrift, mit dem sie begannen und das ihnen ihre Existenzberechtigung gab gegenüber allen Ideologien und Theologien unserer Tage?

Die FTH Gießen ist mit ihrer Bibelkritik im Gewand der Bibeltreue und v. a. Armin Baums Hermeneutik leider in genau die Falle der kulturellen Relativierung von Gottes Wort getappt, vor der Schaeffer so hellsichtig gewarnt hatte (vgl. u. a. S. 71).

Fazit: Francis A. Schaeffer und der „christliche Realismus“

Wie man Gemeinde in die Gegenwart transformiert, sodass die inhaltliche Substanz erhalten bleibt, aber glaubensferne Menschen und Christen anderer Prägung auf der Suche nach einer bibeltreuen Gemeinde nicht abgeschreckt werden durch Äußerlichkeiten, treibt mich nach wie vor existentiell um. Francis A. Schaeffer war mir bei diesem Ringen in den vergangenen Jahren sieben Jahren eine große Hilfe. Schaeffer ist mir auch deswegen zu einem großen Glaubensvorbild geworden, weil er nicht nur um Orthodoxie, sondern auch um „Orthopraxis“ rang; ihm war klar, dass Bibeltreue nur dann glaubwürdig vertreten wird, wenn ihre Adepten auch ein Leben in der Nachfolge Jesu führen.

Dabei war er sich der Gefahr bewusst, in der jeder christliche Apologet steht: Man kann in seinem Eifer für die biblische Wahrheit übers Ziel hinausschießen und in die Falle des Rigorismus tappen oder man kann dem Anpassungsdruck nachgeben und faule Kompromisse eingehen. Bemerkenswert finde ich daher, wie er unter der Überschrift „christlicher Realismus“ beiden Reaktionsweisen auf die Beliebigkeit der Postmoderne entgegentritt. Diesen Rat möchte ich uns anlässlich seines 40. Todestages abschließend in Erinnerung rufen:

[Wir brauchen] jeden Tag die Hilfe des Sohnes Gottes, denn aus eigener Kraft schaffen wir es nicht. Wir müssen ihn seine Furcht in uns wirken lassen. Wir können in unserer alten Natur Orthodoxie verkünden, und wir können in unserer alten Natur faule Kompromisse schließen. Unser Auftrag lautet jedoch ganz anders: Wir sollen mit Gottes Hilfe in unserer Generation Gott und sein Wesen sichtbar machen. An uns soll sich zeigen, dass er ein persönlicher, heiliger und liebender Gott ist. Unserer alten Natur nach können wir entweder rechtgläubig oder liebevoll und kompromissbereit sein. Eines aber können wir in unserer alten Natur nicht – wir können nicht gleichzeitig Gottes Gerechtigkeit und Liebe in unserem Leben sichtbar machen: das ist nur durch das Wirken des Heiligen Geistes möglich. Alles aber, was weniger darstellt, ist nicht Abbild Gottes, sondern eine Karikatur Gottes, der existiert.4

1 Vgl. Francis A. Schaeffer, Gott ist keine Illusion. Ausrichtung der historischen christlichen Botschaft an das zwanzigste Jahrhundert (Wuppertal: 1971), S. 181).

2 Francis A. Schaeffer, Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts (21973), S. 73 f., 77, 79-84.

3 https://www.labriideaslibrary.org/IdeasLibraryDatabase/The-Battle-With-Liberalism-In-The-Time-Of-Spurgeon?fbclid=IwAR3jaHJM9Y6xuM-CC48AV1drWnvqB9mb6B3I2QrAQmXa0soM97wgEDAt3Mw

4 Schaeffer, Gott ist keine Illusion, S. 172.

Interview mit Ellis Potter über Francis Schaeffer und L’Abri

Jonas (J): Hallo Ellis, danke für deine Bereitschaft zu einem Interview. Kannst du unseren Lesern etwas zu deinem persönlichen Hintergrund erzählen? Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du ein früherer Mönch im Zen-Buddhismus warst. Wie kamst du da nach L’Abri?

