Verwalter der Gnade

Verwalter der Gnade
Deshalb [bin] ich, Paulus, der Gebundene Christi Jesu für euch, die Heiden. Ihr habt ja gewiß von der Haushalterschaft der Gnade Gottes gehört, die mir für euch gegeben worden ist, daß er mich das Geheimnis durch Offenbarung wissen ließ, wie ich zuvor kurz geschrieben habe. (Eph. 3, 1 – 3)
Zu dem Zeitpunkt, als Paulus diesen Brief an die Gemeinde in Ephesus schrieb, war er in Rom im Gefängnis. Er war dort, weil er überall in der ganzen damaligen Welt die Erlösung durch den Herrn Jesus verkündigt hatte. Deshalb konnte er schreiben, er sei der Gebundene (Gefangene) für den Herrn Jesus Christus. Die Reaktion des Paulus auf diese Gefangenschaft ist für uns ganz schön eine Herausforderung. Wie schnell sind wir schon in unserem Leben, wenn nicht alles genau so läuft, wie wir es uns vorgestellt haben, dabei, an unserem Auftrag zu zweifeln? Wie anders reagiert doch Paulus: Er ist sich bewusst, dass es zu Gottes Plan für sein Leben gehört, dass er diese Zeit im Gefängnis verbringen muss. Zur selben Zeit ungefähr, als er den Brief an die Epheser schrieb, verfasste er auch den Philipperbrief an die Gemeinde in Philippi. Dort schrieb er dazu noch mehr: „Ich will aber, Brüder, daß ihr erkennt, wie das, was mit mir geschehen ist, sich vielmehr zur Förderung des Evangeliums ausgewirkt hat, so daß in der ganzen kaiserlichen Kaserne und bei allen übrigen bekannt geworden ist, daß ich um des Christus willen gefesselt bin, und daß die meisten der Brüder im Herrn, durch meine Fesseln ermutigt, es desto kühner wagen, das Wort zu reden ohne Furcht. […]Denn ich weiß, daß mir dies zur Rettung ausschlagen wird durch eure Fürbitte und den Beistand des Geistes Jesu Christi, entsprechend meiner festen Erwartung und Hoffnung, daß ich in nichts zuschanden werde, sondern daß in aller Freimütigkeit, wie allezeit, so auch jetzt, Christus hoch gepriesen wird an meinem Leib, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn für mich ist Christus das Leben, und das Sterben ein Gewinn.“ (Phil. 1, 12 – 14 und 19 – 21)
Paulus hat also erkannt, dass seine Gefangenschaft, in welcher er eben nicht resigniert und nicht das Gefühl hat, von Gott schlechter behandelt zu werden, dazu beiträgt, dass viele andere Menschen durch ihn ermutigt werden. Es kommt eben nicht darauf an, wo wir uns aufhalten und was mit uns geschieht, sondern darauf, dass wir Gott einfach gehorchen. Egal was kommt. Egal womit wir gerade angefeindet werden. Egal was die Menschen über uns denken oder sagen. Es geht ja auch nicht um uns, sondern einzig und allein um Gott, um den Herrn Jesus, der Menschen retten möchte. Paulus hat in seiner Gefangenschaft gleich viel erreichen können wie davor. Weil er nicht aufgab und nicht resigniert hat, sondern bereit war, zu jeder Zeit und Unzeit mit dem fortzufahren, was sein Auftrag war. Wie viel Gewinn hätten wir in unserer Zeit, wenn wir dies besser verstehen lernten. Nämlich dass es nicht auf unsere Umstände ankommt, in welchen wir uns gerade befinden, sondern es einzig und allein darum geht, das, was wir von Gott als Aufgabe empfangen haben, fortzuführen. Dieser Auftrag war bei Paulus ganz speziell auf die damaligen Heiden (Nichtjuden) gerichtet, welche dann, wie im Fall der Gemeinde von Ephesus, zu Heidenchristen wurden. Paulus war der Apostel der Nichtjuden, während Petrus und Jakobus dies für die Juden waren. Dabei haben sie sich als gegenseitige Partner verstanden und nicht etwa als Konkurrenz.
Paulus wurde damit beauftragt, den Nichtjuden von der Gnade Gottes zu erzählen. Wir können in seinen Briefen und in den in der Apostelgeschichte vom Arzt Lukas festgehaltenen Predigten sehen, wie er dabei vorgegangen ist. Der Römerbrief ist zum Beispiel so eine Schrift, die vielleicht auch eine solche Predigt in überarbeiteter Form beinhaltet. Diese Gnade ist ein Mysterium, ein Geheimnis, weil kein Mensch von sich aus (durch reines Nachdenken oder durch menschliche Logik) zum richtigen Schluss kommen kann. Es brauchte bei Paulus, und auch heute bei jeder anderen Person, eine übernatürliche Offenbarung, um dieses Geheimnis von der Gnade Gottes verstehen zu können. Niemand kann das einfach so. Es ist immer Gottes Geschenk und Gabe, dass jemand gläubig werden kann. Und wer die Augen dafür wirklich geöffnet bekommt, kann nicht anders, als dieses Geschenk anzunehmen. Denn es gibt nichts, was größer sein kann, als dieses wunderbare Geschenk der Gnade Gottes. Und Paulus ist von Gott zum Haushälter, also zum Verwalter, dieser Gnade berufen worden. Ein Verwalter bekommt etwas, was er im Auftrag des eigentlichen Besitzers möglichst gut verwalten soll. Ein Lehrer in einer Schule ist zum Beispiel ein Verwalter seines Wissens und ein Verwalter des Lehrplans, mit deren Hilfe er möglichst viel vom ganzen Potenzial seiner Schüler entfalten soll. Und als Gläubige sind auch wir Verwalter dieser Gnade Gottes, von der wir anderen weiter erzählen sollen. Möglichst alle Menschen auf dieser Erde sollen von dieser Gnade hören können. Dazu hat jeder von uns eine bestimmte Zeit zur Verfügung (24 Stunden pro Tag), ein bestimmtes Umfeld, eine bestimmte Menge an durch Arbeit erworbenem Geld, aber auch bestimmte persönliche Fähigkeiten und Stärken, und dies alles sollen wir so einteilen und verwalten, dass dadurch möglichst viele Menschen von dieser Gnade Gottes hören und wissen dürfen. Was willst du heute dafür tun?

