Buch-Review: Die 4-Stunden-Woche

Ferriss, Timothy, Die 4-Stunden-Woche, Ullstein-eBooks, 2012, Amazon-Link

Als vor ein paar Wochen die Werbung für das Buch von Timothy Ferriss in meiner Kindle-App auftauchte, war ich gleich interessiert. Mit vier Stunden pro Woche noch ein Nebeneinkommen aufbauen, das klingt interessant. Doch schon bald wurde klar, dass das Buch sich an Menschen mit anderem Hintergrund richtet. Dazu später mehr.

Worum geht es Ferriss? Zunächst einmal ist es ein Teil seiner eigenen Lebensgeschichte, wie er sich sein Business aufbaute. Er erzählt, wie er es nirgendwo in anderen Betrieben allzu lange ausgehalten hat (und seine Vorgesetzten ebenso wenig mit ihm). Er gründete einen Vertrieb für Nahrungsergänzungsmittel für Sportler, von dem er bald recht gut leben konnte. Doch die Arbeit wuchs ihm über den Kopf, weil er alles selbst machen wollte. Mit der Zeit lagerte er den Verkauf und Vertrieb aus und ging auf Reisen. Je mehr er andere für sich arbeiten ließ, desto mehr verdiente er schlussendlich. So weit seine eigene Geschichte.

Auslagern und automatisieren

Die Strategie klingt relativ einfach. Vermutlich ist sie es auch, wenn man es wirklich darauf anlegt. Allerdings muss man in der ersten Zeit doch relativ viel Zeit und Arbeit reinstecken, bis die Sache läuft. Zunächst eine Nische finden, in welcher man eine genügend große Gewinnspanne erzielen kann. Dann eine Werbekampagne starten, um den Verkauf zu testen. Und dann, wenn es angelaufen ist, alles auslagern. Nicht nur die Produktion; auch den Versand, den Kundendienst, und so weiter. Einfach alles. Ferriss nennt das: Sich selbst überflüssig machen.

Zwei Dinge dazu: Ich weiß nicht, ob das in westeuropäischen Verhältnissen und in dieser Zeit, in welcher wir gerade leben, funktioniert. Möglicherweise sind Inflation und allgemein die Unsicherheit für viele Menschen ein Faktor, der von einigen Käufen abhält. Ich werde es auch nicht testen. Viele Nischen sind bereits ausgefüllt. Doch wenn jemand eine Idee hat, ist es ein guter Punkt, um zu starten und das mal auszuprobieren.

Für alle etwas dabei!

Auch wenn das große Thema des Buches nichts für mich persönlich ist, werde ich keinen Ferriss – pardon, Verriss – schreiben. Zu viele Details, Ideen, persönliche Geschichten, und so weiter sind darin, die im Alltag helfen, entlasten und für mehr Effizienz sorgen können. Für den momentanen Preis des eBooks ist es schon fast geschenkt. Vermutlich werden die meisten Leser nur einen Teil davon mitnehmen können. Zu viel verschiedene Punkte werden angesprochen. Da es sich aber recht leicht liest, unterhaltsam und eben auch in manchen Dingen hilfreich ist, kann ich es empfehlen.

Auch für mich, der zu gerne arbeitet, zu gerne selbst manche Fäden in der Hand behält, zu gerne zu viele Ideen umsetzt, als dass sich das in Ferriss’ Konzept reinpressen ließe, hat es eine ganze Menge kleiner Tipps und Hilfen für den Alltag gegeben. Interessante Übungen sind zu finden.

Ich gebe dem Buch 4 von 5 möglichen Sternen.

Total Truth auf deutsch erhältlich!

Pearcey, Nancy, Die ganze Wahrheit, Betanien Verlag 2024, Verlagslink, Amazon-Link

Endlich ist das Buch, von welchem ich schon hier (Link) und hier (Link) geschrieben habe, auf deutsch erhältlich. Lange wurde daran gearbeitet. Ich bin gespannt, wie die Übersetzung der Sprache und auch der Kultur gelungen ist. Beides geht dabei natürlich Hand in Hand.

Jedenfalls freue ich mich sehr, dass das nun endlich fertig gestellt ist. Nun sollte es mit Greg Koukls „Tactics“ ebenso vorangehen. Dann wäre nämlich endlich einmal das wichtigste Handwerkszeug für christliche Apologeten im deutschen Sprachraum erhältlich.

Psalmen-Overkill: Warum ich eine Pause brauchte

In den vergangenen zwei Jahren habe ich die Psalmen nach der Gray-Methode (Link) gelesen. Zuerst habe ich mich schon gefragt: Schaffe ich das? Die Psalmen 20 Mal zu lesen? Nachdem mir auf Facebook etwas Mut zugesprochen wurde, habe ich das Projekt begonnen.

Ich muss dazu anmerken, dass ich zwar so meine einzelnen Lieblingspsalmen habe, aber darüber hinaus noch nie so ein enthusiastischer Psalmen-Fanboy war. Ich kenne viele Menschen, die daraus viel Kraft schöpfen können. Das habe ich mir zwar auch irgendwie gewünscht, aber bin noch nicht da angelangt.

Zum Projekt selbst: Ich war erstaunt, wie leicht mir die ersten etwa zwölf bis 14 Male gefallen sind. Erstaunlich viel Neues durfte ich über die Psalmen lernen. Mir wurde bewusst, wie sehr das Buch der Psalmen ganz genau überlegt komponiert und zusammen gestellt wurde. Die vielen verschiedenen Arten von Psalmen haben mich fasziniert. Zu all dem werde ich nach und nach auch noch schreiben. Stay tuned!

Doch dann kam der Overkill

Heute möchte ich mich auf eins beschränken: Nämlich darauf, wie es mir nach diesen ersten, erstaunlich leichten Malen ergangen ist. Plötzlich kam nämlich der Umschwung. Ich merkte, dass mich die Gefühle der Psalmisten emotional mitrissen – und da wurde es zu viel. Fast konnte ich ein wenig nachvollziehen, wie es dem großen Fjodor Dostojewski ergangen sein musste, als er das Buch Hiob las:

“Ich lese das Buch Hiob, und es rührt mich zu schmerzlicher Ekstase. Ich lege das Buch beiseite und gehe stundenlang im Zimmer auf und ab, und es fehlt nicht viel, dass ich anfange zu weinen.”

