Gastbeitrag: Persönlicher Bezug zu Francis A. Schaeffer

von Marcel Haldenwang

Jonas Erne hat mich gebeten, anlässlich des 40. Todestages von Francis A. Schaeffer mit wenigen Worten darzulegen, was Schaeffer für mich persönlich bedeutet.

Man muss nicht alle seine ideengeschichtlichen Linien für plausibel halten – und sicher hat er hier und da bei seinen geistesgeschichtlichen Bezügen zumindest „didaktisch reduziert“, vielleicht auch unzulässig vereinfacht –, man muss auch den Verlust des gesellschaftlichen Einflusses durch Christen nicht wie er bedauern, aber eines ist für mich klar: Schaeffer hat wie kein Zweiter die Anfechtungen der Gläubigen durch das post-christliche Zeitalter und die Postmoderne vorweggenommen und darunter gelitten. Und ich verdanke Schaeffer an zwei Stellen meiner geistlichen Biografie entscheidende Impulse.

Der Bitte von Jonas komme ich daher gern nach und habe Schaeffer zu Ehren bereits vor einigen Jahren meinen Youtube-Kanal nach seinem Bestseller „Gott ist keine Illusion“ benannt.

Wir schreiben das Jahr 2017: Francis A. Schaeffer und die Gesetzlichkeit

Schon länger litt ich an der gesetzlichen Verengung meiner Glaubensgemeinschaft und Ortsgemeinde. Vergeblich hatte ich seit langer Zeit für das Thema zu sensibilisieren versucht. Doch Anachronismen wie die nach Geschlechtern getrennte Sitzordnung wurden verteidigt, als ginge es darum, die Jungfrauengeburt oder leibliche Auferstehung Jesu zu verteidigen. 2017 versuchte ich meinem Anliegen durch ein mehrseitiges Essay zum Thema Gehör zu verschaffen, blieb aber, wie es schien, unerhört. Schließlich sah ich mich genötigt, mit meiner Familie in der fünften (!) Generation meine Glaubensgemeinschaft und Ortsgemeinde zu verlassen. Damit einher gingen, wie ihr euch vorstellen könnt, der Verlust meiner Haltegruppe sowie Anfechtungen, ob meine Analyse richtig gewesen oder ob ich übers Ziel hinausgeschossen war.

Ich verschlang viele Bücher zum Thema und stieß dann bei Francis A. Schaeffer in bereits genanntem Buch auf einen Brief, den ein Student an Schaeffer gerichtet hatte. Darin schreibt der Student, dass seines Erachtens viele junge Leute aus frommen Familien in die Fänge der liberalen Theologie geraten seien, weil man sie nicht darüber aufgeklärt habe, was die absoluten Maßstäbe des Wortes Gottes und was lediglich Überbleibsel aus der Zeit des Viktorianismus seien. So hätten seine Kommilitonen geglaubt, die kleinbürgerlichen Normen und den Viktorianismus nur hinter sich lassen zu können, wenn sie auch die absoluten Maßstäbe des Wortes Gottes aufgäben und die Orthodoxie verließen. Schaeffer mahnt im Anschluss an diesen Brief seine Leser eindringlich, das Haus aufzuräumen statt es niederzubrennen.1 Diese Metapher traf mich wie der Blitz, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen: Hatte ich nicht genau diesen Aufruf vernommen und versucht das Haus meiner Glaubensgemeinschaft aufzuräumen, damit es die nachrückende, akademisch gebildete Jugend nicht eines Tages niederreißen würde? Hatte ich nicht versucht zu sortieren, was bloße Tradition und durchaus veränderbar sein könnte und welche Überzeugungen und Lehrauffassungen zu den unveränderlichen Wahrheiten eines unwandelbaren Gottes gehörten?

Einige Zeit später stieß ich auf das Buch „Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts“, wo Schaeffer unter der Überschrift „Freiheit und Form“ seine Gedanken zum Thema exzellent weiter entfaltet:

Es gibt Form, und es gibt Freiheit. … Worum es mir in erster Linie geht, während wir dem Ende des 20. Jahrhunderts zugehen, ist einerseits, dass die … Kirche einen festen Platz hat und dass sie die Form einhalten sollte, die Gott geboten hat, dass uns aber anderseits ein weiter Spielraum für Veränderungen bleibt. Ich behaupte, dass wir Menschen nur mit eindeutigen Geboten der Schrift moralisch binden dürfen (dass wir darüber hinaus nur Ratschläge geben dürfen), dass wir ebenso in allen Bereichen, in denen das Neue Testament der Kirche keine Form vorschreibt, Freiheit genießen, die wir unter der Leitung des Heiligen Geistes ausüben sollen, um unserer besonderen Zeit und unserem speziellen Ort gerecht zu werden. … Mit anderen Worten: Das Neue Testament steckt gewisse Grenzen ab, aber innerhalb dieser Grenzen gibt es genügend Freiheit, sodass wir uns verschiedenen Orten und verschiedenen Zeitaltern anpassen können. … Wir müssen reden, wo die Schrift geredet hat. Wir müssen aber beachten, dass wir ebenfalls ihr Schweigen respektieren müssen. Innerhalb jeder Form gibt es Freiheit. … Gott hätte ja der Apostelgeschichte noch ein Kapitel anfügen und viel mehr Einzelheiten mitteilen können. Er hat es nicht getan. Und wir können doch nicht sagen, dass sich die Bibel irrt. Wir müssen glauben, dass nicht nur das, was uns gesagt ist, nach Gottes Willen und Inspiration letzte Gültigkeit besitzt, sondern auch, dass wir da, wo Gott schweigt, unter der Leitung des Heiligen Geistes Freiheit haben. Wenn die Kirche in einer sich wandelnden Zeit von ihrer Freiheit Gebrauch macht, dann wird es Kirchen geben, bis Jesus wiederkommt. Aber wir dürfen nicht zufällige historische Umstände oder behagliche soziologische Gegebenheiten aus der Vergangenheit mit Gottes absoluten Werten gleichsetzen, … Ist es nicht so, dass wir bibelgläubigen [sic] Christen oft gerade dann nicht mehr bibelgläubig sind, wenn wir soziologische Verhältnisse mit Gottes absoluten Werten gleichsetzen? Und ich bin überzeugt, dass das viele von euch unentwegt tun. Dadurch entsteht der Geruch der Verwesung, über den sich so viele Leute beklagen. Die ist die Wurzel eines großen Teils der Verwirrung in unseren christlichen Schulen und Kirchen: Man sieht nicht den Unterschied zwischen Gottes absoluten Werten und jenen Dingen, die lediglich ein Produkt historischer Zufälle sind. Ich habe den Vorteil, dass ich in vielen Ländern arbeite und gesehen habe, dass gottesfürchtige Menschen durch historische Gegebenheiten zu völlig unterschiedlichen Formen der Kirche geführt worden sind. Dasselbe gilt für verschiedenen Zeiten. Es hat Zeiten gegeben – besonders z. B. die Anfangszeit des Christentums –, in denen sich die Gemeinde nur in Privathäusern versammelte. Wer sich von Ihnen heute in einem schönen Kirchengebäude versammeln kann, der sollte Gott danken, dass Gott der Gemeinde entsprechend ihrer [sic] Bedürfnisse ein solches Gebäude geschenkt hat. Dieses Gebäude dürfen sie aber nicht mit einem absoluten Wert verwechseln. Verwechseln Sie nicht die Kirche mit einem Kirchengebäude. Das mag bis auf die Grundmauern niederbrennen. Aber die Zerstörung des Gebäudes zerstört nicht die Kirche. Es gab eine Zeit, in der sich die Kirche im Haus von Priska und Aquila versammelte. War diese Kirche deshalb weniger wert? Natürlich nicht. Aber das zeigt doch nur, dass der Heilige Geist zu verschiedenen Zeiten frei ist, verschieden zu führen. … Wir haben also Form und Freiheit. … Die Kirche soll bestehen, bis Jesus wiederkommt. Aber es muss ein Gleichgewicht zwischen Form und Freiheit geben, sowohl im Bereich der Gemeindeordnung, [sic] als auch in der praktizierten Gemeinschaft innerhalb der Kirche. Und es muss Freiheit unter der Leitung des Heiligen Geistes geben, das zu verändern, was verändert werden muss, damit die Kirche an ihrem Ort und zu ihrer Zeit veränderten Situationen gerecht werden kann. Andernfalls, glaube ich, wird die Kirche nicht als lebendige Kirche weiterbestehen können. Dann werden wir verknöchern und Christus aus der Kirche ausschließen. Dann werden seine Herrschaft und die Leitung des Heiligen Geistes leere Worte werden. Wir wollen dankbar sein, dass die Bibel uns eine bestimmte Form nennt. Dann müssen wir aber auch sorgfältig darüber wachen, dass wir uns nicht an unbiblische Formen binden, an Formen, die uns eine liebe Gewohnheit geworden sind, die aber in der Kirche des Herrn Jesus Christus keinen absoluten Rang haben. Abgesehen von den eindeutig festliegenden biblischen Normen, [sic] ist in der Ordnung und Arbeit der Kirche jede andere Einzelheit offengelassen, sodass sich die Kinder Gottes unter der Leitung des Heiligen Geistes darüber einigen können.2

Spätestens nach der Lektüre dieser Passagen war ich gewiss: Mein Dienst war zwar abgelehnt worden, aber mein Ansinnen hatte das Wohlwollen meines Herrn gefunden; wir waren nicht auf Abwegen und Gott würde uns als Familie nicht allein lassen auf der Suche nach einer neuen geistlichen Heimat!

