Gott hat kein Abstellgleis

Manchmal fühlt man sich wie auf dem Abstellgleis. Man weiß, dass Gott etwas tun möchte und wird, aber es trifft nicht ein und wir warten. Oder wir sind irgendwo in einer Situation, in der wir uns eine Veränderung wünschen, aber nichts tut sich. Hier ist die einfache Wahrheit: Gott hat kein Abstellgleis. Die Situation, der Ort, die Gemeinde, die Familie, etc., wo Du gerade bist, ist von Gott für Dich ausgesucht worden, damit Du daran wachsen kannst. Drei Lektionen, die ich in solchen Zeiten gelernt habe und die mir helfen, möchte ich Dir weitergeben:


1. Lektion: Lerne Geduld. Manchmal sind wir in solche Situationen hineingeraten, weil wir zu wenig Geduld haben. Manchmal haben wir selbst etwas ums Verrecken erreichen wollen und Gott, uns und den Mitmenschen zu wenig Zeit gelassen, damit die Veränderung nach Gottes Zeitplan eintreffen konnte. Das kann hart sein, aber dann ist unsere Lektion Geduld. Bleibe an dem Ort und in der Situation, damit Gott an Deinem Charakter arbeiten und Dich verändern kann.


2. Lektion: Sei im Kleinen treu. Konzentriere Dich auf Deine Verantwortungsbereiche, in denen Du drin stehst. Familie. Beruf. Gemeinde. Nachbarschaft. Sport- oder Musikverein. Und so weiter. Gott kann Dir neue Aufgaben und Herausforderungen schaffen, jederzeit. Alles kein Problem. Aber Er möchte die Treue in Deinem täglichen Leben vor Ihm sehen. Nutze diese Zeit, um gute Gewohnheiten zu erlernen. Nimm Dir Zeit für Ihn. Nimm Dir Zeit für die Menschen um Dich herum. So wirst Du bereit für die nächste Türe, die sich zu Gottes Zeit öffnen wird. Paulus war unschuldig im Gefängnis. Er hat nicht im Selbstmitleid gebadet, obwohl er sich wie auf dem Abstellgleis hätte fühlen können. In seiner eingeschränkten Welt von wenigen Quadratmetern machte er genau da weiter, wo er vorher war.


3. Lektion: Werde anderen Menschen in Deiner Umgebung zum Segen. Werde ein Ermutiger oder eine Ermutigerin. Werde eine geistliche Mutter oder ein geistlicher Vater für andere, die noch jünger oder noch nicht so lange gläubig sind. Gib ihnen Deine Weisheit weiter. Zeige ihnen, was sie von Dir lernen können und hilf ihnen auch, dass sie nicht jeden Fehler selbst machen müssen. Versuche, ihnen zum Vorbild zu werden.

Bibliothek der Weltliteratur 5: Parzival von Wolfram von Eschenbach

Mal wieder ein Griff in die Bibliothek der Weltliteratur: Heute möchte ich das Buch Parzival von Wolfram von Eschenbach vorstellen. Parzival ist einer der wichtigsten und bekanntesten Romane des Hochmittelalters. Vermutlich wurde dieser Roman im ersten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben und war danach weit verbreitet. Er ist ein mittelalterliches Heldenepos in Versform. Die Übersetzung von Karl Simrock aus dem Mittelhochdeutschen ist leicht verständlich und lässt sich so auch flüssig lesen, obwohl auch sie in Versform gehalten ist.
Was ist das Ziel des Romans? Wolfram möchte seinen Lesern, wie er in seinem ausführlichen Vorwort erklärt, die ritterlichen Tugenden nahebringen. Er stellt fest, dass im Leben vieler Menschen Widersprüchliches vorhanden ist: Verzagtheit und Kühnheit, Treue und Untreue. Diese Widersprüche vergleicht er mit dem Gefieder einer Elster, das zugleich schwarze und weiße Teile trägt. Deshalb möchte er mit seinem Roman die Tugenden Weisheit, Treue, Mut, und so weiter lehren. Diese Lehren sind nicht nur an Ritter (oder Männer allgemein) gerichtet, sondern auch an alle Frauen:
Aber nicht allein den Mann
Gehn alle diese Lehren an;
Ich stecke dieses Ziel den Frauen:
Die meinem Rate will vertrauen,
Die wisse wohl, wohin sie kehre
Ihren Preis und ihre Ehre
Und welchem Mann sie sei bereit
Mit ihrer Lieb und Würdigkeit,
Auf dass sie nicht gereue
Ihrer Keuschheit, ihrer Treue.“
(2,23 – 3,2)
Zuerst erzählt Wolfram die Geschichte von Parzivals Vater Gahmuret. Dieser war der zweitgeborne Sohn des Königs Gandin von Anschau (Anjou), weshalb er beim Tod des Vaters kein Erbe erhielt. So zog er umher und ließ sich von verschiedenen Leuten zu ihren Diensten anwerben. Bei einem dieser Dienste, als er in Baldag (Bagdad) der dunkelhäutigen Königin Belakane half, war sie bereit, ihn zu heiraten. Doch noch bevor ihrer beider Sohn zur Welt gekommen war, hatte sich Gahmuret wieder auf den Weg gemacht. Er hatte bei der Königin in Bagdad zu wenig Abenteuer und Kämpfe zu bestehen, weshalb er ihr untreu wurde und sie bei Nacht und Nebel verlassen. Der Sohn, der aus dieser Verbindung zur Welt kam, war schwarz und weiß gefleckt, wie eine Elster.