Wir sind mitauferweckt

Wir sind mitauferweckt
Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat um seiner großen Liebe willen, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren durch die Übertretungen, mit dem Christus lebendig gemacht — aus Gnade seid ihr errettet! — und hat uns mitauferweckt und mitversetzt in die himmlischen [Regionen] in Christus Jesus,damit er in den kommenden Weltzeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erweise in Christus Jesus. (Eph. 2, 4 – 7)
Wir haben gesehen, dass jeder Mensch von Natur aus mausetot ist in seinen Übertretungen und Sünden. Und ebenso haben wir gesehen, dass niemand, der tot ist, etwas wollen kann. Vielmehr möchte ich hinzufügen: Wer geistlich tot ist in Sünden und Übertretungen, wird nicht anders können als sich gegen die Wahrheit mit Händen und Füßen zu stellen, sich mit aller Kraft dagegen wehren und braucht dadurch umso mehr ein gewaltiges Handeln Gottes an sich. Im Grunde genommen ist jeder Mensch zu stolz, um das Evangelium freiwillig, aus eigenen Stücken, anzunehmen. Gott muss zuerst den Willen im Menschen schaffen, überhaupt von Jesus Christus erlöst werden zu wollen. Das muss nun ein jeder Prediger wissen und dem entsprechend predigen. Da niemand das Evangelium von sich aus wollen kann, wird eine Predigt, die besonders die Gefühle anspricht, auch nichts ausrichten können. Die Gefühle des Menschen sind ziemlich leicht zu beeinflussen. Und wer nur sie anspricht, wird vor allem Menschen haben, die schnell mal „ja“ und „amen“ zu allem Möglichen sagen, aber zu oft ist dieses Werk nicht von bleibender Dauer. Und vor allem dürfen wir auch nicht davon ausgehen, dass die Gemeindemitglieder bestimmt alle irgendwie zu den Erlösten gehören, die nur noch Unterweisung brauchen. Nein, es braucht immer wieder und wieder das eine Evangelium von Jesus Christus. Diesem allein ist die Kraft gegeben, widerspenstige Herzen zum Herrn zu führen und Menschen zu echter Umkehr zu überzeugen.
Dies ist ein Werk von Gottes Gnade, dass ein Mensch fähig wird, von seiner Rebellion gegen Gott umzukehren und Gott dienen zu wollen. Deshalb will Gott auch aus Erbarmen den Menschen nicht einfach so verloren gehen lassen. Gott weiß, wie es um uns Menschen steht. Er war unter uns, war ganz Mensch und lebte als Mensch auf dieser Erde. Er weiß um unsere Verlorenheit und möchte sie überwinden. Dafür gab Er auch Sein Leben hin, aus Liebe zu uns. Mit Liebe hat Er uns geliebt, schreibt hier Paulus. Diese Liebe ist durch nichts zu übertreffen. Es gibt nichts auf dieser Welt, womit man Gottes Liebe vergleichen könnte. Sie ist Gottes Entscheidung, an unserer Stelle unsere Schuld zu bezahlen und dadurch den Weg zu Ihm wieder frei zu machen. Doch der Tod Jesu und die stellvertretende Bezahlung der Schuld ist nur eine Seite der Medaille. Wenn der Herr Jesus tot geblieben wäre, so gäbe es für uns keinerlei Hoffnung auf ein Leben mit Gott. Dann wäre zwar die Schuld bezahlt, der Tod jedoch immer noch die letzte Endstation des Lebens. Doch aus diesem Grund wurde der Herr Jesus wieder auferweckt. Und mit Ihm zusammen sind wir mitauferweckt. Dies nennt die Bibel die Wiedergeburt. Diese Wiedergeburt wird durch den Glauben aktiviert, den der Heilige Geist in unsere Herzen hineinlegt. Das ist wichtig, dass wir das verstehen. Wenn die Bibel von Glauben spricht, dann meint sie nicht einfach nur etwas für wahr halten, sondern daraus auch Konsequenzen zu ziehen. Also: Gottes Willen in den Situationen unseres Lebens zu suchen und diesen dann auch auszuführen. Der Heilige Geist schenkt uns also Augen und einen Verstand, um die Bibel, Gottes Wort, richtig zu verstehen und auch herauszufinden, wie wir das umsetzen können.
In dieser Stellung als Mitauferweckte leben wir in tiefem innerem Frieden mit Gott. Wir wissen um unsere Mängel, um unsere Sünden und um unsere Schwäche, in der wir immer wieder fallen. Aber zugleich wissen wir auch um die Tatsache, dass der Herr Jesus für ALLE unsere Sünden bezahlt hat. Nicht nur für diejenigen der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft. Dies gibt uns echte Freiheit, nämlich die Freiheit vom inneren Zwang, sich ständig vergewissern zu müssen, ob man noch in der Gnade ist oder nicht und zugleich die Freiheit zur Liebe gegenüber Gott und den Mitmenschen. Gerade weil wir uns nicht beständig selbst untersuchen und prüfen müssen (klar, hin und wieder tut eine Rückschau auch gut), können wir uns dem Dienst und der Hilfeleistung am Nächsten widmen. Wir merken selbst, was Sünde ist und wir dürfen sie jederzeit sofort zum Kreuz bringen, Gott bekennen und durch das Blut Jesu gereinigt werden. So kommen wir zur Gewissheit, dass alle unsere Schuld bezahlt ist – vom ersten Atemzug bis zum Totenbett ist alle Schuld am Kreuz bezahlt. Und es gibt nichts und niemanden, der uns aus dieser Gnade herausholen könnte, denn Gott wird uns nicht loslassen.
Doch wir sind nicht nur Mitauferweckte, sondern auch Mitversetzte in die himmlischen Regionen. Das heißt, unser Bürgerrecht ist im Himmel. Als solche, die in der Welt, aber nicht von der Welt sind, gelten für uns auf jeden Fall die menschlichen Gesetze unseres Landes, in dem wir leben (in der Welt), vielmehr aber gilt da auch das Gesetz der himmlischen Bürgerschaft. Dieses Gesetz findet sich im Doppelgebot der Liebe wunderbar zusammengefasst. Gott zu lieben, zu ehren, Ihm gehorsam zu sein und zugleich das Beste für die Mitmenschen zu suchen und ihnen dazu zu helfen, dies ist das Gesetz der Himmelsbürgerschaft. Die Befolgung dieses Gebots hat den Zweck, dass Gott durch unser Handeln verherrlicht wird, dass Sein Name unter den Menschen bekannt wird und dass viele Menschen in den Bereich des Gottesreichs kommen, wo sie selbst wieder von Gottes Geist durch die Predigt des Evangeliums erfasst und zutiefst verändert werden können. Dies ist das Handeln des Geistes. Unsere Aufgabe ist es nicht, Menschen zu bekehren. Das kann niemand. Aber wir haben den Auftrag, das Evangelium so deutlich wie möglich und so oft wie möglich zu verkünden und zugleich ein Leben zu führen, das die Menschen neugierig macht und sie einlädt, zu Gott zu kommen und diese Freiheit der Gnade und der Liebe durch die Wiedergeburt selbst zu erfahren. Dadurch wird Gottes Reichtum der Gnade an den Gläubigen erwiesen.
Lasst uns aber auch beten, dass wir verändert werden und durch die Veränderung noch mehr wie Jesus werden: Voller Gnade und Wahrheit. Und lasst uns beten, dass wir die Wahrheit der Bibel noch besser verstehen lernen: Dass es ewige Verdammnis aber auch ewiges Heil gibt und was dies wirklich bedeutet. Dass es unser Handeln in Liebe benötigt, um Menschen mit dem Reich Gottes vertraut zu machen. Überall dort, wo wir im Auftrag Gottes die Liebe des Retters weitergeben, dort ist das Reich Gottes zu finden.

