John Owen über geistliche Einheit und Spaltungen

In einem weiteren Vortrag der Westminster Konferenzen hat D. M. Lloyd-Jones 1963 darüber gesprochen, was wir in Bezug auf gemeindliche Einheit und Spaltungen (schisms) aus den Schriften von John Owen lernen können. Hier ein kurzer Auszug daraus:
Es kann keine Einheit geben, bis es eine Übereinstimmung in Bezug auf die Wahrheiten des Evangeliums gibt. Es ist eine geistliche Einheit, aber es ist auch eine Einheit des Glaubens. Wenn es Uneinigkeit bezüglich des Glaubens gibt, kann es keine Einheit geben. Deshalb kann es keine Einheit geben zwischen einem Evangelikalen und einer Person, die wesentliche Bestandteile des evangelikalen Glaubens abstreitet.“(Seite 86)
Owen hat ein paar wunderbare Dinge zu sagen über dieses gesamte Thema der Bewahrung der Einheit. Hier ist etwas, was er zu sagen hat: „Wir bezeugen, dass, weil auch die besten Menschen in diesem Leben nur in Stückwerk erkennen, alle Glieder dieser Gemeinde in vielerlei Hinsicht zu Fehlern, Irrungen und Fehlurteilen neigen; und deshalb ist es so, obwohl sie alle innerlich von demselben Geist geführt und geleitet werden bezüglich aller Dinge, die zum ewigen Heil absolut notwendig sind, und alle auf dieselbe Herrschaft des Wortes acht geben, nachdem, wie sie die Absicht Gottes darin verstehen und alle entsprechend demselben göttlichen Glauben, der Substanz und Natur desselben, alle gleichermaßen demselben Haupt vereint sind, dennoch gibt es im Bekenntnis, das sie von den Vorstellungen und Überzeugungen ihres Verstandes über die Dinge, die in der Schrift offenbart sind, wie es schon immer war, viele Unterschiede unter ihnen. Es ist auch moralisch gesehen unmöglich, dass es anders sein soll, denn bei ihrem Urteil und dem Bekenntnis sind sie der Fähigkeit ihren eigenen Verstandes und der Freiheit ihres Willens überlassen, wo es große Unterschiede bezüglich der Mittel von Licht und Wahrheit gibt, zusammen mit anderen Umständen, in welche sie von der heiligen, weisen Vorsehung Gottes gelenkt werden. Auch hat der Herr Christus mit Absolutheit versprochen, dass es anders mit ihnen gehen soll, aber während Er sie alle durch Seinen Geist in den Fundamenten der ewigen Errettung sichert, überlässt Er sie in anderen Dingen der gegenseitigen Ausübung der Liebe und der Geduld, mit der Verantwortung der Pflicht nach einer beständigen Bemühung, zu einer vollkommenen Einheit zu wachsen, durch die Verfeinerung der gesegneten Hilfsmittel und der Unterstützung, die Er ihnen so gerne anbietet. Und jene, welche mit Mitteln der Gewalt versuchen, sie zu irgend einer anderen Einheit oder einem anderen Zugeständnis zu zwingen, als ihr eigenes Licht und ihre Pflicht sie führt, jene tun, was sie können, um die ganze Absicht des Herrn Christus in Bezug auf sie zu opponieren und auch Seine Herrschaft über sie. Einstweilen ist es gewiss, dass sie in Trennungen und Spaltungen fallen können, und in gegenseitige Erbitterung unter ihnen, durch die Überbleibsel an Dunkelheit in ihrem Verständnis und die Schwäche des Fleisches.“(Seite 87f)
(D. M. Lloyd-Jones, The Puritans: Their Origins and Successors, The Banner of Truth Trust, Übersetzungen von mir)

