Buch-Review: Die 4-Stunden-Woche

Ferriss, Timothy, Die 4-Stunden-Woche, Ullstein-eBooks, 2012, Amazon-Link

Als vor ein paar Wochen die Werbung für das Buch von Timothy Ferriss in meiner Kindle-App auftauchte, war ich gleich interessiert. Mit vier Stunden pro Woche noch ein Nebeneinkommen aufbauen, das klingt interessant. Doch schon bald wurde klar, dass das Buch sich an Menschen mit anderem Hintergrund richtet. Dazu später mehr.

Worum geht es Ferriss? Zunächst einmal ist es ein Teil seiner eigenen Lebensgeschichte, wie er sich sein Business aufbaute. Er erzählt, wie er es nirgendwo in anderen Betrieben allzu lange ausgehalten hat (und seine Vorgesetzten ebenso wenig mit ihm). Er gründete einen Vertrieb für Nahrungsergänzungsmittel für Sportler, von dem er bald recht gut leben konnte. Doch die Arbeit wuchs ihm über den Kopf, weil er alles selbst machen wollte. Mit der Zeit lagerte er den Verkauf und Vertrieb aus und ging auf Reisen. Je mehr er andere für sich arbeiten ließ, desto mehr verdiente er schlussendlich. So weit seine eigene Geschichte.

Auslagern und automatisieren

Die Strategie klingt relativ einfach. Vermutlich ist sie es auch, wenn man es wirklich darauf anlegt. Allerdings muss man in der ersten Zeit doch relativ viel Zeit und Arbeit reinstecken, bis die Sache läuft. Zunächst eine Nische finden, in welcher man eine genügend große Gewinnspanne erzielen kann. Dann eine Werbekampagne starten, um den Verkauf zu testen. Und dann, wenn es angelaufen ist, alles auslagern. Nicht nur die Produktion; auch den Versand, den Kundendienst, und so weiter. Einfach alles. Ferriss nennt das: Sich selbst überflüssig machen.

Zwei Dinge dazu: Ich weiß nicht, ob das in westeuropäischen Verhältnissen und in dieser Zeit, in welcher wir gerade leben, funktioniert. Möglicherweise sind Inflation und allgemein die Unsicherheit für viele Menschen ein Faktor, der von einigen Käufen abhält. Ich werde es auch nicht testen. Viele Nischen sind bereits ausgefüllt. Doch wenn jemand eine Idee hat, ist es ein guter Punkt, um zu starten und das mal auszuprobieren.

Für alle etwas dabei!

Auch wenn das große Thema des Buches nichts für mich persönlich ist, werde ich keinen Ferriss – pardon, Verriss – schreiben. Zu viele Details, Ideen, persönliche Geschichten, und so weiter sind darin, die im Alltag helfen, entlasten und für mehr Effizienz sorgen können. Für den momentanen Preis des eBooks ist es schon fast geschenkt. Vermutlich werden die meisten Leser nur einen Teil davon mitnehmen können. Zu viel verschiedene Punkte werden angesprochen. Da es sich aber recht leicht liest, unterhaltsam und eben auch in manchen Dingen hilfreich ist, kann ich es empfehlen.

Auch für mich, der zu gerne arbeitet, zu gerne selbst manche Fäden in der Hand behält, zu gerne zu viele Ideen umsetzt, als dass sich das in Ferriss’ Konzept reinpressen ließe, hat es eine ganze Menge kleiner Tipps und Hilfen für den Alltag gegeben. Interessante Übungen sind zu finden.

Ich gebe dem Buch 4 von 5 möglichen Sternen.

Total Truth auf deutsch erhältlich!

Pearcey, Nancy, Die ganze Wahrheit, Betanien Verlag 2024, Verlagslink, Amazon-Link

Endlich ist das Buch, von welchem ich schon hier (Link) und hier (Link) geschrieben habe, auf deutsch erhältlich. Lange wurde daran gearbeitet. Ich bin gespannt, wie die Übersetzung der Sprache und auch der Kultur gelungen ist. Beides geht dabei natürlich Hand in Hand.

Jedenfalls freue ich mich sehr, dass das nun endlich fertig gestellt ist. Nun sollte es mit Greg Koukls „Tactics“ ebenso vorangehen. Dann wäre nämlich endlich einmal das wichtigste Handwerkszeug für christliche Apologeten im deutschen Sprachraum erhältlich.

Psalmen-Overkill: Warum ich eine Pause brauchte

In den vergangenen zwei Jahren habe ich die Psalmen nach der Gray-Methode (Link) gelesen. Zuerst habe ich mich schon gefragt: Schaffe ich das? Die Psalmen 20 Mal zu lesen? Nachdem mir auf Facebook etwas Mut zugesprochen wurde, habe ich das Projekt begonnen.

Ich muss dazu anmerken, dass ich zwar so meine einzelnen Lieblingspsalmen habe, aber darüber hinaus noch nie so ein enthusiastischer Psalmen-Fanboy war. Ich kenne viele Menschen, die daraus viel Kraft schöpfen können. Das habe ich mir zwar auch irgendwie gewünscht, aber bin noch nicht da angelangt.

Zum Projekt selbst: Ich war erstaunt, wie leicht mir die ersten etwa zwölf bis 14 Male gefallen sind. Erstaunlich viel Neues durfte ich über die Psalmen lernen. Mir wurde bewusst, wie sehr das Buch der Psalmen ganz genau überlegt komponiert und zusammen gestellt wurde. Die vielen verschiedenen Arten von Psalmen haben mich fasziniert. Zu all dem werde ich nach und nach auch noch schreiben. Stay tuned!

Doch dann kam der Overkill

Heute möchte ich mich auf eins beschränken: Nämlich darauf, wie es mir nach diesen ersten, erstaunlich leichten Malen ergangen ist. Plötzlich kam nämlich der Umschwung. Ich merkte, dass mich die Gefühle der Psalmisten emotional mitrissen – und da wurde es zu viel. Fast konnte ich ein wenig nachvollziehen, wie es dem großen Fjodor Dostojewski ergangen sein musste, als er das Buch Hiob las:

“Ich lese das Buch Hiob, und es rührt mich zu schmerzlicher Ekstase. Ich lege das Buch beiseite und gehe stundenlang im Zimmer auf und ab, und es fehlt nicht viel, dass ich anfange zu weinen.”

Diese Zeilen schrieb Dostojewski gegen Ende seines Lebens in einem Brief an seine Frau. So ähnlich rührten mich manche Psalmen auch; besonders wenn es innerhalb weniger aufeinanderfolgender Psalmen viele starke emotionale Veränderungen gab. Von Angst zu Lobpreis, von Trauer zu Dank, von Wut zu Freude. Und so weiter. Das wurde mir zu viel. Was also sollte ich tun?

Bibel lesen – ja! Aber keine Sturheit ums Verrecken

Beim 17. Durchlauf habe ich mich dann entschieden: Es reicht! Ich brauche etwas Anderes. Etwas weniger Emotionales. Das Markus-Evangelium. Markus ist wohltuend straightforward. Ohne große Schnörkel. Einfach gehalten, einfach verständlich. Das war es, was ich jetzt brauche.