Der gute Hirte

Der gute Hirte
Steige auf einen hohen Berg, o Zion, die du frohe Botschaft verkündigst! Erhebe deine Stimme mit Macht, o Jerusalem, die du frohe Botschaft verkündigst; erhebe sie, fürchte dich nicht; sage den Städten Judas: Seht, da ist euer Gott! Siehe, Gott, der Herr, kommt mit Macht, und sein Arm wird herrschen für ihn; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und was er sich erworben hat, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte; die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und im Bausch seines Gewandes tragen; die Mutterschafe wird er sorgsam führen. (Jes. 40, 9 – 11)
Nun ist plötzlich nicht mehr nur Jesaja der Evangelist, sondern ganz Zion, also ganz Jerusalem, oder besser gesagt: Die Gesamtheit des Volkes Israel ist dazu berufen, Evangelist zu sein. Es ist das von Gott auserwählte Volk zum Segen aller Nationen. Bis zum heutigen Tag ist das Volk und die Nation Israel ein Wunder: Gejagt, verflucht, verfolgt, gemordet – und dennoch ein stark wie zu jeder Zeit. Auch heute ist Israel ein Bote Gottes – selbst wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Aber am heutigen Staat Israel erfüllen sich zahlreiche Verheißungen, die Gott ihm gegeben hat – vor vielen Jahrhunderten und Jahrtausenden.
Die Botschaft muss bekannt werden. Der Evangelist darf sich nicht in eine Synagoge oder in ein Gemeindehaus zurückziehen – er muss da sein, wo er gehört wird. Zion soll auf einen hohen Berg. Das erinnert uns an die Bergpredigt, wo Jesus sagte, dass eine Stadt auf dem Berg nicht versteckt bleibt, sondern gesehen wird. Eine solche Stadt verbreitet ein Licht und ist anziehend. Ganz anders, wenn man das Licht unter einem Scheffel (eine Art Eimer, mit dem das Korn abgemessen wurde) stellt. Da nützt es niemandem etwas. Deshalb muss diese gute Botschaft, die Zion hat, in der ganzen Welt verbreitet werden.
Was ist denn diese frohe Botschaft, die Zion zu verkündigen hat? Es ist dies nämlich, dass es trotz der menschlichen Sünde und inneren Verderbtheit des Menschen Hoffnung gibt. Vom Moment des Sündenfalls an wissen die Menschen, dass Gott einen Retter senden wird, den Messias. Der gesamte Tempel- und Opferdienst Israels deutet auf diese Erlösung durch den Messias hin. Dies ist durch den Herrn Jesus am Kreuz auf Golgatha geschehen. Dort hat der Tausch stattgefunden: Jesus nahm die Schuld und Strafe der Sünde von uns Menschen auf Sich, bezahlte dafür und übertrug allen, die an Ihn glauben, Seine göttliche Gerechtigkeit und Schuldlosigkeit.
So kam Jesus in diese Welt hinein und sagte von Sich, dass Er der gute Hirte ist, und derjenige, welcher die Welt in Zukunft regieren wird. Und Jesaja fordert hier Israel auf, auszurufen, dass es Jahwe, der eine Gott Israels ist, welcher als dieser gute Hirte kommen wird. Es ist schade, dass es immer noch so viele Gruppen gibt, welche behaupten, Jesus sei nur Mensch gewesen. Hier sagt uns Jesaja ganz klar und deutlich, dass der eine Gott Israels, Jahwe, es sein wird, der mit Macht kommen und herrschen wird. Er wird Seine Herde weiden, die Gläubigen sind Seine Schafe. Und Er wird Sich um all jene kümmern, die Ihm nachfolgen. Welch ein Trost für uns! Seliges Wissen, Jesu ist mein! Er wird die jungen und schwachen im Glauben bei Sich tragen und für sie sorgen. Er hat es versprochen. Und das absolut Genialste ist, dass es nichts und niemanden gibt, der Ihm die Seinen weglocken oder entreißen kann. Wer Jesus hat, der hat das Leben. Ein für alle Male. Halleluja, gelobt sei Jahwe, unser Gott!

Erweckung beginnt bei mir selbst