Wir schreiben das Jahr 2022: Francis A. Schaeffer und die liberale Theologie

Die fanden wir dann auch nach einer mühsamen Odyssee durch unterschiedliche Gemeinden auf der Suche nach einer bibeltreuen. Die Geschwister einer „freien Brüdergemeinde“ in der Nachbarstadt nahmen uns schließlich herzlich auf, vertrauten uns schon bald verantwortungsvolle Aufgaben an, und mit Siegfried L. wurde mir ein echter väterlicher Freund und Vater in Christo geschenkt. Durch ihn wurden wir auch mit der Arbeit des Gideonbundes bekannt gemacht und schon bald Gideon-Mitglieder und Truckermissionare – ein Dienst, der mir schon lange am Herzen gelegen hatte, den ich aber auf eigene Faust nicht zu beginnen gewagt hatte.

Leider machte der geistliche Kampf auch in der neuen Glaubensgemeinschaft nicht lange Pause. Wir hatten uns gerade von der zurückliegenden Kontroverse um die (mutmaßliche) gesetzliche Verengung und dem Verlust unserer geistlichen Heimat erholt, als zur Dillenburger Konferenz der neuen Glaubensgemeinschaft im Jahr 2022 ein Gastreferent geladen wurde, der – akademisch verbrämt, aber unübersehbar – den Sühnungstod Jesu relativierte. Auch jetzt, beim Kampf an der entgegengesetzten Front, wo es dem Einbruch der liberalen Theologie zu wehren galt, war ich angesichts heftiger Gegenrede bisweilen verzagt und mir unsicher, ob ich ein Mandat Jesu besaß für diesen Kampf.

Da stieß ich beim Lesen einer Spurgeon-Biografie mit dem Titel „Spurgeon, wie ihn keiner kennt“ auf die von ihm mit seinem Baptistenbund ausgefochtene Downgrade-Kontroverse, bei der es auch bereits um den Einbruch von Bibelkritik, Allversöhnung und der Leugnung des Sühnungstodes ging. Ich sah sofort manche Parallelen zu den „Freien Brüdern“, die zunehmend offensichtlich auch keine Probleme damit hatten, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die bibelkritisch oder allversöhnlich waren oder gar den Sühnungstod Jesu relativierten. Ein Freund, der darum wusste, in welch schwerer See ich gerade unterwegs war, schrieb mir, dass auch Schaeffer bei seiner Auseinandersetzung mit solchen Angriffen auf den Kern des christlichen Glaubens Anleihen genommen hatte bei der Downgrade-Kontroverse. Die Tonaufnahmen, auf die er mich verwies, waren mir im Jahr 2022 eine große Hilfe und geistliche Stärkung.3

Mir gab zu denken, wenn auch Schaeffer sagt,

– dass der Konflikt ein alter ist und anhalten wird bis zur Wiederkunft Jesu,

– dass auch renommierte Namen vor Verführung nicht schützen,

– dass viele entgegen ihrer Erkenntnis in unseligen Jochgemeinschaften verbleiben,

– dass gemeinsame Evangelisation oft das Einfallstor für kompromittierende theologische Jochgemeinschaft ist,

– dass das Ringen um Reinheit der sichtbaren Kirche es evtl. erfordert, eine liebgewonnene Glaubensgemeinschaft zu verlassen,

– oder dass Kompromisse die nächste Generation in Gefahr bringen u. v. a. m.

Ich fühlte mich durch Schaeffer und Spurgeon gewissensmäßig vor die Wahl gestellt, in eine Gemeinde zu gehen, wo man ungestraft Gemeinschaft haben darf mit Leuten, die Fragen der Kategorie 1 (Sühnungstod) relativieren, oder aber in eine Gemeinde zurückzukehren, die wir 2017 verlassen hatten, weil wir glaubten, dass dort unwichtigen Gewissensfragen ein zu hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Wir kamen zu dem Entschluss, dass die Gemeinde vorzuziehen ist, wo man sensibel dafür ist, dass auch Verbindung mit Irrlehre beschmutzt. Meine Frau und ich kehrten daher Anfang 2023 nach großen geistlichen Kämpfen in unsere vormalige Glaubensgemeinschaft zurück; Corona hatte zumindest in Bezug auf die Sitzordnung zu einer Auflockerung der anachronistischen Form geführt.

Wir schreiben das Jahr 2023: Francis A. Schaeffer und die heutigen Bibelschulen

Erst in den vergangenen Herbstferien las ich Schaeffers letztes Buch, das er – bereits schwer gezeichnet von seiner Krebserkrankung – in dem Jahr herausbrachte, das sein Todesjahr sein würde: „Die große Anpassung. Der Zeitgeist und die Evangelikalen“.

Abermals stellt Schaeffer präzise und mit Verve heraus, wie entscheidend das Schriftverständnis ist – für ihn neben der Haltung zum Lebensschutz einer der beiden Lackmustests für Bibeltreue –, um als Christ dem Druck des Zeitgeistes etwas entgegenzusetzen.

Als tragisch empfinde ich, dass Stephan Holthaus (zusammen mit dem geschätzten Historiker Lutz von Padberg) noch im Vorwort schrieb:

Die Bibelfrage bleibt die Wasserscheide. Sie wird den weiteren Weg der Evangelikalen bestimmen. Werden sie den Weg vieler Institutionen und Werke gehen, die einflussreich und bibeltreu anfingen, aber bedeutungslos und liberal endeten, oder lassen sie sich zurückrufen zur Irrtumslosigkeit der ganzen Schrift, mit dem sie begannen und das ihnen ihre Existenzberechtigung gab gegenüber allen Ideologien und Theologien unserer Tage?

Die FTH Gießen ist mit ihrer Bibelkritik im Gewand der Bibeltreue und v. a. Armin Baums Hermeneutik leider in genau die Falle der kulturellen Relativierung von Gottes Wort getappt, vor der Schaeffer so hellsichtig gewarnt hatte (vgl. u. a. S. 71).

Fazit: Francis A. Schaeffer und der „christliche Realismus“

Wie man Gemeinde in die Gegenwart transformiert, sodass die inhaltliche Substanz erhalten bleibt, aber glaubensferne Menschen und Christen anderer Prägung auf der Suche nach einer bibeltreuen Gemeinde nicht abgeschreckt werden durch Äußerlichkeiten, treibt mich nach wie vor existentiell um. Francis A. Schaeffer war mir bei diesem Ringen in den vergangenen Jahren sieben Jahren eine große Hilfe. Schaeffer ist mir auch deswegen zu einem großen Glaubensvorbild geworden, weil er nicht nur um Orthodoxie, sondern auch um „Orthopraxis“ rang; ihm war klar, dass Bibeltreue nur dann glaubwürdig vertreten wird, wenn ihre Adepten auch ein Leben in der Nachfolge Jesu führen.

Dabei war er sich der Gefahr bewusst, in der jeder christliche Apologet steht: Man kann in seinem Eifer für die biblische Wahrheit übers Ziel hinausschießen und in die Falle des Rigorismus tappen oder man kann dem Anpassungsdruck nachgeben und faule Kompromisse eingehen. Bemerkenswert finde ich daher, wie er unter der Überschrift „christlicher Realismus“ beiden Reaktionsweisen auf die Beliebigkeit der Postmoderne entgegentritt. Diesen Rat möchte ich uns anlässlich seines 40. Todestages abschließend in Erinnerung rufen:

[Wir brauchen] jeden Tag die Hilfe des Sohnes Gottes, denn aus eigener Kraft schaffen wir es nicht. Wir müssen ihn seine Furcht in uns wirken lassen. Wir können in unserer alten Natur Orthodoxie verkünden, und wir können in unserer alten Natur faule Kompromisse schließen. Unser Auftrag lautet jedoch ganz anders: Wir sollen mit Gottes Hilfe in unserer Generation Gott und sein Wesen sichtbar machen. An uns soll sich zeigen, dass er ein persönlicher, heiliger und liebender Gott ist. Unserer alten Natur nach können wir entweder rechtgläubig oder liebevoll und kompromissbereit sein. Eines aber können wir in unserer alten Natur nicht – wir können nicht gleichzeitig Gottes Gerechtigkeit und Liebe in unserem Leben sichtbar machen: das ist nur durch das Wirken des Heiligen Geistes möglich. Alles aber, was weniger darstellt, ist nicht Abbild Gottes, sondern eine Karikatur Gottes, der existiert.4

1 Vgl. Francis A. Schaeffer, Gott ist keine Illusion. Ausrichtung der historischen christlichen Botschaft an das zwanzigste Jahrhundert (Wuppertal: 1971), S. 181).

2 Francis A. Schaeffer, Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts (21973), S. 73 f., 77, 79-84.

3 https://www.labriideaslibrary.org/IdeasLibraryDatabase/The-Battle-With-Liberalism-In-The-Time-Of-Spurgeon?fbclid=IwAR3jaHJM9Y6xuM-CC48AV1drWnvqB9mb6B3I2QrAQmXa0soM97wgEDAt3Mw

4 Schaeffer, Gott ist keine Illusion, S. 172.

Interview mit Ellis Potter über Francis Schaeffer und L’Abri

Jonas (J): Hallo Ellis, danke für deine Bereitschaft zu einem Interview. Kannst du unseren Lesern etwas zu deinem persönlichen Hintergrund erzählen? Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du ein früherer Mönch im Zen-Buddhismus warst. Wie kamst du da nach L’Abri?