Und wie weiter? Ich weiß es noch nicht. Irgendwann werde ich wohl zu den Psalmen zurück kehren. Und dann zu den Sprüchen. Und dann kommen ja irgendwann auch noch die großen Prophetenbücher. Aber ich kann heute noch nicht genau sagen, ob ich wieder zur Methode von James Gray zurückkehren werde oder ein eigenes Zwischending mache.

Darum geht es ja auch: Bibel lesen ist wichtig. Es ist wertvoll. Es soll mich verändern. Jeden Tag merke ich, wie viel ich davon brauche. Von dieser Veränderung. Aber es geht nicht darum, dass man stur und ums Verrecken an genau der einen Methode festhält, die man sich in den Kopf gesetzt hat. Manchmal muss man sich auch selbst vor etwas Gutem schützen, das einem zu viel wird.

Die Bibel anders lesen?

Es gibt viele Arten, die Bibel zu lesen, und die meisten davon sind gut. Jede, die dafür sorgt, dass ich nichts auslasse, nichts umschiffe, nichts überlese, ist gut genug. Ich habe inzwischen Menschen getroffen, die die ganze Bibel in einem Monat durchgelesen haben. 30 Tage von 1. Mose bis Offenbarung. Das verdient meinen höchsten Respekt. Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen würde. Vielleicht irgendwann.

Wovon ich abraten würde, sind Methoden, die nur einzelne Verse aus dem Zusammenhang gerissen betrachten. Zweifellos haben die Herrnhuter Losungen schon manch gutes bewirkt. Dennoch sind sie zu wenig. So manch ein Vers wird gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen, aus welchen die täglichen Losungen gezogen werden. Auch wenn diese Verse ebenso vom Heiligen Geist inspiriert sind.

Eines kann ich aber jedem zum Schluss noch empfehlen: Wechsle immer mal wieder die Übersetzung. Alle paar Jahre. Das hilft, dass wir Dinge neu entdecken, die in anderen Übersetzungen schon so vertraut klingen, dass es überlesen wird.

Und wie liest Du dieses Jahr in der Bibel? Was sind Deine Tipps und Tricks?

Der Schwarm – eine yrre Story und ihre Verfilmung

Vorsicht Spoiler!

Als Teil der Vorbereitung für ein aktuelles Schreibprojekt habe ich im letzten Jahr Frank Schätzings Ökothriller „Der Schwarm“ (Link) gelesen und dazu die achtteilige TV-Serie (Link) angeschaut. Und zum ersten Mal in meinem Leben gab es eine Verfilmung, die mir besser gefiel als das Buch.

Wer mich kennt, weiß, dass ich lange Bücher mag. Und mit etwas über 1000 Seiten ist Schätzings Werk durchaus in dem Bereich, der für mich langsam interessant zu werden beginnt. Es war mein erstes Buch, das ich von ihm las, somit war sein Schreibstil komplett neu für mich. Außerdem war „Der Schwarm“ seit Längerem auf meiner Liste der noch zu lesenden Bücher. Da lag es nahe, mir diese „yrre“ Story und ihre Verfilmung reinzuziehen.

Nicht nur eine Story

Gleich ab den ersten Seiten beginnt eine rasante Jagd um die Zukunft und das Überleben der Menschheit. Die Natur schlägt zurück. Naturkatastrophen aus dem Meer, erst fast wie zufällig, dann sieht es immer geplanter aus, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Mit der Zeit finden sich Beobachter und Forscher dieser Naturphänomene zusammen, um sich auszutauschen und dem auf den Grund zu gehen. Immer mehr wird deutlich, dass es sich um einen Schwarm einzelliger Lebewesen – den YRR, wie die Forscher sie nennen – handelt, welche im Verband eine ungeheure Intelligenz und ein Jahrtausende altes Gedächtnis besitzen. Die Forscher werden sich einig, dass das Ziel sein sollte, mit diesen Wesen Kontakt aufzunehmen und zu zeigen, dass der Mensch auch intelligent ist und fähig, sich zu bessern, um so das Klima und die Meere, den Lebensraum der YRR, zu schützen.

So weit ist es wirklich eine rasante, fesselnde Story. Jetzt müsste sie noch linear zu Ende gehen können. Doch hier kommt plötzlich ein Element rein, das die Geschichte künstlich aufbläst, gerade so, als hätte sich der Autor vorgenommen, nicht vor Seite 1000 aufhören zu wollen. Mit Judith Li taucht eine Figur auf, die im Prinzip eine neue Geschichte beginnt. Es ist nicht mehr der Kampf gegen die YRR, der im Mittelpunkt steht, sondern mehr noch der Kampf gegen die Navy, gegen die nationalen Sicherheitsbehörden, gegen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten. Dieses künstliche Element, diese völlig neue Story hat mich gestört. Es passte nicht in den Verlauf der bisherigen Handlung. Außerdem war mir vom ersten Moment der Erscheinung Judith Lis sofort klar, wer hier parodiert werden sollte. Auch wenn ich mir in dem Moment des Lesens nicht einmal aktiv bewusst war, dass das Buch vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, erschien vor meinem inneren Auge sofort die damalige Leiterin der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die in der zweiten Amtszeit G.W. Bushs als Außenministerin besonders bekannt wurde.

Eine biologische oder eine politische Story?

Damit wurde aus der Geschichte um den im Meer lebenden intelligenten Einzellerschwarm plötzlich eine politische Geschichte voller Betrug, Hinterlist und am Ende auch vielfachen Mord. Nun ist es ja so, dass ein Autor auf jeden Fall so eine Art Vergleich anstellen darf, in welchem es darum geht, ob die Menschheit durch die sich rächende Natur oder durch den menschlichen Charakter als „des Menschen Wolf“ schneller ausgerottet wird. Keine Frage, das darf auch Frank Schätzing machen. Doch dann hätte er genügend Gelegenheiten gehabt, das politische Element früher und natürlicher in den Verlauf der Geschichte einzuführen. Es scheint mir vielmehr die Schwierigkeit gewesen zu sein, das Buch linear abzuschließen. Womöglich gab es in der Vielzahl an naturwissenschaftlichen Recherchen zum Buch (es kam ja später noch ein gut 600 Seiten starker Band mit jenen heraus) noch manches, was er unbedingt mit einbauen wollte. Nun, sei‘s drum. Mich persönlich hat diese künstliche Wendung gestört.

Geradezu wohltuend rund empfand ich dagegen die Verfilmung. Hier ist die ganze Zeit klar, dass die intelligente Naturgewalt das eigentliche Problem ist. Es bleibt ein biologisches Spektakel, untermalt mit einzelnen Streitigkeiten und Intrigen. Unnötig fand ich dagegen die Veränderung von so vielen Charakteren. Manche werden komplett neu erfunden, andere haben eine filmische Geschlechtsumwandlung durchgemacht. Im Grunde genommen ist es damit nicht mehr der Schwarm von Schätzing, sondern eine neue Story geworden.

Nur noch kurz die Welt retten…

Der wohl größte Unterschied ist der Schluss der Geschichte. Im Buch sind am Ende fast alle tot, die meisten der Hauptfiguren durch andere Menschen brutal ermordet. Es gibt ein vorsichtiges Zusammenleben der YRR im Wasser und der noch lebenden Menschen, welche nun beweisen müssen, dass sie den Lebensraum der Einzeller in Ruhe lassen und die Natur überhaupt schützen. Im Buch wird der Botenstoff der YRR am Ende in die Leiche des Helfers von Li, Mick Rubin, injiziert und aus dem U-Boot Deepflight entfernt, woraufhin die YRR das erkennen und sich zurückziehen.