Ellis (E): Ja, ich wuchs in Kalifornien in einer christlichen Familie auf. Und dann begann ich, Fragen zu stellen, welche die Christen nicht beantworten konnten. So dachte ich, dass der christliche Glaube nicht wahr sei. Ich war an den Absoluta des Lebens interessiert und wollte wissen, wie hoch es nach oben geht, wie fern die Ferne geht. Was kommt am Ende des Universums? Die Christen in meiner Umgebung konnten das nicht beantworten. Inzwischen habe ich Christen getroffen, die von der Bibel her Antworten darauf aufzeigen können. Doch damals konnte mir das niemand erklären. So begann ich umherzuschauen, ob irgendwer an den Absoluta des Lebens interessiert war, und ich fand heraus, dass die Zen-Buddhisten sich darüber Gedanken machten. Deshalb las ich einige Bücher über den Zen-Buddhismus und begann zu meditieren und besuchte ein Zen-Kloster in Los Angeles. Nach einer Weile fand ich ein näher gelegenes Kloster in den Bergen, das ich häufiger besuchen konnte. Mit etwa 25 Jahren habe ich dann alles zurückgelassen, alles verkauft und begann im Kloster zu leben. Das Leben im Kloster war sehr streng und diszipliniert. Nach und nach begann ich zu reisen und habe verschiedene Kloster besucht. Irgendwann kam ich auf diesen Reisen nach Europa. Ein Freund, den ich noch aus Kalifornien kannte, reiste mit mir, ein Christ, und wir besuchten verschiedene Kloster. Damals dachte ich, mein Ziel sei Japan, das Zentrum des Zen-Buddhismus. Dieser Freund wollte nach L’Abri, was ich nicht kannte. Er erzählte mir: Das ist eine Gemeinschaft von Christen, die denken. Ich sagte nein, das konnte ich nicht glauben. Als wir zusammen da waren, mochte ich L’Abri überhaupt nicht. Es war alles laut und geschäftig, mit Kindern und Hunden, und die redeten während sie aßen. Ich war das anders gewohnt. Im Kloster ist es ruhig, leise. So ging ich weiter nach Italien, wo ich Tee-Zeremonien kennenlernte. Und Tee, den ich heute noch trinke. Doch nach vier Monaten hatte ich genug von meinen Versuchen, Italienisch zu sprechen und vermisste meinen Freund. So kam ich nach L’Abri zurück.

Bekehrung

J: Und dort hast du dich dann bekehrt?

E: Ja, ich wurde dann dort Student und studierte den Römerbrief durch Vorlesungen, die Schaeffer auf Tonband aufgenommen hatte. Und dann wurde ich Christ. Zum Teil gegen meinen Willen. Ich wollte nicht Christ werden, denn die Christen, die ich kannte, mochte ich nicht besonders. Aber der christliche Glaube wurde überzeugend. Der wichtigste Grund, weshalb ich Christ wurde, war, weil er mir klar wurde. Es braucht weniger Glauben, um an den christlichen Gott zu glauben als an irgend etwas anderes. Eines Abends las ich Schaeffers Buch „Escape from Reason“, und als ich vom Buch aufschaute, hatte das ganze Universum seine Form geändert. Alles hatte einen neuen Fokus. Das war das Wirken des Heiligen Geistes in meinem Leben. Es war eine Mischung aus Logik, Gnade und Gottes Wirken, die mich vom christlichen Glauben überzeugt haben.

J: Das finde ich spannend. Bei einigen Personen, die sich in L’Abri bekehrt haben, las ich, dass auch die Gemeinschaft, das gemeinsame Leben, Gebet, und so weiter etwas war, was sie auch mit überzeugt hat. Wie war das bei dir?

E: Ja, die Gemeinschaft ist ein wichtiges Element von L’Abri. Es ist eine einmalige Art von Gemeinschaft, denn es ist kein Kloster, keine Kirche oder Gemeinde, keine akademische Institution. L’Abri hat sich als Mission gesetzt, eine Zuflucht für alle zu sein, die Zuflucht brauchen. Es ist eine offene Gemeinschaft innerhalb der Grenzen des vorhandenen Platzes. Jeder, der kommt, ist willkommen. Es gibt keine Voraussetzungen, kein Anmeldeformular, kein Ziel, wie die Gemeinschaft geformt werden soll. L’Abri lebt vom Gebet. Eine Art extremes Glaubenswerk. Wenn du in L’Abri mitarbeitest, darfst du keine Spendenaufrufe machen, keine Werbung. Es wird gebetet und auf Gott gewartet. Jeder, der an die Türe klopft, wird als jemand betrachtet, den Gott gesandt hat. Egal, wie alt oder jung jemand war, wie gebildet oder ungebildet. Jeder, der herein kommt, bestimmt durch seine Anwesenheit mit, wie sich L’Abri weiter entwickelt. In gewisser Weise ist L’Abri sehr passiv. Andere Werke haben einen Plan, wie sie sich entwickeln wollen. L’Abri hat keinen Plan. L’Abri ist unstrategisch. Diese Art von Gemeinschaft war für viele Menschen etwas ganz Besonderes. Für mich war Gemeinschaft insofern nichts Neues, da ich aus Klostern schon Ähnliches kannte. Aber für viele war das eindrücklich. Was mich mehr beeindruckt hat, war die Bibel und die tiefe pastorale Fürsorge der meisten Mitarbeiter.