Ellis (E): Ja, ich wuchs in Kalifornien in einer christlichen Familie auf. Und dann begann ich, Fragen zu stellen, welche die Christen nicht beantworten konnten. So dachte ich, dass der christliche Glaube nicht wahr sei. Ich war an den Absoluta des Lebens interessiert und wollte wissen, wie hoch es nach oben geht, wie fern die Ferne geht. Was kommt am Ende des Universums? Die Christen in meiner Umgebung konnten das nicht beantworten. Inzwischen habe ich Christen getroffen, die von der Bibel her Antworten darauf aufzeigen können. Doch damals konnte mir das niemand erklären. So begann ich umherzuschauen, ob irgendwer an den Absoluta des Lebens interessiert war, und ich fand heraus, dass die Zen-Buddhisten sich darüber Gedanken machten. Deshalb las ich einige Bücher über den Zen-Buddhismus und begann zu meditieren und besuchte ein Zen-Kloster in Los Angeles. Nach einer Weile fand ich ein näher gelegenes Kloster in den Bergen, das ich häufiger besuchen konnte. Mit etwa 25 Jahren habe ich dann alles zurückgelassen, alles verkauft und begann im Kloster zu leben. Das Leben im Kloster war sehr streng und diszipliniert. Nach und nach begann ich zu reisen und habe verschiedene Kloster besucht. Irgendwann kam ich auf diesen Reisen nach Europa. Ein Freund, den ich noch aus Kalifornien kannte, reiste mit mir, ein Christ, und wir besuchten verschiedene Kloster. Damals dachte ich, mein Ziel sei Japan, das Zentrum des Zen-Buddhismus. Dieser Freund wollte nach L’Abri, was ich nicht kannte. Er erzählte mir: Das ist eine Gemeinschaft von Christen, die denken. Ich sagte nein, das konnte ich nicht glauben. Als wir zusammen da waren, mochte ich L’Abri überhaupt nicht. Es war alles laut und geschäftig, mit Kindern und Hunden, und die redeten während sie aßen. Ich war das anders gewohnt. Im Kloster ist es ruhig, leise. So ging ich weiter nach Italien, wo ich Tee-Zeremonien kennenlernte. Und Tee, den ich heute noch trinke. Doch nach vier Monaten hatte ich genug von meinen Versuchen, Italienisch zu sprechen und vermisste meinen Freund. So kam ich nach L’Abri zurück.

Bekehrung

J: Und dort hast du dich dann bekehrt?

E: Ja, ich wurde dann dort Student und studierte den Römerbrief durch Vorlesungen, die Schaeffer auf Tonband aufgenommen hatte. Und dann wurde ich Christ. Zum Teil gegen meinen Willen. Ich wollte nicht Christ werden, denn die Christen, die ich kannte, mochte ich nicht besonders. Aber der christliche Glaube wurde überzeugend. Der wichtigste Grund, weshalb ich Christ wurde, war, weil er mir klar wurde. Es braucht weniger Glauben, um an den christlichen Gott zu glauben als an irgend etwas anderes. Eines Abends las ich Schaeffers Buch „Escape from Reason“, und als ich vom Buch aufschaute, hatte das ganze Universum seine Form geändert. Alles hatte einen neuen Fokus. Das war das Wirken des Heiligen Geistes in meinem Leben. Es war eine Mischung aus Logik, Gnade und Gottes Wirken, die mich vom christlichen Glauben überzeugt haben.

J: Das finde ich spannend. Bei einigen Personen, die sich in L’Abri bekehrt haben, las ich, dass auch die Gemeinschaft, das gemeinsame Leben, Gebet, und so weiter etwas war, was sie auch mit überzeugt hat. Wie war das bei dir?

E: Ja, die Gemeinschaft ist ein wichtiges Element von L’Abri. Es ist eine einmalige Art von Gemeinschaft, denn es ist kein Kloster, keine Kirche oder Gemeinde, keine akademische Institution. L’Abri hat sich als Mission gesetzt, eine Zuflucht für alle zu sein, die Zuflucht brauchen. Es ist eine offene Gemeinschaft innerhalb der Grenzen des vorhandenen Platzes. Jeder, der kommt, ist willkommen. Es gibt keine Voraussetzungen, kein Anmeldeformular, kein Ziel, wie die Gemeinschaft geformt werden soll. L’Abri lebt vom Gebet. Eine Art extremes Glaubenswerk. Wenn du in L’Abri mitarbeitest, darfst du keine Spendenaufrufe machen, keine Werbung. Es wird gebetet und auf Gott gewartet. Jeder, der an die Türe klopft, wird als jemand betrachtet, den Gott gesandt hat. Egal, wie alt oder jung jemand war, wie gebildet oder ungebildet. Jeder, der herein kommt, bestimmt durch seine Anwesenheit mit, wie sich L’Abri weiter entwickelt. In gewisser Weise ist L’Abri sehr passiv. Andere Werke haben einen Plan, wie sie sich entwickeln wollen. L’Abri hat keinen Plan. L’Abri ist unstrategisch. Diese Art von Gemeinschaft war für viele Menschen etwas ganz Besonderes. Für mich war Gemeinschaft insofern nichts Neues, da ich aus Klostern schon Ähnliches kannte. Aber für viele war das eindrücklich. Was mich mehr beeindruckt hat, war die Bibel und die tiefe pastorale Fürsorge der meisten Mitarbeiter.

Schaeffer und das 21. Jahrhundert

J: Eine andere Frage: Man hört ja häufig, dass Francis Schaeffer eine prophetische Stimme war, die vieles von dem vorhersah, was inzwischen eingetreten ist oder sich verstärkt hat. Was würdest du dazu sagen?

E: Ja, Francis Schaeffer war sich in der westlichen Kultur sehr bewusst, was um ihn herum ablief. Er konnte Tendenzen sehen, wie sich vieles weiter entwickeln würde. Ein Thema, das er immer wieder ansprach, war die westliche Suche nach dem persönlichen Frieden und Wohlstand. Dass der Hauptpunkt des Lebens sich immer mehr dorthin verlagert, wie es mir geht, mein Selbstbewusstsein, mein psychischer Zustand, meine Stabilität. Alles dreht sich immer mehr um mich selbst. So gibt es weniger Ehen, weniger Familien, weniger Gemeinschaft, und die Gemeinden sind geschwächt und verschwinden, weil der Fokus immer mehr auf das Ich gelegt wird anstatt auf den Anderen. Und ich denke, das war das Zentrale, was Schaeffer sah.

J: Ja, das sehe ich auch immer mehr zunehmen. Was denkst du, wenn die Familie Schaeffer heute, im 21. Jahrhundert in die Schweiz ziehen würden um ein Werk aufzubauen, würden sie etwas anders machen als damals?

E: Ich denke, dass sie im großen Ganzen dieselbe Arbeit aufbauen würden. Allerdings wäre der Zustand der Menschen, die kämen, ein ganz anderer. In der Zeit, als ich in L’Abri mitarbeitete, hatten wir zu einem Zeitpunkt mehrere Menschen mit psychischen Problemen. Es war sehr schwierig zu der Zeit, sie haben die Gemeinschaft etwas gestört und wir waren nicht genügend qualifiziert um mit manchen der Probleme umzugehen. So haben wir uns als Mitarbeiter darüber unterhalten, wie wir damit umgehen sollten. Sollten wir uns schützen, indem wir Schranken aufrichten? Schaeffer sagte etwas, das uns alle schockierte. Er sagte: Wenn uns der Herr nur noch die psychisch Kranken herschickt, dann ist das unsere Aufgabe. Aber wir beteten viel für diese Situation, und ich glaube nach wie vor, dass Gott uns da arg beschützte und dafür sorgte, dass wir nicht überfordert wurden. Dennoch waren fast alle, die kamen, in irgend einer Krisensituation. Menschen mit Veränderungen im Leben. Mit Entscheidungen, die sie treffen mussten. Jüngere Menschen, die gerade ihr Abitur abgeschlossen hatten und mit Fragen kamen, die ihre Eltern und Pastoren nicht beantworten konnten. Menschen, die nach der Schule nicht wussten, welchen Beruf sie wählen sollten. Menschen, die herausfinden mussten, ob der christliche Glaube wirklich wahr ist. Oder Menschen in ihren 40ern und 50ern, die ihre Kinder groß gezogen hatten und sich nun fragten: Was soll ich jetzt? Was ist jetzt der Sinn meines restlichen Lebens? Manche kamen mit Krisen unter der Fassade, die erst einmal nur etwas studieren wollten. Und dann nach drei oder vier Wochen in der Gemeinschaft kamen dann die richtigen Krisen plötzlich zum Vorschein.

Die Botschaft der Schaeffers

J: Nun haben die Schaeffers doch ein paar Bücher geschrieben. Ich kenne die große Gesamtausgabe der Werke von Francis in den fünf Bänden. Aber das ist für manche Leser etwas einschüchternd. Was wäre ein guter Einstieg oder eine gute Reihenfolge für junge Leser?

E: Das kommt sehr stark auf die Personen an. Wer sind sie? Was ist ihr Hintergrund? Akademisch oder nicht? Geht es um die Diskussion von philosophischen Ideen? Brauchen sie mehr ein pastorales Buch? Darauf kommt es an. Vielleicht „Gott ist keine Illusion“ oder „Und er schweigt nicht“. Und dann würde ich die Bücher von Edith Schaeffer mit einbeziehen. Wenn die Person etwa eine schwierige familiäre Situation hat, oder sich unsicher fühlt oder orientierungslos ist, würde ich Bücher von Edith Schaeffer zu Beginn empfehlen. Ihr Buch „L’Abri“ erzählt die Geschichte der Gemeinschaft. Bis etwa zu ihrem 70. Geburtstag hat sie noch geschrieben. Über viele Themen: Familie, Musik, Kunst.