Viel dramatischer und auch im Grunde genommen authentischer ist da das Ende in der Verfilmung. Charlie Wagner schwimmt auch mit dem Deepflight auf den Meeresgrund, die Leiche Rubins neben sich, doch da trifft sie eine Entscheidung: Sie injiziert sich das Pheromon selbst und verlässt das U-Boot. Sie ist bereit, sich selbst zu opfern, da sie nicht sicher ist, ob das mit einem doch schon seit längerem gestorbenen Leib so möglich ist. An diesem Punkt kommt etwas Tiefes der Menschheit zum Tragen. Das ist ganz großes, emotionales Kino. Denn ganz tief in uns drin weiß jeder Mensch die Wahrheit, die Jesus Christus so unvergleichlich klar aussprach:

Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde. (Johannes 15:3)

(Auch wenn der stellvertretende Opfertod Jesu Christi niemals vergleichbar ist mit irgend einem Roman oder Film, gibt es dennoch zahlreiche ganz große Werke der Literatur, die genau auf dieser Bereitschaft aufbauen, für andere ihr Leben einzusetzen. Mehr dazu folgt, wenn ich mit meinem Schreibprojekt vorankomme.)

Buchtipp: Range von David Epstein

Epstein, David, Range – How Generalists Triumph in a Specialized World, Macmillan Verlag, 2019, Amazon-Link

In einer kürzlichen Coaching-Session wurde ich auf das Buch des amerikanischen Journalisten David Epstein aufmerksam gemacht. Es ist gerade für Menschen wie mich, die von sehr vielen Interessen, Ideen und Projekten angezogen sind, sehr interessant und aufschlussreich.

Zu Beginn vergleicht Epstein zwei verschiedene Arten, wie Menschen aufwachsen und lernen können. Er zieht dafür die Biographien zweier Sportler heran, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Tiger Woods und Roger Federer. Während der Golfer Woods von jüngsten Jahren an von seinen Eltern zum Golfen gedrängt wurde, war Roger Federer als Kind nebst Tennis auch beim Fußball aktiv und erfolgreich. Erst als Teenager entschied er sich ganz für den einen Sport, in welchem er es bis an die Weltspitze brachte.

Das ganze Buch hindurch ziehen sich Geschichten, Biographien, Studien. Und da muss ich sagen: Es ist mir etwas zu amerikanisch. Der Versuch, durch eine Vielzahl von Stories eine breitere Leserschaft zu finden, ist typisch für viele amerikanische Autoren. Ich denke da immer: „weniger ist mehr“, denn der rote Faden geht in all den Geschichten immer wieder verloren.

Sehr spannend fand ich, dass die Arbeit von Daniel Kahneman, mit welcher ich mich vor ein paar Jahren bereits beschäftigte, mehrfach aufgegriffen wurde. Kahneman befasst sich viel mit den Ungewissheiten, die eine Entscheidungsfindung in offenen Systemen erschweren. Spezialisten sind gut bei Aufgaben, die ein relativ geschlossenes System voraussetzen. Etwa Schach hat ein geschlossenes System von Regeln, die immer gleich sind. Ein Schachcomputer kann Millionen von Schritten berechnen und aufgrund von bisherigen Schachspielen mit einigermaßen großem Erfolg vorausberechnen, was ein menschlicher Gegner wahrscheinlich als Nächstes tun wird. Schachspezialisten können das auf eine ähnliche Weise, doch nicht indem sie vorausberechnen, sondern indem sie das Schachbrett im Kopf in eine Reihe von kleineren Einheiten unterteilen und durch ihre Erfahrung intuitiv ähnlich genau vorhersagen, wohin das Spiel in den nächsten Zügen führt.

Die meisten Aufgaben in unserer Realität sind jedoch offene Systeme, sie haben keine geschlossene Anzahl von Regeln, sondern sind komplexer. Und hier brilliert Epstein in seinem Buch. Er zeigt, dass es gerade für diese Aufgaben immer mehr Generalisten braucht, die sich in ihrem Leben nicht nur auf eine Sache spezialisiert haben, sondern immer wieder Umwege gegangen sind, manchmal auch gehen mussten. Alle neu erlernten Fähigkeiten machen sie besser vorbereitet auf Aufgaben, die komplexer sind.

Spezialisten werden immer wichtig bleiben. Sie sind es, welche Lösungen umsetzen. Sie sind es, welche Geräte herstellen und optimieren. Aber in einer Zeit, in welcher man sich immer mehr mit Problemen in der Realität offener Systeme befassen muss, werden Spezialisten weniger häufig gebraucht. Ich möchte an der Stelle noch etwas zum Buch hinzufügen. Die letzten Jahre haben mir zwei Dinge gezeigt, die sich gerade verändern, die uns noch schneller von der großen Menge an Spezialisten wegführen. Epstein schrieb das Buch 2019, also vor etwa vier bis fünf Jahren. In den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass Maschinen inzwischen viel Arbeit von Spezialisten übernehmen können. Die weitere Entwicklung von GPT und ähnlichen Programmen sowie in der Welt der Robotik wird sich noch sehr viel tun, was unsere Welt, Berufe, unser Selbstverständnis als Menschen verändern wird. Viele Arbeiten von Spezialisten können nach und nach automatisiert werden und bedürfen lediglich noch menschlicher Begleitung und Überwachung.

Das Zweite, was sich gezeigt hat, ist aber auch, dass wir in einer Welt der Small Data leben. Künstliche Intelligenz, aber auch die Spezialisierung von Spezialisten ist jedoch stark auf Big Data angelegt. Big Data heißt, es gibt sehr viele ähnliche Fälle, die man vergleichen, zusammenrechnen und immer wieder den Durchschnitt findet, während jeder neue Durchschnitt näher an die Wirklichkeit führt. Wir haben uns allzu lange in einem Big-Data-Universum gefühlt.

Doch sei es in der Medizin, bei der Anamnese von Krankheiten oder auf der Straße, wo der Traum vom autonomen Fahren immer weiter davonfliegt: Die Realität ist Small Data, jeder Fall muss einzeln geprüft, abgewägt, reagiert werden. Der Mensch – und speziell noch der Generalist im Besonderen – ist ein Small-Data-Wesen, das für eine Small-Data-Wirklichkeit geschaffen wurde.

Noch einmal zurück zum Buch. Ich möchte mit einem von vielen Beispielen, die man im Buch nachlesen kann, schließen. Der Autor beschreibt eine Studie, die gemacht wurde, in welcher Comic-Autoren verglichen wurden. Interessant dabei ist, dass Autoren umso erfolgreicher darin sind, Comic-Charaktere zu entwerfen, in je mehr verschiedenen Genres sie sich schon probiert haben. Spezialisten für eine ganz bestimmte Art von Comics sind am wenigsten wahrscheinlich erfolgreich.

Ich kann das Buch sehr empfehlen und gebe ihm 4,5 von 5 Sternen.

