Richard Dawkins und das Argument gegen Gott

Im letzten Teil haben wir gesehen, dass Dawkins versucht, sich mit den Gottesbeweisen zu befassen, aber auch, dass es bei ihm beim Versuch bleibt. Im vierten Kapitel präsentiert er sein Argument gegen Gott – und wir werden sehen: Wenn dies das beste Argument gegen Gott sein soll, so müsste es schon lange eine riesige weltweite Erweckung gegeben haben. Am Ende des vierten Kapitel fasst Dawkins sein Argument folgendermaßen zusammen (ich habe es um der Lesbarkeit willen ein wenig gekürzt, ohne jedoch den Wortlaut zu ändern und ohne etwas für das Argument Wichtiges wegzulassen):
1. Eine der größten Herausforderungen für den menschlichen Geist war über viele Jahrhunderte hinweg die Frage, wie im Universum der komplexe, unwahrscheinliche Anschein von gezielter Gestaltung entstehen konnte.
2. Es ist eine natürliche Versuchung, den Anschein von Gestaltung auf tatsächliche Gestaltung zurückzuführen.
3. Diese Versuchung führt in die Irre, denn die Gestalterhypothese wirft sofort die umfassendere Frage auf, wer den Gestalter gestaltet hat. […] Wir brauchen keinen „Himmelshaken“, sondern eine „Kran-Konstruktion“, denn nur der Kran kann die Aufgabe erfüllen, von etwas Einfachem auszugehen und dann allmählich und auf plausible Weise eine ansonsten unwahrscheinliche Komplexität aufzubauen.
4. Der genialste und leistungsfähigste „Kran“, den man bisher entdeckt hat, ist die darwinistische Evolution durch natürliche Selektion.
5. Einen entsprechenden „Kran“ für die Physik kennen wir nicht.
6. Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch in der Physik noch ein besserer „Kran“ gefunden wird, der ebenso leistungsfähig ist wie der Darwinismus in der Biologie.
Schlussfolgerung: „Wenn man die Argumentation dieses Kapitels anerkennt, ist die Grundvoraussetzung der Religion – die Gotteshypothese – nicht mehr haltbar. Gott existiert mit ziemlicher Sicherheit nicht.“
(Zitate aus „Gotteswahn“, S. 265 – 266)
Fragen wir uns zunächst: Was macht ein gutes Argument aus? Ein Argument besteht aus mindestens zwei Prämissen, die zu einer Schlussfolgerung führen, die sich zwingend aus diesen ergibt. Bei einem korrekten Argument muss man dann nicht mehr den Schluss prüfen, sondern lediglich die Prämissen. Wenn diese korrekt sind, muss es der Schluss auch sein. Ein Beispiel für ein solches Argument:
P1. Alle Menschen sind sterblich.
P2. Ich bin ein Mensch.
S: Somit bin ich sterblich.
Wie sieht es bei der Schlussfolgerung von Dawkins aus? Ergibt sich der Schluss – nämlich dass Gott mit „ziemlicher Sicherheit“ nicht existiert – aus den Prämissen? Mal anders gefragt: Wenn alle Prämissen wahr wären, wäre dann die Schlussfolgerung zwingend notwendig? Nein – denn selbst wenn es einen „Kran“ für die Physik gäbe und selbst wenn es auf die Frage, woher der Gestalter kommt, keine Antwort gäbe, und so weiter, so würde das alles trotzdem nicht gegen die Existenz Gottes sprechen. Selbst wenn das gesamte Universum nicht nach Design aussehen würde, wäre das kein Argument gegen Gott. Man sieht also, dass Dawkins seine Schlussfolgerung sehr an den Haaren herbeigezogen hat. Es handelt sich somit um ein ungültiges Argument.
Dann können wir uns auch noch die Prämissen ansehen:
In Prämisse 1 behauptet Dawkins, es sei eine Herausforderung gewesen, herauszufinden, warum im Universum so viel nach gezielter Gestaltung aussehen würde. Daran ist eine ganze Menge falsch. In der Wissenschaft gibt es ein wichtiges Prinzip, das uns hilft, unter verschiedenen Theorien die wahrscheinlichste zu finden. Das ist das Prinzip der Einfachheit. Wenn ich unterschiedliche Theorien habe, die alle dasselbe erklären, dann suche ich jene aus, die am wenigsten verschiedene Einheiten, Teile, oder Variablen hat. Dasselbe macht man in der Mathematik auch: Den Ausdruck 25/5 (fünfundzwanzig Fünftel) schreibt man in der einfachsten Form auf, nämlich 5. Oder 5/25 schreibt man als 1/5. In unserem Fall wäre die einfachste Theorie: Wenn das ganze Universum so sehr nach Gestaltung aussieht, dann haben wir sehr gute Gründe, anzunehmen, dass es auch gestaltet ist. Und dann müssen schon extrem starke Gründe dagegen aufkommen. Wörter sind ja auch nichts anderes als Töne. Töne könnten schon rein zufällig entstehen, aber wenn ich irgendwo den genauen Wortlaut von Schillers „Glocke“ höre, dann ist das ein guter Grund zur Annahme, dass es einen Rezitierer oder Vorleser gibt. Prämisse 2 ist damit auch widerlegt.
