Bibliothek der Weltliteratur 2: Homers Ilias

Nachdem ich letzten Monat die Bibel als das wichtigste Werk der Weltliteratur überhaupt vorgestellt habe, möchte ich heute und die kommenden Monate weitere wichtige Bücher der Weltliteratur vorstellen. Ich beschränke mich dazu vorerst auf die erzählende Literatur, es handelt sich also um Romane, Novellen, Kurzgeschichten, erzählende geschichtliche Literatur, und so weiter. So wollen wir heute in die Zeit vor unserer Zeitrechnung eintauchen und ein solches Buch ansehen, nämlich die Ilias von Homer.

Die Ilias wurde ungefähr um 650 vor unserer Zeitrechnung verfasst. Wer Homer ist, wissen wir nicht genau, es könnte auch sein, dass es sich dabei um eine Gruppe von mehreren Verfassern handelt, die gemeinsam dieses Buch geschrieben haben. Ilias ist ein anderer Name für Troja, und so wird in der Ilias in 24 Abschnitten oder „Büchern“ der „Trojanische Krieg“ literarisch verarbeitet.

Ob es diesen Krieg gegeben hat, ist unklar. Möglicherweise hat ein solcher Krieg um das Jahr 1180 vor unserer Zeitrechnung stattgefunden. Man hat Troja ausgegraben und über zehn verschiedene Schichten gefunden, die übereinander gelagert haben. Das heißt, Troja wurde immer mal wieder zerstört, verbrannt, verlassen, ist verfallen und wurde später wieder aufgebaut und bewohnt. Eine sehr spannende Sache.

Die Ilias selbst erzählt nur von 51 Tagen des insgesamt über 10 Jahre dauernden Kriegs. Das wichtigste Motiv der Erzählung ist der Zorn und seine Folgen. Der Zorn des Gottes Apollon, der eine Seuche über das Heer sendet, weil sein Priester beleidigt und vertrieben wurde. Damit beginnt die Handlung im Buch. Der Zorn des Achilleus, der das ganze Heer spaltet und mit der Zeit dann immer klarer wird, dass ein zerstrittenes Heer keinen Sieg erringen kann. Als Achilleus’ enger Freund Patroklos getötet wird, wendet sich dessen Zorn plötzlich – er erkennt den wahren Feind, nämlich die Stadt Troja, die sie belagern. Mit vereinten Kräften geht es nun ans Werk, den teuren Freund zu rächen. Dies wird zur Wende des Krieges, die jedoch nicht mehr in der Ilias geschildert wird, sondern erst im zweiten Homer zugeschriebenen Buch, der Odyssee.

Einige Jahrhunderte lang war die Ilias das Buch, welches gebraucht wurde, um Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Es wurde in den griechischen Schulen verwendet. Der König und erfolgreiche Kriegsführer Alexander der Große, welcher das damalige Makedonien zu einem großen Weltreich ausgebaut hat, nahm sich Achilleus zum Vorbild für sein eigenes Leben. Dies übte einen gewissen Druck auf ihn aus, denn er wollte ja nicht als feiger gelten als sein Vorbild. Dieser Druck führte dann auch zu seinen Erfolgen. In mehreren Feldzügen eroberte er ganz Griechenland, das riesige Perserreich, das sich damals bis nach Ägypten erstreckte, und erweiterte sein Reich nach Osten bis ins heutige Indien.

Was können wir von der Ilias lernen? Zunächst ist für uns einmal klar, dass es sich um einen Roman handelt. Es ist eine Geschichte, die von griechischen Göttern erzählt, welche sehr menschlich sind. Die griechischen Götter unterschieden sich vom Menschen nur dadurch, dass sie unsterblich waren – und je nachdem noch ein paar Superman-Spezialkräfte besaßen. Der Opferkult an diese Götter war auch zur Zeit des Neuen Testaments im römischen Reich die Staatsreligion. Doch schon längst davor waren die meisten Menschen sich dieser Götter überdrüssig – es gab zahlreiche Spottschriften über diese schwachen griechischen und römischen Götter, die recht weit verbreitet waren. In diese Zeit hinein kam das Evangelium von Jesus Christus, dem wahren Gott und wahren Mensch. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Menschen bereit waren, sich diesem allmächtigen, allwissenden, allgütigen und absolut heiligen und gerechten Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs anzuschließen. In diese Zeit hinein entstand die Gemeinde Jesu Christi.

Obwohl die Ilias ein Roman ist, der zahlreiche Ungereimtheiten und auch ethische Schwächen aufzuweisen hat, kommt auch ein Homer nicht daran vorbei, ein Stück weit – unwissentlich natürlich – seine Gottesebenbildlichkeit in sein Schaffen hinein zu bringen. Zwei Wahrheiten sind mir bei der erneuten Beschäftigung mit der Ilias besonders wichtig geworden:

1.) Wir müssen unseren wahren Feind kennen. Solange wir uns davon leiten lassen, unseren Feind unter den eigentlich Verbündeten zu suchen, werden wir uns nur mit Nebenkriegsplätzen aufhalten. Paulus macht uns klar: Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr standhalten könnt gegenüber den listigen Kunstgriffen des Teufels; denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Regionen. (Epheser 6, 11 – 12)

2.) Zorn kann blind für die Wahrheit machen und uns verbittert werden lassen. Zorn ist an sich nicht etwas Falsches, aber wenn er nicht bald vergeben und bereinigt wird, wächst daraus Bitterkeit und gibt dem Teufel Raum in unserem Leben: Zürnt ihr, so sündigt nicht; die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn! Gebt auch nicht Raum dem Teufel! […] Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. (Epheser 4, 26 – 27; 31)