J: In unserer Zeit hört man ja immer wieder von bekannten christlichen Pastoren und Leitungspersonen, die Vorbilder für viele waren und plötzlich gibt es Skandale, dass sie in Sünde gefallen sind, dass sie Fehler vertuscht haben. Gibt es aus dem Fundus der Schaeffers ein Hilfsmittel, wie man damit am besten umgeht?

E: Ja, da gibt es oft einen extremen Fokus auf bestimmte Menschen, die im Rampenlicht stehen. Dieser Fokus verzerrt eigentlich die Vision des ganzen und ganzheitlichen Christenlebens, wenn alles auf den sichtbaren Bereich dieser Personen gerichtet ist. Man ist heute so stark auf diese einzelnen Personen fokussiert und dann brechen plötzlich Gemeinschaften zusammen. L’Abri war über 60 Jahre lang auf eine relativ kleine,m ruhige Art aktiv. Der Fokus ist nicht auf die bekannten Studenten und Mitarbeiter gerichtet, sondern darauf, in Gemeinschaft und Gastfreundschaft zu dienen. Diese Prinzipien haben sich über die Jahrzehnte nie geändert. Es beginnt immer an der Basis. So ist L’Abri ganz etwas anderes als eine Bewegung.

J: Vielen Dank. Gibt es zum Abschluss unseres Interviews noch etwas Besonderes, was du auf dem Herzen hast, was du mit unseren Lesern teilen möchtest?

E: Ich möchte nichts von mir persönlich teilen, weil ich denke, das ist nicht wichtig. Aber einen Gedanken möchte ich mitgeben. Schaeffer war es immer wichtig, vom Gott zu erzählen, der nicht schweigt. Der Gott, der spricht. Gott spricht in Worten. Und Schaeffer legte großen Nachdruck darauf, dass Gott die Wahrheit klar und lebendig spricht. Und ich sehe, dass dies in unserer Kultur und im christlichen Leben immer weniger betont wird. In all meinen Büchern, Reisen und Vorlesungen versuche ich das weiterzugeben: Wahrheit sprechen und verstehen und unterstützen was wir sagen, anstatt nur Plattitüden und ein paar auseinandergerissene Teile der Bibel zu zitieren. Das ist ein Teil von Schaeffers Werk, was ich feststelle. Ich sehe, dass es immer notwendiger wird, weil wir sonst immer mehr in ein Chaos und Dunkelheit fallen. Das ist es, wozu ich Menschen ermutigen möchte: Übernehmt Verantwortung für was ihr sagt und hört sorgfältig zu. Fragt immer wieder: Was meinst du wirklich damit?, sodass eine echte Verbindung entstehen kann. Das Erste, was wir von Gott wissen in der Bibel ist, dass Er spricht. Und da greift auch der Teufel an und attackiert uns und bringt unsere Sprache durcheinander. Er verstümmelt sie, macht sie unklar, unwahrhaftig und unverbindlich. Und dann werden wir immer weniger wie Gott. Denn Gott ist immer ganz klar und verbindlich und übernimmt die Verantwortung und alle Konsequenzen für das was er sagt. Das wäre meine Botschaft an die Welt. Danke!

J: Vielen Dank für das Gespräch!

Ellis H. Potter war viele Jahre Mitarbeiter in L’Abri und später Pastor in Basel. Er hat einen Reisedienst und ist Autor mehrerer Bücher. Seine Homepage (englisch) ist hier zu finden (Link)

Gastbeitrag: Edith und Francis Schaeffer – ein Leben, das Spuren hinterlässt

von Carolin Schmitt

Ich weiß gar nicht mehr, wie und wann mir zum ersten Mal Bücher von Francis Schaeffer begegnet sind. Aber ich erinnere mich noch genau, dass ich im Jahre 2017 auf dem BLOG von Hanniel Strebel mehrere Beiträge über Francis Schaeffer gelesen hatte und auf das Buch „L‘ Abri“ von Edith Schaeffer aufmerksam wurde. Aufgrund meiner Frankophilie hatte der Titel auf Anhieb mein Interesse geweckt, so dass ich mir sofort ein Exemplar bestellen musste. Die Geschichte zur Entstehung und Entwicklung des Glaubenswerkes „L‘ Abri“ beeindruckte mich sehr.

Bereits von der ersten Seite hat mich der authentische Bericht über die Entstehung von L’Abri gefesselt und fasziniert. Ich musste staunen, war tief bewegt und gleichzeitig wurde ich wahnsinnig gestärkt, mutiger zu glauben. Gott hat die Familie Schaeffer in den vielen Jahren durch Schwierigkeiten, die meist mit Freuden und Glaubenssiegen einhergingen, geleitet. Seine Antworten auf die Gebete im Glauben haben mich zu Tränen gerührt. Die Prinzipien von Schaeffers, die auch immer Basis aller Gebete waren, haben in meinem Gebetsleben tiefe Spuren hinterlassen:
“… 1. Wir wollen darum beten, dass Gott uns die richtigen Menschen zuführt, und alle fernhielt, die nur zum Skilaufen kamen oder ein offenstehendes Haus ausnutzen wollten.
2. Wir wollen darum beten, dass Gott uns Woche um Woche und Monat um Monat genug Geld senden würde, um unsere Bedürfnisse zu decken und auch den Menschen, die er uns schicken würde, Gastfreundschaft zu gewähren.
3. Wir beschlossen, keine Pläne in Bezug auf unsere Arbeit zu machen, sondern uns in jeder Hinsicht der göttlichen Leitung zu überlassen.
4. Wir beten auch darum, dass falls die Arbeit wachsen sollte, Gott uns die richtigen Mitarbeiter senden solle. …” (L’ Abri, S. 147-148).

Zu dieser Zeit hatte ich immer wieder den Gedanken, eine evangelistische Initiative in unserem Ort zu starten. Diese Idee wurde durch die Lebensgeschichte der Familie Schaeffer bestärkt. Viele Wochen habe ich darüber gebetet bis schließlich in einem Austausch mit meinem Mann offenbar wurde, dass er seit Wochen die gleichen Gedanken wie ich hatte. So lag es für uns auf der Hand, dass wir Schritte gehen und schauen, was Gott mit uns vorhat. Im darauffolgenden Jahr, im Januar 2018, gründeten wir den Verein BASIS.lager Karlsdorf-Neuthard e.V.

Unser Verein soll anderen Menschen dienen und Gott die Ehre geben, indem wir das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat verkünden. Wir möchten einen Ort für jeden anbieten – egal welchen Alters, welcher Herkunft, welcher Vorbildung oder welchen Milieus – der ernsthafte Antworten auf grundlegende Fragen nach dem Sinn des Lebens sucht oder geistliche Ermutigung und Zurüstung benötigt.

Für Christen, Missionare und Evangelisten möchten wir einen Raum schaffen, in dem wir uns gegenseitig ermutigen, korrigieren und unterstützen und geistlich erfrischt vom Zwischenstopp im BASIS.lager weiterziehen können, um Gott zu dienen. Dazu gehört für uns auch, dass Menschen bei uns übernachten oder bei einer gemeinsamen Mahlzeit mit uns Zeit verbringen können. Edith Schaeffer hat unser Anliegen sehr treffend formuliert: „Wir müssen uns gegenseitig ermutigen, auf Gott zu schauen, und uns von Ihm Hilfe und Kraft erbitten, in diesem Abschnitt unseres Jahrhunderts weiterzumachen. Wir müssen wissen, dass wir unterschiedliche Individuen sind und dass wir eine individuelle Bedeutung in der Geschichte haben. Unsere Entscheidungen sind es, die zählen.“ (L’ Abri, S. 304)

Die Familie Schaeffer wurde uns noch in einigen anderen Punkten zum Vorbild, da sie Mission völlig anders umgesetzt hat, als es allgemein üblich ist. Sie haben sich nicht hingesetzt und Pläne geschmiedet, sondern sie haben sich auf den Weg gemacht und von Gottes Vorsehung Schritt für Schritt führen lassen – auch wenn es nicht immer ganz einfach war und es Widerstände gab. L’Abri war kein Missionshaus oder eine Art Freizeitheim, sondern eine Familie, die ihre Türen für suchende Menschen öffnete, um zuzuhören, zu helfen und zu reden. Durch ihre tagtägliche Gastfreundschaft haben sie ein Werk Gottes begonnen, das noch heute existiert. Genau das hat uns inspiriert, den Verein zu gründen und wir möchten auf diese Art und Weise unseren Dienst leben und uns von Gott gebrauchen lassen.

Unser Ziel ist es, immer flexibel reagieren zu können, wenn Menschen mit Fragen auf uns zukommen, um ausreichend Raum und Zeit für diese Personen haben zu können. Wichtig ist uns, dass wir nicht zu viele zeitliche Ressourcen verplanen, um jederzeit auf Gottes Führung hören und reagieren zu können. Denn es soll nicht unser Werk, sondern Gottes Werk sein. Genau wie Edith und Francis Schaeffer möchten wir auch in schwierigen Phasen Gottes unfehlbarer Führung vertrauen und ihm Großartiges zutrauen. Ebenso möchten wir nicht auf Zahlen setzen. Der einzelne Mensch soll zählen, nicht die Masse. Wir vertrauen darauf, dass Gott uns so viele Menschen auf einmal schickt, dass alle zu Wort kommen können und wir über die notwendigen Kapazitäten verfügen. Freundschaften mit Menschen, die keine Christen sind, möchten wie bewusst pflegen und mit ihnen Zeit verbringen, ihnen zuhören und herausfinden, was sie bewegt und ihnen Sorgen macht, um ihnen von unserem Glauben an Jesus zu erzählen. Genau wie im Buch L’Abri immer wieder dargelegt wird, sind objektiver, in gewisser Weise „kühler“ Intellekt und persönlicher, kindlicher Glaube kein Widerspruch. Vielmehr ergeben Vernunft und Glaube erst zusammen ein Ganzes. Wir müssen nur die Augen und Ohren für Begegnungen und Gesprächsgelegenheiten öffnen und bereit sein, uns von Gott unterbrechen zu lassen, um Menschen die Wahrheit nahe zu bringen. Um es mit Francis Schaeffers Worten zu sagen: „Es gibt nur einen einzigen Grund, ein Christ zu sein – nicht zwei verschiedene!… und der ist, dass die christliche Verkündigung wahr ist.“ (L’ Abri, S. 285).