Gott wieder neu entdecken

Unsere Zeit erinnert mich immer wieder an jene von König Josia von Juda. Josia war ein kleiner Junge von gerade mal acht Jahren, als er König wurde. Sein Vater, der König Amon, war einer Verschwörung zum Opfer gefallen, aber schon. Amon und dessen Vater, König Manasse, hatten Gott verlassen, hatten ihren Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs dekonstruiert, haben die Bibel links liegen lassen. Den Tempel ließen sie verfallen. Stattdessen wurden dem Baal Altäre auf den Hügeln errichtet und für Aschera wurden Pfähle in den Boden gerammt, die angebetet wurden.

Auch in unserer Zeit verfällt viel von Gottes Haus. Die Bibel findet sich zwar in den meisten Haushalten; dennoch verstaubt sie in den Regalen und ihre Kraft geht in ständig neuen Umdeutungen ihrer Worte verloren. Die Gemeinde Jesu braucht dringend eine Renovation. Josia war bereit, mit dem Götzendienst seines Vaters und Großvaters zu brechen. Er riss die falschen Altäre nieder, und als er 26 Jahre alt war, beschloss er, dass der Tempel ganz wiederhergestellt werden sollte. Da wurde das Buch des Gesetzes, die damalige Bibel, im Tempel wiedergefunden. Josia tat Buße und feierte mit dem ganzen Volk ein rauschendes Passafest.

Wie können wir die Bibel unter dem ganzen Dreck von Wort-Umdeutungen, unter dem Schutt der zahllosen Gottesbilder, die in sie hineingelesen werden, wieder finden und darin Gott ganz neu entdecken? Darüber kann man natürlich ein ganzes Buch schreiben. Aber es gibt ein paar Dinge, die mir dazu in der letzten Zeit sehr wichtig geworden sind.

Baue deinem toxischen Selbst keinen Altar!

Deine Gefühle, dein Verstand, dein Wille, dein Gewissen sind wertvolle Werkzeuge aber schlechte Ratgeber. Dein Selbst, dein Ich ist toxisch.

Vertraue auf den HERRN von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; erkenne Ihn auf allen deinen Wegen, so wird Er deine Pfade ebnen. (Sprüche 3:5-6)

Oder wie es Jesus Christus ausdrückte:

Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. (Lukas 9:23)

König Salomo, Jesus Christus und viele weitere Autoren wissen, dass unser Selbst toxisch ist. Es ist gefährlicher Götzendienst, wenn wir dem Selbst den Platz in unserem Leben schenken, den einzig und allein Gott bekommen soll.

Während es stimmt, dass es durchaus Machtstrukturen gibt, die uns klein halten wollen, ist es bei Gott und in sehr vielen Gemeinden nicht so.

Grabe das Buch der Bücher wieder aus!

Wie bei König Josia spielt auch in unserem Leben ein Buch eine wichtige Rolle. Die Bibel ist ein Buch, das Gott an dich und mich und viele andere geschrieben hat. Wenn wir also nicht unser toxisches Selbst befragen sollen, was uns gut tut – wen befragen wir sonst? Frag Gott! Ganz einfach! Ja, klar, es gibt ein paar Dinge zu beachten, wenn wir die Bibel lesen. Das nennt man in der theologischen Fachsprache Hermeneutik. Das heißt, auslegen und verstehen, in unsere Zeit hinüber übersetzen. Aber dazu muss man keine Fachperson sein.

Das Wichtigste, was du der Bibel geben kannst, ist dein Vertrauen und deine ungeteilte Aufmerksamkeit. König Josia ließ sich das Buch Gottes vorlesen – und vertraute ihm. Er zog es nicht in Zweifel. Er hörte – und begann, es umzusetzen. Sehr wahrscheinlich war das Buch, das die Arbeiter im Tempel fanden, das 5. Buch Mose. Josia hörte die Abschiedspredigt von Mose, als Mose kurz vor seinem Tod noch einmal alles Wichtige wiederholte, was Gott ihm aufgetragen hatte.

Josia war bereit, sein toxisches Selbst zu hinterfragen und den Maßstab von außen, Gottes Wort, an sein Leben heranzulassen. Er wollte sich nicht rechtfertigen, sondern gab Gott recht. Er tat Buße, änderte sein Selbst und wurde damit zu einem geachteten König. Sein Vater und Großvater hatten ihre Baale und Ascheren und regierten in Wirklichkeit nach ihrem toxischen Selbst. Sie konnten als Könige alles tun und lassen, was ihnen einfiel – aber Gott sandte ihnen Propheten, um sie an die Wahrheit zu erinnern. Josia hatte Gott als Oberkönig und konnte so zu einem gerechten Hirten für sein Volk werden. Es gab zwar Machtstrukturen, aber keine mutwilligen, egoistischen.

Eine neue Gottesbegegnung

Wer ist Gott, und wenn ja, wie viele? Das erste Kriterium, das wir gesehen haben, ist ein grundsätzliches Vertrauen in die Bibel als Gottes Wort. Josia ließ damals die Prophetin Hulda nach Gottes Willen befragen. Uns ist ein direkter Zugang zum ganzen Wort Gottes gegeben. Und doch muss uns auch der Zugang zu Gott wieder freigeräumt werden. Es gibt in unserer Zeit die Vorstellung, dass Gott einfach GANZ ANDERS ist. Egal wie, Hauptsache ganz anders. Dahinter steckt folgender Gedanke: Gott wird in der Bibel ganz unterschiedlich gezeigt und mit vielem verglichen. Also kann ich mir von den ganz vielen Gottesbildern der Bibel irgend eins rauspicken, das mir gerade gefällt, oder eben auch gar keins.

Ist das realistisch und ehrlich? Nein. Viel besser ist es, wenn wir anfangen, die vielen Gottesbegegnungen in der Bibel übereinander zu legen und zusammen zu denken. Eine Art Synopse, eine Zusammenschau. Wenn du die Alpen von fern betrachtest und sie beschreiben sollst, kannst du auch nicht sagen: Heute sehen die Alpen aus wie das Matterhorn und übermorgen wie das Rothorn, und irgendwann anders wie Eiger Mönch und Jungfrau. Es geht auch nicht einfach zu sagen: Gott, das ist Jesus, und schon Luther hat gemeint, dass man die Bibel nach dem untersuchen müsse, „was Christum treibet“, also alles was irgendwie lieb klingt, und alles andere lasse ich außen vor.

Die weltweite Kirche oder Gemeinde Jesu aus allen Gläubigen aller Zeiten glaubt und bekennt sich zum dreieinen Gott. Das ist nichts, was man in die Bibel reinlesen muss. Das hat auch nichts mit patriarchalischem Machtverständnis und Ausgrenzung zu tun. Es ist ein Gott in drei Personen: Gott Vater, Jesus Christus und der Heilige Geist. Alle drei Personen sind gleichermaßen Gott und haben dieselbe göttliche Natur, aber Gott Vater ist nicht Jesus Christus ist nicht der Heilige Geist ist nicht der Vater. Schauen wir uns das an:

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Die Erde aber war wüst und leer, und es lag Finsternis auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. (1. Mose 1:1-3)

Vergleichen wir mit:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe entstanden; und ohne dasselbe ist auch nicht eines entstanden, was entstanden ist. […] Das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Johannes 1:1-3,9-14)

Wer dies liest und glaubt, und dennoch die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes ablehnt, hat eine andere, fremde Religion angenommen. Wir haben hier Gott Vater, der die Schöpfung geplant hat und ausführt durch Sein Wort. Wir haben hier das Wort Gottes, Jesus Christus, Der eines Tages in Sein Eigentum kommen sollte, das wahre Licht, das in die Welt kam und unter uns wohnte. Und wir haben hier den Geist Gottes, der über den Wassern schwebt. Der dreieine Gott ist bei der Erschaffung der Welt beisammen, aber auch beim Erlösungswerk Jesu Christi am Kreuz auf Golgatha.