Diese Zeilen schrieb Dostojewski gegen Ende seines Lebens in einem Brief an seine Frau. So ähnlich rührten mich manche Psalmen auch; besonders wenn es innerhalb weniger aufeinanderfolgender Psalmen viele starke emotionale Veränderungen gab. Von Angst zu Lobpreis, von Trauer zu Dank, von Wut zu Freude. Und so weiter. Das wurde mir zu viel. Was also sollte ich tun?

Bibel lesen – ja! Aber keine Sturheit ums Verrecken

Beim 17. Durchlauf habe ich mich dann entschieden: Es reicht! Ich brauche etwas Anderes. Etwas weniger Emotionales. Das Markus-Evangelium. Markus ist wohltuend straightforward. Ohne große Schnörkel. Einfach gehalten, einfach verständlich. Das war es, was ich jetzt brauche.

Und wie weiter? Ich weiß es noch nicht. Irgendwann werde ich wohl zu den Psalmen zurück kehren. Und dann zu den Sprüchen. Und dann kommen ja irgendwann auch noch die großen Prophetenbücher. Aber ich kann heute noch nicht genau sagen, ob ich wieder zur Methode von James Gray zurückkehren werde oder ein eigenes Zwischending mache.

Darum geht es ja auch: Bibel lesen ist wichtig. Es ist wertvoll. Es soll mich verändern. Jeden Tag merke ich, wie viel ich davon brauche. Von dieser Veränderung. Aber es geht nicht darum, dass man stur und ums Verrecken an genau der einen Methode festhält, die man sich in den Kopf gesetzt hat. Manchmal muss man sich auch selbst vor etwas Gutem schützen, das einem zu viel wird.

Die Bibel anders lesen?

Es gibt viele Arten, die Bibel zu lesen, und die meisten davon sind gut. Jede, die dafür sorgt, dass ich nichts auslasse, nichts umschiffe, nichts überlese, ist gut genug. Ich habe inzwischen Menschen getroffen, die die ganze Bibel in einem Monat durchgelesen haben. 30 Tage von 1. Mose bis Offenbarung. Das verdient meinen höchsten Respekt. Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen würde. Vielleicht irgendwann.

Wovon ich abraten würde, sind Methoden, die nur einzelne Verse aus dem Zusammenhang gerissen betrachten. Zweifellos haben die Herrnhuter Losungen schon manch gutes bewirkt. Dennoch sind sie zu wenig. So manch ein Vers wird gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen, aus welchen die täglichen Losungen gezogen werden. Auch wenn diese Verse ebenso vom Heiligen Geist inspiriert sind.

Eines kann ich aber jedem zum Schluss noch empfehlen: Wechsle immer mal wieder die Übersetzung. Alle paar Jahre. Das hilft, dass wir Dinge neu entdecken, die in anderen Übersetzungen schon so vertraut klingen, dass es überlesen wird.

Und wie liest Du dieses Jahr in der Bibel? Was sind Deine Tipps und Tricks?

Der Schwarm – eine yrre Story und ihre Verfilmung

Vorsicht Spoiler!

Als Teil der Vorbereitung für ein aktuelles Schreibprojekt habe ich im letzten Jahr Frank Schätzings Ökothriller „Der Schwarm“ (Link) gelesen und dazu die achtteilige TV-Serie (Link) angeschaut. Und zum ersten Mal in meinem Leben gab es eine Verfilmung, die mir besser gefiel als das Buch.

Wer mich kennt, weiß, dass ich lange Bücher mag. Und mit etwas über 1000 Seiten ist Schätzings Werk durchaus in dem Bereich, der für mich langsam interessant zu werden beginnt. Es war mein erstes Buch, das ich von ihm las, somit war sein Schreibstil komplett neu für mich. Außerdem war „Der Schwarm“ seit Längerem auf meiner Liste der noch zu lesenden Bücher. Da lag es nahe, mir diese „yrre“ Story und ihre Verfilmung reinzuziehen.

Nicht nur eine Story

Gleich ab den ersten Seiten beginnt eine rasante Jagd um die Zukunft und das Überleben der Menschheit. Die Natur schlägt zurück. Naturkatastrophen aus dem Meer, erst fast wie zufällig, dann sieht es immer geplanter aus, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Mit der Zeit finden sich Beobachter und Forscher dieser Naturphänomene zusammen, um sich auszutauschen und dem auf den Grund zu gehen. Immer mehr wird deutlich, dass es sich um einen Schwarm einzelliger Lebewesen – den YRR, wie die Forscher sie nennen – handelt, welche im Verband eine ungeheure Intelligenz und ein Jahrtausende altes Gedächtnis besitzen. Die Forscher werden sich einig, dass das Ziel sein sollte, mit diesen Wesen Kontakt aufzunehmen und zu zeigen, dass der Mensch auch intelligent ist und fähig, sich zu bessern, um so das Klima und die Meere, den Lebensraum der YRR, zu schützen.

So weit ist es wirklich eine rasante, fesselnde Story. Jetzt müsste sie noch linear zu Ende gehen können. Doch hier kommt plötzlich ein Element rein, das die Geschichte künstlich aufbläst, gerade so, als hätte sich der Autor vorgenommen, nicht vor Seite 1000 aufhören zu wollen. Mit Judith Li taucht eine Figur auf, die im Prinzip eine neue Geschichte beginnt. Es ist nicht mehr der Kampf gegen die YRR, der im Mittelpunkt steht, sondern mehr noch der Kampf gegen die Navy, gegen die nationalen Sicherheitsbehörden, gegen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten. Dieses künstliche Element, diese völlig neue Story hat mich gestört. Es passte nicht in den Verlauf der bisherigen Handlung. Außerdem war mir vom ersten Moment der Erscheinung Judith Lis sofort klar, wer hier parodiert werden sollte. Auch wenn ich mir in dem Moment des Lesens nicht einmal aktiv bewusst war, dass das Buch vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, erschien vor meinem inneren Auge sofort die damalige Leiterin der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die in der zweiten Amtszeit G.W. Bushs als Außenministerin besonders bekannt wurde.

Eine biologische oder eine politische Story?