Schaeffer und das 21. Jahrhundert

J: Eine andere Frage: Man hört ja häufig, dass Francis Schaeffer eine prophetische Stimme war, die vieles von dem vorhersah, was inzwischen eingetreten ist oder sich verstärkt hat. Was würdest du dazu sagen?

E: Ja, Francis Schaeffer war sich in der westlichen Kultur sehr bewusst, was um ihn herum ablief. Er konnte Tendenzen sehen, wie sich vieles weiter entwickeln würde. Ein Thema, das er immer wieder ansprach, war die westliche Suche nach dem persönlichen Frieden und Wohlstand. Dass der Hauptpunkt des Lebens sich immer mehr dorthin verlagert, wie es mir geht, mein Selbstbewusstsein, mein psychischer Zustand, meine Stabilität. Alles dreht sich immer mehr um mich selbst. So gibt es weniger Ehen, weniger Familien, weniger Gemeinschaft, und die Gemeinden sind geschwächt und verschwinden, weil der Fokus immer mehr auf das Ich gelegt wird anstatt auf den Anderen. Und ich denke, das war das Zentrale, was Schaeffer sah.

J: Ja, das sehe ich auch immer mehr zunehmen. Was denkst du, wenn die Familie Schaeffer heute, im 21. Jahrhundert in die Schweiz ziehen würden um ein Werk aufzubauen, würden sie etwas anders machen als damals?

E: Ich denke, dass sie im großen Ganzen dieselbe Arbeit aufbauen würden. Allerdings wäre der Zustand der Menschen, die kämen, ein ganz anderer. In der Zeit, als ich in L’Abri mitarbeitete, hatten wir zu einem Zeitpunkt mehrere Menschen mit psychischen Problemen. Es war sehr schwierig zu der Zeit, sie haben die Gemeinschaft etwas gestört und wir waren nicht genügend qualifiziert um mit manchen der Probleme umzugehen. So haben wir uns als Mitarbeiter darüber unterhalten, wie wir damit umgehen sollten. Sollten wir uns schützen, indem wir Schranken aufrichten? Schaeffer sagte etwas, das uns alle schockierte. Er sagte: Wenn uns der Herr nur noch die psychisch Kranken herschickt, dann ist das unsere Aufgabe. Aber wir beteten viel für diese Situation, und ich glaube nach wie vor, dass Gott uns da arg beschützte und dafür sorgte, dass wir nicht überfordert wurden. Dennoch waren fast alle, die kamen, in irgend einer Krisensituation. Menschen mit Veränderungen im Leben. Mit Entscheidungen, die sie treffen mussten. Jüngere Menschen, die gerade ihr Abitur abgeschlossen hatten und mit Fragen kamen, die ihre Eltern und Pastoren nicht beantworten konnten. Menschen, die nach der Schule nicht wussten, welchen Beruf sie wählen sollten. Menschen, die herausfinden mussten, ob der christliche Glaube wirklich wahr ist. Oder Menschen in ihren 40ern und 50ern, die ihre Kinder groß gezogen hatten und sich nun fragten: Was soll ich jetzt? Was ist jetzt der Sinn meines restlichen Lebens? Manche kamen mit Krisen unter der Fassade, die erst einmal nur etwas studieren wollten. Und dann nach drei oder vier Wochen in der Gemeinschaft kamen dann die richtigen Krisen plötzlich zum Vorschein.