In Prämisse 3 stellt Dawkins die Behauptung auf, dass ein Gestalter zwangsläufig die Frage aufstelle, wer den Gestalter geschaffen habe. Dasselbe kann man auch bei Schillers „Glocke“ fragen: Wer hat denn den Autor, nämlich Friedrich Schiller, geschaffen? Dawkins würde natürlich auf die Vorgänge von Mutation und Selektion verweisen, was wiederum die Frage aufwirft, wer denn diese Vorgänge geschaffen habe. Um nun diese Frage zu beantworten, muss Dawkins auf die Physik Bezug nehmen, welche laut Prämisse 5 keine Erklärung hat. Letztendlich bleibt es also eine Sache des Glaubens, auf welche Herkunft man schlussendlich vertraut. Der „Kran“ von Dawkins entpuppt sich also mindestens ebenso sehr als ein „Siemens Lufthaken“.
Prämisse 4 ist nicht ganz schlecht, hat aber durchaus auch so ihre Löcher. Dawkins meint, dass der Darwinismus alles erklären könne. Nun gibt es zwar einige interessante Modelle, die manche Veränderungen erläutern können. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Anfragen an diese Modelle, weil sie eben genau das sind: Modelle. In der Schule lernt man in wunderbarer Regelmäßigkeit das Atommodell, obwohl seit zig Jahrzehnten klar ist, wie falsch dieses Modell ist. Für einen Schüler erklärt das Modell gut und einfach, wie die Stoffe aufgebaut sind. Dennoch sind es lediglich Modelle, die einzelne Aspekte korrekt und viele andere inkorrekt wiedergeben.
Prämisse 5 zerstört im Grunde genommen das gesamte Argument von Dawkins; sie ist nämlich korrekt. Eine einzige falsche Prämisse reicht in einem korrekten Argument aus, um das gesamte Argument zu entkräften.
Prämisse 6 ist keine Prämisse im strengen Sinn – es ist der Ausdruck einer Hoffnung. Der Autor des Buches hofft, dass es eines Tages eine Erklärung für die Entstehung der Physik geben würde. Es gibt eine – nur ist Dawkins leider zu verblendet, um diese anerkennen zu können. Mit der einfachsten aller Erklärungen und jener, welche die Realität am besten abbildet, könnte sich Dawkins zufriedengeben. Doch nichts da, lieber alles abstreiten und am Ende hoffen, dass es irgendwann noch eine Erklärung gibt.
Dawkins ist dem “Atheismus-Wahn” verfallen. In diesem Zustand lässt man keine guten Argumente gelten, sondern lehnt alle ab, die von einem Gestalter ausgehen. Nicht aus einem guten Grund, sondern einfach weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Er ist zum Missionar für einen aggressiven Atheismus geworden, der versucht, alles andere platt zu walzen. Dawkins fehlt nicht nur das theologische und philosophische Wissen, um sich mit den Themen seines Buches auseinanderzusetzen, sondern auch die Argumente. Wenn es nur um diese Argumente gingen, also wenn Dawkins mit diesem Buch die besten Argumente für den Atheismus präsentieren würde, dann müsste es schon längst weltweit einen riesigen Aufbruch von Atheisten zum Theismus geben. Dawkins ist ein exzellenter Biologe und sehr begabt darin, mit viel Phantasie komplexe Thesen einfach zu erklären, aber hier überschreitet er seine Kompetenzen bei weitem. Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Die Blindheit in dieser atheistischen Blase hat einen anderen Grund als Argumente. Sie stammt zumeist aus der Biographie. Menschen, die enttäuscht oder verletzt wurden von anderen Menschen, die an Gott glauben, sind leichter dafür anfällig, sich zum Atheismus zu bekehren und in diesem das Heil zu suchen. Es braucht viel Gebet für diese Menschen, damit sie wieder offener werden für die zahlreichen guten Gründe, die dafür sprechen, dem Herrn Jesus ernsthaft nachzufolgen.

Richard Dawkins und die Gottesbeweise

Wir kommen nun zum dritten Kapitel von Richard Dawkins’ Buch „Der Gotteswahn“. In diesem Kapitel versucht Dawkins auf die sogenannten Gottesbeweise einzugehen. Einmal mehr beweist er jedoch seine vollkommene Unfähigkeit, sich mit der Materie erst einmal auseinanderzusetzen, bevor er sie beurteilen kann. Es ist nicht ganz einfach, sich in einem einzelnen Post mit der ganzen Thematik der Gottesbeweise auseinanderzusetzen, deshalb werde ich mich auf allgemeine Hinweise beschränken. Ich habe vor, hier im Blog noch eine ganze Serie zu den Gottesbeweisen zu veröffentlichen, und kann dann auch auf die Argumente von Dawkins (und anderen) im Einzelnen eingehen.