Damit wurde aus der Geschichte um den im Meer lebenden intelligenten Einzellerschwarm plötzlich eine politische Geschichte voller Betrug, Hinterlist und am Ende auch vielfachen Mord. Nun ist es ja so, dass ein Autor auf jeden Fall so eine Art Vergleich anstellen darf, in welchem es darum geht, ob die Menschheit durch die sich rächende Natur oder durch den menschlichen Charakter als „des Menschen Wolf“ schneller ausgerottet wird. Keine Frage, das darf auch Frank Schätzing machen. Doch dann hätte er genügend Gelegenheiten gehabt, das politische Element früher und natürlicher in den Verlauf der Geschichte einzuführen. Es scheint mir vielmehr die Schwierigkeit gewesen zu sein, das Buch linear abzuschließen. Womöglich gab es in der Vielzahl an naturwissenschaftlichen Recherchen zum Buch (es kam ja später noch ein gut 600 Seiten starker Band mit jenen heraus) noch manches, was er unbedingt mit einbauen wollte. Nun, sei‘s drum. Mich persönlich hat diese künstliche Wendung gestört.

Geradezu wohltuend rund empfand ich dagegen die Verfilmung. Hier ist die ganze Zeit klar, dass die intelligente Naturgewalt das eigentliche Problem ist. Es bleibt ein biologisches Spektakel, untermalt mit einzelnen Streitigkeiten und Intrigen. Unnötig fand ich dagegen die Veränderung von so vielen Charakteren. Manche werden komplett neu erfunden, andere haben eine filmische Geschlechtsumwandlung durchgemacht. Im Grunde genommen ist es damit nicht mehr der Schwarm von Schätzing, sondern eine neue Story geworden.

Nur noch kurz die Welt retten…

Der wohl größte Unterschied ist der Schluss der Geschichte. Im Buch sind am Ende fast alle tot, die meisten der Hauptfiguren durch andere Menschen brutal ermordet. Es gibt ein vorsichtiges Zusammenleben der YRR im Wasser und der noch lebenden Menschen, welche nun beweisen müssen, dass sie den Lebensraum der Einzeller in Ruhe lassen und die Natur überhaupt schützen. Im Buch wird der Botenstoff der YRR am Ende in die Leiche des Helfers von Li, Mick Rubin, injiziert und aus dem U-Boot Deepflight entfernt, woraufhin die YRR das erkennen und sich zurückziehen.

Viel dramatischer und auch im Grunde genommen authentischer ist da das Ende in der Verfilmung. Charlie Wagner schwimmt auch mit dem Deepflight auf den Meeresgrund, die Leiche Rubins neben sich, doch da trifft sie eine Entscheidung: Sie injiziert sich das Pheromon selbst und verlässt das U-Boot. Sie ist bereit, sich selbst zu opfern, da sie nicht sicher ist, ob das mit einem doch schon seit längerem gestorbenen Leib so möglich ist. An diesem Punkt kommt etwas Tiefes der Menschheit zum Tragen. Das ist ganz großes, emotionales Kino. Denn ganz tief in uns drin weiß jeder Mensch die Wahrheit, die Jesus Christus so unvergleichlich klar aussprach:

Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde. (Johannes 15:3)

(Auch wenn der stellvertretende Opfertod Jesu Christi niemals vergleichbar ist mit irgend einem Roman oder Film, gibt es dennoch zahlreiche ganz große Werke der Literatur, die genau auf dieser Bereitschaft aufbauen, für andere ihr Leben einzusetzen. Mehr dazu folgt, wenn ich mit meinem Schreibprojekt vorankomme.)

Buchtipp: Range von David Epstein

Epstein, David, Range – How Generalists Triumph in a Specialized World, Macmillan Verlag, 2019, Amazon-Link

In einer kürzlichen Coaching-Session wurde ich auf das Buch des amerikanischen Journalisten David Epstein aufmerksam gemacht. Es ist gerade für Menschen wie mich, die von sehr vielen Interessen, Ideen und Projekten angezogen sind, sehr interessant und aufschlussreich.

Zu Beginn vergleicht Epstein zwei verschiedene Arten, wie Menschen aufwachsen und lernen können. Er zieht dafür die Biographien zweier Sportler heran, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Tiger Woods und Roger Federer. Während der Golfer Woods von jüngsten Jahren an von seinen Eltern zum Golfen gedrängt wurde, war Roger Federer als Kind nebst Tennis auch beim Fußball aktiv und erfolgreich. Erst als Teenager entschied er sich ganz für den einen Sport, in welchem er es bis an die Weltspitze brachte.

Das ganze Buch hindurch ziehen sich Geschichten, Biographien, Studien. Und da muss ich sagen: Es ist mir etwas zu amerikanisch. Der Versuch, durch eine Vielzahl von Stories eine breitere Leserschaft zu finden, ist typisch für viele amerikanische Autoren. Ich denke da immer: „weniger ist mehr“, denn der rote Faden geht in all den Geschichten immer wieder verloren.

Sehr spannend fand ich, dass die Arbeit von Daniel Kahneman, mit welcher ich mich vor ein paar Jahren bereits beschäftigte, mehrfach aufgegriffen wurde. Kahneman befasst sich viel mit den Ungewissheiten, die eine Entscheidungsfindung in offenen Systemen erschweren. Spezialisten sind gut bei Aufgaben, die ein relativ geschlossenes System voraussetzen. Etwa Schach hat ein geschlossenes System von Regeln, die immer gleich sind. Ein Schachcomputer kann Millionen von Schritten berechnen und aufgrund von bisherigen Schachspielen mit einigermaßen großem Erfolg vorausberechnen, was ein menschlicher Gegner wahrscheinlich als Nächstes tun wird. Schachspezialisten können das auf eine ähnliche Weise, doch nicht indem sie vorausberechnen, sondern indem sie das Schachbrett im Kopf in eine Reihe von kleineren Einheiten unterteilen und durch ihre Erfahrung intuitiv ähnlich genau vorhersagen, wohin das Spiel in den nächsten Zügen führt.

Die meisten Aufgaben in unserer Realität sind jedoch offene Systeme, sie haben keine geschlossene Anzahl von Regeln, sondern sind komplexer. Und hier brilliert Epstein in seinem Buch. Er zeigt, dass es gerade für diese Aufgaben immer mehr Generalisten braucht, die sich in ihrem Leben nicht nur auf eine Sache spezialisiert haben, sondern immer wieder Umwege gegangen sind, manchmal auch gehen mussten. Alle neu erlernten Fähigkeiten machen sie besser vorbereitet auf Aufgaben, die komplexer sind.