D. M. Lloyd-Jones über das Ziel der Theologie

Einmal mehr ein wunderbares Zitat von D. Martyn Lloyd-Jones aus dem Vortrag von 1961 an der Puritan Conference zum Thema “Knowing and Doing”.
„Ich habe das Gefühl, dass wir sehr vorsichtig sein müssen in Bezug auf diese Dinge, und dass wir zum Neuen Testament zurückkehren müssen und sehen, was möglich und bereit ist für Gottes Kinder, für Christenmenschen, solange sie hier auf Erden sind. Ist diese Art eines „pneumatischen“ Elements so herausragend unter uns, wie es sein sollte? Das scheint mir die große Frage zu sein. Im Grunde genommen ist Theologie ein Fundament und nichts mehr. Sie ist kein Ziel, sie ist nur ein Anfang. Sie ist das Mittel. Wir dürfen nie bei ihr stehenbleiben. Sie ist immer dazu da, um uns durch Glauben zu dieser Erkenntnis, zu dieser Intimität, zu dieser tiefen persönlichen Erfahrung des lebendigen Gottes zu bringen, in welcher wir Ihm wirklich begegnen, wissen, dass Er gegenwärtig ist und uns der Kraft des Heiligen Geistes in und unter uns bewusst werden. Lasst uns uns deshalb mit großer Ernsthaftigkeit in Bezug auf diese Dinge untersuchen. Es ist äußerst wunderbar und erfreulich, Gemeinschaft unter verwandten Seelen zu haben. Wie reizvoll ist es, über diese Dinge zu diskutieren und zusammen zu reden. Was gibt es Erfreulicheres als das? Aber es kann zu nichts führen – absolut nichts! – wenn wir uns nicht der Tatsache bewusst sind, dass dies alles nur ein Mittel ist, das Gott uns zur Verfügung stellt, um uns zur Erkenntnis Seiner Selbst zu bringen.“ (D. M. Lloyd-Jones, The Puritans: Their Origins and Successors, The Banner of Truth Trust, 1987, S. 51, eigene Übersetzung)

Weil es wunderbar zum Thema passt, hier auch noch der Verweis auf einen super Blogpost von Waldemar Justus auf Jesus24.de: Das Herz eines Theologen

Vom Hören der Predigt und vom Lesen

Im Jahre 1960 hat D. Martyn Lloyd-Jones eine bemerkenswerte Lektion über das Erlangen von echter und falscher Erkenntnis gehalten. Im Zeitalter von Internet und freier Verfügung von so viel Wissen ist die Gefahr, die er anspricht, noch viel größer geworden. Ein lesenswerter Auszug aus diesem Vortrag:
„Aber wir müssen dem dritten Grund mehr Aufmerksamkeit widmen, welcher etwas kontroverser sein könnte. Ich bin der Meinung, dass es eine ganz spezielle Gefahr gibt an diesem Punkt und in dieser Beziehung der Diskussion, wo es um das Ausspielen von Lesen gegen Predigen geht. Vielleicht ist das eine der größten aller Gefahren in der Zeit, in der wir leben. Ich stelle fest, dass das Lesen viel gefährlicher ist als das Hören der Predigt, und ich weise darauf hin, dass eine wirklich echte Gefahr entsteht, wenn jemand seine Zeit nur mit Lesen verbringt und nicht unter die Kraft der Predigt kommt. Was will ich damit sagen? Ich will damit ungefähr folgendes sagen: Wenn jemand ein Buch liest, so hat er in einem gewissen Sinne die gesamte Kontrolle. Es hängt zwar teilweise vom Buch ab, ich weiß, aber sobald er beginnt, sich unwohl zu fühlen, kann er es zumachen und einen Spaziergang machen, oder – er kann viele Dinge tun. Aber all das kannst du nicht tun, während du eine Predigt hörst. Natürlich, es könnte sein, dass du so unhöflich bist, um aufzustehen und hinauszugehen, und manche Leute tun das ja auch, aber aufs Ganze gesehen ist das nicht üblich.