Wenn ich heute die letzten 6 Jahre Revue passieren lasse, kann ich nur staunen, wie Gott uns immer wieder überrascht und Wege gewählt hat, die für uns zuvor unvorstellbar waren. Ich könnte ein Dutzend großartiger Geschichten erzählen, die Gott mit unserem Verein geschrieben hat. Und alles fing damit an, dass das Leben von Edith und Francis Schaeffer in unseren Herzen Spuren hinterlassen hat. Mögen noch viele Menschen und nachfolgende Generationen von ihren Werken inspiriert und ermutigt werden, um Gott zu dienen. Lasst uns dafür beten!

Quelle:
Schaeffer, Edith, L’Abri, Hänssler Verlag Holzgerlingen, 1999.

Carolin Schmitt lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Karlsdorf/Baden. Sie arbeitet in Teilzeit als Wirtschaftsingenieurin in einem Softwareunternehmen und hat 2018 mit ihrem Mann und fünf weiteren Christen den Verein BASIS.lager Karldorf-Neuthard e.V. gegründet. Sie und ihre Familie sind aktives Mitglied in der FeG Bruchsal. In der Freizeit genießt sie die Natur, geht gerne wandern, liest gerne und schreibt hin und wieder kurze Artikel oder Rezensionen.

 

Gastbeitrag zu Francis Schaeffer

von Pastor Kai Kreienbring

Ich wurde gebeten ein kleines Statement anlässlich des 40.Todestages von Francis Schaeffer zu schreiben. Ich selber bin nie in L´Abri gewesen. Habe allerdings immer wieder davon gehört. Als ich 1983 Jesus kennenlernte und anfing mit intensiver mit dem Glauben und allem was dazu gehört zu beschäftigen bin ich auch öfter über Schaeffer gestolpert. Allerdings muss ich sagen, dass er mir anfangs viel zu intellektuell war (Ich war nur ein einfacher Schlosser der von Jesus auf eine Bibelschule gerufen wurde um in den vollzeitlichen Dienst zu gehen).

In den letzten 30 Jahren im Gemeindedienst sind mir immer wieder Schriften und Aussagen von Schaeffer in die Finger gefallen. Und je mehr ich darin las, je mehr merkte ich, dass er eine Art neuzeitlicher Prophet war. Jemand, der den Finger auf die Wunden seiner Zeit legte, Entwicklungen aufzeigte und immer wieder Jesus und Gottes Wort in den Mittelpunkt stellte. Gerade vor kurzem bin ich in seinem 1973 erschienen Buch „Tod in der Stadt“ über eine Aussage gestolpert, die er wahrscheinlich genauso gut oder noch deutlicher heute hätte schreiben können:

Die Bibel stellt ihre religiösen Lehren in einen historischen Rahmen hinein. Das ist genau das Gegenteil der modernen Theologie und des existentialistischen Denkens, das Gegenteil der Zurückführung von Religion auf eine subjektive Projektion, wie sie im zwanzigsten Jahrhundert vorgenommen wird.“

(Schaeffer, Francis; Tod in der Stadt; 1973; Harald Wever, Wuppertal; S.12)

Darin zeigt Schaeffer eine Entwicklung auf, die in unserer postmodernen Welt geradezu einen Höhepunkt erreicht hat. Ich glaube dies, du glaubst das – und wir beide haben recht! Auch in sogenannten post-evangelikalen Kreisen gewinnt diese Haltung in den letzten Jahren immer mehr an Boden. Wie sich nicht zuletzt in den diversen sexual-ethischen Diskussionen zeigt. Religion bzw Glaube stellt nicht mehr die Frage nach der Wahrheit, sondern nur noch die Frage nach dem subjektiven Befinden. Das hat mit dem historisch-biblischen Christentum nichts mehr zu tun. Und so stehen wir heute vor der Herausforderung das biblische Evangelium in eine Welt zu predigen, die gar nicht wirklich nach der Wahrheit fragt.

Hier lohnt es sich auch wieder neu, sich mit den Denkansätzen von Schaeffer auseinanderzusetzen! Auch wenn die Erscheinungsjahre seiner Bücher schon einige Jahrzehnte her sind!

 

Kai Kreienbring, Pastor der Volksmission Graz.

Seit 1990 teilweise ehrenamtlich, teilweise nebenberuflich, teilweise vollzeitlich im Gemeindedienst. Immer unter dem Motto „To know HIM and to make HIM known“

Gastbeitrag: Francis A. Schaeffer zu seinem 40ten Todestag 2024

von Pfr. Beat Laffer-König

Die erste Begegnung mit Francis A. Schaeffer am 5. Okt 1970. Francis Schaeffer (1912-1984) kam an die damalige FETA in Basel, heute STH, und wurde durch seinen Schwiegersohn, Udo Middelmann, übersetzt. Schon im 1. Semester, Herbst 1970, lehrte er Kulturphilosophie. Alle 24 Studenten konnten 1970 daran teilnehmen. Seine Vorlesungen waren äusserst spannend, interessant, aufschlussreich. Er stellte die Kultur in einen grossen Zusammenhang, beurteilte dabei die Kultur, vornehmlich des Westens, aus dem Blickwinkel des Biblischen Christentums. Damit vermittelte er uns Grundlagen, um Menschen aus allen Ländern besser zu verstehen, um ihnen das Evangelium als Antwort auf ihre Fragen besser vermitteln zu können. Professor Dr. theol. Samuel Külling, Rektor der neu gegründeten Ausbildungsstätte für Theologen und Theologinnen, war sehr angetan von Schaeffers Vorlesungen und äusserte sich dahingehend, dass er in seinem Studium in der Schweiz nie etwas Ähnliches gehört habe.

Besuch in L’Abri

Später konnte ich das Ehepaar Francis und Edith Schaeffer, zweimal in den Jahren ab 1970 in L’Abri, ob Huémoz/Ollon, Kanton Waadt, Schweiz, besuchen. Sie lebten dort in Huémoz als Familie. Ich wurde sehr offen und herzlich empfangen. Man fühlte sich sofort sehr wohl in ihrem bescheidenen Zuhause. In L’Abri hörte ich noch ausführlicher seine Vorlesungen. Obwohl sich immer sehr viele Zuhörer aus verschiedenen Ländern einfanden, hatte ich das Gefühl, dass er allein zu mir redete. Dies erstaunte mich sehr. Das war das erste Geheimnis des Ehepaars Schaeffer: Liebe und Wahrheit. Um ihren Lebensweg in der Schweiz zu verstehen, ist das Buch von Edith Schaeffer aufschlussreich, in «L’Abri, Gottes Wirklichkeit heute erlebt. Eine Familie wird Treffpunkt der modernen Jugend».

Das Ehepaar Schaeffer hatte vier Kinder. Die Bücher von Edith Schaffer sind ebenso wichtig zu lesen. Sie vermitteln Einsichten in ihren Weg des Glaubens und des christlichen Lebens. Ein weiteres Geheimnis ihres «Erfolgs» war ihre Bescheidenheit und zeitweilige Armut. Bewusst, so legte Schaeffer dar, kam ihre exakte Adresse nie in einem Buch vor. Man wollte möglichst nur echt suchenden Menschen, Männern und Frauen, in Praxis und Theorie, die Antwort des biblischen Christseins geben. Sehr viele Menschen kamen durch das Ehepaar zum Glauben an Jesus Christus. Orthodoxie und Orthopraxis wurden sehr glaubhaft gelebt und vermittelt. Das Ehepaar Schaeffer erfuhr auch Leiden, Anfechtungen und Angriffe. Froh und gestärkt im Glauben, reiste ich in meine Heimatstadt Basel zurück.

In L’Abri konnte man ebenfalls studieren. Viele Vorträge auf Tonband vermittelten Querverweise zu anderen Referenten, Referentinnen, und Vorlesungen, die dort ebenfalls gehört werden konnten. Ebenso wurde auf andere Bücher verwiesen. Es war somit keine Engführung zu beobachten, sondern Weite, aber dennoch verwurzelt im Biblischen Christentum. Meines Wissens gibt es auf der Welt andere «L’Abri»-Zentren, die vernetzt sind. Schaeffer beschrieb und untersuchte Kultur im Kontext von West und Ost, von Süd und Nord, dennoch kritisch durchleuchtet vom biblisch-christlichen Glauben her. Francis und Edith waren oft zusammen auf Wanderungen, tauschten sich über die heutige Situation in Kirchen und Gesellschaft aus. Die Strömungen der Säkularisation wurden in vielen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens aufgegriffen. Dabei war der biblisch-christliche Glauben die Basis. Das Zentrum war der Erlöser, der Christus, der Messias, wie ihn die Heilige Schrift bezeugt. Die Bibel, die Heilige Schrift, war und blieb immer im Sinn des Urchristentums und der Reformation das Basisdokument der Christen. Von dieser Basis aus wurden viele Bereiche beleuchtet, etwa Philosophie, Kunst, Musik und Kulturleben, Theologie, Mystizismus, Politik, Wirtschaft.