Im zweiten Teil ist Gahmuret wieder auf europäischem Boden. Ein großer Teil der Erzählung ist einem Ritterturnier gewidmet, nach welchem Gahmuret Herzeleide, die Königin von Waleis, ehelichte. Doch auch hier war er relativ bald wieder unterwegs. Auch hier hinterieß er einen noch ungeborenen Sohn, den Parzival, und ging wieder in den Nahen Osten, wo er daraufhin bei einem Kampf sein Leben verlor. Herzeleide war durch die Nachricht von seinem Tod sehr betrübt, sodass sie ihren Sohn Parzival davor schützen wollte, die Grausamkeit des Lebens am Hof (oder als Ritter) kennenlernen zu müssen. Sie zog in einen Wald, wo sie ihn erzog und versuchte, zu vermeiden, dass Parzival je einen Ritter sah. Doch es kam wie es kommen musste: Parzival sah eines Tages Ritter durch den Wald reiten – und schon war es um ihn geschehen: So einer wollte er werden.
Der Rest der Geschichte zeigt die Erfahrungen, die ein junger Ritter machen musste, der nicht am Hof und in den ritterlichen Tugenden erzogen worden war. Er lernte durch viele Fehler und häufig sind seine Erlebnisse ebenso komischer wie tragischer Art. Er ist der tragische Held der Geschichte, der die Lehren des Lebens auf die harte Tour lernen musste, dadurch aber über sich selbst hinauswächst und am Ende kann es nur noch sein Halbbruder Feirefiss – der Sohn der Königin Belakane – mit ihm aufnehmen. Sie geben sich einander gegenseitig zu erkennen und schließen Frieden:
Der reiche Feirefiss begann:
“Held, bei deiner Zucht, sag an,
Da dir ein Bruder leben soll,
Wie sieht der aus? Du weißt es wohl.
Beschreibe mir sein Angesicht;
Seine Farbe hehlte man dir nicht.”
Da sprach den Herzeleid gebar:
“Wie beschrieben Pergament fürwahr,
Schwarz und weiß dort und hier;
Ekuba beschrieb ihn mir.”
“Der bin ich,” versetzt der Heide.
Nicht lange säumten sie da beide,
Feirefiß und Parzival,
Von Helm und Härsenier zumal
Entblößten sie sich gleich zur Stund.
Parzival fand lieben Fund,
Den liebsten, den er jemals fand.
Den Heiden hatt er bald erkannt:
Sein Antlitz zeigte Elsternfarben.
Hass und Groll im Kuss erstarben
Dem Getauften und dem Heiden.
Freundschaft ziemt’ auch besser beiden
Denn ihnen stünde Hass und Neid.
Treu und Liebe scheid den Streit.
Mit Freuden sprach der Heide da:
“O wohl mir, dass ich dich ersah, […]“
(747,19 – 748,14)
Eine zweite Geschichte ist mit der des Parzival verflochten: Gawan steht Parzival gegenüber. Während Zweiterer alles selbst lernen musste, hatte Ersterer eine solide Ausbildung in jungen Jahren gemacht.
Was gefällt mir an Parzival?
Parzival ist ein spannender Roman, der tatsächlich viel Weisheit fürs Leben enthält. Hier wird dem Leser die Ehrlichkeit, die Treue (gerade eheliche Treue – denn die Liebe ist am Ende das, was die erfolgreichen Ritter siegen lässt), der Mut, die Freundlichkeit und Höflichkeit, der Durchhaltewillen, das Dranbleiben, die Demut und viele weitere wertvolle Tugenden nahegebracht. Viele Tugenden, die heutzutage immer mehr verloren gehen, können bei Wolfram schätzen gelernt werden. Außerdem zeigt uns Parzival, dass das Lernen dieser Dinge in den jungen Jahren wertvoll ist und viele spätere Schwierigkeiten erspart. Auch an heutige Eltern ist das ein wertvoller Appell.