Spezialisten werden immer wichtig bleiben. Sie sind es, welche Lösungen umsetzen. Sie sind es, welche Geräte herstellen und optimieren. Aber in einer Zeit, in welcher man sich immer mehr mit Problemen in der Realität offener Systeme befassen muss, werden Spezialisten weniger häufig gebraucht. Ich möchte an der Stelle noch etwas zum Buch hinzufügen. Die letzten Jahre haben mir zwei Dinge gezeigt, die sich gerade verändern, die uns noch schneller von der großen Menge an Spezialisten wegführen. Epstein schrieb das Buch 2019, also vor etwa vier bis fünf Jahren. In den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass Maschinen inzwischen viel Arbeit von Spezialisten übernehmen können. Die weitere Entwicklung von GPT und ähnlichen Programmen sowie in der Welt der Robotik wird sich noch sehr viel tun, was unsere Welt, Berufe, unser Selbstverständnis als Menschen verändern wird. Viele Arbeiten von Spezialisten können nach und nach automatisiert werden und bedürfen lediglich noch menschlicher Begleitung und Überwachung.

Das Zweite, was sich gezeigt hat, ist aber auch, dass wir in einer Welt der Small Data leben. Künstliche Intelligenz, aber auch die Spezialisierung von Spezialisten ist jedoch stark auf Big Data angelegt. Big Data heißt, es gibt sehr viele ähnliche Fälle, die man vergleichen, zusammenrechnen und immer wieder den Durchschnitt findet, während jeder neue Durchschnitt näher an die Wirklichkeit führt. Wir haben uns allzu lange in einem Big-Data-Universum gefühlt.

Doch sei es in der Medizin, bei der Anamnese von Krankheiten oder auf der Straße, wo der Traum vom autonomen Fahren immer weiter davonfliegt: Die Realität ist Small Data, jeder Fall muss einzeln geprüft, abgewägt, reagiert werden. Der Mensch – und speziell noch der Generalist im Besonderen – ist ein Small-Data-Wesen, das für eine Small-Data-Wirklichkeit geschaffen wurde.

Noch einmal zurück zum Buch. Ich möchte mit einem von vielen Beispielen, die man im Buch nachlesen kann, schließen. Der Autor beschreibt eine Studie, die gemacht wurde, in welcher Comic-Autoren verglichen wurden. Interessant dabei ist, dass Autoren umso erfolgreicher darin sind, Comic-Charaktere zu entwerfen, in je mehr verschiedenen Genres sie sich schon probiert haben. Spezialisten für eine ganz bestimmte Art von Comics sind am wenigsten wahrscheinlich erfolgreich.

Ich kann das Buch sehr empfehlen und gebe ihm 4,5 von 5 Sternen.

Buchtipp: Leb deine Wahrheit

und andere Lügen

Childers, Alisa, Leb deine Wahrheit – und andere Lügen, Fonts-Verlag Basel, 2023 Amazon-Link

Leb deine Wahrheit!“, „Authentizität ist alles!“, „Du lebst nur einmal!“, „Nur die Liebe zählt!“ Dies sind ein paar der platten Lügen, die in unserer Zeit weit verbreitet sind und die Alisa Childers schonungslos aufdeckt. Auch in christlichen Kreisen hört man solches immer wieder. Besonders dort, wo sich die „Dekonstruktion“ des Glaubens etabliert hat, ist man erstaunlich unkritisch offen für so übersimplifizierte Lügen.

Die Autorin – ja, ich bin sehr dankbar, dass es in unserer Zeit immer mehr Autorinnen gibt, die uns viel zu sagen haben, oft genug mehr als viele männliche Autoren zusammen – kam aus einer Gemeinde, die theologisch immer progressiver wurde. Wie sie sich aus den Fängen dieses Progressivismus befreien konnte, beschreibt sie in ihrem ersten Buch „Ankern“ (Link). Nun hat sie nachgelegt und beschreibt eine Reihe von dekonstruktiven Glaubenslügen.

Es sind recht kurze, knackige, aber auch inhaltlich klare, deutliche Kapitel. Sehr viele anschauliche Beispiele (mir persönlich waren es ehrlich gesagt zu viele Beispiele) aus dem Leben helfen, sich das Ganze richtig vorzustellen. Ich denke, jeder, der das Buch liest, wird von Zeit zu Zeit innehalten müssen, um das Gelesene zu verdauen. Sei es, weil man schon zu viele dieser Lügen inhaliert hat, sei es, weil man sich an die deutliche Sprache gewöhnen muss, oder sei es (wie in meinem Fall), dass man zuweilen vor lauter Beispielen und #Hashtags den roten Faden des Buches verloren hat und sich erst wieder daran erinnern muss, wo man davor war.

Der Höhepunkt des Buches ist eindeutig der Schluss, der krönende Abschluss des Buches. Da geht es in einem Unterkapitel um das Kreuz Jesu. Childers schreibt: „Keine der Lügen, über die wir in diesem Buch gesprochen haben, kann im selben Raum wie das Kreuz existieren. Wenn du dir selbst genügen willst, kannst du das Kreuz nicht ertragen. Es ist das Ärgernis, das uns zeigt, dass wir aus uns selbst nicht genügen, und es ist das Heilmittel für den Mangel, der aus unserem Nichtgenügen folgt. […] Das Kreuz wird niemals ein Werkzeug des Friedens sein, solange es nicht zum Werkzeug des Todes wird.“ (S. 227f)

Das sind Sätze, die tief sinken müssen. Das braucht Zeit zum Nachdenken. Zeit zum Gebet. Zeit, um Gott immer wieder ganz neu (und doch genau so wie viele Generationen vor uns) kennen zu lernen.

Ich empfehle das Buch sehr und gebe ihm 5 von 5 Sterne.