Erweckung beginnt bei mir selbst
Ich liebe die Erweckungsgeschichte. Ich liebe es, zu lesen, wie es zu riesigen Aufbrüchen kam. Und regelmäßig frage ich mich, warum wir heute bei uns so wenig davon sehen. Es liegt nicht an Gott. Er liebt Erweckung mindestens ebenso wie wir. Und Er hat Sich nicht verändert. Auch die Menschen um uns herum haben sich nicht verändert. Sie brauchen das Evangelium immer noch genauso, um gerettet zu werden. Und sie sind nicht weniger hungrig nach dem Sinn des Lebens. Keine von all den Umständen ist das Problem. Das Problem, das sind wir. Wir Gläubigen sind es, die mit unserer Selbstgenügsamkeit, Leidensscheu und dem Mangel an Erkenntnis die Erweckung verhindern. Drei Dinge, die wir überwinden lernen sollten, um dem Wirken Gottes freie Bahn zu bereiten.
Selbstgenügsamkeit haben wir dann, wenn wir entweder zufrieden sind mit dem, was wir haben, oder uns zufrieden geben mit dem, was wir haben. In unserem Falle ist es meist das Zweitere. Man hat vieles versucht auf die Beine zu stellen, nichts davon hat wirklich eingeschlagen, also muss es ja wohl der Wille Gottes sein, dass es so bleibt wie es ist. Die Folge davon ist, dass man das Verlangen nach mehr von Gottes Wirken aufgibt. Es ist eine Art Fatalismus: Der Herr hat es ja so gewollt. Und dieser Fatalismus verhindert Erweckung. Der zweite Schritt nach dem Beginn dieses Fatalismus ist der Rückgang des Gebets. Das Gebet dient ja gerade dazu, um uns zu verändern, sodass wir fähiger werden, die Menschen mit Gottes Augen zu sehen und ihnen in Klarheit Gottes Willen weiter zu geben. Das Gebet öffnet den Himmel und bricht in die Weltgeschichte ein. Oft nicht sehr schnell, aber es bewirkt viel!
Das Zweite ist die Leidensscheu. Sie bezeichnet eine Haltung, die von Angst vor Veränderung geprägt ist. Es ist klar, dass sich vieles verändern wird, wenn Gottes Wirken beginnt. Und niemand von uns wird dann so bleiben können wie er ist. Zu einer Erweckung gehört auch Widerstand dazu, denn sie ist ein direkter Angriff auf die Herrschaft Satans. Dieser wird sich das nicht einfach gefallen lassen, sondern seinerseits mit Angriffen antworten. So müssen wir jederzeit mit Angriffen von innen (Irrlehre, Sünde, Verführung) und von außen (Spott, Unbeliebtheit bei den Menschen, wachsenden Widerstand in Gesellschaft, Medien und Politik) rechnen. Wenn wir Erweckung wollen, so kommen wir nicht darum herum, uns mit diesen Tatsachen zu beschäftigen. Sind wir dennoch bereit?
Zuletzt hängt es auch mit einem mangelnden Verständnis der Wahrheit zusammen. Es ist dies eine Unsicherheit, ob die Bibel wirklich in jedem Fall zuverlässig ist. Wir müssen erkennen, warum die Welt unser Evangelium braucht. Wir müssen begreifen, was es bedeutet, dass ein Mensch verloren ist. Dass der Zorn Gottes über ihm schwebt wie das Schwert des Damokles, bis dieser Mensch die Rettung in Christus gefunden und angenommen hat. Wir müssen die Schrift studieren und aus ihr lernen, was sie zum Gericht und zur ewigen Verdammnis im Feuersee sagt. Vermutlich kommt der größte Anteil der fehlenden Erweckung einfach aus der Tatsache, dass wir selbst Gott und Seinem Wort zu wenig Vertrauen schenken. Denn wer dieses Gottes Wort wirklich liest und ernst nimmt, kann nicht anders als zum Herrn zu schreien, dass Er diese Erweckung schenken möge. Wenn der Spätregen kommt, werden wir es erleben. Dieser wird alles übertreffen, was es an Erweckung gab bis auf den heutigen Tag. Lasst uns beten, dass dies bald geschieht. Unsere Mitmenschen von heute haben ihn nötig!