Das Sühnopfer Jesu: Deine persönliche Begegnung mit Gott!

Als der König Josia das Buch von Gottes Wort zu Ende gehört hatte, als die Ausbesserungen am Tempel weit fortgeschritten und die toxischen Altäre und Pfähle auf den Hügeln niedergerissen worden waren, feierte er mit seinem ganzen Volk ein riesiges Fest und schloss einen Bund mit Gott. Es war das Passafest, ein Fest, das an die Nacht des Auszugs aus Ägypten erinnern sollte. Am Abend vor dieser Nacht sollte in jedem Haus der Israeliten ein Lamm geschlachtet und das Blut des Lammes an die Türpfosten gestrichen werden.

Das Sühnopfer zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel: Es beginnt mit 1. Mose 3, wo die ersten Menschen in Sünde fallen. Da kommt Gott, schlachtet Tiere und bekleidet die Menschen mit den Fellen, damit sie sich ihrer Schuld und Nacktheit nicht mehr zu schämen brauchten. Das erklärt auch in 1. Mose 4, warum Gott das Tieropfer annahm und das Gemüseopfer zurückwies. Der Höhepunkt des Alten Testaments findet sich dann in 3. Mose 16 mit dem jährlichen großen Versöhnungstag, an dem die Schuld des ganzen Volkes vor Gott gesühnt wurde. Und dann im Neuen Testament, um die Zeit des jährlichen Passafestes herum, wird Jesus Christus gekreuzigt, das wahre Opferlamm.

Das Kreuz auf Golgatha ist der größte Schauplatz der Liebe Gottes. Da sehen wir Gottes Wesen in der vollkommensten, reinsten Form. Da sehen wir Gottes Heiligkeit, Gottes Hass und unendlicher Zorn auf die Sünde. Da sehen wir Gottes Gerechtigkeit, die nicht einfach mal fünfe gerade sein lassen kann. Da sehen wir Gottes Liebe, die so weit geht, dass Gott Selbst die Strafe für unsere Schuld trägt. Da sehen wir die Schönheit Gottes, in welcher alle diese Eigenschaften Seines Wesens zusammen kommen, geballt und verdichtet, Gottes verzehrendes Feuer, Gottes helles Licht, das kein Mensch ertragen kann, der nicht von Gott gerecht gesprochen wurde. Da sehen wir die alles entwaffnende Ehrlichkeit Gottes, die unser Leben ausleuchtet und zeigt, wie sehr wir die Erlösung brauchen. Dort am Kreuz ist der Ort, an welchem du Gott ganz persönlich begegnen kannst. Die Arme Jesu sind offen, ER wartet voll Sehnsucht auf deine Antwort des Glaubens.

Wenn wir Gott ganz neu entdecken wollen, gibt es diese drei Dinge, die absolut wichtig und unerlässlich sind: Ein Grundvertrauen in die Bibel, den Glauben an den dreieinen Gott und ein Festhalten am notwendigen Sühnopfer Jesu am Kreuz auf Golgatha. Diese drei Zutaten sind drei Brückenpfeiler, die ein stabiles Fundament für Einheit und Gemeinschaft aller Christen weltweit schaffen.

Buchtipp: Leb deine Wahrheit

und andere Lügen

Childers, Alisa, Leb deine Wahrheit – und andere Lügen, Fonts-Verlag Basel, 2023 Amazon-Link

Leb deine Wahrheit!“, „Authentizität ist alles!“, „Du lebst nur einmal!“, „Nur die Liebe zählt!“ Dies sind ein paar der platten Lügen, die in unserer Zeit weit verbreitet sind und die Alisa Childers schonungslos aufdeckt. Auch in christlichen Kreisen hört man solches immer wieder. Besonders dort, wo sich die „Dekonstruktion“ des Glaubens etabliert hat, ist man erstaunlich unkritisch offen für so übersimplifizierte Lügen.

Die Autorin – ja, ich bin sehr dankbar, dass es in unserer Zeit immer mehr Autorinnen gibt, die uns viel zu sagen haben, oft genug mehr als viele männliche Autoren zusammen – kam aus einer Gemeinde, die theologisch immer progressiver wurde. Wie sie sich aus den Fängen dieses Progressivismus befreien konnte, beschreibt sie in ihrem ersten Buch „Ankern“ (Link). Nun hat sie nachgelegt und beschreibt eine Reihe von dekonstruktiven Glaubenslügen.

Es sind recht kurze, knackige, aber auch inhaltlich klare, deutliche Kapitel. Sehr viele anschauliche Beispiele (mir persönlich waren es ehrlich gesagt zu viele Beispiele) aus dem Leben helfen, sich das Ganze richtig vorzustellen. Ich denke, jeder, der das Buch liest, wird von Zeit zu Zeit innehalten müssen, um das Gelesene zu verdauen. Sei es, weil man schon zu viele dieser Lügen inhaliert hat, sei es, weil man sich an die deutliche Sprache gewöhnen muss, oder sei es (wie in meinem Fall), dass man zuweilen vor lauter Beispielen und #Hashtags den roten Faden des Buches verloren hat und sich erst wieder daran erinnern muss, wo man davor war.

Der Höhepunkt des Buches ist eindeutig der Schluss, der krönende Abschluss des Buches. Da geht es in einem Unterkapitel um das Kreuz Jesu. Childers schreibt: „Keine der Lügen, über die wir in diesem Buch gesprochen haben, kann im selben Raum wie das Kreuz existieren. Wenn du dir selbst genügen willst, kannst du das Kreuz nicht ertragen. Es ist das Ärgernis, das uns zeigt, dass wir aus uns selbst nicht genügen, und es ist das Heilmittel für den Mangel, der aus unserem Nichtgenügen folgt. […] Das Kreuz wird niemals ein Werkzeug des Friedens sein, solange es nicht zum Werkzeug des Todes wird.“ (S. 227f)

Das sind Sätze, die tief sinken müssen. Das braucht Zeit zum Nachdenken. Zeit zum Gebet. Zeit, um Gott immer wieder ganz neu (und doch genau so wie viele Generationen vor uns) kennen zu lernen.

Ich empfehle das Buch sehr und gebe ihm 5 von 5 Sterne.

Zeit des Umbruchs – eine Rückschau

Als vor rund vier Jahren das Buch von Markus Till „Zeit des Umbruchs“ herauskam, freute ich mich sehr, denn es war schließlich das Ergebnis langer Diskussionen, Blogartikel, Gespräche und vielem mehr. Eigentlich wollte ich sofort etwas dazu schreiben. Doch wir waren mitten im Hausbau; und so hatte ich viele Pflichten im Alltag und nicht den Kopf frei, um mir dazu etwas Schlaues einfallen zu lassen. Als wir kürzlich im Urlaub in Südfrankreich waren, habe ich es mir zum inzwischen fünften Mal durchgelesen. Heute möchte ich innehalten und diese vier Jahre Revue passieren lassen, immer mit dem – übrigens nach wie vor sehr guten, soliden und liebevoll geschriebenen – Buch von Markus Till im Hinterkopf.