Wichtige Gedanken von Francis Schaeffer

Der Zerfall des Westens. Francis und Edith Schaeffer bewegte der Zerfall des Westens sehr, der Zerfall der Kirchen und der Gesellschaft. Sie zeigten «Die Linie der Verzweiflung» auf. Heute kann man noch weitergehen und teilweise von der Dekadenz des Westens reden. Zerfall, Dekadenz und Zerbruch haben ihren Ursprung in der Abwendung vom biblischen Christentum und als Folge davon den Zerfall der Kirchen. Von daher suchte ich in L’Abri die Frage zu beantworten, ob ich mich in der Evang.-reformierten Kirche im Pfarramt engagieren sollte. Udo Middelmann bewegte diese Frage ebenfalls sehr. Die Antwort war nicht leicht. Middelmann sagte unter anderem den Satz: «… um derentwillen, die an Jesus Christus glauben». Heute ist der Zerfall der Kirchen in Europa und Nordamerika noch weiter vorangeschritten – und dies sage ich nach 36 Jahren Tätigkeit als Pfarrer in der Evang.-reformierten Kirche der Schweiz. Seit 2013 bin ich pensioniert und übernahm Stellvertretungen in derselben.

Was ist Kirche? – Diese Frage ist heute noch umstrittener als im letzten Jahrhundert. Schaeffer nahm diese Thematik auf in den Büchern «Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts», «Die Kirche Jesu Christi. Auftrag und Irrweg», «Die grosse Anpassung – Der Zeitgeist und die Evangelikalen», und schon oben darauf hingewiesen, «Das Kennzeichen des Christen». Andere Bücher von ihm nehmen indirekt diese Thematik auf. Dabei wollen wir nicht vergessen, dass er zunächst der theologischen Richtung angehörte, die man als «liberale Theologie» bezeichnet. Seine Erfolglosigkeit führte Schaeffer dazu, diese Richtung zu verlassen und vieles von der Bibel her, vom biblisch-christlichen Glauben aus als die Basis zu durchdenken. Die «Dialektische Theologie», die man in den USA oft als «neoorthodoxy» bezeichnet, resultierend daraus die «Positive Theologie» oder «Offenbarungstheologie», verwarf Schaeffer ebenfalls. Das Problem liegt viel tiefer. Es geht um die Frage, ob die Heilige Schrift in allen ihren Aussagen wahr ist oder nicht.

Die Frage nach dem Glauben

Schaeffer und viele aus anderen wissenschaftlichen Bereichen gingen dieser Frage nach. So konnte man sehr viele Vorträge ab Tonband in L’Abri hören, reflektieren und studieren. Es wurde sehr viel darüber ausgetauscht. Es nützt wenig, einen sogenannten «Sprung» zu vollziehen und zu vertreten, dass diese Frage nicht relevant sei. Hauptsache man glaubt, so die Meinung. Schaeffer sah das nicht so. Er untersuchte viele Weltanschauungen, naturwissenschaftliche, philosophische aus West und Ost. Zugleich war er der Überzeugung, dass der christliche Glaube ebenfalls eine Weltanschauung vermittelt. Doch machte er deutlich, dass diese ihren Ursprung in Gott hat – und nicht im Menschen. Daher haben wir Menschen absolute Werte, Werte, die Gott setzte. Diese Werte sind nicht relativ. Die Heilige Schrift ist in ihren Urtexten inspiriert durch den Heiligen Geist, eine der drei Personen der Dreieinigkeit Gottes. Da Gott nicht lügen kann, muss sie wahr sein. Man soll alle Weltanschauungen auf ihre Aussagen hin überprüfen. Nicht alles, was die weltliche Wissenschaft vertritt, ist wahr. So sind zum Beispiel Naturwissenschaftler vorsichtiger, indem sie die Meinung vertreten: «Nach dem heutigen Stand des Wissens, ist es so, doch morgen, durch neue Forschung, muss alles revidiert werden.» Man kann die Meinung vertreten, dass die Heilige Schrift wahr ist.

In der Auseinandersetzung kann man die Wissenschaft nicht als wahr hinstellen, ohne sie zu überprüfen. Das ist intellektuelle Geistesarbeit. Dabei ergeben sich viele Voraussetzungen (Axiome, bis in die Mathematik), die nicht überprüft werden. Ich könnte viele solche Voraussetzung nennen, will jedoch nur auf die Geschichtsphilosophie vom Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder auf die Halbwertszeit der Atome (Chemische Elemente) hinweisen. Niemand kann beweisen, dass die Halbwertszeit in der Vergangenheit immer dieselbe war. In der Vorlesung – ich studierte nach der Theologie Naturwissenschaften an der Universität Basel – zeigte uns ein Chemie-Professor einen Versuch, der mit dem damaligen, derzeitigen chemisch-physikalischen Modell nicht erklärbar ist. Dieser war somit vorsichtig mit der Aussage, dass es so ist. Er meinte: «Wenn jemand von Euch dies herausfindet (ein anderes Modell), ist er morgen Nobelpreisträger». Schaeffer war nicht gegen die Wissenschaft, sondern sie soll kritisch befragt werden, und er lud viele Wissenschaftler nach L’Abri ein. Er hatte also keine Angst davor.

Ist Francis A. Schaeffers Schrifttum heute noch aktuell?

Ich meine Ja. Warum? Dazu möchte ich eine meiner Beobachtungen im Dienst als Pfarrer weitergeben. Zunächst weise ich auf das Stück von Samuel Beckett hin, «Warten auf Godot». Im Theaterstück kam Godot nicht. Das Warten war vergeblich. Es war beklemmend. Ich sah es circa 1970. Im Laufe der Zeit erkannte ich, dass die Menschen überhaupt nicht auf die Idee kommen, auf Gott zu warten, Gott zu erkennen. Sie haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben – im Leben und im Sterben. Falls man religiös ist – und heute sind es viele Menschen – , sucht man nicht im biblischen Christentum, auch nicht im kirchlichen Christentum, sondern jenseits davon. Man stellt sich selbst die eigene Religiosität zusammen, eine Patchwork-Religiosität.

Man sucht Anleihen im Hinduismus, im Buddhismus und deren Systeme, in der Gnosis und Esoterik. Man überspielt den Individualismus im Mystizismus und sucht die Kraft in sich selbst. Das Gebiet, nahe bei Basel, in dem ich wohne, ist seit Jahrhunderten römisch-katholisch und circa ab 1870 zum Teil christ-katholisch. Es gibt eine einzige Gemeinde, in welcher ich nun wohne, in diesem Gebiet, welche evangelisch-reformiert war. Ich stelle jedoch heute fest, dass dieses Gebiet voller Esoterik ist, welche heutzutage von den drei Konfessions-Kirchen angeboten wird. Es ist Mystik ohne das Wort Gottes, ohne die Heilige Schrift. In den Kirchen – Freikirchen eingeschlossen – wird kaum mehr gefragt, was Gottes Wort zum kirchlichen, privaten und gesellschaftlichen Leben in Theorie und Praxis ausführt. Man hüpft zum Mainstream in der Meinung, dieser sei christlich geprägt.

Es braucht Zeit und Willen, die intellektuellen Abhandlungen von Francis A. Schaeffer verstehen zu wollen. Dasselbe gilt für die Bücher seiner Ehefrau Edith. Nicht wenige sind auf Deutsch erschienen. Es lohnt sich ebenfalls heute, sich mit den Schriften von Francis und Edith Schaeffer vertraut zu machen. Viele Menschen erhielten vom Ehepaar Schaeffer, in der Gemeinschaft von L’Abri, in persönlichen Gesprächen, durch ihre Bücher, echte Antworten auf ihre Fragen. Deshalb kamen auch viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus. Die intellektuellen Barrieren, die ihnen den Zugang zum biblisch-christlichen Glauben verschloss, wurden beiseite geschafft. Beide verhalfen Suchenden, zum ursprünglichen Christlichen Glauben vorzustossen. Männer und Frauen wurden überzeugte Christen.

Pfarrer Beat Laffer-König, Biel-Benken, Schweiz, im März 2024.

Francis A. Schaeffer: Serie zum 40. Todestag

Vor 40 Jahren – genau genommen am 15. Mai 1984 – ist der Theologe, Kulturkritiker und Apologet Francis Schaeffer gestorben. Er hat mehr als eine Generation von Menschen mit seinen Gedanken, Schriften, Gesprächen und überhaupt seinem ganzen Leben geprägt. Auch heute noch dauert sein Einfluss in vielen Menschen und Werken fort. Ich habe eine Reihe von Personen gefunden, die in den kommenden Wochen ihre Gedanken dazu teilen werden.

Ich persönlich bin zum ersten Mal im Herbst 2009 auf die Schriften von Francis Schaeffer aufmerksam geworden. Es war in einer Vorlesung zur Theologie des Alten Testaments an der STH Basel. Ich glaube was mir im ersten Moment am meisten imponierte, war die Story von den Knickerbockerhosen mitten unter Studenten, von welchen Anzug und Krawatte erwartet wurden. Direkt nach jener Vorlesung bin ich in der Bibliothek verschwunden – und tauchte ab in eine neue alte Welt. Was mich so faszinierte, war nicht unbedingt etwas Neues, sondern die Klarheit und Deutlichkeit von Gedanken, die mich davor auch schon länger umgetrieben hatten; aber zugleich auch diese liebevolle Suche nach Anknüpfungspunkten in der Kultur seiner Zeit. Ich hatte zuvor noch nicht erlebt, dass ein Theologe so eine Vielzahl von Themen, kulturellen Werken und philosophischen Gedanken auf eine Art und Weise miteinander verknüpfen konnte, die jedem Leser eine ganze Reihe von Tools an die Hand gab, um alles zu prüfen. In den Wochen, die auf diese Entdeckung folgten, lernte ich das TheoBlog (Link) von Ron Kubsch kennen und knüpfte einige interessante Online-Bekanntschaften. Rund viereinhalb Jahre später und viele Stunden intensiven Lesens der Werke von Francis und teilweise auch von Edith Schaeffer habe ich zum 30. Todestag ein PDF (Link) zusammengestellt, in welchem ich das Leben und Werk von Francis Schaeffer etwas näher beleuchtete. Es gehört bis heute zu den häufigsten Downloads von meiner Seite (Link).