Es gibt zahlreiche Anspielungen auf die Bibel. So muss Gawan ein Schloss erobern, das unter der Herrschaft böser Mächte steht. Am Ende wird er von einem Löwen angegriffen. Er attackiert den Löwen, besiegt ihn mit dem Schwert und landet am Ende auf dem Schild, welcher sein Schutz ist. Die Hinweise auf 1. Petrus 5,8 und Epheser 6,16 sind hier mehr als deutlich.
Auch die Ästhetik des Textes spricht mich an. Ich habe den mittelhochdeutschen Text nur knapp in einzelnen Fällen konsultiert, dafür ist aber auch die Simrock’sche Übersetzung an Sprachgewalt kaum zu überbieten.
Das Buch lässt sich übrigens im Projekt Gutenberg vom SpOn online lesen: Link.

Bibliothek des Weltliteratur 3: Homers Odyssee

Schon wieder Homer? Mag sich der Leser fragen, der gut aufgepasst hat. Im letzten Monat bin ich kurz auf Homers Buch Ilias eingegangen. Die Odyssee ist gewissermaßen der Nachfolgeband der Ilias. Und dann doch auch wieder nicht. Es sind beides eigenständige Bücher, bei denen jeweils andere Personen und Ereignisse im Zentrum stehen. Ist Odysseus in der Ilias eine zwar wichtige, aber dennoch eher nebensächliche Figur, rückt er in der Odyssee in den Mittelpunkt. Die Ilias hört auf, bevor der Trojanische Krieg zu Ende ist. Man weiß noch nicht, wie er ausgeht. In der Odyssee erfährt man davon – allerdings erst nach einer Weile.
Die Odyssee ist spannend geschrieben – und zuweilen auch ein wenig verwirrend. Das ist Absicht, es gehört zu Homers Schreibstil, dass er gern mit Rückblicken und Parallelhandlungen arbeitet. So ist das Buch nicht linear aufgebaut, sondern eher wie ein Krimi, wo auch oft mit Rückblenden gearbeitet wird.
Am Anfang der Geschichte ist Odysseus auf der Insel Ogygia, wo ihn die Meernymphe Kalypso in einer Art Gefangenschaft hält. Bereits seit sieben Jahren befindet er sich dort, als die Götter auf dem Olymp beschließen, Odysseus soll befreit werden und nach Hause zurückkehren können. In der Zwischenzeit ist Telemachos, der Sohn von Odysseus, in Ithaka. Seine Mutter Penelope wird von vielen Männern bestürmt, die sie heiraten wollen. Sie jedoch will auf ihren Mann Odysseus warten. Die Göttin Pallas Athene geht nun zu Telemachos und erklärt ihm, dass sein Vater bald nach Hause kommen werde. Sie macht ihm damit Mut, seine Mutter weiterhin zu unterstützen und treu auf Odysseus zu warten.
Dann schickt der Göttervater Zeus seinen Boten Hermes los, um Kalypso klar zu machen, dass sie jetzt endlich Odysseus loslassen muss. Endlich lässt sie ihn ziehen. Odysseus baut sich ein Floß, mit dem er das Meer durchqueren will. Doch der Meeresgott Poseidon schickt einen Sturm – und das Floß kentert. Mit letzter Mühe kann sich unser Held auf das Festland Scheria retten. Dort ist die Heimat der Phaiaken. Er trifft Nausikaa, die Tochter des Phaiakenkönigs Alkinoos. Sie nimmt ihn in das Vaterhaus mit und damit beginnt der Hauptteil der Geschichte, nämlich die Erzählungen der Irrfahrt von Odysseus. Nun berichtet er von seinen Erlebnissen, die er mit Riesen, Zauberinnen, Sirenen, Rindern oder auch mal mit der griechischen Unterwelt, dem Hades, gemacht hat. Dieser Teil ist sehr unterhaltsam und bisweilen auch ein wenig spöttisch zu lesen.
Ab dem 13. Teil des Buches wird die Rahmenhandlung wieder aufgenommen. Odysseus ist nun zu Ende mit seiner Erzählung und wird nach Ithaka zu seiner Familie gebracht. Doch – Moment mal, da kommt er nicht einfach hin. Dort ist nämlich eine ganze Horde von Freiern, die noch immer seine Frau Penelope belagern. Odysseus ist noch nicht stark genug, um es mit ihnen aufzunehmen. So kommt Pallas Athene ein weiteres Mal und verwandelt ihn in einen Bettler. Als solcher kehrt er in sein eigenes Haus zurück, wo ihn niemand erkennt, stärkt sich und bereitet sich darauf vor, die Freier zu bekämpfen.