Zeit des Umbruchs – eine Rückschau

Als vor rund vier Jahren das Buch von Markus Till „Zeit des Umbruchs“ herauskam, freute ich mich sehr, denn es war schließlich das Ergebnis langer Diskussionen, Blogartikel, Gespräche und vielem mehr. Eigentlich wollte ich sofort etwas dazu schreiben. Doch wir waren mitten im Hausbau; und so hatte ich viele Pflichten im Alltag und nicht den Kopf frei, um mir dazu etwas Schlaues einfallen zu lassen. Als wir kürzlich im Urlaub in Südfrankreich waren, habe ich es mir zum inzwischen fünften Mal durchgelesen. Heute möchte ich innehalten und diese vier Jahre Revue passieren lassen, immer mit dem – übrigens nach wie vor sehr guten, soliden und liebevoll geschriebenen – Buch von Markus Till im Hinterkopf.

Markus Till berichtet in seinem Buch davon, wie er Postevangelikalien kennengelernt hat, wie er durch zwei Blogposts über Worthaus und HossaTalk plötzlich viel bekannter wurde. Wie HossaTalk ihn eingeladen hatte und unter dem Titel „Im Angesicht meiner Feinde“ mit den zwei Hossas diskutierte. Er stellt fest, dass Diskussionen zwischen den Lagern sehr oft von Missverständnissen, Verletzungen, ähnlich klingende aber unterschiedlich gefüllte Worte und so weiter geprägt sind, die ein echtes Reden schwierig machen. Dann stellt Markus vier Knackpunktthemen vor, welche so unterschiedlich bewertet werden, nämlich die Möglichkeit echter Wunder, die leibliche Auferstehung Jesu, die Irrtumslosigkeit der Schrift und die Sexualethik. Der Rest des Buches (ungefähr das letzte Drittel) enthält Plädoyers für eine echte Streitkultur, Ausgewogenheit zwischen Enge und Weite in den Fragen und zum Schluss, was man tun kann, damit Kirche gestärkt aus dem Ganzen herauskommen kann.

Es ist – wie gesagt – ein sehr empfehlenswertes Buch. Und zugleich muss ich anfügen: Es war eine Momentaufnahme der Zeit, in welcher es geschrieben wurde. 2017, 2018, 2019 um den Dreh war so die große Zeit von HossaTalk. Seither gibt es sie immer noch, mit einem Wechsel, aber das Pulver scheint verschossen, die großen Häretiker sind alle abgehakt, die „bösen“ Themen zigmal besprochen, der Lärm wird leiser. Vermutlich auch der Tatendrang. Die Töne werden leiser, auch mal etwas versöhnlicher. Inzwischen ist man im Mainstream angelangt. Dafür kommen neue Formate auf, etwa SchönerGlauben von Jason Liesendahl (der aber schon lange online aktiv ist). Und natürlich der ganze vom Schweizer Staatskirchengeld finanziell sehr gut gepolsterte Podcast-Wahnsinn von Reflab, wohin übrigens immer mehr nachchristliche Theologen abwandern, um für immer in ihrer Bubble zu verschwinden.

Mit den Podcasts ist das so eine Sache. Ein Buch ist irgendwann mal zu Ende geschrieben und kann veröffentlicht werden. Ein Podcast ist eine never ending story. Zumal dann, wenn man etwas Bekanntheit erlangt hat. Auch wenn man seine Ziele erreicht hat, alles gesagt und getan hat, was man wollte, kann man nicht gut sagen: Tschö, ich habs erreicht, lebt wohl. Das haben Podcasts mit dem Feminismus und den Gewerkschaften gemeinsam. Deren Ziele wurden erreicht, aber man muss ja ums Verrecken weiter machen, höhere Ziele stecken, weitere Bewegungen mit reinnehmen, um zu beweisen, dass man es noch drauf hat. Irgendwie ist es wie mit dem Reichtum. Zu viel davon gibt es nicht, und noch mehr geht immer.

Doch eins ist nach wie vor ungeklärt – geradezu ein offenes Rätsel. So richtig weiß keiner, was denn nun Postevangelikale glauben – und am wenigsten jene selbst. In den zahlreichen Gesprächen, Diskussionen, Podcastfolgen, geht es immer nur um das, was sie nicht mehr glauben. Und um den Unwillen, sich auf irgend etwas festzulegen. Wer ist Gott? Wie ist Gott? Wer ist oder war Jesus? Immer bekommt man nur entweder negative Antworten (Gott ist nicht…) oder vage, nichtssagende Sätze und Phrasen (Gott ist Liebe – ja, aber was bitte ist Liebe? Hmm, gute Frage. Themenwechsel)

Eins ist mir immer bewusster geworden in den vergangenen Jahren, was im Buch von Markus fehlt. Das vermutlich größte Manko. Also meiner Meinung nach. Auf S. 187 stellt Markus die richtige Frage: „Bei welchen Themen müssen wir auf der richtigen Lehre bestehen […]? Im Buch beantwortet Markus das mit zwei Themen: Jesus Christus und Schriftautorität. Beides gut und wichtig. Aber das ist mir noch zu zweidimensional. Als dritte Dimension in dem Ganzen brauchen wir die unaufgebbare Lehre vom dreieinen Gott! Es gibt viele Menschen, die zwar mit ihrem Mund die Dreieinigkeit Gottes bezeugen, aber sie mit ihrem Leben und gemeindlichen Lehren verleugnen. Man sieht das an den Folgen – der Frucht ihres Dienstes. Dieses praktische Verleugnen führt entweder zu Gesetzlichkeit oder zu Beliebigkeit und ist schmerzhaft gefährlich für Gemeinden in unserer Zeit.

Ich glaube, die größten Schwierigkeiten unserer Zeit stammen nicht von einer falschen Sicht vom Sühnetod (so wichtig das ist!) oder von einem unvollständigen Inspirationsverständnis (obwohl ich da noch strenger bin als die Chicagoer Erklärungen). Ich glaube, die größten Probleme handeln wir uns ein, weil wir irgendwie versuchen, uns Gott auseinander zu dividieren. Gesetzlichkeit ist in Wahrheit ein praktischer Modalismus (die Lehre, die sagt, dass nur ein Gott ist, der nacheinander in drei verschiedenen Erscheinungsformen als Vater, Sohn und Heiliger Geist gewirkt hat), und viel postmoderne Theolügie geht auf einen Tritheismus zurück, der zur Beliebigkeit führt. Bekanntes Beispiel ist das Buch „Die Hütte“ von W. P. Young, in dem er die drei Götter miteinander diskutieren lässt. Dahinter steckt die Ansicht, man könne sich von den Eigenschaften Gottes bestimmte aussuchen, die einem besser gefallen und andere ausblenden oder durch Betonung der beliebteren Eigenschaften wegerklären. Der Offene Theismus zum Beispiel kommt nicht darum herum, auf irgend eine Weise die Dreieinigkeit Gottes aufzulösen.