Zunächst zeigt Dawkins, dass er den Sinn von Gottesbeweisen nicht versteht. Wer sich etwas tiefer in die Literatur zu diesen einliest, wird bald sehen, dass die Gottesbeweise etwas anderes sind als wissenschaftliche Beweise. Es wurde deshalb auch schon oft die Frage gestellt (und unterschiedlich beantwortet), ob man diese Art von Argumenten nicht besser anders benennen sollte. Dawkins schreibt: Die fünf »Beweise«, die Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert formulierte, beweisen überhaupt nichts.“(S. 127) Was Dawkins in diesem Satz unter „beweisen“ versteht, ist eine sehr beschränkte Definition eines Beweises. Was er meint, ist, dass ein Beweis nach seiner Definition unter denselben Umständen (wie etwa Druck, Wärme, etc.) beliebig oft wiederholt werden können. Er will nur das als Beweis gelten lassen, was experimentell beliebig oft wieder zum selben Resultat führen wird. Doch auch in der Wissenschaft gibt es eine Menge Annahmen, die nicht beliebig wiederholt werden können. Das beginnt zum Beispiel damit, dass manche Experimente sehr teuer und aufwendig sind. Für manche davon gibt es nur einen einzigen Ort, an welchem sie durchgeführt werden können, weil die Instrumente dazu bisher nur an einem Ort existieren. Andere Experimente wie man sie machen müsste, um die Entstehung des Weltalls oder des Lebens zu beweisen sind nicht möglich, weil es diese bereits gibt und für ein entsprechendes Experiment wohl länger als ein Menschenleben geforscht werden müsste. Und dann gibt es auch noch Dinge, welche in der Natur nur sehr selten vorkommen, zum Beispiel bestimmte Konstellationen der Himmelskörper. Diese kann man zwar in Computermodellen berechnen, was aber keinerlei Beweis ist, sondern eben nur eine Rekonstruktion oder ein Modell, welches eben durch Beobachtung zuerst erhärtet werden müsste. Und dann gibt es auch noch viele Experimente, die bisher noch gar nicht durchführbar sind, weil die Technik Grenzen hat oder weil die notwendigen Geräte dazu noch nicht erfunden worden sind.
Was hat das nun mit Gottesbeweisen zu tun? Damit Gottesbeweise in sich stimmig sind, muss man zunächst einmal überhaupt die Möglichkeit zulassen, dass Gott existieren „darf“. Natürlich existiert Gott auch dann, wenn niemand diese Möglichkeit zulassen will. Aber der Mensch, der von vornherein ablehnt, dass Gott existiert, nimmt sich selbst die Möglichkeit, Gott erkennen zu können. Man könnte sagen: Gottesbeweise machen dann Sinn, wenn man sich innerhalb des biblischen Weltbilds bewegt. Die biblische Weltanschauung ist ein großes Ganzes, in welchem jeder Teil der Realität einen Platz hat. Wissenschaftliche Weltbilder, die versuchen, ohne Gott klarzukommen, zerfallen in zig kleine Teilgebiete, in denen überall einzelne Ergebnisse erzielt werden können, aber das große Ganze passt nicht mehr zusammen. Damit man Gottesbeweise neutral bewerten kann, muss man sich zuerst ins Innere der christlichen Weltanschauung begeben, und genau das ist der Fehler von Dawkins: Er ist nicht bereit dazu. Er bleibt lieber auf seinem vermeintlich sichereren „Außenposten“ und versucht, in die „christliche Blase“ zu schauen. In Wirklichkeit ist er aber in einer atheistischen Blase gefangen und hat keinerlei Bezug zu einem biblischen Weltbild. Er kann nur von seiner atheistischen Denkweise ausgehen und verfehlt dadurch komplett, was er tun möchte.
Viele Philosophen sind da tatsächlich viel weiter gekommen als Dawkins. Etwa Bradley Monton, ein Wissenschaftsphilosoph, hat sich in seinem Buch „Seeking God in Science“ mit denselben Argumenten auseinandergesetzt. Er bleibt am Ende des Buches Atheist, aber er gibt zu, dass ihn die Argumente der Gottesbeweise in seinem Atheismus weniger sicher machen. Er hat sich auf dieser Suche Mühe gegeben, die Argumente möglichst neutral und unter der Annahme der Möglichkeit, dass Gott eben doch existieren könnte, zu untersuchen. Seine Gegenargumente sind auf jeden Fall deutlich besser als die von Dawkins – wenngleich auch sie nicht überzeugen. Auch das ist wieder ein Fall für eine mehrteilige Serie zum Thema, weshalb ich hier nicht weiter darauf eingehe.
Besonders amüsant ist Dawkins’ Auseinandersetzung mit dem Argument der Schönheit: „Natürlich sind Beethovens späte Streichquartette erhabene Kunstwerke. Das Gleiche gilt für die Sonette von Shakespeare. Sie sind erhaben, wenn es einen Gott gibt, und sie sind auch erhaben, wenn es ihn nicht gibt. Sie beweisen nicht die Existenz Gottes, sondern die Existenz Beethovens oder Shakespeares.“ (S. 142) Damit geht er aber gar nicht auf das eigentliche Argument ein. Er kann nicht zeigen, warum so gut wie alle Menschen einen Sonnenaufgang schön finden. Genau das müsste er können, wenn er das Argument entkräften wollte.
Auffällig ist, dass Dawkins für jedes Argument jeweils eher schwache Argumentatoren aussucht. Gerade am Schluss, wenn er sich mit der Zusammenfassung der Argumente befasst und das Gesamt-Argument der Gottesbeweise kritisiert. Hierbei geht es um den Versuch, die verschiedenen Argumente für Gott in eine Beziehung zueinander zu setzen und eine Wahrscheinlichkeit zu „berechnen“ oder besser gesagt, abzuschätzen. Einer der großen christlichen Philosophen, Richard Swinburne, der dies in seinem Buch „The Existence of God“ sehr ausführlich, selbstkritisch und vorsichtig getan hat, könnte Dawkins noch eine Menge lehren, wenn sich dieser mit dem Buch von Swinburne etwas genauer auseinandergesetzt hätte. Leider ist die atheistische Überheblichkeit größer als der Wille, etwas zu lernen, was dem eigenen Weltbild widerspricht.