Die Botschaft der Schaeffers

J: Nun haben die Schaeffers doch ein paar Bücher geschrieben. Ich kenne die große Gesamtausgabe der Werke von Francis in den fünf Bänden. Aber das ist für manche Leser etwas einschüchternd. Was wäre ein guter Einstieg oder eine gute Reihenfolge für junge Leser?

E: Das kommt sehr stark auf die Personen an. Wer sind sie? Was ist ihr Hintergrund? Akademisch oder nicht? Geht es um die Diskussion von philosophischen Ideen? Brauchen sie mehr ein pastorales Buch? Darauf kommt es an. Vielleicht „Gott ist keine Illusion“ oder „Und er schweigt nicht“. Und dann würde ich die Bücher von Edith Schaeffer mit einbeziehen. Wenn die Person etwa eine schwierige familiäre Situation hat, oder sich unsicher fühlt oder orientierungslos ist, würde ich Bücher von Edith Schaeffer zu Beginn empfehlen. Ihr Buch „L’Abri“ erzählt die Geschichte der Gemeinschaft. Bis etwa zu ihrem 70. Geburtstag hat sie noch geschrieben. Über viele Themen: Familie, Musik, Kunst.

J: In unserer Zeit hört man ja immer wieder von bekannten christlichen Pastoren und Leitungspersonen, die Vorbilder für viele waren und plötzlich gibt es Skandale, dass sie in Sünde gefallen sind, dass sie Fehler vertuscht haben. Gibt es aus dem Fundus der Schaeffers ein Hilfsmittel, wie man damit am besten umgeht?

E: Ja, da gibt es oft einen extremen Fokus auf bestimmte Menschen, die im Rampenlicht stehen. Dieser Fokus verzerrt eigentlich die Vision des ganzen und ganzheitlichen Christenlebens, wenn alles auf den sichtbaren Bereich dieser Personen gerichtet ist. Man ist heute so stark auf diese einzelnen Personen fokussiert und dann brechen plötzlich Gemeinschaften zusammen. L’Abri war über 60 Jahre lang auf eine relativ kleine,m ruhige Art aktiv. Der Fokus ist nicht auf die bekannten Studenten und Mitarbeiter gerichtet, sondern darauf, in Gemeinschaft und Gastfreundschaft zu dienen. Diese Prinzipien haben sich über die Jahrzehnte nie geändert. Es beginnt immer an der Basis. So ist L’Abri ganz etwas anderes als eine Bewegung.

J: Vielen Dank. Gibt es zum Abschluss unseres Interviews noch etwas Besonderes, was du auf dem Herzen hast, was du mit unseren Lesern teilen möchtest?

E: Ich möchte nichts von mir persönlich teilen, weil ich denke, das ist nicht wichtig. Aber einen Gedanken möchte ich mitgeben. Schaeffer war es immer wichtig, vom Gott zu erzählen, der nicht schweigt. Der Gott, der spricht. Gott spricht in Worten. Und Schaeffer legte großen Nachdruck darauf, dass Gott die Wahrheit klar und lebendig spricht. Und ich sehe, dass dies in unserer Kultur und im christlichen Leben immer weniger betont wird. In all meinen Büchern, Reisen und Vorlesungen versuche ich das weiterzugeben: Wahrheit sprechen und verstehen und unterstützen was wir sagen, anstatt nur Plattitüden und ein paar auseinandergerissene Teile der Bibel zu zitieren. Das ist ein Teil von Schaeffers Werk, was ich feststelle. Ich sehe, dass es immer notwendiger wird, weil wir sonst immer mehr in ein Chaos und Dunkelheit fallen. Das ist es, wozu ich Menschen ermutigen möchte: Übernehmt Verantwortung für was ihr sagt und hört sorgfältig zu. Fragt immer wieder: Was meinst du wirklich damit?, sodass eine echte Verbindung entstehen kann. Das Erste, was wir von Gott wissen in der Bibel ist, dass Er spricht. Und da greift auch der Teufel an und attackiert uns und bringt unsere Sprache durcheinander. Er verstümmelt sie, macht sie unklar, unwahrhaftig und unverbindlich. Und dann werden wir immer weniger wie Gott. Denn Gott ist immer ganz klar und verbindlich und übernimmt die Verantwortung und alle Konsequenzen für das was er sagt. Das wäre meine Botschaft an die Welt. Danke!

J: Vielen Dank für das Gespräch!