Am Ende besiegt er seine Feinde mit dem Bogen und gibt sich nun endlich auch seiner Frau zu erkennen. Diese jedoch will ihm erst gar nicht glauben. Sie wendet eine List an, indem sie befiehlt, man möge ihm das Bett, das inzwischen draußen stünde, vorbereiten. Daraufhin ist er gekränkt, weil er davon ausging, dass sein Bett noch immer an der alten Stelle war: „O Frau! Wahrhaftig! Ein herzkränkendes Wort hast du da gesprochen! Wer hat mir das Bett woanders hingestellt? Schwer wäre es, und wäre er auch noch so kundig, wenn nicht ein Gott selbst käme und es nach seinem Willen leicht an eine andere Stelle setzte. […]“(S. 301) Daran erkannte sie, dass es tatsächlich ihr Odysseus war – die Rückkehr ist nach langen 20 Jahren endlich vollendet.
Die Odyssee ist ein Roman. Ein Helden-Epos. Eine erfundene Geschichte. So viel ist klar. Und doch ist sie zugleich eine Geschichte, die von großer Menschenkenntnis zeugt. Es werden viele menschliche Leidenschaften angesprochen und der Umgang damit. Mich persönlich bewegt die von Homer erzählte große Treue von Odysseus und Penelope. Zunächst ist da die Frau, die 20 Jahre nach dem Fortgang ihres Mannes in den Krieg auf ihn wartete, obwohl sich ihre Halle Tag für Tag mit einer großen Auswahl an Männern füllte, die sie alle heiraten wollten. Sie hätte sich bloß für einen von ihnen entscheiden müssen. Ihr Mann war verschollen, von den meisten seiner Kollegen im Krieg war schon längst die Kunde ihres Todes im Umlauf. Und sie wartete geduldig auf ihren Mann. Und dann ist da der große Held Odysseus, der starke Mann, der alles tat, um möglichst schnell zu seiner Frau nach Hause kommen zu können. Auch er war begehrt – er hatte unterwegs viele Möglichkeiten, sich zu verweilen.
Und dann gibt es auch in dieser Geschichte eine Menge, die wir fürs Leben als Nachfolger Jesu Christi lernen können. Manchmal ist die Sünde wie die Sirenen in der Odyssee. Es gibt zwei Arten, wie man sich vor ihnen schützen kann: Entweder man verstopft sich die Ohren und hört nicht hin, oder aber man lässt sich an den Schiffsmast fesseln. Das Zweite kommt jedoch auch bei Odysseus einer Folter gleich. Die Sirenen singen, rufen und locken unwiderstehlich. So ist auch die Sünde. Wenn wir unsere Ohren und Gedanken nicht mit etwas Besserem verstopfen, wird sie uns foltern – oder auf den Klippen auflaufen lassen.

Gesucht: Treue Mitarbeiter und gute Freunde!

Gesucht: Treue Mitarbeiter und gute Freunde!

Du weißt ja, dass sich von mir alle abgewandt haben, die in [der Provinz] Asia sind, unter ihnen auch Phygellus und Hermogenes. Der Herr erweise dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, weil er mich oft erquickt und sich meiner Ketten nicht geschämt hat; sondern als er in Rom war, suchte er mich umso eifriger und fand mich auch. Der Herr gebe ihm, dass er Barmherzigkeit erlange vom Herrn an jenem Tag! Und wie viel er mir in Ephesus gedient hat, weißt du am besten.(2. Timotheus 1, 15 – 18)
Es ist eine bittere Erfahrung, wenn Menschen, die lange Zeit unseren Weg mitgegangen sind, denen wir vertraut haben, sich plötzlich von uns abwenden. Diese Erfahrung müssen wir vermutlich alle irgendwann in unserem Leben machen. Menschen, die wir unsere Freunde nannten, drehen sich um, wenden sich ab, und manchmal schlimmer noch: Sie fangen an, gegen uns zu arbeiten.
Paulus, der hier aus der Todeszelle in Rom schreibt, hat dies wohl ganz besonders bitter erleben müssen. Er schreibt hier von zwei Personen, die ihn in dieser Weise verlassen haben. Zuerst schreibt er davon, dass ihn alle aus der Provinz Asia verlassen hätten. Wie wir wissen, war Timotheus auch in dieser Provinz, und zwar in ihrer Hauptstadt Ephesus als Leiter der Gemeinde tätig. Die Aussage davon ist klar: Timotheus, diese Menschen haben mich alle verlassen, bitte zeige mir, dass doch wenigstens du noch auf meiner Seite stehst, indem du standhaft und mutig bleibst und an meiner Stelle in Ephesus das Wort Gottes verkündigst.