Interessant ist aber auch, welche Argumente Dawkins auslässt. Entweder weil er sie für so wenig überzeugend hält – oder aber, was wahrscheinlicher ist – weil er zu wenig gute Gegenargumente hat. Wenn man die Auseinandersetzungen von Dawkins mit denen von Bradley Monton im oben erwähnten Buch vergleicht, fällt dies besonders auf. Monton muss ziemlich tief in die Trickkiste der neueren wissenschaftlichen Thesen greifen, um auf die Argumente zu antworten. Es ist natürlich ok, dass Monton das tut, aber es zwingt ihn, diese Argumente ziemlich ausführlich zu erklären, damit sie für den durchschnittlichen Leser verständlich werden. Genau darauf möchte Dawkins im „Gotteswahn“ verzichten, weil er auch dem wissenschaftlich und philosophisch weniger gebildeten Leser die Möglichkeit geben will, das Buch leicht und schnell zu verstehen und die Argumente darin selbst anzuwenden. Dass dies zu Lasten der tiefergehenden und ehrlicheren Auseinandersetzung geht, scheint ihm eine Bagatelle zu sein. So wird der von mir früher sehr geschätzte populärwissenschaftliche Autor Richard Dawkins zu einem populärunwissenschaftlichen Autoren, was übrigens auch vielen anderen Wissenschaftlern sauer aufgestoßen ist. Michael Ruse etwa, ein bekannter Wissenschaftsphilosoph, der sich auf die Philosophie der Biologie spezialisiert hat und an der Universität von Florida lehrt, nennt das Buch einen Bärendienst an der Wissenschaft, und genau das ist es leider auch.

Richard Dawkins und das Problem des Glaub-o-Meters

Im zweiten Kapitel seines Buches „Der Gotteswahn“ stellt Dawkins ein interessantes Tool vor, mit dem er meint, er könne jeden Menschen irgendwo in eine Schublade stecken. Es handelt sich hierbei um ein Werkzeug, das ich mal um der Einfachheit halber als „Glaub-o-Meter“ bezeichnen möchte. Der Glaub-o-Meter versucht, das ganze Spektrum des Glaubens abzudecken. Ich betone bewusst, er versucht. Wir werden gleich auf dessen Probleme zu sprechen kommen.
Zunächst ein paar grundlegende Gedanken. Atheisten, und ganz besonders auch die fundamentalistischen, aggressiv missionarischen Atheisten wie Richard Dawkins, nutzen häufig mehrere Definitionen für das Wort „Glauben“ und switchen während eines Gesprächs oder eines Kapitels im Buch zwischen diesen verschiedenen Definitionen. Das eigentlichere Problem ist seine Weigerung, den Glauben in seinem Buch klar zu definieren. Mal vergleicht er den Glauben mit der Verliebtheit (S. 309), ein andermal muss er ein Lexikon zitieren (den Eintrag für „delusion“, den Teil des Titels, der mit „Wahn“ übersetzt wird) und meint dazu, dass die Definition „dauerhafte falsche Vorstellung, die trotz starker entgegengesetzter Belege aufrechterhalten wird“ (S. 19) eine gute Definition für den Glauben sei. Alles in allem lässt sich sagen, dass er der Definition von Peter Boghossian mit größter Wahrscheinlichkeit zustimmen würde, welcher seinen Jüngern im „Manual for Creating Atheists“ empfiehlt, für das Wort Glauben immer „behaupten, Dinge zu wissen, die man nicht weiß“ einzusetzen.
Kommen wir also zum Glaub-o-Meter: Dawkins versucht hier, wie bereits gesagt, das ganze Spektrum des Glaubens vom Unglauben bis zum Wissen abzudecken. Hierfür will er sieben Abstufungen entdeckt haben:
1. Stark theistisch. Gotteswahrscheinlichkeit 100 Prozent. Oder in den Worten von C. G. Jung : »Ich glaube nicht, ich weiß.«
2. Sehr hohe Wahrscheinlichkeit knapp unter 100 Prozent. Defacto theistisch. »Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich glaube fest an Gott und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn gibt.«
3. Höher als 50 Prozent, aber nicht besonders hoch. Fachsprachlich: agnostisch mit Neigung zum Theismus. »Ich bin unsicher, aber ich neige dazu, an Gott zu glauben.«
4. Genau 50 Prozent. Völlig unparteiischer Agnostizismus. »Gottes Existenz und Nichtexistenz sind genau gleich wahrscheinlich.«
5. Unter 50 Prozent, aber nicht sehr niedrig. Fachsprachlich: agnostisch mit Neigung zum Atheismus. »Ich weiß nicht, ob Gott existiert, aber ich bin eher skeptisch.«
6. Sehr geringe Wahrscheinlichkeit, knapp über null. Defacto atheistisch. »Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Gott existiert,  und führe mein Leben unter der Annahme, dass es ihn nicht gibt.«
7. Stark atheistisch. »Ich weiß, dass es keinen Gott gibt, und bin davon ebenso überzeugt, wie Jung ›weiß‹, dass es ihn gibt.«“ (S. 85f.) 