Evangelisation und Kultur

Nachdem ich gestern bereits über Kultur und Evangelisation gebloggt habe (siehe hier), bin ich heute auf einen Abschnitt der Dokumentation des Lausanner Kongresses für Weltevangelisation gestoßen, wo genau dieses Thema angesprochen wird:

  1. “Evangelisation und Kultur

Die Entwicklung von Strategien zur Weltevangelisation erfordert bei der Wahl der Methoden Einfallsreichtum. Mit Gottes Hilfe werden Gemeinden entstehen, die in Jesus Christus fest gegründet und eng mit ihrer kulturellen Umwelt verbunden sind. Jede Kultur muß immer wieder von der Schrift her geprüft und beurteilt werden. Weil der Mensch Gottes Geschöpf ist, birgt seine Kultur Schönheit und Güte in reichem Maße. Weil er aber gefallen ist, wurde alles durch Sünde befleckt. Manches geriet unter dämonischen Einfluß. Das Evangelium gibt keiner Kultur den Vorrang, sondern beurteilt alle Kulturen nach seinem eigenen Maßstab der Wahrheit und Gerechtig-keit und erhebt absolute ethische Forderungen gegenüber jeder Kultur. Missionen haben allzuoft mit dem Evangelium eine fremde Kultur exportiert, und Gemeinden waren mitunter mehr an eine Kultur als an die Schrift gebunden. Evangelisten Christ müssen demütig danach trachten, sich selbst zu verleugnen, ohne ihre Persönlichkeit preiszugeben, um Diener anderer werden zu können. Die Gemeinden sollen Kultur umgestalten und bereichern, damit Gott verherrlicht wird.”
(Lausanne Dokumente Band 1, Alle Welt soll sein Wort hören, TELOS DOKUMENTATION, Copyright 1974 by World Wide Publications, Minneapolis., S. 14f)

Fromm-fröhliches Solochristentum

Lasset uns festhalten am Bekenntnis der Hoffnung, ohne zu wanken (denn er ist treu, der die Verheißung gegeben hat); und lasset uns aufeinander achten, uns gegenseitig anzuspornen zur Liebe und zu guten Werken, indem wir unsere eigene Versammlung nicht verlassen, wie etliche zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das um so viel mehr, als ihr den Tag herannahen seht! (Hebräer 10, 23 – 25)

Wir leben in einer Zeit, in welcher man meinen könnte, die Gemeinde sei eine überholte Institution für Ewiggestrige. Der heutige Christ kann sich seine Predigten im Internet anhören, kann ganze Gottesdienste im Fernsehen verfolgen oder im Radio anhören. Je mehr diese Tendenz zunimmt, desto mehr fragt sich der einzelne Mensch aber auch: Was kann Gott für MICH tun? Ich, Mich, Mir und Mein bestimmen unser Denken. Dabei vergessen wir viel zu schnell, dass in all den Bildern, die Jesus und die Apostel vom Christsein gebrauchen, gar nicht so sehr auf den Einzelnen bezogen sind. Nehmen wir zum Beispiel das Gleichnis Jesu vom Guten Hirten, der das hundertste Schäflein suchen geht. Da ist es normal, dass die Herde beisammen bleibt. Das einsame, fromm-fröhliche Soloschäflein ist hier ungehorsam und muss wieder zur ganzen Herde gebracht werden. Im Epheserbrief gebraucht Paulus das Bild einer geistlichen Armee, die gegen die Mächte des Bösen kämpft. Sie ist für den Kampf als gesamte Armee ausgerüstet und nicht für den Nahkampf einzelner Soldaten. Wer so ausgerüstet ist, wie Paulus dies im Epheser 6 beschreibt, wird allein keine große Chance haben, einen Kampf zu überstehen. Gott hat sich nie gedacht, dass das Solochristentum eine legitime Form des Glaubens sein kann. Ein einzelner Stein, so schön er auch zugehauen ist, und so passgenau er auch ist, er macht kein geistliches Haus aus, wie Petrus dies im zweiten Kapitel seines ersten Briefes beschreibt.