Markus Till berichtet in seinem Buch davon, wie er Postevangelikalien kennengelernt hat, wie er durch zwei Blogposts über Worthaus und HossaTalk plötzlich viel bekannter wurde. Wie HossaTalk ihn eingeladen hatte und unter dem Titel „Im Angesicht meiner Feinde“ mit den zwei Hossas diskutierte. Er stellt fest, dass Diskussionen zwischen den Lagern sehr oft von Missverständnissen, Verletzungen, ähnlich klingende aber unterschiedlich gefüllte Worte und so weiter geprägt sind, die ein echtes Reden schwierig machen. Dann stellt Markus vier Knackpunktthemen vor, welche so unterschiedlich bewertet werden, nämlich die Möglichkeit echter Wunder, die leibliche Auferstehung Jesu, die Irrtumslosigkeit der Schrift und die Sexualethik. Der Rest des Buches (ungefähr das letzte Drittel) enthält Plädoyers für eine echte Streitkultur, Ausgewogenheit zwischen Enge und Weite in den Fragen und zum Schluss, was man tun kann, damit Kirche gestärkt aus dem Ganzen herauskommen kann.

Es ist – wie gesagt – ein sehr empfehlenswertes Buch. Und zugleich muss ich anfügen: Es war eine Momentaufnahme der Zeit, in welcher es geschrieben wurde. 2017, 2018, 2019 um den Dreh war so die große Zeit von HossaTalk. Seither gibt es sie immer noch, mit einem Wechsel, aber das Pulver scheint verschossen, die großen Häretiker sind alle abgehakt, die „bösen“ Themen zigmal besprochen, der Lärm wird leiser. Vermutlich auch der Tatendrang. Die Töne werden leiser, auch mal etwas versöhnlicher. Inzwischen ist man im Mainstream angelangt. Dafür kommen neue Formate auf, etwa SchönerGlauben von Jason Liesendahl (der aber schon lange online aktiv ist). Und natürlich der ganze vom Schweizer Staatskirchengeld finanziell sehr gut gepolsterte Podcast-Wahnsinn von Reflab, wohin übrigens immer mehr nachchristliche Theologen abwandern, um für immer in ihrer Bubble zu verschwinden.

Mit den Podcasts ist das so eine Sache. Ein Buch ist irgendwann mal zu Ende geschrieben und kann veröffentlicht werden. Ein Podcast ist eine never ending story. Zumal dann, wenn man etwas Bekanntheit erlangt hat. Auch wenn man seine Ziele erreicht hat, alles gesagt und getan hat, was man wollte, kann man nicht gut sagen: Tschö, ich habs erreicht, lebt wohl. Das haben Podcasts mit dem Feminismus und den Gewerkschaften gemeinsam. Deren Ziele wurden erreicht, aber man muss ja ums Verrecken weiter machen, höhere Ziele stecken, weitere Bewegungen mit reinnehmen, um zu beweisen, dass man es noch drauf hat. Irgendwie ist es wie mit dem Reichtum. Zu viel davon gibt es nicht, und noch mehr geht immer.

Doch eins ist nach wie vor ungeklärt – geradezu ein offenes Rätsel. So richtig weiß keiner, was denn nun Postevangelikale glauben – und am wenigsten jene selbst. In den zahlreichen Gesprächen, Diskussionen, Podcastfolgen, geht es immer nur um das, was sie nicht mehr glauben. Und um den Unwillen, sich auf irgend etwas festzulegen. Wer ist Gott? Wie ist Gott? Wer ist oder war Jesus? Immer bekommt man nur entweder negative Antworten (Gott ist nicht…) oder vage, nichtssagende Sätze und Phrasen (Gott ist Liebe – ja, aber was bitte ist Liebe? Hmm, gute Frage. Themenwechsel)

Eins ist mir immer bewusster geworden in den vergangenen Jahren, was im Buch von Markus fehlt. Das vermutlich größte Manko. Also meiner Meinung nach. Auf S. 187 stellt Markus die richtige Frage: „Bei welchen Themen müssen wir auf der richtigen Lehre bestehen […]? Im Buch beantwortet Markus das mit zwei Themen: Jesus Christus und Schriftautorität. Beides gut und wichtig. Aber das ist mir noch zu zweidimensional. Als dritte Dimension in dem Ganzen brauchen wir die unaufgebbare Lehre vom dreieinen Gott! Es gibt viele Menschen, die zwar mit ihrem Mund die Dreieinigkeit Gottes bezeugen, aber sie mit ihrem Leben und gemeindlichen Lehren verleugnen. Man sieht das an den Folgen – der Frucht ihres Dienstes. Dieses praktische Verleugnen führt entweder zu Gesetzlichkeit oder zu Beliebigkeit und ist schmerzhaft gefährlich für Gemeinden in unserer Zeit.

Ich glaube, die größten Schwierigkeiten unserer Zeit stammen nicht von einer falschen Sicht vom Sühnetod (so wichtig das ist!) oder von einem unvollständigen Inspirationsverständnis (obwohl ich da noch strenger bin als die Chicagoer Erklärungen). Ich glaube, die größten Probleme handeln wir uns ein, weil wir irgendwie versuchen, uns Gott auseinander zu dividieren. Gesetzlichkeit ist in Wahrheit ein praktischer Modalismus (die Lehre, die sagt, dass nur ein Gott ist, der nacheinander in drei verschiedenen Erscheinungsformen als Vater, Sohn und Heiliger Geist gewirkt hat), und viel postmoderne Theolügie geht auf einen Tritheismus zurück, der zur Beliebigkeit führt. Bekanntes Beispiel ist das Buch „Die Hütte“ von W. P. Young, in dem er die drei Götter miteinander diskutieren lässt. Dahinter steckt die Ansicht, man könne sich von den Eigenschaften Gottes bestimmte aussuchen, die einem besser gefallen und andere ausblenden oder durch Betonung der beliebteren Eigenschaften wegerklären. Der Offene Theismus zum Beispiel kommt nicht darum herum, auf irgend eine Weise die Dreieinigkeit Gottes aufzulösen.

Es bedürfte natürlich eines ganzen Buches, um das weiter auszuführen. Aber ich möchte mit wenigen Strichen versuchen, ein paar Grundlinien nachzuzeichnen, wie die neue Entdeckung der Dreieinigkeit Gottes uns gerade in dieser „Zeit des Umbruchs“ helfen kann, Klarheit und Einheit zu finden.

Gott ist ein Gott in drei Personen, aus einer Essenz, ungeschaffen, ewig, allmächtig. Jede der drei Personen teilt diese Eigenschaften unbeschränkt. Zugleich sind sie nicht austauschbar. Jede Person tut genau das, was ihr entspricht. Gott Vater erschafft Himmel und Erde durch das Wort (Gott Sohn) und Gott Heiliger Geist schwebt / brütet über dem Wasser. Gott Sohn kommt auf die Erde, um des Vaters Plan der Erlösung auszuführen, am Kreuz für unsere Sünde zu sterben und am dritten Tag von den Toten aufzuerstehen. Es ist interessant, dass für die Auferstehung das Werk aller drei Personen Gottes nötig ist. Gott Heiliger Geist wendet das Geschenk der Erlösung auf den Einzelnen an, führt zu echter Buße, schenkt Glauben, und krempelt das Leben um, sodass der Mensch Gott ähnlicher wird.