Sich selbst teilt Dawkins in dieser Liste bei der Nummer 6 ein, bei den de-facto-Atheisten, die sich am Ende immer noch ein Schlupfloch und ein kleines Argument für ihre Toleranz offenhalten wollen.
Wo stehen aber nun Christen? Wenn wir nach den Definitionen von Dawkins gehen wollen, ist überhaupt das ganze biblische Christentum außerhalb dieser Liste anzusiedeln. Obige Liste mag für nichtchristliche Theisten gelten, aber da echte Christen ein biblisches Glaubensverständnis haben, lassen sie sich nicht in eine Schublade, die von Äpfeln bis zu Birnen reicht, einteilen. Und genau da liegt Dawkins’ Problem. Er arbeitet häufig über die Grenzen seines Berufes hinaus, was an und für sich nicht verwerflich ist. Aber dann sollte man sich mit den Definitionen und Argumenten beschäftigen, die in diesen Gebieten viel mehr Erfahrung haben. Philosophisch und theologisch arbeitet Dawkins erstaunlich schwach.
In seinem früheren Buch, Das egoistische Gen, liefert Dawkins auch eine Definition für den Glauben. Er schreibt dort: „Ein weiteres Glied des zur Religion gehörigen Memkomplexes heißt Glaube. Dieser bedeutet blindes Vertrauen – Vertrauen ohne Beweise und sogar den Beweisen zum Trotz.“ (S. 305) Diese Definition zeigt, dass er sich im Gebiet der Theologie bewegt, ohne sich überhaupt mit ihr ernsthaft beschäftigen zu wollen. Die Definition stammt von ihm, und es wird wohl sehr wenige Menschen geben, die sich Christen nennen und mit dieser Definition ihres Glaubens einverstanden wären. Der Glaube, so meint Dawkins, ist einfach ein Gedankengebilde, das mehr oder weniger zufällig entstanden ist („Mem“ ist eine Wortneuschöpfung von ihm und bewusst als eine Parallele zum „Gen“ gehalten), sich dann immer raffinierter weiterentwickelt (auch dies als Parallele zum egoistischen Gen, das alles tut, um möglichst viele Generationen zu überleben), aber jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, wo die Vernunft über diese Meme (und die Gene) triumphieren solle.
Interessant ist dabei auch, dass Dawkins immer wieder den Glauben den Gewissheiten gegenüberstellt, welche öffentlich anerkannt und somit unumstößlich gelten. Kein ernsthafter Wissenschaftler käme jemals auf die Idee, dass irgendeine Theorie seines Fachs unumstößlich sei. Im Zeitalter der beiden Relativitätstheorien, der Quantenphysik, der Heisenbergschen Unschärferelation, des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes und der Chaostheorie bleibt am Ende oft mehr Zweifel als Gewissheit. Inzwischen sind alle Theorien Newtons überholt – und doch lernt jeder Schüler immer noch diese falschen Theorien.
Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass Dawkins – besonders im Buch Das egoistische Gen selbst ein Evangelium predigt: Mit einer Schöpfungslehre, einem Sündenfall, einer Heilsgeschichte und nicht zuletzt einer Erlösung. Seine Geschichte beginnt in der Ursuppe, in welcher sich zahlreiche freie Atome befinden, die sich immer wieder zusammensetzen und so verschiedene Aminosäuren bilden. Irgendwann bildet sich durch reinen Zufall auf diese Weise eine Replikatorsubstanz – eine Aminosäure, welche die Eigenschaft besitzt, Kopien ihrer selbst herzustellen. Auf diese Weise sei das Gen entstanden, welches nun versucht, unsterblich zu werden. Es bildet immer komplexere Gestalten, die das Überleben des Erbgutes sichern sollen. So ist der Körper eines jeden Lebewesens aus dieser Sichtweise lediglich als Vehikel der Gene zu sehen.
Im Laufe der Zeit hätten sich diese Genvehikel immer besser an die Bedingungen des Überlebens angepasst und in einem Fall sogar eine Vernunft entwickelt. Diese erlaubt es dem Menschen, zu planen, zu reflektieren, etc. Um das eigene Überleben besser sichern zu können, sei so auch die Religion erfunden worden, weil sich dadurch andere Vehikel kontrollieren und unterdrücken ließen. Doch nun, da sich diese Vernunft immer weiter entwickelt habe, sei sie nun imstande, den Egoismus der Gene zu überwinden. Und darin besteht nun für Dawkins die Erlösung. Der Mensch kann seiner Vernunft gemäß die Herrschaft der Gene und der Meme überwinden.
Was insgesamt aber nicht zu überzeugen vermag, denn wenn wir den Maßstab, den Dawkins an den Glauben anlegt, auch bei seinem Evangelium anlegen, so zeigt sich die Schwäche seines Ansatzes. Letztlich sind dann auch die Vernunft und das Dawkinsche Evangelium nichts anderes als Meme, die im Laufe der Zeit mehr oder weniger zufällig entstanden sind. Es gibt keine letzte Begründung dafür; wer daran glauben will, mag daran glauben. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Mensch sich selbst erlösen kann; was auch immer man als Begründung dafür annimmt. Wenn die Gene und Meme letztgültige Herrschaft über alle Lebewesen ausüben, so könnte man höchstens sagen, dass die Vernunft eine Illusion sei, die von den Genen hervorgerufen werde. Damit bleibt der Mensch jedoch in dieser Illusion gefangen und es gibt keinen Ausweg. Auch hier zeigt sich, dass der Mensch die Erlösung von außen braucht; er braucht einen Erlöser, der ihn aus seiner Selbstbezogenheit rettet.