A. Zwei Wege, jemanden zu verlassen
Und dann nennt Paulus zwei einzelne Personen von diesem großen Kreis derer, die ihn verlassen haben. Diese zwei Personen stehen für zwei Arten, wie man jemanden verlassen kann. Phygellus und Hermogenes.
1. Phygellus
Phygellus ist ein griechischer Name und bedeutet „Flüchtling“. Das war also ein Mann, der sich sagte: Wenn dieser Paulus für seinen Glauben zur Todesstrafe verurteilt wird, dann wird mir das zu heiß, dann sehe ich mich lieber nach einem anderen Glauben um, der nicht so lebensgefährlich ist. Oder vielleicht finde ich ja einen anderen christlichen Missionar, der es mit seinem Glauben nicht so ernst nimmt und deshalb von den Römern in Ruhe gelassen wird. Wenn ich dann so einen finde, dann kann ich ja dem helfen. Ihm wurde es um Paulus herum zu gefährlich. Wer natürlich mit jemandem unter-wegs ist, der ein gesuchter Verbrecher ist, da wird es halt schnell mal heiß. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Und das wollte er sich natürlich ersparen. Man denkt dabei auch schnell an den Herrn Jesus, der auch von allen verlassen war bei der Gefangennahme, den Verhören und auch ziemlich einsam am Kreuz von Golgatha hing. So, wie die Jünger Jesu recht schnell Reißaus nahmen, als ihr Herr plötzlich weg war, so war auch Phygellus ein Mann, der nur so lange dabei war, wie es ihm Vorteile brachte. Als die Nachteile plötzlich Überhand zu nehmen schienen, war er weg vom Fenster.
2. Hermogenes
Den Namen Hermogenes kann man auf zwei Arten ableiten. Auf der einen Seite bedeutet er „Nachkomme von Hermes“ (Hermes ist der griechische Gott der Kaufleute und der Diebe), andererseits kann man ihn auch als „der geborene Redner“ übersetzen. Wenn wir diese zwei Bedeutungen zusammensetzen, so können wir uns ein Bild von diesem Mann machen. Er war auf jeden Fall ein Mann, der gut reden konnte, der die Hörer in seinen Bann zog. Paulus hingegen erzählt uns in vielen Briefen, dass er kein guter Redner ist. Er musste seine Rede aus der Kraft Gottes nehmen. Er konnte sich nicht auf seine gute Begabung verlassen, die die Leute mitreißt und umhaut. Dieser Hermogenes war da anders. Ihm fiel es wohl sehr leicht, zu reden und zu überzeugen. Nun hat er sich aber nicht nur von Paulus hinweg abgewandt, sondern man übersetzt den Text hier wohl noch genauer mit „er hat sich weg und gegen mich gewandt“. Im Griechischen ist es so, dass zwei, die zusammen arbeiten, die sind so, als ob sie in die gleiche Richtung schauen. Wegdrehen bedeutet dann auch, dass man sich gegen den anderen dreht und gegen ihn arbeitet. Dieser Mann also, der wortgewandte Hermogenes, der hat seine natürliche Gabe der guten Rede gebraucht, um gegen Paulus zu arbeiten und dadurch Menschen von Paulus und seiner gesunden Lehre abzubringen. Wenn man die Reihenfolge betrachtet, wie Paulus das Ganze beschreibt, so kommt man auch auf den Gedanken, dass dieser wunderbare Redner die Gelegenheit genutzt hat, um die übrigen von der Provinz Asia hinter sich her abzuziehen. Er wird wohl gesagt haben: „Seht mal, der Paulus, mit dem wir lange zusammengearbeitet haben, der ist jetzt gefangen, wie ein Schwerverbrecher. Der muss von Gott bestraft worden sein. Also nehmen wir lieber eine andere Lehre, die den Menschen besser gefällt. Und verschwand aus der Sichtweite.
Menschen wie Phygellus und Hermogenes kennen wir wohl alle. Sie sind ein Teil unseres Lebens, vielleicht Teil der Gemeinde, aber eines Tages passt es ihnen nicht mehr, und sie wenden sich ab. Manche verschwinden einfach wie ein Phygellus, und werden nicht mehr gesehen. Andere fangen an mit Intrigen und machen einem das Leben schwer.
Diesen Leuten wird in unserem Text eine andere gegenübergestellt. Das ist Onesiphorus, ein Mitarbeiter von Paulus aus Ephesus. Sein Name bedeutet „der Nutzbringende“, und wie wir sehen werden, beschreibt Paulus an ihm die wichtigen Qualitäten eines treuen Mitarbeiters und guten Freundes.