Nein, Gott hat klar festgelegt, dass jeder Gläubige eine Heimat, ein Zuhause, eine Gemeinde braucht. Wer dies nicht einsehen will, beweist damit nur, dass er Gottes Plan noch nicht verstanden hat. Die Gemeinde hat eine ganz zentrale Funktion im Plan Gottes, und deshalb haben wir alle auch die Verantwortung, ein Vorbild in Bezug auf unsere Treue zu unserer Ortsgemeinde zu sein und andere damit anzureizen und zu ermahnen, ihre Gemeinde nicht zu verlassen. Ich möchte hier in aller Kürze versuchen zu umreißen, weshalb wir alle ein geistliches Zuhause brauchen, eine Ortsgemeinde, der wir uns verbindlich anschließen:

1. Die Gemeinde ist Gottes Rettungsanstalt für die Welt. Gott hat das aktive Hören der Predigt in der Gemeinde als Mittel zur Rettung eingesetzt (Römer 10, 17). Dies ist die einzige von Gott offiziell verordnete Möglichkeit, um gerettet zu werden. Die Predigt ist nur vor Ort in der Gemeinde dynamisch und kräftig und dazu geschaffen, um verlorene Sünder zu Heiligen im Herrn zu machen. Wo eine Gemeinde vorhanden ist, und diese Möglichkeit (aus welchen Gründen auch immer) nicht genutzt wird, ist absolut keine Entschuldigung für den fehlenden Glauben zu finden. Auch wenn uns, die wir vielleicht bereits zum Glauben gekommen sind, der Glaube in einer bestimmten Situation fehlt oder abhanden gekommen ist, so ist die Predigt in der Ortsgemeinde der von Gott dafür verordnete Ort.

2. Die Gemeinde ist von Gott dafür eingesetzt, damit wir in der Liebe und in der Mündigkeit wachsen. Gottes Absicht mit der Gemeinde ist es, dass dort viele verschiedene gerechtfertigte Sünder aufeinander treffen und aneinander Liebe lernen. Dies ist sehr oft mit schweren Enttäuschungen verbunden, weil wir vielleicht Dinge erleben müssen, von denen wir denken, dass wir von Gläubigen etwas Besseres erwarten dürften. Solche zu hohen Erwartungen, gepaart mit schweren Verletzungen, helfen uns, Menschen besser kennen und einschätzen zu lernen. Außerdem ist die Gemeinde auch der Ort, an welchem wir in unserer Mündigkeit wachsen dürfen. Mündigkeit bedeutet, dass wir lernen, alle Dinge aus der Sicht Gottes zu sehen und zu beurteilen.

3. Die Gemeinde ist der Ort, an welchem wir unsere Gaben und Talente einsetzen dürfen. Jede und jeder von uns hat bestimmte Gaben und Talente von Gott bekommen. Dies sind Aufgaben, die wir gut und gerne machen. Sie alle gehören zuerst der Gemeinde, sobald wir dem Herrn Jesus gehören. Die Gemeinde ist der Leib Christi, also der Körper des Herrn Jesus Christus. Und wenn wir Ihm dienen wollen, so tun wir dies in der Gemeinde. Dort sind wir Hände und Füße des Herrn Jesus, mit denen wir gemeinsam die Welt als Salz und Licht verändern. Ein Lichtfünklein und ein Salzkörnchen bleibt unbemerkt. Erst durch den gemeinsamen Dienst in der Welt wird diese aufmerksam auf die Liebe des Herrn.

Haben wir das Evangelium verstanden?

Denn ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen, als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten. (1. Korinther 2, 2)

Eins mal vorweg: Ich glaube nicht, dass es uns Menschen, solange wir hier auf der Erde leben, möglich ist, das Evangelium wirklich in seiner ganzen Tiefe zu verstehen. Wir können uns dieser Erkenntnis nur schrittweise annähern, indem wir uns immer und immer wieder damit befassen. Gerade deshalb, weil wir es nur dann immer besser verstehen lernen, wenn wir uns immer wieder mit dieser großartigen Botschaft beschäftigen, ist es die Aufgabe eines Predigers und Bibellehrers, immer wieder davon zu sprechen. Genau das machte Paulus in Korinth. Es handelte sich nicht um eine Gemeinde von Neubekehrten, vielmehr lobte Paulus sie zuvor ja, dass in ihrer Gemeinde alle Geistesgaben vorhanden waren und gelebt werden. Trotzdem machte Paulus sie darauf aufmerksam, dass er unter ihnen in Korinth von nichts anderem reden wollte, als von dieser einen Botschaft. Einer der größten und am weitesten verbreiteten Fehler in unseren heutigen Gemeinden ist es, dass man denkt, das Evangelium sei etwas für Ungläubige und frisch Bekehrte, diejenigen aber, die im Glauben gewachsen seien, brauchten es nicht mehr ständig zu hören, sondern könnten sich höheren Lehren zuwenden. Ich möchte hier einige Gründe anführen, weshalb dieses Denken falsch ist:

  1. Die Bibel kennt keine höhere Lehre als das Evangelium. Die Bibel beginnt mit dem Evangelium, nämlich damit, dass Gott den Menschen zu einem bestimmten Sinn und Zweck geschaffen hatte: Gottes Herrlichkeit als Sein Abbild und Repräsentant auf Erden zu widerspiegeln und in einer von der Liebe geprägten Beziehung mit Ihm zu leben. Sodann führt die Bibel aus, warum es zu einem totalen Bruch zwischen der gesamten Menschheit und Gott gekommen ist und dass seither niemand mehr aus eigener Kraft nach Gottes Willen leben kann. Dann führt die Bibel den ganzen Weg von Gottes Volk aus, das uns zum Vorbild dienen kann und erfährt ihren Höhepunkt im Leiden, Sterben und Auferstehen Christi, woraufhin auch einige Infos über die Zukunft der Welt, der Menschen, die mit und derer, die ohne Gott gelebt haben. Die Bibel ist von A bis Z Evangelium und nichts anderes. Wenn wir also lernen wollen, was die Bibel sagt, so müssen wir uns immer mit dem Evangelium auseinandersetzen.