Es bedürfte natürlich eines ganzen Buches, um das weiter auszuführen. Aber ich möchte mit wenigen Strichen versuchen, ein paar Grundlinien nachzuzeichnen, wie die neue Entdeckung der Dreieinigkeit Gottes uns gerade in dieser „Zeit des Umbruchs“ helfen kann, Klarheit und Einheit zu finden.

Gott ist ein Gott in drei Personen, aus einer Essenz, ungeschaffen, ewig, allmächtig. Jede der drei Personen teilt diese Eigenschaften unbeschränkt. Zugleich sind sie nicht austauschbar. Jede Person tut genau das, was ihr entspricht. Gott Vater erschafft Himmel und Erde durch das Wort (Gott Sohn) und Gott Heiliger Geist schwebt / brütet über dem Wasser. Gott Sohn kommt auf die Erde, um des Vaters Plan der Erlösung auszuführen, am Kreuz für unsere Sünde zu sterben und am dritten Tag von den Toten aufzuerstehen. Es ist interessant, dass für die Auferstehung das Werk aller drei Personen Gottes nötig ist. Gott Heiliger Geist wendet das Geschenk der Erlösung auf den Einzelnen an, führt zu echter Buße, schenkt Glauben, und krempelt das Leben um, sodass der Mensch Gott ähnlicher wird.

In Gott haben wir Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt. Der Mensch als Ebenbild Gottes lebt auch in einer Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt. Allerdings in einer gefallenen Welt. Schon am eigenen Leib, dieser Vielfalt aus Körperteilen, kann man das hin und wieder bemerken. Als Geliebte und Heilige in Christus hat die Gemeinde Jesu vor Ort die Aufgabe, diese Einheit in Vielfalt im Kleinen vorzuleben und auch der umgebenden Gesellschaft ein kleines Beispiel zu geben, wie es vielleicht besser laufen könnte.

Nun aber, liebe Geschwister, wie sieht es denn tatsächlich aus? Die Welt ist in die Gemeinde gekommen und hat sie ihrer Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt beraubt. Anders gesagt: Manche, die zur Gemeinde gehör(t)en, sind von ihr ausgegangen, und behaupten immer noch, trotzdem drin zu sein. Irgendwie. Anders. Keine Ahnung wie, aber eben irgendwie. Und so wird manch ein interreligiöser Dialog zuweilen eben immer noch als innerkirchlicher Dialog wahrgenommen. Nun denn – wenn dem so ist, steht Christus an der Tür der Kirche und klopft an. Wer ihm öffnet, zu dem kommt ER herein und hält mit ihm Gemeinschaft. Willst du das?

Buchtipp: Überrascht von Furcht

Natha, Überrascht von Furcht – Der Schlüssel um wirklich mit Gott zu leben, Crosspaint Medien, Druck via Amazon, 2021, Amazon-Link

Crosspaint – meine Entdeckung des Jahres. Irgendwie ärgert es mich ein wenig. Ich bin mir gewohnt, neue Bewegungen im Internet früh zu entdecken, ein wenig zu networken, Menschen miteinander zu verbinden, junge Blogger und Internetevangelisten zu unterstützen und bekannter zu machen, doch jetzt ist da was ganz Großes im Kommen – und ich bin vier Jahre zu spät dran. Ok, jetzt bin ich wieder am Boden angekommen, und das tat gut!

Natha ist sein ein paar Jahren mit einem ganzen Team dabei, die Bibel für junge Menschen verständlich zu erklären. Die Plattform Crosspaint.tv dient dazu, gute Inhalte in vielen sozialen Medien bekannt zu machen. YouTube, Instagram, Facebook, etc. Nun hat er ein Buch geschrieben. Überrascht von Furcht. Und ich war darauf gespannt. So sehr gespannt, dass ich gleich noch einmal etwas zugeben muss: Ich finde es eigentlich super, dass es das Buch nur in der Offline-Version gibt. Aber für mich selbst hätte ich mir dennoch eine eBook-Version gewünscht. Eine zum Kaufen und sofort downloaden. Sofort. Instant. Ohne nervige Wartezeit. Und gleich loslesen auf dem Tablet. Auf diesem digitalen Gerät, das unser ganzes Denken verändert und vor dem ich auch immer mal wieder warne.

Lasst euch eins gesagt sein: Das Buch ist wirklich richtig gut! Es ist so einfach geschrieben, dass es sich leicht lesen lässt und hat dennoch so viel Tiefgang, dass man immer mal wieder innehalten und das Gelesene verdauen muss. Das Buch besteht aus fünf Teilen. Im ersten Teil wird das Problem beschrieben (bzw. eine ganze Reihe von Problemen). Im zweiten Teil wird das Hauptproblem näher angeschaut, während der dritte Teil die Lösung präsentiert. Die zwei restlichen Teile sind zur Motivation gedacht und helfen bei der Umsetzung.

Besonders gefreut habe ich mich, als ich darauf achtete, welche Autoren und Prediger genannt werden. Jonathan Edwards (mehrfach), John Piper, Tony Reinke und manche mehr, die ich auch mit viel Gewinn gelesen habe. Ebenso fand ich es spannend, dass Natha sich im Buch auch mit der Dekonversion von Rhett und Link beschäftigt. Auch wenn wir nicht ganz dieselben Schlüsse aus den Videos von R&L ziehen, finde ich, dass sich das ganz gut ergänzt.

Wie ist das nun mit der Gottesfurcht? Müssen wir Gott fürchten? Ist Gottesfurcht eine Angst vor Gott? Wenn man das Buch von Natha liest, wird deutlich, dass er sich an eine junge Generation wendet. Ich selbst habe mir diese Frage 2002/03 gestellt, als ich kurz nach meiner Bekehrung die Apostelgeschichte las und feststellte, wie wenig unsere Zeit doch der damaligen glich. Ich durfte schon sehr früh eine Reihe von Erfahrungen machen die mich dazu brachten, diese Frage mit Ja zu beantworten: Gottesfurcht enthält auch eine Art Angst. In jener Zeit stieß ich glücklicherweise auf das Buch „Die Furcht des Herrn“ von John Bevere, wo dies auch wieder bestätigt wurde. Bevere bringt es auf den Punkt, wenn er erklärt, dass Gottesfurcht uns nicht von Gott weg fliehen lässt, sondern uns vielmehr zu Ihm hin zieht. Natha geht in seinem Buch in eine sehr ähnliche Richtung.