B. Der Charakter eines guten Freundes
1. Ihm geht es um seinen Freund Paulus
Zuerst merkt man, dass Paulus durch den Gedanken an den Freund, der ihn als Einziger in diesem Moment nicht verlassen hatte, gestärkt wird. Wenn man den Text im Original liest, so kommt es einem vor, als ob hier die Sprache beginnt zu sprudeln und sich kaum noch halten kann. Die Verse 16 – 18 sind alle ein einziger Satz, der mit einem kurzen Gebet für die Familie seines Freundes beginnt und mit einem zweiten kurzen Gebet für ihn persönlich aufhört. Dazwischen finden wir vier besondere Eigenheiten, die eine treue Hilfe und einen guten Freund ausmachen.
Das Erste, wie wir sehen, ist die Tatsache, dass Onesiphorus seinen Freund stärkt. Ein Freund stärkt und ermutigt schon dadurch, dass er sich Zeit nimmt und für den Freund da ist. Ein Freund nimmt sich Zeit und ist bereit, diese Zeit ohne dafür etwas zu erwarten in den Anderen zu investieren. Man könnte sich jetzt fragen, was es denn bringt, noch in jemanden zu investieren, dessen Tage so sehr gezählt sind, dass er jeden Tag den Tod erwarten könnte. Aber eine echte Freundschaft fragt nicht danach, was der Nutzen ist. Sie fragt nicht danach, was mir der Andere noch geben kann als Gegenleistung für meine Freundschaft und Hilfe, sondern sie tut es, weil sie es als richtig erkennt und die Person als wertvoll erachtet.
Ein Freund ist aber nicht nur da, um passiv zuzuhören und einfach nur Zeit zu verbringen, sondern er hilft auch und ermutigt. Das sehen wir hier, wie Paulus den Onesiphorus beschreibt. „Er hat mich erquickt“, wörtlich übersetzt: „Er hat meine Seele erneuert“. Also: Er hat mich gestärkt, hat mich ermutigt, hat mich auch mal ermahnt, dran zu bleiben und nicht zu verzweifeln und aufzugeben. Er hat dafür gesorgt, dass ich zur Ruhe kommen konnte. Er hat mich so angenommen, wie ich bin. Er hat mir nicht vorgeschrieben, wie ich sein müsse, um es wert zu sein, dass er mein Freund ist.
2. Er ist treu
Als Zweites fällt auf, dass Onesiphorus sich nicht nur hin und wieder als Freund verhält, sondern wir lesen, dass er das oft tat. Er blieb seinem Freund treu. Da haben wir die zweite Charaktereigenschaft: Die Treue. Treue bedeutet, dass man nicht auf die Umstände schaut, sondern sich gleich verhält, egal, was sich gerade entwickelt. Dem guten Onesiphorus wird es bestimmt nicht gefallen haben, dass sein Freund Paulus plötzlich in der Todeszelle sitzt. Aber es hat an seiner Freundschaft nichts geändert. Er tat das, was er zuvor getan hatte, auch weiterhin.
Das Risiko, das Onesiphorus auf sich nimmt, um Paulus zu dienen, ist hier ganz besonders bemerkenswert. Er nimmt das Risiko in Kauf, als Komplize mitgefangen zu werden. In der Zeit war niemand mehr sicher, denn Rom hatte gebrannt, die Christen waren des Brandes beschuldigt worden und ziemlich viele von ihnen sind gefangen und hingerichtet worden.
Wie würden wir damit umgehen? Mit dem Wissen, dass uns unsere Freundschaften ins Gefängnis und sogar ums Leben bringen können? Lieben wir unsere Freunde? Jesus definierte Liebe so: „Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Johannes 15, 13) So ist der Herr Jesus unser Vorbild für einen guten Freund, denn Er hat Sich Selbst hingegeben, bis zum Tod am Kreuz. In Seinem Tod ist unsere Schuld vor Gott bezahlt und in Seiner leiblichen Auferstehung erhalten wir das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott.
3. Er schämt sich nicht wegen der Ketten
Was noch hinzu kommt, ist der Umstand, dass Paulus als Verbrecher und Staatsgefangener einen schlechten Ruf bekommen hatte. Auch er als sein Freund wird von diesem schlechten Ruf abbekommen haben. Aber das stört ihn nicht. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig. Viel wichtiger ist ihm, dass es seinem Freund gut geht. So nimmt er den schlechten Ruf in Kauf und ist bereit, trotz allem da zu sein und den Paulus zu unterstützen.
Wie gehen wir mit der Herausforderung um, dass es Freundschaften gibt, die uns unseren guten Ruf kosten? Manchmal werden auch bei uns in unserem Umfeld Menschen zum Gespött, werden gemobbt, wie verhalten wir uns da? Wenden wir uns ab wie ein Phygellus, und tun, als ob wir die Person nicht kennen? Oder machen wir sogar mit bei dem Gespött und wenden uns – gleich einem Hermogenes – gegen die Person? Oder sind wir bereit, Seite an Seite mit der Person, die es betrifft, den Spott, die Scham, das Leid zu ertragen?