Der Gotteswahn: Einführung

Atheist zu sein, das sei „ein realistisches Ziel, noch dazu ein tapferes, großartiges Ziel“ (S. 11). So beschreibt Richard Dawkins die Motivation, die ihn dazu gebracht habe, sein Buch „Der Gotteswahn“ zu schreiben. Er möchte das Bewusstsein schärfen, dass man als Atheist „ebenso glücklich, ausgeglichen, moralisch und geistig ausgefüllt“ sein könne (ebd.) Auch wünsche er sich, dass es vielen Mit-Atheisten bei ihrem „Coming-Out“ (S. 16) helfen könne. So, als ob ein Atheist wegen seines Atheismus heute unterdrückt würde und deshalb eine Hilfe brauche, um dazu stehen zu können, dass er ein Atheist sei. Zu keiner anderen Zeit war es so leicht und ungefährlich, Atheist zu sein und dazu zu stehen, und dennoch bildet sich unser Autor ein, seine Spezies würde unterdrückt.
Dieses Buch hat mich seit seiner Erscheinung immer wieder beschäftigt. Ich bin jetzt zum vierten Mal dabei, es zu lesen, und möchte diesmal den Prozess des Lesens in einer Blogserie dokumentieren. Warum beschäftigt mich das Buch? Das hat verschiedene Gründe. Zunächst habe ich einen persönlichen Grund. Ich habe nämlich sehr viel Respekt vor Richard Dawkins. Sein erstes Buch „Das egoistische Gen“ ist eines der spannendsten und fesselndsten wissenschaftlichen Bücher. Ich habe es mit viel Gewinn gelesen, was aber noch nichts darüber aussagt, ob der Inhalt überzeugend ist. Aber Dawkins hat eine sehr wertvolle Fähigkeit, komplizierte wissenschaftliche Theorien einfach zu erklären. Das ist etwas sehr Wertvolles, wofür ich Dawkins sehr schätze. Dann gibt es zwei allgemeine Gründe, weshalb ich dieses Buch von Dawkins besprechen möchte. Erstens ist es ein bekanntes Buch, das an vielen Orten empfohlen wird. Auch in Deutschland gibt es Atheisten, die meinen, Christen überzeugen zu müssen, sie hätten einen Hirnwurm. Wer dem widerspricht, bekommt die Empfehlung, dieses Buch zu lesen. Als Zweites möchte ich den Grund nennen, dass Dawkins’ Argumente – so falsch viele davon sind – weit verbreitet sind. Es ist eine Gelegenheit, mit ihnen aufzuräumen und sie richtig zu stellen. 
Was Theorien betrifft, so gibt es zu jeder Frage immer eine Vielzahl von möglichen Theorien. Wenn man etwas beobachten kann, gibt es streng genommen unendlich viele mögliche Theorien, von denen sich die meisten aber sehr schnell ausschließen lassen. Wenn ich beobachte, dass ein Apfel vom Baum nach unten fällt, dann könnte ich jetzt auch die Theorie aufstellen, dass der Baum den Apfel nach unten stößt. Oder dass die den Apfel umgebende Luft den Apfel nach unten stößt. Oder dass die Himmelskörper den Apfel abstoßen, sodass der Apfel zur Erde hin fällt. Und so weiter, und so fort. Das sind alles mögliche Theorien, die aber allesamt ziemlich rasch auszuschließen sind.
Wenn man zum Beispiel nach der Beziehung zwischen den Genen eines Lebewesens und dessen gesamtem Körper fragt, gibt es auch verschiedene mögliche Theorien. Einer sagt, dass die Gene es sind, die versuchen, zu überleben, und sich deshalb einen möglichst guten Körper als „Überlebensmaschine“ schaffen. Ein anderer wendet ein, dass die Gene im Grunde genommen Gefangene des Körpers seien. Und so weiter. Das ist eine sehr spannende Frage, und durch diese Frage bin ich auf Dawkins gestoßen. Dawkins ist der Meinung, dass sich jede dieser Fragen, jede Veränderung, jeder Unterschied im Leben durch bestimmte Gesetze der Naturwissenschaft erklären lassen. Er definiert seine eigene Einstellung dazu folgendermaßen:
Ein Atheist oder philosophischer Naturalist in diesem Sinn vertritt also die Ansicht, dass es nichts außerhalb der natürlichen, physikalischen Welt gibt: keine übernatürliche kreative Intelligenz, die hinter dem beobachtbaren Universum lauert, keine Seele, die den Körper überdauert, und keine Wunder außer in dem Sinn, dass es Naturphänomene gibt, die wir noch nicht verstehen. Wenn etwas außerhalb der natürlichen Welt zu liegen scheint, die wir nur unvollkommen begreifen, so hoffen wir darauf, es eines Tages zu verstehen und in den Bereich des Natürlichen einzuschließen. Und wie immer, wenn wir einen Regenbogen entzaubern, wird er dadurch nicht weniger staunenswert.“ (S. 25f)
Er gibt dafür keine Begründung, und zwar weil es auch keine gibt. Das obige Zitat ist eine Beschreibung seiner Weltanschauung, also seiner Brille, durch welche er alles betrachtet, was er um sich herum wahrnehmen kann. Später im Buch wird er versuchen, diese Art, die Welt zu betrachten, etwas besser zu begründen, aber dazu werden wir in einem späteren Blogpost kommen. Seine Definition ist wichtig für uns, weil wir sie brauchen, um zu schauen, wie konsequent er sich tatsächlich daran hält. Deshalb müssen wir immer mal wieder zurückblicken und uns fragen: Ist er da wirklich konsequent? Hält er in seinem Tun und Leben, Forschen und Schreiben tatsächlich radikal an dieser Definition fest?