  1. Das Evangelium ist die Kraft, durch die wir Christus ähnlicher werden. Seit dem Sündenfall der Menschheit ist das Abbild Gottes in uns zerstört und soll wiederhergestellt werden. Doch wir merken immer wieder, dass wir es aus eigener Kraft nicht schaffen, Jesus ähnlicher zu werden. Wir brauchen eine andere Kraft dazu, eine, die nicht aus uns selbst kommt. Das ist die Kraft des Evangeliums, die unser hartes Herz weich macht und es so verändert, wie Gott uns verändert haben möchte. Wenn wir uns intensiv mit dem befassen, was der Herr Jesus Christus auf Sich genommen hat, um uns zu retten, werden wir dadurch auch immer barmherziger anderen gegenüber, weil wir wissen, dass der Herr auch für viele von ihnen gestorben ist, damit sie das Leben haben. Es ist immer so, dass das, womit wir uns beschäftigen, unser Leben und Verhalten prägt.

  1. Das Evangelium zu kennen, hilft uns, mit anderen über den Glauben zu sprechen. Wir haben die Verantwortung nach 1. Petrus 3, 15, zu jeder Zeit bereit zu sein, Zeugen zu sein von dem, was unsere Hoffnung ist. Das heißt: Jeder Gläubige ist verantwortlich, das Evangelium (seine Hoffnung) so gut zu kennen, dass er es – zumindest wenn er gefragt wird – auch verständlich kommunizieren kann, so dass das Gegenüber es nachvollziehen kann. Das Evangelium ist nichts Abgehobenes oder sonst wie Unverständliches, sondern es kann sehr gut in Worte gekleidet und kommuniziert werden. Ich möchte es ein späteres Mal noch im Detail ausführen.

Bitte mache dir mal Gedanken darüber, wie du das Evangelium in einfache und klare Worte fassen würdest, wenn dich jemand danach fragt. Ich würde mich freuen, wenn du dies schriftlich festhalten und mir zusenden würdest. Vielen Dank und Gottes Segen!

Evangelium21-Konferenz – ein Rückblick

Wie an früherer Stelle bereits berichtet, fand die letzten Tage die Konferenz des Netzwerks Evangelium21 statt. Die Stimmung war super, es gab geniale Vorträge, leckeres Essen – kurz gesagt: Wer nicht da war, hat etwas verpasst. Einen kleinen Trost gibt es für all die nun Trauernden: Die Vorträge und die täglichen Q&A-Sessions können hier online angehört oder heruntergeladen werden. Matt Schmucker von 9Marks-Ministries war der Hauptreferent. Aber auch die übrigen Vorträge sind äußerst hörenswert. Ich bin begeistert von diesem neuen Netzwerk und bete inständig, dass dies noch über viele Jahre einen solchen wunderbaren Zusammenhalt über alle denominationellen Grenzen hinweg beibehalten kann.

Noch eines sollte man sich nicht entgehen lassen: Im kommenden Mai, vom 13. – 15. 05. 2012, wird die zweite Auflage der Konferenz stattfinden. Als Redner werden John Piper und Donald A. Carson, sowie weitere Sprecher vom Netzwerk Evangelium21 erscheinen. Am besten gleich vormerken und rechtzeitig anmelden! Natürlich auch dieses Mal wieder in der Arche Gemeinde und Missionswerk Hamburg.

„Kein Kompromissdokument“?

„Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. Darum ist es für jeden Christen und jede Christin unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen/ihren Glauben in der Welt zu bezeugen. Es ist jedoch wichtig, dass dies im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen.“

Dies ist die Einleitung in den Verhaltenskodex „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“1. Dieser wurde während fünf Jahren von Abgeordneten des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog, des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) erarbeitet. Zugegeben, auf den ersten Blick hört sich das Dokument sehr gut an. Wurden doch insgesamt fünf Jahre und drei Sitzungen für das Verfassen dieses Dokuments benötigt. Doch ist dieser “Verhaltenskodex” tatsächlich kein Kompromissdokument, wie Prof. Dr. Thomas Schirrmacher2, Vorsitzender der Theologischen Kommission der WEA, dies ausdrückte3?

Viel Gutes wird angesprochen in dem Dokument. Es ist korrekt, dass alle Christen bereit sein sollen, Rechenschaft über ihren Glauben abzulegen (Grundlagen 1.) Es ist absolut richtig, dass ein solcher Dienst von Christen auch Menschen anderer Religionen ansprechen soll (Grundlagen 4.) Es stimmt, dass wir uns für Glaubens- und Religionsfreiheit in allen Ländern einsetzen sollen (Prinzipien 7.)