4. Er nimmt die Herausforderung an, Paulus zu suchen
Das vierte, was Paulus über Onesiphorus sagt, ist, dass er die Reise nach Rom auf sich genommen hatte, um ihm zu helfen, aber zuerst hatte er ja gar nicht gewusst, wo Paulus sich befand. Es gab mehrere von diesen unterirdischen Löchern, den Todeszellen, denn zu der Zeit war ja die Todesstrafe auch recht verbreitet. So musste nun der arme Onesiphorus eine recht ausgedehnte Suche auf sich nehmen. Um den Aufwand dieser Suche zu beschreiben, verwendet Paulus zwei Worte, die man am besten mit „unter Anstrengung mit Eifer suchen“ übersetzt.
Ein Freund ist also bereit, Zeit, Kraft und Eifer zu investieren, um den Anderen zu suchen. In unserer Epoche von Handy und Smartphone ist das eine seltene Angelegenheit geworden. Aber nehmen wir uns wirklich noch die Zeit und die Mühe, uns in den Anderen hineinzuversetzen und ihn dort „abzuholen“, wo er ist?
C. Der Lohn eines treuen Mitarbeiters und guten Freundes
So kommen wir nun an den Punkt, wo wir uns fragen müssen: Was bin ich für ein Freund? Bin ich ein Freund wie Phygellus, der seine Fahne in den Wind hängt und mal da und mal dort mithilft, aber nie so richtig weiß, wo er dazu gehört? Oder bin ich ein Freund wie der Hermogenes, der überall seine Vorteile sucht? Der so lange ein guter Freund ist, wie es ihm den Vorteil bringt, der aber genauso schnell beginnen kann, sich gegen den vorigen Freund zu wenden, wenn ihm das mehr Vorteile bringt? Oder bin ich ein Freund wie Onesiphorus, der nicht auf die äußeren Umstände schaut, sondern treu bleibt, für andere da ist, hilft und auch bereit ist, für diese Freundschaft schwere Zeiten zu ertragen? Zweite Frage: Was möchte ich für ein Freund sein?
Ein echter Freund und treuer Mitarbeiter zu sein, kostet. Aber der Segen, den das bringt, ist ebenso sehr groß. Gott sieht, was wir für unsere Mitmenschen tun. So kann Paulus beten: Gott schenke ihm Barmherzigkeit. Gott segne ihn, diesen wunderbaren Freund, meinen Onesiphorus, und seine ganze Familie. Sein Lohn wird groß sein.
Schlusszitat:
Wenn ein Mensch ein weites, liebendes Herz hat, kommen die Menschen zu ihm wie die Schiffe in den Hafen und fühlen sich wohl, wenn sie unter dem Schutz seiner Freundschaft vor Anker liegen.“ Charles Haddon Spurgeon

Herkunft verlangt Treue

Herkunft verlangt Treue
Paulus, Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen, gemäß der Verheißung des Lebens in Christus Jesus, an Timotheus, [mein] geliebtes Kind: Gnade, Barmherzigkeit, Friede [sei mit dir] von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserem Herrn! Ich danke Gott, dem ich von den Vorfahren her mit reinem Gewissen diene, wenn ich unablässig an dich gedenke in meinen Gebeten Tag und Nacht, und ich bin voll Verlangen, dich zu sehen, da ich mich an deine Tränen erinnere, damit ich mit Freude erfüllt werde. Dabei halte ich die Erinnerung an deinen ungeheuchelten Glauben fest, der zuvor in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunike gewohnt hat, ich bin aber überzeugt, auch in dir. (2. Timotheus 1, 1 – 5)
Als Paulus diese Worte schrieb, saß er in Rom in der Todeszelle. Dies ist sein letzter Brief, sein Vermächtnis, sein Testament. Er weiß, dass es bald mit ihm zu Ende sein wird. Seine Größe zeigt sich gerade auch hier wieder darin, dass er nicht mit Klagen und Selbstmitleid beginnt, sondern mit ermutigender, anspornender und durchaus auch triumphierender Botschaft seinen Stab an den Nachfolger der nächsten Generation übergibt.