In Gott haben wir Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt. Der Mensch als Ebenbild Gottes lebt auch in einer Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt. Allerdings in einer gefallenen Welt. Schon am eigenen Leib, dieser Vielfalt aus Körperteilen, kann man das hin und wieder bemerken. Als Geliebte und Heilige in Christus hat die Gemeinde Jesu vor Ort die Aufgabe, diese Einheit in Vielfalt im Kleinen vorzuleben und auch der umgebenden Gesellschaft ein kleines Beispiel zu geben, wie es vielleicht besser laufen könnte.

Nun aber, liebe Geschwister, wie sieht es denn tatsächlich aus? Die Welt ist in die Gemeinde gekommen und hat sie ihrer Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt beraubt. Anders gesagt: Manche, die zur Gemeinde gehör(t)en, sind von ihr ausgegangen, und behaupten immer noch, trotzdem drin zu sein. Irgendwie. Anders. Keine Ahnung wie, aber eben irgendwie. Und so wird manch ein interreligiöser Dialog zuweilen eben immer noch als innerkirchlicher Dialog wahrgenommen. Nun denn – wenn dem so ist, steht Christus an der Tür der Kirche und klopft an. Wer ihm öffnet, zu dem kommt ER herein und hält mit ihm Gemeinschaft. Willst du das?

Verschwende nicht – deine Fragen!

 

Vor einem guten Jahrzehnt gab es für viele junge Menschen den Leitspruch „Don‘t waste your life!“ Verschwende nicht dein Leben! Inzwischen hat sich eine Menge verändert. Junge Menschen haben vielfach gelernt, Entscheidungen zu treffen und ein verantwortliches Leben zu leben. Im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gibt es eine andere Not:

Ich glaube, die größte Weisheit dieser unserer Zeit besteht darin, gute Fragen von weniger guten Fragen unterscheiden zu können.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht deine Fragen!

Was meine ich damit?

Es geht nicht darum, dass wir bestimmte Fragen unterdrücken, verbieten, verdrängen sollen. Absolut nicht. Es gibt keine falschen Fragen, solange sie ernst (und nicht einfach nur rhetorisch gemeint sind). Es gibt keine verbotenen Fragen.

ABER

Es gibt Fragen, die es mehr wert sind als andere, dass wir sie stellen, ihnen nachgehen und nach Antworten suchen.

Darum geht es mir.

Wir leben in einer Zeit, in welcher man sich an Fragen bis zum Gehtnichtmehr vollfressen kann. Jede und jeder wird beständig mit unzähligen Fragen bombardiert. Und lasst uns ehrlich sein: Fragen kosten. Sie kosten Zeit, Kraft, Aufmerksamkeit, Ausdauer, Geduld, und vieles mehr.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht (länger) deine Fragen!

Wie machen wir das praktisch?

Es gibt dazu sehr viel zu sagen. Man könnte Bücher damit füllen, glaube mir. Die Schwierigkeit bei Fragen ist oftmals die, dass es nicht so eine klare, einfache Richtlinie gibt. Wie gesagt, es geht nicht um richtige und falsche oder um erlaubte und verbotene Fragen. Es geht viel mehr um bessere, um wertvollere Fragen und weniger gute.

Schauen wir noch einmal zurück: Vor einem guten Jahrzehnt war die Ausgangslage eine andere. Es war schon damals eine Informationsflut. Aber viele der Informationen kamen in einem längeren Kontext. Sie kamen aus Onlineforen, längeren Blogposts, ganzen Fernsehsendungen, häufig längeren YouTube-Videos und vielem mehr.

Was jetzt anders ist: Microblogging und Microvideoing und Instagramming hat Kurzformate gepusht. TikTok ist zur neuen Bibel- und Denkschule geworden. YouTube gibt es immer noch, aber die durchschnittliche Länge von Content hat abgenommen. Twitter hat Kurznachrichten gepusht. Instagram hat zunächst Bilder, dann Kurztexte und Kurzvideos gepusht.

Vergiss nicht: All das ist nicht schlecht. Aber es verändert unser Denken. Es macht etwas mit uns. Wir alle verändern uns dadurch, wenn wir diese Medien nutzen.

Wenn du in diesen Medien (und ich habe viele ausgelassen) Erfolg haben willst, musst du dich kurz fassen. Du musst kürzen, verkürzen, Themen anreißen, Fragen anreißen. Ohne sie abschließend zu beantworten. Dafür taugen die Formate nicht.

Die Folge ist, dass du in wenigen Minuten scrollen, wischen, klicken, und so weiter, eine immense Anzahl von Fragen aufgetischt bekommst. Jeden Tag. Wenig Antworten, aber viele, viele Fragen. So viele Fragen, dass eigentlich jeder Mensch davon überfordert ist.

Was uns heute also stärker als vor zehn Jahren überfordert, ist also nicht mehr die Informationsflut, sondern die Fragenflut.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht deine Fragen!

Wie gesagt, es gibt viel dazu zu sagen, wie man Fragen von Fragen unterscheiden kann. Vermutlich werde ich im Laufe der Zeit noch mehr dazu schreiben. Hier zunächst einmal meine drei wichtigsten Überlegungen, die ich im Laufe der letzten Jahre dazu angestellt habe:

1. Wer darf dir Fragen geben?

Damit bin ich schon mitten im wichtigsten Thema drin. Deine und meine Zeit ist begrenzt. Deine und meine Kraft und Geduld und Denkfähigkeit und so weiter ist begrenzt. Also die Ressourcen, die für Fragen benötigt werden.

Wenn du diesen Blogpost bis hierher gelesen hast, lass mich dir ein großes DANKE sagen. Es ist ein Privileg, dass du mir so viel deiner Ressourcen schenkst. Und bei allen anderen ist es dasselbe. Nutze deinen Verstand und beschränke die Anzahl der Personen, von denen du dir solche Fragen stellen lässt. Ich schreibe dir nicht vor, dass du mich lesen sollst und bestimmte andere nicht. Das steht mir nicht zu.

Überlege dir, von wem du Fragen bekommst, durch die du gesegnet wirst. Die dir gut tun. Die Fragen stellen, die dich im Leben und im Glauben wirklich vorwärts bringen. Lieber doppelt so viel Zeit und Kraft in die richtige Richtung investieren, als überall hin.

2. Vermeide unehrliche Fragen

Es gibt ehrliche und unehrliche Fragen. Ehrliche wollen dich weiter bringen, unehrliche halten dich ab, halten dich klein, zerstören deinen Glauben. Doch wie können wir sie erkennen?

Unehrliche Fragen wollen dich entmündigen. Sie wollen dir vorschreiben, dass du zuerst auf eine gelehrte Stimme hören musst, um die Bibel verstehen zu können. Sie versuchen zu erklären, was davon alles nur ein Teil der frühen Kultur war und deshalb heute ungültig ist. Sie wollen dir weismachen, dass nur jemand mit der richtigen Ausbildung imstande ist, die Bibel richtig zu verstehen. Sie halten dich klein und unmündig.