Ungefähr zur selben Zeit, als ich mich mit dem Leben und Werk der Familie Schaeffer befasste, wurde ich auch auf mehrere ihrer Studenten und geistlichen Erben aufmerksam. Ab dem Sommer 2013 las ich immer wieder Abschnitte von Douglas Groothuis’ Buch „Truth Decay“. Hier (Link) habe ich davon berichtet. Im Herbst jenes Jahres ebenfalls Nancy Pearceys Buch „Total Truth“ (Link). Total Truth ist übrigens inzwischen auf deutsch erhältlich (Link). Ein Jahr später habe ich auch Greg Koukls Buch „Tactics“ (Link) vorgestellt.

Allen diesen Büchern ist gemeinsam, dass sie auf zwei Dinge zurückgreifen, die Francis Schaeffer immer wieder betont hat:

1. Die Zweiteilung des Lebens in einen öffentlichen und einen privaten Teil

und

2. Die Wichtigkeit der Weltanschauung als Brille, durch welche ein Mensch alles sieht.

In seinem Buch „Escape from Reason“ geht Schaeffer der Zweiteilung nach und führt sie auf das Mittelalter zurück, als die Scholastiker begannen, die Offenbarung Gottes und die Theologie in die zwei Teile „natürliche Offenbarung“ (also durch die Natur, die Schöpfung, den Menschen, die Vernunft erfahrbar) und eine „besondere Gnade / Offenbarung“ (durch die Bibel und direktes Wirken Gottes) zu unterteilen. Immer mehr wurde im Laufe der Jahrhunderte der natürliche oder öffentliche Teil des Lebens vom speziellen oder privaten Teil des Lebens abgetrennt. Die Reformation und viele Erweckungsbewegungen haben immer wieder danach gestrebt, diese Zertrennung aufzulösen und das ganze Leben wieder neu – so wie es die Bibel kennt, nämlich als ganze Einheit des Leben – zusammen zu führen.

Und das Zweite, das Thema Weltanschauung. Eine solche ist wie eine Brille, durch welche der Mensch alles wahrnimmt. Jeder Mensch trägt eine solche Brille. Die Bibel gibt uns mit ihrer großen Geschichte Gottes mit dieser Welt – Schöpfung, Sündenfall, Kreuz, Wiederherstellung – das realistischste Weltbild, das man haben kann. Jede einzelne Weltanschauung kann geprüft werden, indem man sie zu Ende denkt, wie eine Karte, auf welcher man die Wege abläuft, um sie auf ihre Echtheit zu prüfen. Woher kommen wir? Was ist das Problem in unserer Welt? Was ist die Lösung? Wohin geht es? Das sind so Grundfragen, auf welche jede Weltanschauung in irgend einer Weise antwortet. Und hier ist die Bibel in ihrer Ganzheit die Quelle der realistischsten und in sich gesehen widerspruchsfreisten Weltanschauung.

Wer mehr dazu wissen möchte, ist herzlich eingeladen, sich die oben verlinkten Bücher näher anzuschauen. Damit möchte ich in die Serie zu Francis Schaeffers 40. Todestag starten und freue mich auf die nächsten Beiträge, die ich hier alle paar Tage bis zum 15. Mai veröffentlichen darf.

Seid gesegnet!

Das Haus der 1000 und der einen Geschichte

Es war einmal ein Haus, das Haus der 1000 Geschichten. Seine Außenfassade war schon etwas älter, man hätte es für ein Spukhaus halten können. Die Türen waren nicht verschlossen, wer hinein wollte, konnte es auch. Manchmal verirrten sich Wanderer in die Gegend dieses Hauses. Sie waren froh, ein Dach über dem Kopf zu finden. Manche dieser Wanderer hinterließen ihre eigenen Geschichten in dem Haus. Einer kratzte mit seinem Messer ein Herz in den Türpfosten und schrieb „S&W“ hinein. Eine Liebesgeschichte. Ein anderer war schon gut angeschwipst, stieß sich den Kopf an einem Hängeschrank und ließ ein paar seiner Blutstropfen im Haus zurück. Eine Geschichte von Schmerzen, aber auch von einer gefühlten Sinnlosigkeit und Verdrängung. Wieder ein anderer nahm seine Gitarre heraus und sang von einer Welt des Friedens und des Glücks. Es war eine Geschichte der Hoffnung, doch das Haus wusste, dass es bis zu jenem Zeitpunkt, von dem der Musiker sang, noch eine Weile dauern würde. Wahrscheinlich würde es bereits zerfallen oder abgerissen sein, wenn jene Zeit des Friedens anbricht.

Das Haus sammelte all diese Geschichten, doch das Wertvollste war auf dem Dachboden. Ein ganzes Bücherregal mit Geschichten, von denen die ältesten so alt waren wie das Universum. Dieses Regal erzählte die Geschichte von der Erschaffung der Welt, von dem Gott der sprach und alles kam ins Dasein. Von den Menschen, die aus Liebe gemacht wurden, und sich doch abwandten und ihr eigener Gott sein wollte. Autonom, so hat man das dann später genannt. Von den Menschen, die den Worten nicht mehr vertrauten, sondern sich ihre eigenen Worte machen wollten, damit sie über andere Macht und Gewalt ausüben konnten. Es war aber auch die eine Geschichte der größten Liebe im ganzen Universum, der Liebe, die bereit war, auf alles zu verzichten, was ihr zustand. Von der Liebe, die Mensch wurde, um die Menschen in Freiheit zu führen. Frei aus der Sklaverei der Autonomität, frei von sich selbst. Frei vom Gefühl der Sinnlosigkeit und dem Zwang zur Verdrängung.

Auf diesem Dachboden war ein schlichtes Kreuz an der Wand. Dieses Kreuz erzählte die größte Liebesgeschichte des Universums, nämlich wie die Liebe Gottes bereit war, alle Scham und alle Schuld der Menschen zu tragen und am Ende den Tod mit dem Tod und der Auferstehung zu besiegen. Es war dieses Kreuz, das den Himmel mit der Erde verbindet, das eine Brücke über den klaffenden Abgrund des Todes darstellt. Eines Tages wird der Musiker recht bekommen: Dann wird es Frieden und Glück geben für alle, die in ihrem Leben die Geschichte vom Kreuz gehört und darauf geantwortet haben.

Total Truth auf deutsch erhältlich!

Pearcey, Nancy, Die ganze Wahrheit, Betanien Verlag 2024, Verlagslink, Amazon-Link

Endlich ist das Buch, von welchem ich schon hier (Link) und hier (Link) geschrieben habe, auf deutsch erhältlich. Lange wurde daran gearbeitet. Ich bin gespannt, wie die Übersetzung der Sprache und auch der Kultur gelungen ist. Beides geht dabei natürlich Hand in Hand.

Jedenfalls freue ich mich sehr, dass das nun endlich fertig gestellt ist. Nun sollte es mit Greg Koukls „Tactics“ ebenso vorangehen. Dann wäre nämlich endlich einmal das wichtigste Handwerkszeug für christliche Apologeten im deutschen Sprachraum erhältlich.

Psalmen-Overkill: Warum ich eine Pause brauchte

In den vergangenen zwei Jahren habe ich die Psalmen nach der Gray-Methode (Link) gelesen. Zuerst habe ich mich schon gefragt: Schaffe ich das? Die Psalmen 20 Mal zu lesen? Nachdem mir auf Facebook etwas Mut zugesprochen wurde, habe ich das Projekt begonnen.

Ich muss dazu anmerken, dass ich zwar so meine einzelnen Lieblingspsalmen habe, aber darüber hinaus noch nie so ein enthusiastischer Psalmen-Fanboy war. Ich kenne viele Menschen, die daraus viel Kraft schöpfen können. Das habe ich mir zwar auch irgendwie gewünscht, aber bin noch nicht da angelangt.

Zum Projekt selbst: Ich war erstaunt, wie leicht mir die ersten etwa zwölf bis 14 Male gefallen sind. Erstaunlich viel Neues durfte ich über die Psalmen lernen. Mir wurde bewusst, wie sehr das Buch der Psalmen ganz genau überlegt komponiert und zusammen gestellt wurde. Die vielen verschiedenen Arten von Psalmen haben mich fasziniert. Zu all dem werde ich nach und nach auch noch schreiben. Stay tuned!

Doch dann kam der Overkill

Heute möchte ich mich auf eins beschränken: Nämlich darauf, wie es mir nach diesen ersten, erstaunlich leichten Malen ergangen ist. Plötzlich kam nämlich der Umschwung. Ich merkte, dass mich die Gefühle der Psalmisten emotional mitrissen – und da wurde es zu viel. Fast konnte ich ein wenig nachvollziehen, wie es dem großen Fjodor Dostojewski ergangen sein musste, als er das Buch Hiob las:

“Ich lese das Buch Hiob, und es rührt mich zu schmerzlicher Ekstase. Ich lege das Buch beiseite und gehe stundenlang im Zimmer auf und ab, und es fehlt nicht viel, dass ich anfange zu weinen.”