Ellis H. Potter war viele Jahre Mitarbeiter in L’Abri und später Pastor in Basel. Er hat einen Reisedienst und ist Autor mehrerer Bücher. Seine Homepage (englisch) ist hier zu finden (Link)

Gastbeitrag: Edith und Francis Schaeffer – ein Leben, das Spuren hinterlässt

von Carolin Schmitt

Ich weiß gar nicht mehr, wie und wann mir zum ersten Mal Bücher von Francis Schaeffer begegnet sind. Aber ich erinnere mich noch genau, dass ich im Jahre 2017 auf dem BLOG von Hanniel Strebel mehrere Beiträge über Francis Schaeffer gelesen hatte und auf das Buch „L‘ Abri“ von Edith Schaeffer aufmerksam wurde. Aufgrund meiner Frankophilie hatte der Titel auf Anhieb mein Interesse geweckt, so dass ich mir sofort ein Exemplar bestellen musste. Die Geschichte zur Entstehung und Entwicklung des Glaubenswerkes „L‘ Abri“ beeindruckte mich sehr.

Bereits von der ersten Seite hat mich der authentische Bericht über die Entstehung von L’Abri gefesselt und fasziniert. Ich musste staunen, war tief bewegt und gleichzeitig wurde ich wahnsinnig gestärkt, mutiger zu glauben. Gott hat die Familie Schaeffer in den vielen Jahren durch Schwierigkeiten, die meist mit Freuden und Glaubenssiegen einhergingen, geleitet. Seine Antworten auf die Gebete im Glauben haben mich zu Tränen gerührt. Die Prinzipien von Schaeffers, die auch immer Basis aller Gebete waren, haben in meinem Gebetsleben tiefe Spuren hinterlassen:
“… 1. Wir wollen darum beten, dass Gott uns die richtigen Menschen zuführt, und alle fernhielt, die nur zum Skilaufen kamen oder ein offenstehendes Haus ausnutzen wollten.
2. Wir wollen darum beten, dass Gott uns Woche um Woche und Monat um Monat genug Geld senden würde, um unsere Bedürfnisse zu decken und auch den Menschen, die er uns schicken würde, Gastfreundschaft zu gewähren.
3. Wir beschlossen, keine Pläne in Bezug auf unsere Arbeit zu machen, sondern uns in jeder Hinsicht der göttlichen Leitung zu überlassen.
4. Wir beten auch darum, dass falls die Arbeit wachsen sollte, Gott uns die richtigen Mitarbeiter senden solle. …” (L’ Abri, S. 147-148).

Zu dieser Zeit hatte ich immer wieder den Gedanken, eine evangelistische Initiative in unserem Ort zu starten. Diese Idee wurde durch die Lebensgeschichte der Familie Schaeffer bestärkt. Viele Wochen habe ich darüber gebetet bis schließlich in einem Austausch mit meinem Mann offenbar wurde, dass er seit Wochen die gleichen Gedanken wie ich hatte. So lag es für uns auf der Hand, dass wir Schritte gehen und schauen, was Gott mit uns vorhat. Im darauffolgenden Jahr, im Januar 2018, gründeten wir den Verein BASIS.lager Karlsdorf-Neuthard e.V.

Unser Verein soll anderen Menschen dienen und Gott die Ehre geben, indem wir das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat verkünden. Wir möchten einen Ort für jeden anbieten – egal welchen Alters, welcher Herkunft, welcher Vorbildung oder welchen Milieus – der ernsthafte Antworten auf grundlegende Fragen nach dem Sinn des Lebens sucht oder geistliche Ermutigung und Zurüstung benötigt.

Für Christen, Missionare und Evangelisten möchten wir einen Raum schaffen, in dem wir uns gegenseitig ermutigen, korrigieren und unterstützen und geistlich erfrischt vom Zwischenstopp im BASIS.lager weiterziehen können, um Gott zu dienen. Dazu gehört für uns auch, dass Menschen bei uns übernachten oder bei einer gemeinsamen Mahlzeit mit uns Zeit verbringen können. Edith Schaeffer hat unser Anliegen sehr treffend formuliert: „Wir müssen uns gegenseitig ermutigen, auf Gott zu schauen, und uns von Ihm Hilfe und Kraft erbitten, in diesem Abschnitt unseres Jahrhunderts weiterzumachen. Wir müssen wissen, dass wir unterschiedliche Individuen sind und dass wir eine individuelle Bedeutung in der Geschichte haben. Unsere Entscheidungen sind es, die zählen.“ (L’ Abri, S. 304)