3. Mach Pausen und denk richtig darüber nach

Die Fragenflut unserer Zeit wird schnell überwältigend. Selbst dann, wenn wir die ersten zwei Punkte einhalten und nur bestimmte Menschen uns Fragen aufdrängen lassen, über die wir nachdenken. Das Fruchtloseste, was du tun kannst, ist 50 Fragen zugleich im Hinterkopf zu wälzen. Egal wie gut und wie wertvoll die Fragen sind, Fragen (und auch Zweifel) sind etwas Gutes, weil sie uns dazu bringen wollen, dass wir gezielt darüber nachdenken und Antworten suchen.

Deshalb nimm dir immer wieder 2-3 Fragen, über die du gezielt nachdenkst und lass nicht locker (und keine neuen Fragen dazu kommen) bis du Antworten gefunden hast.

Was sind deine Tipps oder weitergehenden Fragen zum Umgang mit den vielen Fragen unserer Zeit?

Eine Reise zum Herzen der Psalmen: Klagepsalmen

Dies ist der zweite Teil unserer Reise zum Herzen der Psalmen. Zum ersten Teil geht es hier (Link). Wer sich mit den Psalmen beschäftigt, wird über eine Tatsache stolpern: In den Psalmen wird oft geklagt. Es geht um Sorgen, um Nöte, um Schmerzen. Wenn wir das mit vielen heutigen Gebeten vergleichen, dann fällt der Unterschied ziemlich krass auf. Die meisten frei formulierten Gebete (und auch sehr viele vorformulierte) sind in gewisser Weise triumphalistisch. Oberflächlich. Kleingläubig. Oder einfach gebetsautomatmäßig. So als ob Gott ein Automat wäre, der auf unser oben eingeworfenes Gebet dann antwortet, wenn der Betrag stimmt.

Jesus hat anders gebetet: Er hat auch geklagt

Ich schrieb im ersten Teil schon, dass die Psalmen im Grunde genommen auf die Kommunikation von Gott zurück gehen. Gott ist ein singender Gott, und Gott hat die Psalmen schon gekannt und festgelegt, bevor es Menschen gab, die sie aufschreiben konnten. Viele der Klagepsalmen gehen auf die Zeit zurück, als Jesus auf der Erde war. Oops – sie wurden doch schon Jahrhunderte früher aufgeschrieben? Oh ja – und genau das ist das Geniale: Der Heilige Geist sagte David und den weiteren Psalmschreiber durch ihr persönliches Leben schon früher, wie es Jesus einst gehen wird. Ganz deutlich wird das in Psalm 22, den Jesus am Kreuz betete.

Gerade in den vergangenen Wochen wurde mir eines deutlich, als ich die drei Bände von Philip Schaffs „Creeds“ (Link) las, also eine sehr umfangreiche Sammlung von Glaubensbekenntnissen und Katechismen aus vielen Jahrhunderten und aus vielen verschiedenen christlichen Konfessionen und Denominationen. Für die Christen der meisten Jahrhunderte war klar, dass Jesus nicht erst am Kreuz litt. Das Leiden am Kreuz, der Tod und die Auferstehung sind natürlich der Höhepunkt davon, und sie sind es, die uns erlöst haben. Aber das Leiden war etwas, was den Herrn Jesus Sein ganzes menschliches Leben lang begleitete. Und das wird oft vergessen oder viel zu wenig betont. ER litt unter den Kleinglauben der Jünger. ER litt unter dem Anblick des Volkes Israel, das wie Schafe ohne Hirten war. ER litt unter dem Anblick der Krankheiten und der dämonisierten Menschen. Jesus weinte. Litt. Betete. Klagte.

Das Klage-Gebet: Der sicherste Ort für deine Nöte

Wir haben es verlernt, zu klagen und zu beten wie Jesus. Und wie die Apostel. Und wie die meisten Christen vieler Jahrhunderte. Es gibt in unserer Zeit eine sehr ungesunde Tendenz und Gewohnheit unter uns: Wir nähern uns Gott sehr oberflächlich, tun so, als ob alles in Ordnung wäre. Und stattdessen klagen und murren wir lieber da, wo andere Menschen zuhören, die an der Situation nichts verändern können. Das macht etwas mit uns: Es verbittert. Viele Menschen haben sich so an das Klagen und Murren vor Menschen, an das Lästern und Hintenrum-Gerede gewöhnt, dass sie sich schon gar nicht mehr vorstellen können, wie es ohne Grund zum Lästern wäre.

Lass dir eins gesagt sein: Das Gebet ist der beste Ort, an den du mit deiner Klage und deinen Sorgen gehen kannst! Gott fordert uns in Seinem Wort geradezu auf, unsere Sorgen auf Ihn zu werfen, weil ER für uns sorgen will (1. Petrus 5:7). Wenn wir es nicht tun, sondern zu Gott nur oberflächlich kommen und stattdessen unsere Sorgen lieber mit anderen Menschen teilen, klagen und murren, dann geben wir dem Teufel Raum, so dass er uns verbittert machen kann.

Psalm 6: Ehrliche Klage verändert alles

Ich möchte dich einladen, den Psalm 6 in deiner Lieblingsbibel und am besten auch noch in einer oder zwei anderen Übersetzungen mal durchzulesen. Es ist nicht so viel Arbeit, aber sie lohnt sich umso mehr. Es sind nur elf Verse. David kommt zu Gott mit vielen Klagen, mit Vorwürfen. Wie lange, Gott, wie lange lässt Du Dir Zeit? Wie lange soll ich noch leiden? Wie lange noch lässt Du zu, dass mich meine Feinde bedrängen? Mein Bett ist nass von meinen Tränen! Darf man so beten?

David macht das Richtige. Er geht mit seiner Klage nicht zu seinen Freunden. Er geht nicht in den Hauskreis, um über seine Feinde abzulästern. Er geht nicht zu seinen Nachbarn, um ihnen zu erzählen, wie lange es ihm schon ach so schlecht geht. Nein, er geht damit zu Gott. Er richtet seinen Blick auf den Schöpfer des Universums, auf den König der Könige. Mir wurde bei diesem Psalm ganz besonders bewusst: Auf Gott schauen ändert nicht unseren Fokus oder Blickwinkel – es ändert alles. Wenn es nur unseren Fokus ändern würde, dann würden wir uns ständig durch Blickwinkelveränderung selbst erlösen müssen. Doch Gott sei Dank, dass ER uns beständig hält und unseren Blick immer wieder auf Ihn richtet.

Für wen beten wir?

David betet. Er klagt. Er schreit. Er macht Vorwürfe. Das ist alles vollkommen in Ordnung. Er macht es für sich und für Gott. Er macht es nicht, um damit Aufmerksamkeit von anderen Menschen auf sich zu ziehen. Jesus sagte etwas Krasses in der Bergpredigt: Wenn du armen Menschen etwas gibst, es aber so tust, dass es möglichst viele sehen können, dann hast du damit keine Schätze im Himmel gesammelt, sondern deinen Lohn (nämlich die Aufmerksamkeit) schon bekommen. Ich glaube das ist das Problem auch beim Beten: Viele Menschen, die sich Klage-Gebete angewöhnt haben, bekommen ihren Lohn schon auf der Erde. Viel wird für die Aufmerksamkeit geklagt, nicht für die Beziehung zu Gott.

Ich glaube, wenn mehr in der stillen Kammer geklagt würde, könnte man auch mehr Veränderung sehen.