Paulus gibt gleich von Anfang an Vollgas in diesem Brief. Zuerst macht er klar, woher seine Autorität kommt. Er ist Apostel Jesu Christi. Ein Apostel ist jemand, der von einem Höherstehenden einen Auftrag und eine Botschaft hat. Er ist so etwas wie der Postbote des Herrn Jesus, von dem er einen Brief, bzw. eine Botschaft bekommen hat, und soll diese jetzt zu den Menschen bringen. Damit sagt er aber auch aus: Lieber Timotheus, das was ich dir jetzt zu sagen habe, das kommt nicht aus meiner Erfindung, sondern das ist das, was Gott dir heute zu sagen hat! Was gibt es Größeres, als einen Brief zu bekommen, der direkt von dem kommt, der Himmel und Erde geschaffen hat?
Paulus schreibt sein „Testament“ oder seine „letzten Worte“ an den Timotheus. Diesen möchte zu seinem Nachfolger im Dienst machen. Da dürfen wir uns auch gleich die Frage stellen, an wen wir unseren letzten Brief schreiben würden, wenn wir an der Stelle des Paulus in dieser Todeszelle in Rom sitzen würden. Wen würde ich als Nachfolger in meinen Aufgaben und Diensten für den Herrn einsetzen? Wen würdest Du da einsetzen?
Er nennt Timotheus sein „geliebtes Kind“. Nicht deshalb, weil er ihn gezeugt hätte, aber weil Timotheus durch seinen Dienst zum Glauben kam und von ihm für den Dienst in der Evangelisation und in der Verkündigung, Gemeindeleitung und Gemeindebau ausgebildet wurde. Es ist gut, wenn wir uns früh Gedanken machen, wen wir von der nächsten Generation für unsere Dienste nachziehen können. Wir wissen alle nicht, wie lange wir das noch machen können, was wir tun. Wer ist da Dein „geliebtes Kind“? Wem hilfst Du, in dem Dienst zu wachsen, in dem dem Du gerade stehst?
Paulus wünscht Timotheus das Allerbeste, was man jemandem wünschen kann: Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott. Wenn Paulus auf seine äußeren Umstände geschaut hätte, wäre er vielleicht zum Schluss gekommen, dass er das alles nicht hatte: Im Gefängnis, wo er mit noch etwa 30 anderen Häftlingen auf den Tod wartete, als Schwerverbrecher wegen seines Glaubens festgehalten, von allen verlassen. Aber genau in der Situation drin wünscht Paulus seinem Nachfolger Timotheus diese drei Dinge, die nur Gott geben kann: Gnade, Barmherzigkeit und Friede.
Drei Dinge schreibt Paulus an Timotheus zur Ermutigung in diesen Versen:
1. Ich bete für dich!
„Timotheus, du bist nicht allein! Immer wenn ich bete, dann denke ich an dich! Ich bin in meinen Gedanken und in meinen Gebeten bei dir! Ich kenne deine Situation! Denk dran, Timotheus, gerade dann, wenn du dich einsam und unverstanden fühlst in der Gemeinde in Ephesus, gerade dann, wenn sie dir sagen, du seist zu jung oder zu unerfahren, dann denk dran, ich bete für dich!“ Es ist eine wunderbare Ermutigung für einen jungen Diener Gottes, zu wissen, dass andere an ihn denken und für ihn beten!
2. Ich sehne mich nach dir!
„Timotheus, es tut mir altem, erfahrenem Mann gut, dich zu kennen. Du tust mir gut, dich zu kennen mach mich froh! Ich brauche dich, Timotheus, ich möchte dich am liebsten bei mir haben, damit es mir dann besser geht!“ Die Worte des Paulus in Vers 4 sind sehr stark, so stark, dass man sie in unserer Sprache kaum genug betonen kann. Die Sehnsucht, Timotheus zu sehen, ist riesig. Wie wir aus einem späteren Kapitel erfahren, haben ihn die meisten Mitarbeiter verlassen.
3. Deine Herkunft ist gut!
„Timotheus, ich weiß, woher du kommst, wie du von deiner Mutter und von deiner Großmutter jahrelang mit der Bibel und im tiefen Glauben erzogen worden bist! Sei dankbar für deine Herkunft, sie stärkt deinen Dienst, sie macht dich ganz besonders brauchbar für diesen Dienst, in dem du stehst! Ich kenne deinen Glauben, ich weiß, dass er tief verwurzelt ist! So, wie auch ich mit dem tiefen Glauben an den Gott des Alten Testaments aufgewachsen und geschult wurde, so auch du! Sei dankbar dafür, und nimm deine Herkunft als eine gute Herausforderung an, deshalb Gott umso treuer zu dienen!“
Herkunft verlangt Treue!
Wo ist Deine Herkunft? Welche Menschen haben Dir geholfen, im Glauben zu wachsen? Wer hat Dich ermutigt, neue Schritte im Glauben zu gehen? Lass uns dankbar sein für diese Herkunft und sie als Herausforderung sehen, um Gott noch treuer zu dienen!