Doch woher kommt unsere Abneigung gegen die Angst vor der Angst vor Gott? Ich glaube, das nur mit dem Dopamin und dem Zeitgeist erklären zu wollen, greift zu kurz. Gottesbilder haben viel mit unseren Vaterbildern zu tun. Die Abneigung gegen den Begriff der Gottesfurcht entstammt einer Zeit, in welcher viele junge Menschen das Leben und ihre Eltern nicht mehr begriffen: Nachdem die Eltern den 2. Weltkrieg überlebt hatten und häufig in großer Armut erst einmal wieder aufbauen mussten, was durch den Krieg zerstört war, erzogen sie ihre Kinder auch in der Zeit des wachsenden Wohlstands mit einer Strenge, wie sie im Krieg und der ersten Armut notwendig war. Die damals junge Generation wurde von vom Krieg gezeichneten, oft traumatisierten Eltern mit einer Unberechenbarkeit konfrontiert, die ihnen Angst machte. So war auch die frühe Studentenrevolution ein Aufbegehren gegen eine unnötige, unberechenbare Strenge, eine Angst vor der Angst, und wurde durch die antiautoritäre Erziehung wiederum an die nächste Generation weitervererbt. Für die heute junge Generation ist die Angst vor der Angst weniger verständlich und entsprechend ist es auch angemessen und notwendig, die biblische Lehre von der Gottesfurcht wieder neu zu betonen.

Ganz besonders in seinem Element ist Natha da, wo er über das Kreuz Jesu schreibt. Man merkt sogleich: Da ist ein Evangelist am Werk! Da schreibt einer, der das Kreuz von Golgatha zu seiner täglichen Leibspeise macht! Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Als Vorbereitung auf das Buch würde ich empfehlen, die YouTube-Serien über die Richter und den Römerbrief anzuschauen. Es gibt einzelne Aussagen, deren Tiefe man erst begreift, wenn man sich mit der jeweiligen Auslegung von Crosspaint vertraut gemacht hat.

Mein Fazit: „Überrascht von Furcht“ ist das Buch des Jahres und eines der wichtigsten, die je geschrieben wurden! Unbedingte Leseempfehlung!

Buchtipp: Demokratie, Freiheit und christliche Werte

Stückelberger, Hansjürg, Demokratie, Freiheit und christliche Werte – Liebe heilt die Gesellschaft, Esras.net GmbH, Niederbüren, 2020, Verlagslink, Amazon-Link

Eins vorweg: Der Titel des Buches hat mich fasziniert. Große Worte, die mir viel bedeuten. Ich war gespannt, wie überzeugend der Autor in den gerade mal gut 200 Seiten sein Verständnis davon darlegen kann. Ganz besonders trieb mich auch die Frage um, für welches Zielpublikum das Buch wohl geschrieben wurde.

Hansjürg Stückelberger ist ein Schweizer Pfarrer im Ruhestand, wurde letztes Jahr 90 Jahre alt und gründete mehrere Missions- und Hilfswerke, sowie die Stiftung Zukunft CH. Seit vielen Jahren sind ihm die Menschenrechte und die biblischen Werte sehr wichtig.

Das Buch selbst ist in zehn Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel werden negative Beispiele genannt – Staaten, welche sich demokratisch nennen, aber von Korruption geprägt sind. Bereits hier fällt auf, dass für das Lesen eine gewisse Bildung nötig ist. Begriffe wie „Rechtsstaat“ (S. 11) werden nicht definiert oder beschrieben, sondern als selbstverständlich bekannt vorausgesetzt. Auch im zweiten Kapitel, welches sich mit der Bedeutung der Religion für eine erfolgreiche Kultur befasst, werden viele Beispiele genannt – positive und negative. Viele Unterkapitel sind mit Geschichten aus dem persönlichen Leben des Autors gewürzt, da er viel gereist ist und Kontakt mit Menschen rund um den Erdball hat. Das zweite Kapitel schließt mit fünf Schlussfolgerungen (S. 40 – 42), in diesem Fall fünf Hypothesen, die der Autor aus dem zuvor Geschilderten schließt. Mehr dazu weiter unten.

Im dritten Kapitel kommt die Weltgeschichte bis zur französischen Revolution in den Blick. Es beginnt mit dem frühen Christentum und zeichnet den Weg auf der Suche nach echter Freiheit und Menschenwürde nach. Dieses Kapitel kann ich wirklich jedem zu lesen empfehlen. Das vierte Kapitel ist eine theologische Überlegung zur Heilsgeschichte, der Autor kehrt an den Anfang der Bibel zurück und erklärt den Beginn der Heilsgeschichte, also Gottes Geschichte mit der Welt, den Sündenfall der ersten Menschen und die Person Satans. Sodann wird im fünften Kapitel die Frage nach der Ordnung in der Welt, dem Verhältnis von Recht und Freiheit nach dem biblischen Weltbild erörtert. Im sechsten Kapitel kehrt der Leser wieder an das Ende des dritten zurück: Aufbauend auf den zwei eingeschobenen Kapiteln wird gezeigt, wie das Denken der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) zusammen mit dem biblischen Weltbild zur Demokratie in den USA führte. Die abschließenden vier Kapitel versuchen aufzuzeigen, wie das Ganze in unserer heutigen Zeit, im Alltag umgesetzt werden sollte, welche Auswirkungen das biblische Weltbild auf die Gesellschaft haben will und welches die biblischen Werte sind, welche unser Leben, Denken und Handeln bestimmen wollen.

Ich persönlich finde das Buch gut geschrieben, es entspricht meinem theologisch konservativen Weltbild, es zeigt vieles recht gut auf, wobei ich ihm zustimmen kann. Dennoch: Wirklich viel Neues habe ich nicht gelernt. Ich finde es wertvoll, wie der Autor versucht, die Geschichte der westlichen Demokratie mit der Heilsgeschichte zu verbinden. Für einen schnellen, sehr kurzen Überblick ist das Buch gut geeignet. Wer jedoch dabei weiter denken möchte, ist auf sich selbst gestellt.