Das Predigen schützt uns deshalb in gewisser Weise vor diesen besonderen Gefahren, die aus dem Lesen allein resultieren, natürlich vorausgesetzt, es handelt sich um echtes Predigen. Denn wenn jemand echtes Predigen hört, so kommt er unter die Macht der Wahrheit, und zwar in einer Weise, in die er beim Lesen allein nicht kommt. Ob du jetzt die Definition des Predigens von Phillips Brooks magst oder nicht, der sagte, es sei „Wahrheit vermittelt durch Persönlichkeit“, aber sie beinhaltet eine Menge Wahrheit, und die Bibel gibt uns viele Beispiele dafür. Gott gebraucht die menschliche Persönlichkeit. Nicht nur das, sondern der Prediger erklärt nicht nur die Bibel, sondern er macht auch Anwendungen und sorgt dadurch dafür, dass die Anwendung auch ihr Ziel findet. Wenn jemand ein Buch liest, so kann es sein, dass er nie zu einer Anwendung kommt. Er kann sich dazu entscheiden, das Buch zu schließen und aufzuhören, wann immer er möchte; es gibt kein Beharren auf die Anwendung. Ich fürchte, dass in unserer Zeit, wo die Menschen dazu tendieren, immer weniger und weniger Predigten zu hören, und Predigten immer kürzer und kürzer werden, und unser Vertrauen in das Lesen immer größer wird, dass wir deshalb dieser Gefahr noch viel mehr ausgesetzt sind als unsere Vorfahren. Natürlich verurteile ich keinesfalls das Lesen an und für sich oder sage, dass es keine Veröffentlichungen mehr geben solle! Aber keinesfalls! Ich versuche lediglich die gefährliche Tendenz zu zeigen und halte an der Wichtigkeit und am Vorrang, sowie an der Überlegenheit des Predigens fest. Wir müssen unter die Kraft der Wahrheit gebracht werden. Wir mögen das nicht, aber das ist die Aufgabe eines Predigers, und wenn er dies verfehlt, so ist er ein armseliger Prediger. Wir versuchen immer, diesen Schlussfolgerungen und Anwendungen zu entkommen, aber der Prediger bringt diese ans Ziel. Er hält uns fest, sorgt dafür, dass wir ihnen ins Gesicht sehen müssen, und dadurch beschützt er uns vor bestimmten Gefahren. Eine Zeit, in welcher dem Lesen mehr Wichtigkeit beigemessen wird als dem Hören der Predigt ist immer eine gefährliche Lage. (D. M. Lloyd-Jones, The Puritans: Their Origins and Successors, S. 29 – 30, Übersetzung von mir)

D. M. Lloyd-Jones über Erweckung

Was ist Erweckung? Bei D. M. Lloyd-Jones habe ich eine sehr gute Definition gefunden:

“Sie ist eine Erfahrung im Leben der Gemeinde, wenn der Heilige Geist ein ungewöhnliches Werk tut. Er tut dieses Werk in erster Linie unter den Gliedern der Gemeinde; es ist ein Erwecken der Gläubigen. Du kannst nicht etwas erwecken, was nie Leben hatte, deshalb ist Erweckung per Definition zuallererst eine Belebung und Stärkung und Aufweckung von trägen, schlafenden und beinahe todgeweihten Gemeindeglieder. Plötzlich kommt die Kraft des Geistes auf sie und sie werden in ein neues und tieferes Bewusstsein der Wahrheiten gebracht, an denen sie zuvor intellektuell festgehalten hatten; und vielleicht auch in einem stärkeren Ausmaß. Sie werden gedemütigt, sie werden von Sünde überführt, sie erschrecken vor sich selbst. Viele von ihnen fühlen, dass sie nie Christen gewesen waren. Und dann kommen sie zur Erkenntnis der großen Erlösung Gottes in all ihrer Herrlichkeit und fühlen ihre Kraft. Dann, als Resultat ihrer Stärkung, beginnen sie zu beten. Neue Kraft kommt in die Predigt ihres Pastors und die Wirkung davon ist, dass große Mengen, die zuvor außerhalb der Gemeinde waren, bekehrt und hineingebracht werden. So ist Erweckung in ihrer Hauptsache erstens eine außergewöhnliche Belebung der Gemeinde und zweitens die Bekehrung von Menschenmassen, die bisher außerhalb [der Gemeinde] in Gleichgültigkeit und Sünde gelebt hatten.” (D. M. Lloyd-Jones, The Puritans – their origins and successors, The Banner of Truth Trust, 1987; Übersetzung von mir)