Im Rest des ersten Kapitels zählt Dawkins verschiedene Beispiele auf, wegen derer er meint, dass Religionen bevorzugt würden. So etwa zum Schluss das Beispiel der Mohammed-Karikaturen, welche danach Christenverfolgung und anderes mehr hervorrief. Das Ziel von Dawkins war, zu zeigen, dass Religionen Gewalt hervorbringen, und deshalb alle Religionen etwas Schlechtes seien. Dann endet er das Kapitel mit den Worten:
Ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, jemanden zu beleidigen, aber ich werde auch keine Samthandschuhe anziehen und die Religion nicht sanfter behandeln, als ich es mit allem anderen tun würde.“ (S. 44)
Nun gut, Herr Dawkins, wer austeilen kann, sollte auch einstecken können!

Der “Neue Atheismus”

Den folgenden Artikel habe ich für die diesjährige Januar-Ausgabe der Zeitschrift GEISTbewegt! verfassen dürfen. An dieser Stelle ein herzliches “Danke” an das Redaktionsteam für diese super Möglichkeit und die liebevolle Gestaltung des passenden Layouts. Wer die Möglichkeit dazu hat, möge sich den Artikel in der Zeitschrift zu Gemüte führen, da die Doppelseite wirklich gut geworden ist. Hier der Artikel:

Der „Neue Atheismus“ und wie wir ihm begegnen können

„Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Deshalb mach dir keine Sorgen und genieße dein Leben.“ Mit diesem Werbe-Slogan startete 2008 die sogenannte Atheist Bus Campaign in London. Die britische Journalistin Ariane Sherine hat diese Aktion initiiert und organisiert, welche in verschiedenen Ländern, so auch in Deutschland, zahlreiche Nachahmer fand. Inzwischen hat die Diskussion auch in die Presse und natürlich in viele Internetforen Einzug gehalten. Immer mehr Menschen meinen, sich auszukennen, weil sie die allgemeinverständlichen Bücher der „New Atheists“ gelesen haben.
Was ist der „Neue Atheismus“?
Der „Neue Atheismus“ ist eine Bewegung, die vor allem seit den New Yorker Anschlägen am 11.09.2001 versucht, alle Religionen und Glaubensrichtungen der Glaubwürdigkeit zu berauben und offensiv den atheistischen Darwinismus als einzige vertrauenswürdige Glaubensgrundlage zu begründen. Im Herbst 2006 bezeichnete die amerikanische Online-Zeitschrift „wired“ diese Bewegung zum ersten Mal als „New Atheism“. Kurze Zeit später schlossen sich vier britische Forscher als „The Four Horsemen“ (die vier Reiter aus Offenbarung 6) zusammen: Richard Dawkins, Sam Harris, Daniel Dennett und der im Dezember 2011 verstorbene Christopher Hitchens. Ihr erklärtes Ziel ist die „Aufklärung der Menschheit“, um sie vor dem „Terror der Religion“ zu bewahren.
Verurteilt wird von diesem neuen Atheismus jede Form von religiösem Dogmatismus und Fundamentalismus, wobei man natürlich denselben Maßstab beim eigenen Fundament nicht anlegen will. In seinem Standardwerk des neuen Atheismus „Der Gotteswahn“ schreibt Richard Dawkins auf S. 25 – 26:
„Ein Atheist oder philosophischer Naturalist in diesem Sinn vertritt also die Ansicht, dass es nichts außerhalb der natürlichen, physikalischen Welt gibt: keine übernatürliche kreative Intelligenz, die hinter dem beobachtbaren Universum lauert, keine Seele, die den Körper überdauert, und keine Wunder außer in dem Sinn, dass es Naturphänomene gibt, die wir noch nicht verstehen. Wenn etwas außerhalb der natürlichen Welt zu liegen scheint, die wir nur unvollkommen begreifen, so hoffen wir darauf, es eines Tages zu verstehen und in den Bereich des Natürlichen einzuschließen.“
Diese Aussage steht unbegründet im Raum. Dass es sich dabei ebenso um ein Glaubensbekenntnis handelt, wird übergangen. Es gibt keine sinnvolle, schlüssige Begründung für dieses Vorurteil. Der Leser muss es einfach glauben. Wer etwas Gegenteiliges behaupten will, wird in den Zugzwang gebracht: Der Atheist muss nichts begründen, jeder andere hingegen wird dazu verdonnert, sich dem Atheismus gegenüber zu rechtfertigen. Dies alles führt aber dazu, dass der neue Atheismus letzten Endes nichts anderes ist als genau das, was er verurteilt: Ein fanatischer dogmatischer Fundamentalismus.