Leider muss ich dem Buch auch verschiedene Schwächen attestieren. Zunächst einmal kann ich die Frage nach dem Zielpublikum bloß schwer beantworten. Es wird eine Menge Grundwissen vorausgesetzt, da – wie oben bemerkt – oft Erklärungen und Definitionen fehlen. Zugleich ist es nicht an eine akademisch geschulte Leserschaft gerichtet. Die Endnoten sind dafür zu leichtfertig angefertigt. Ein Beispiel: Wer bereits vom Gründervater und US-Präsidenten Thomas Jefferson gelesen hat, wird genauer wissen wollen, in welchem Zusammenhang er so positiv von der Bibel gesprochen hat. Die Endnote 142 mit Hinweis auf ein factum-Magazin ist hier nicht ausreichend als Beleg. Schade finde auch, dass die ganze Auseinandersetzung um die Gründung des US-Demokratie nicht näher ausgeführt wird. Es gäbe enorm viel zu lernen, wenn man sich mit den Dokumenten der Gründerväter und ihren Diskussionen noch weiter beschäftigen würde. Stückelberger handelt diese ganze Diskussion so ab, als hätte es darin schon immer einen großen Konsens gegeben.

Ähnliches gilt für die fünf Schlussfolgerungen des zweiten Kapitels. Wer – wie ich – von einem theologisch konservativen, bibeltreuen Weltbild ausgeht, kann diese durchaus als Fazit betrachten. Sie sind eine von zahlreichen Möglichkeiten, wie man die vielen Beispiele des Kapitels deuten kann – jedoch keineswegs zwingend. Und hier sehe ich eine der größten Schwächen des Buchs. Es ist für den Inhalt, den es beackern möchte, schlichtweg zu kurz. Wer Menschen, die von ganz anderen Voraussetzungen ausgehen, überzeugen möchte, würde den Rest des Platzes im Buch benötigen, um dies schlüssig darzulegen.

Was vermag dieses Buch also zu leisten? Es ist eine Art Manifest, das die theologischen, politischen und sozialen Überzeugungen des Autors wiedergibt. Es eignet sich für konservative Christen, die sich in ihren Überzeugungen stärken möchten, für Christen, welche die christlichen Werte noch besser kennenlernen möchten, und für alle, die gern über die Geschichte nachdenken. Ein weiterführendes Werk zu den Themen fehlt in deutscher Sprache meines Wissens leider weiterhin. In englischer Sprache wäre „Politics according to the Bible“ von Wayne A. Grudem zu nennen.

Ich gebe dem Buch vier von fünf Sternen.

Buchtipp: Das Bekenntnis

Das Bekenntnis von John Grisham

Grisham, John, Das Bekenntnis, Heyne Verlag München, 1. Aufl. 2019, 591S., Verlagslink, Amazon-Link

Aus einem Vorurteil erwächst eine Lüge, aus der Lüge ein Mord, aus dem Mord der Zerbruch einer ganzen Familie – und am Ende steht man mit nichts in den Händen da – nichts außer dem Wissen um die Wahrheit und der Frage: War es das wert? Der Mord lässt alle ratlos zurück: Einer der beliebtesten Bewohner von Clanton, Mississippi, Pete Banning, erschießt den ebenfalls beliebten Methodistenpastor Dexter Bell. Einfach so. Banning weigert sich, eine Aussage über sein Motiv zu machen. Er wird nach einem gerichtlichen Prozess von den Geschworenen zum Tod verurteilt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Der Rest des Buches befasst sich mit der Suche nach den Gründen für diese Tat – und erst ganz am Schluss wird die Wahrheit aufgedeckt.

Als langjähriger Grisham-Leser, der die Justizthriller im Stil von „Die Firma“ oder „Die Akte“ noch kennt, hatte ich eine rasantere Story erwartet. Stattdessen fand ich eine sehr feinfühlige Geschichte vor, die gekonnt langsam an Spannung aufbaut und wunderbar zum Nachdenken anregt. Auf fast 600 Seiten präsentiert John Grisham eine Geschichte, die sich möglicherweise tatsächlich ähnlich zugetragen haben könnte, denn der Autor hat sie einmal erzählt bekommen, ohne sich jedoch an die genaueren Hintergründe des Erzählers erinnern zu können. Er hat deshalb die juristische Praxis der erzählten Zeit und des Umfelds recherchiert und weiter ausgeschmückt niedergeschrieben.

Die dreiteilige Struktur des Buches fand ich verwirrend und musste bei jedem Teil erst mal wieder neu in die Geschichte hineinkommen. Da hätte ich einfache Rückblenden in der Story verständlicher gefunden. Außerdem gibt es mehrmals Längen im Buch, die es zu überwinden gilt, und die zuweilen langweilig erscheinen. Dies ist zum Beispiel recht bald nach dem gut gelungenen Anfang der Fall. Doch wer das Buch dann weglegt, verpasst meines Erachtens eine Menge. Allerdings wird – wie bereits gesagt – der Leser enttäuscht, der bei Grisham immer nur die spannungsgeladenen, rasanten Justizthriller erwartet.

Wer das Buch bis zum Ende durchhält, wird mit vielen guten Fragen belohnt: Wie steht es um Vorurteile? In gewisser Weise wird auch das Selbstbild unserer Zeit in Frage gestellt: Ist unsere Abwehr gegenüber überkommenen Vorurteilen in Wirklichkeit nicht nur ein Austausch gegen neue Vorurteile? Ist die Wahrheit, die unter Umständen ziemlich schmerzen kann und manchmal auch vieles zerstört, was wir liebgewonnen haben, es wert, dass wir alle Kraft darauf verwenden, sie zu finden? Positiv finde ich hier, dass der Autor in der Figur von Joel Banning, dem Sohn des Mörders, dies bejaht und als Ausblick den Neuanfang im Wissen um diese Wahrheit vorschlägt.

Fazit:

Ein insgesamt gut geschriebener Roman, der zwar nicht in typischer Grisham-Weise ein Justizthriller ist, aber eine möglicherweise wahre Geschichte nacherzählt und dabei viele gute Fragen stellt. Einige unnötige Längen weist das Buch auf, aber wer nicht aufgibt, wird am Ende mit viel Stoff zum Nachdenken belohnt. Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sterne.