Die Familie Schaeffer wurde uns noch in einigen anderen Punkten zum Vorbild, da sie Mission völlig anders umgesetzt hat, als es allgemein üblich ist. Sie haben sich nicht hingesetzt und Pläne geschmiedet, sondern sie haben sich auf den Weg gemacht und von Gottes Vorsehung Schritt für Schritt führen lassen – auch wenn es nicht immer ganz einfach war und es Widerstände gab. L’Abri war kein Missionshaus oder eine Art Freizeitheim, sondern eine Familie, die ihre Türen für suchende Menschen öffnete, um zuzuhören, zu helfen und zu reden. Durch ihre tagtägliche Gastfreundschaft haben sie ein Werk Gottes begonnen, das noch heute existiert. Genau das hat uns inspiriert, den Verein zu gründen und wir möchten auf diese Art und Weise unseren Dienst leben und uns von Gott gebrauchen lassen.

Unser Ziel ist es, immer flexibel reagieren zu können, wenn Menschen mit Fragen auf uns zukommen, um ausreichend Raum und Zeit für diese Personen haben zu können. Wichtig ist uns, dass wir nicht zu viele zeitliche Ressourcen verplanen, um jederzeit auf Gottes Führung hören und reagieren zu können. Denn es soll nicht unser Werk, sondern Gottes Werk sein. Genau wie Edith und Francis Schaeffer möchten wir auch in schwierigen Phasen Gottes unfehlbarer Führung vertrauen und ihm Großartiges zutrauen. Ebenso möchten wir nicht auf Zahlen setzen. Der einzelne Mensch soll zählen, nicht die Masse. Wir vertrauen darauf, dass Gott uns so viele Menschen auf einmal schickt, dass alle zu Wort kommen können und wir über die notwendigen Kapazitäten verfügen. Freundschaften mit Menschen, die keine Christen sind, möchten wie bewusst pflegen und mit ihnen Zeit verbringen, ihnen zuhören und herausfinden, was sie bewegt und ihnen Sorgen macht, um ihnen von unserem Glauben an Jesus zu erzählen. Genau wie im Buch L’Abri immer wieder dargelegt wird, sind objektiver, in gewisser Weise „kühler“ Intellekt und persönlicher, kindlicher Glaube kein Widerspruch. Vielmehr ergeben Vernunft und Glaube erst zusammen ein Ganzes. Wir müssen nur die Augen und Ohren für Begegnungen und Gesprächsgelegenheiten öffnen und bereit sein, uns von Gott unterbrechen zu lassen, um Menschen die Wahrheit nahe zu bringen. Um es mit Francis Schaeffers Worten zu sagen: „Es gibt nur einen einzigen Grund, ein Christ zu sein – nicht zwei verschiedene!… und der ist, dass die christliche Verkündigung wahr ist.“ (L’ Abri, S. 285).

Wenn ich heute die letzten 6 Jahre Revue passieren lasse, kann ich nur staunen, wie Gott uns immer wieder überrascht und Wege gewählt hat, die für uns zuvor unvorstellbar waren. Ich könnte ein Dutzend großartiger Geschichten erzählen, die Gott mit unserem Verein geschrieben hat. Und alles fing damit an, dass das Leben von Edith und Francis Schaeffer in unseren Herzen Spuren hinterlassen hat. Mögen noch viele Menschen und nachfolgende Generationen von ihren Werken inspiriert und ermutigt werden, um Gott zu dienen. Lasst uns dafür beten!

Quelle:
Schaeffer, Edith, L’Abri, Hänssler Verlag Holzgerlingen, 1999.

Carolin Schmitt lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Karlsdorf/Baden. Sie arbeitet in Teilzeit als Wirtschaftsingenieurin in einem Softwareunternehmen und hat 2018 mit ihrem Mann und fünf weiteren Christen den Verein BASIS.lager Karldorf-Neuthard e.V. gegründet. Sie und ihre Familie sind aktives Mitglied in der FeG Bruchsal. In der Freizeit genießt sie die Natur, geht gerne wandern, liest gerne und schreibt hin und wieder kurze Artikel oder Rezensionen.