Menschen auf der Suche
Je mehr sich jedoch einerseits der neue Atheismus mit seinem aggressiven Vorgehen zeigt, desto mehr wächst auf der anderen Seite die Suche vieler Menschen nach dem Mehr, das genau jene Einengung des Atheismus auf das Sichtbare übersteigt. Immer mehr Menschen sind offen gegenüber der Vielzahl an spirituellen Angeboten. In Meditation, fernöstlichen Heilmethoden und vielen weiteren Möglichkeiten wird das Heil der Seele gesucht. Da ist also Vorsicht gefragt: Nicht jeder, der sich dem christlichen Glauben gegenüber distanziert, ist ein „neuer Atheist“. Viele sind auf der Suche nach dem, was einzig Gott ihnen geben kann: Frieden, Heilung, Vergebung, Liebe, Angenommensein, ein Zuhause. Und wo wir schweigen, werden andere Angebote umso lauter sein.
Häufig sind Menschen auch einfach verbittert, weil sie von den Menschen verletzt wurden, von denen sie dachten, dass sie sich als Christen anders verhalten müssten. Hier muss ein Unterschied klar gemacht werden: Christen machen Fehler, Christus nicht. Ebenso die zahlreichen Kriege, die in der Vergangenheit durch Angehörige christlicher Kirchen begonnen wurden, sind oft ein Argument. Auch hier gilt: Kirchen bestehen aus Menschen. Menschen machen Fehler. Menschen werden schuldig. Immer und immer wieder. Einzig Christus nicht.
Es ist beklagenswert, dass der Glaube an Jesus als Religion missverstanden wird. Eine Religion zeichnet sich dadurch aus, dass der Weg zur Erlösung vom Menschen erarbeitet werden muss. Davon ist im christlichen Glauben aber keine Rede. Vielmehr ist es Gott selbst, der auf die Erde kommt und die Erlösung vollständig vollbringt. Der Mensch darf diese Erlösung im von Gott gewirkten Glauben annehmen und sich zu eigen machen. Aber er muss nichts dafür tun, um sie sich zu verdienen, ja vielmehr noch: er kann geradezu nichts dafür tun! Die Erlösung und das Leben als Christen ist von Gott gemacht – im Wollen und im Vollbringen.
Eine christliche Antwort auf den „Neuen Atheismus“
Wie können wir dem „Neuen Atheismus“ begegnen? Zu aller erst indem wir zwischen der Person und ihrer Ideologie unterscheiden. Gott hasst die Sünde, aber liebt den Sünder. So liebt der Christ den Atheisten, lehnt aber seine atheistische Ideologie ab. Die Bibel ist deutlich in Bezug auf den Atheismus. Paulus schreibt im Brief an die Römer:
„Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, so daß sie keine Entschuldigung haben. […] Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild, das dem vergänglichen Menschen, den Vögeln und vierfüßigen und kriechenden Tieren gleicht.“ (Römer 1, 18 – 23)
Das Zitat von Richard Dawkins macht dies deutlich: Gott wird nicht mit Argumenten weg erklärt, sondern einfach durch Definition ausgeklammert. Es darf keinen Gott geben, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Er geht wie ein Schüler vor, der eine Gleichung mit zwei Unbekannten lösen muss, und zu bequem ist, die zweite Gleichung in die erste umzuformen und einzufügen. Er setzt die eine der zwei Unbekannten (Gott) gleich null und kommt so immer zu einem Ergebnis. Ob dieses Ergebnis nun richtig ist oder nicht, das ist eine andere Frage. In der Schule würde Dawkins mit diesem Vorgehen durchfallen. In der Forschung wird er dafür umjubelt.
Da er nun aber tatsächlich immer zu einem Ergebnis kommt, muss dieses geprüft werden. Und dazu haben wir Gottes Wort, welches die unumstößliche Wahrheit ist. Die Argumentation der Atheisten ist in sich schlüssig, sie geht auf. Aber sie baut auf falschen Grundannahmen auf, weil sie Gott schon vor der eigentlichen Argumentation ausgeklammert hat. Mit der Bibel in der Hand können wir dem Atheismus eine andere Sicht gegenüberstellen. Wichtig ist dabei, dass wir bei diesen Dingen, wo die Bibel klar, deutlich und vollkommen zuverlässig ist (die Entstehung der Natur und des Menschen, die Bedeutung der Sünde und des Todes, das Alter der Erde, die Geschichte der Menschheit) keine Kompromisse eingehen dürfen. Denn sonst gibt es für uns kein sicheres, beständiges Fundament des Glaubens und der Erkenntnis mehr, sobald wir uns auf das in sich schlüssige Fundament der neuen Atheisten begeben.
Der Slogan „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott“ dient somit keineswegs einer Aufklärung der Menschheit. Selbst den Atheisten hat offenbar der Mut gefehlt, das Wort „wahrscheinlich“ zu streichen. Genau genommen entlarvt dieser Umstand die Feigheit dieser Religionsgründer. Es scheint, als wollten sie sich ein kleines Hintertürchen offen halten. Dennoch ist dieser Werbeslogan dazu geeignet, die Menschen in einer kaum zu überbietenden Hoffnungslosigkeit zurückzulassen. Wie viel hoffnungsvoller und freimachender erweist sich da das Angebot Jesu: „Weil ich lebe, sollt ihr auch leben!“ (Johannes 14, 19)