Diese Zeilen schrieb Dostojewski gegen Ende seines Lebens in einem Brief an seine Frau. So ähnlich rührten mich manche Psalmen auch; besonders wenn es innerhalb weniger aufeinanderfolgender Psalmen viele starke emotionale Veränderungen gab. Von Angst zu Lobpreis, von Trauer zu Dank, von Wut zu Freude. Und so weiter. Das wurde mir zu viel. Was also sollte ich tun?

Bibel lesen – ja! Aber keine Sturheit ums Verrecken

Beim 17. Durchlauf habe ich mich dann entschieden: Es reicht! Ich brauche etwas Anderes. Etwas weniger Emotionales. Das Markus-Evangelium. Markus ist wohltuend straightforward. Ohne große Schnörkel. Einfach gehalten, einfach verständlich. Das war es, was ich jetzt brauche.

Und wie weiter? Ich weiß es noch nicht. Irgendwann werde ich wohl zu den Psalmen zurück kehren. Und dann zu den Sprüchen. Und dann kommen ja irgendwann auch noch die großen Prophetenbücher. Aber ich kann heute noch nicht genau sagen, ob ich wieder zur Methode von James Gray zurückkehren werde oder ein eigenes Zwischending mache.

Darum geht es ja auch: Bibel lesen ist wichtig. Es ist wertvoll. Es soll mich verändern. Jeden Tag merke ich, wie viel ich davon brauche. Von dieser Veränderung. Aber es geht nicht darum, dass man stur und ums Verrecken an genau der einen Methode festhält, die man sich in den Kopf gesetzt hat. Manchmal muss man sich auch selbst vor etwas Gutem schützen, das einem zu viel wird.

Die Bibel anders lesen?

Es gibt viele Arten, die Bibel zu lesen, und die meisten davon sind gut. Jede, die dafür sorgt, dass ich nichts auslasse, nichts umschiffe, nichts überlese, ist gut genug. Ich habe inzwischen Menschen getroffen, die die ganze Bibel in einem Monat durchgelesen haben. 30 Tage von 1. Mose bis Offenbarung. Das verdient meinen höchsten Respekt. Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen würde. Vielleicht irgendwann.

Wovon ich abraten würde, sind Methoden, die nur einzelne Verse aus dem Zusammenhang gerissen betrachten. Zweifellos haben die Herrnhuter Losungen schon manch gutes bewirkt. Dennoch sind sie zu wenig. So manch ein Vers wird gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen, aus welchen die täglichen Losungen gezogen werden. Auch wenn diese Verse ebenso vom Heiligen Geist inspiriert sind.

Eines kann ich aber jedem zum Schluss noch empfehlen: Wechsle immer mal wieder die Übersetzung. Alle paar Jahre. Das hilft, dass wir Dinge neu entdecken, die in anderen Übersetzungen schon so vertraut klingen, dass es überlesen wird.

Und wie liest Du dieses Jahr in der Bibel? Was sind Deine Tipps und Tricks?

Der Schwarm – eine yrre Story und ihre Verfilmung

Vorsicht Spoiler!

Als Teil der Vorbereitung für ein aktuelles Schreibprojekt habe ich im letzten Jahr Frank Schätzings Ökothriller „Der Schwarm“ (Link) gelesen und dazu die achtteilige TV-Serie (Link) angeschaut. Und zum ersten Mal in meinem Leben gab es eine Verfilmung, die mir besser gefiel als das Buch.

Wer mich kennt, weiß, dass ich lange Bücher mag. Und mit etwas über 1000 Seiten ist Schätzings Werk durchaus in dem Bereich, der für mich langsam interessant zu werden beginnt. Es war mein erstes Buch, das ich von ihm las, somit war sein Schreibstil komplett neu für mich. Außerdem war „Der Schwarm“ seit Längerem auf meiner Liste der noch zu lesenden Bücher. Da lag es nahe, mir diese „yrre“ Story und ihre Verfilmung reinzuziehen.

Nicht nur eine Story

Gleich ab den ersten Seiten beginnt eine rasante Jagd um die Zukunft und das Überleben der Menschheit. Die Natur schlägt zurück. Naturkatastrophen aus dem Meer, erst fast wie zufällig, dann sieht es immer geplanter aus, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Mit der Zeit finden sich Beobachter und Forscher dieser Naturphänomene zusammen, um sich auszutauschen und dem auf den Grund zu gehen. Immer mehr wird deutlich, dass es sich um einen Schwarm einzelliger Lebewesen – den YRR, wie die Forscher sie nennen – handelt, welche im Verband eine ungeheure Intelligenz und ein Jahrtausende altes Gedächtnis besitzen. Die Forscher werden sich einig, dass das Ziel sein sollte, mit diesen Wesen Kontakt aufzunehmen und zu zeigen, dass der Mensch auch intelligent ist und fähig, sich zu bessern, um so das Klima und die Meere, den Lebensraum der YRR, zu schützen.

So weit ist es wirklich eine rasante, fesselnde Story. Jetzt müsste sie noch linear zu Ende gehen können. Doch hier kommt plötzlich ein Element rein, das die Geschichte künstlich aufbläst, gerade so, als hätte sich der Autor vorgenommen, nicht vor Seite 1000 aufhören zu wollen. Mit Judith Li taucht eine Figur auf, die im Prinzip eine neue Geschichte beginnt. Es ist nicht mehr der Kampf gegen die YRR, der im Mittelpunkt steht, sondern mehr noch der Kampf gegen die Navy, gegen die nationalen Sicherheitsbehörden, gegen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten. Dieses künstliche Element, diese völlig neue Story hat mich gestört. Es passte nicht in den Verlauf der bisherigen Handlung. Außerdem war mir vom ersten Moment der Erscheinung Judith Lis sofort klar, wer hier parodiert werden sollte. Auch wenn ich mir in dem Moment des Lesens nicht einmal aktiv bewusst war, dass das Buch vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, erschien vor meinem inneren Auge sofort die damalige Leiterin der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die in der zweiten Amtszeit G.W. Bushs als Außenministerin besonders bekannt wurde.

Eine biologische oder eine politische Story?

Damit wurde aus der Geschichte um den im Meer lebenden intelligenten Einzellerschwarm plötzlich eine politische Geschichte voller Betrug, Hinterlist und am Ende auch vielfachen Mord. Nun ist es ja so, dass ein Autor auf jeden Fall so eine Art Vergleich anstellen darf, in welchem es darum geht, ob die Menschheit durch die sich rächende Natur oder durch den menschlichen Charakter als „des Menschen Wolf“ schneller ausgerottet wird. Keine Frage, das darf auch Frank Schätzing machen. Doch dann hätte er genügend Gelegenheiten gehabt, das politische Element früher und natürlicher in den Verlauf der Geschichte einzuführen. Es scheint mir vielmehr die Schwierigkeit gewesen zu sein, das Buch linear abzuschließen. Womöglich gab es in der Vielzahl an naturwissenschaftlichen Recherchen zum Buch (es kam ja später noch ein gut 600 Seiten starker Band mit jenen heraus) noch manches, was er unbedingt mit einbauen wollte. Nun, sei‘s drum. Mich persönlich hat diese künstliche Wendung gestört.

Geradezu wohltuend rund empfand ich dagegen die Verfilmung. Hier ist die ganze Zeit klar, dass die intelligente Naturgewalt das eigentliche Problem ist. Es bleibt ein biologisches Spektakel, untermalt mit einzelnen Streitigkeiten und Intrigen. Unnötig fand ich dagegen die Veränderung von so vielen Charakteren. Manche werden komplett neu erfunden, andere haben eine filmische Geschlechtsumwandlung durchgemacht. Im Grunde genommen ist es damit nicht mehr der Schwarm von Schätzing, sondern eine neue Story geworden.

Nur noch kurz die Welt retten…

Der wohl größte Unterschied ist der Schluss der Geschichte. Im Buch sind am Ende fast alle tot, die meisten der Hauptfiguren durch andere Menschen brutal ermordet. Es gibt ein vorsichtiges Zusammenleben der YRR im Wasser und der noch lebenden Menschen, welche nun beweisen müssen, dass sie den Lebensraum der Einzeller in Ruhe lassen und die Natur überhaupt schützen. Im Buch wird der Botenstoff der YRR am Ende in die Leiche des Helfers von Li, Mick Rubin, injiziert und aus dem U-Boot Deepflight entfernt, woraufhin die YRR das erkennen und sich zurückziehen.

Viel dramatischer und auch im Grunde genommen authentischer ist da das Ende in der Verfilmung. Charlie Wagner schwimmt auch mit dem Deepflight auf den Meeresgrund, die Leiche Rubins neben sich, doch da trifft sie eine Entscheidung: Sie injiziert sich das Pheromon selbst und verlässt das U-Boot. Sie ist bereit, sich selbst zu opfern, da sie nicht sicher ist, ob das mit einem doch schon seit längerem gestorbenen Leib so möglich ist. An diesem Punkt kommt etwas Tiefes der Menschheit zum Tragen. Das ist ganz großes, emotionales Kino. Denn ganz tief in uns drin weiß jeder Mensch die Wahrheit, die Jesus Christus so unvergleichlich klar aussprach:

Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde. (Johannes 15:3)

(Auch wenn der stellvertretende Opfertod Jesu Christi niemals vergleichbar ist mit irgend einem Roman oder Film, gibt es dennoch zahlreiche ganz große Werke der Literatur, die genau auf dieser Bereitschaft aufbauen, für andere ihr Leben einzusetzen. Mehr dazu folgt, wenn ich mit meinem Schreibprojekt vorankomme.)