Dennoch möchte ich einige Anfragen an das Dokument, bzw. deren Ersteller, anzubringen versuchen. Eine erste solche geht an den Zweck des Dokuments. Dieses wird einerseits „Verhaltenskodex“ genannt, möchte somit mit einer gewissen Verbindlichkeit ernst genommen werden. Dies in besonderem Maße deshalb, weil unsere westliche Welt einen Kodex entweder als Gesetzbuch (römisches Recht) betrachtet oder als Ehrenkodex damit die Begriffe „Ehrensache“, „Ritterlichkeit“, etc. verbindet. Zugleich wird dieser Anspruch wieder abgeschwächt, indem man ebenfalls noch in der Präambel hinzufügt:

„Ziel dieses Dokuments ist es, Kirchen, Kirchenräte und Missionsgesellschaften dazu zu ermutigen, ihre gegenwärtige Praxis zu reflektieren und die Empfehlungen in diesem Dokument zu nutzen, um dort, wo es angemessen ist, eigene Richtlinien für Zeugnis und Mission unter Menschen zu erarbeiten, die einer anderen Religion oder keiner bestimmten Religion angehören. Wir hoffen, dass Christen und Christinnen in aller Welt dieses Dokument vor dem Hintergrund ihrer eigenen Praxis studieren, ihren Glauben an Christus in Wort und Tat zu bezeugen.“

Was ist nun der Sinn und Zweck des Dokuments? Letztendlich wird das jeder selbst interpretieren müssen. Und dieser Umstand wird nicht zu mehr Klarheit innerhalb der beteiligten Organisationen führen. Vielmehr wird wohl jeder seine persönliche Interpretation des Dokuments als die korrekte betrachten und die anderen nach seinem Verständnis davon beurteilen. Dadurch wird sich die Lage wohl nicht gerade bessern.

Eine zweite Anfrage betrifft auch die weitere Wortwahl im Detail. Es wird viel von Liebe und Respekt, Sanftmütigkeit und Solidarität gesprochen, doch wie dies praktisch aussieht, darauf wird nicht weiter eingegangen. Es ist sehr wohl korrekt und notwendig, vor Machtmissbrauch und Täuschung zu warnen (Grundlagen 6.) Auch wo die Grenzen zum psychischen Machtmissbrauch von der Evangeliumsverkündigung abzugrenzen ist, bleibt dem persönlichen Verständnis des Lesers überlassen. Denn ein psychisches Moment ist in dieser immer enthalten. Auch kann das „Eintreten für Gerechtigkeit“ (Prinzipien 4.) je nach Verständnis unterschiedlich verstanden werden und zum Propagieren eines sozialen „Evangeliums“ missbraucht werden.

Eine dritte und wichtigste Anfrage an die Ersteller des Dokuments muss nun auch noch den Inhalt des Evangeliums betreffen. Es ist gut und schön, dass so viel vom Evangelium gesprochen wird, doch wurde gerade dieses Wort im Laufe der Kirchengeschichte zu sehr vielen und sehr unterschiedlichen „Evangelia“ uminterpretiert. So finden nun auch in unserem Dokument Vertreter aller möglichen Interpretationen ihren Anwalt.

So muss man sich letzten Endes ernsthaft fragen, ob dieses Dokument tatsächlich „kein Kompromissdokument“ ist oder ob sich hier nicht doch vielmehr herausstellen sollte, dass es zwar ein Meisterstück an Diplomatie ist, doch für die tägliche Praxis im Miteinander der Gemeinden und Kirchen keine weitere Hilfestellung bieten kann.

Quellen:

1. Das Dokument online

2. Theologische Kommission der WEA

3. Artikel in der Zeitschrift Pro-Medienmagazin

Der Wächterruf

Menschensohn, rede zu den Kindern deines Volkes und sage ihnen: Wenn ich das Schwert über ein Land bringe, so nimmt das Volk des Landes einen Mann aus seiner Mitte und bestimmt ihn zu seinem Wächter. Wenn nun dieser das Schwert über sein Land kommen sieht, so stößt er ins Schopharhorn und warnt das Volk. Wenn dann jemand den Schall des Schopharhornes hört und sich nicht warnen lassen will, und das Schwert kommt und rafft ihn weg, so kommt sein Blut auf seinen Kopf; denn da er den Schall des Schopharhornes hörte, sich aber nicht warnen ließ, so sei sein Blut auf ihm! Hätte er sich warnen lassen, so hätte er seine Seele gerettet. Wenn aber der Wächter das Schwert kommen sieht und nicht ins Schopharhorn stößt und das Volk nicht gewarnt wird und das Schwert kommt und einen von ihnen wegrafft, so wird derjenige zwar um seiner Sünde willen weggerafft, aber sein Blut werde ich von der Hand des Wächters fordern. (Hesekiel 33, 2 – 6)

Diese Verse gehen mir seit vielen Jahren nach. Gott setzt Wächter ein. Hesekiel war so einer für das Volk Israel. Im Grunde ist jede und jeder von uns solch ein Wächter oder eine Wächterin für unsere Mitmenschen. Wie oft sehen wir, wie unsere geliebten Mitmenschen, Angehörige, Verwandte, Bekannte, gute Freunde, Nachbarn, Kollegen und so weiter, in ihr Verderben rennen. Sei es, dass sie ihre Ehe ruinieren, sei es, dass sie sich in falsche Abhängigkeiten, Süchte, Egoismus verstricken lassen, dass sie von Gott weglaufen und nichts mit IHM, dem Herrn der Herrn, zu tun haben wollen. Wir müssen nicht auf eine besondere Berufung warten, denn die Berufung besteht darin, dass wir das Schwert sehen über ihren Köpfen. Dadurch, dass wir das Unheil sehen, in das unsere Mitmenschen geradewegs hineinlaufen, sind wir von Gott bereits zum Wächterdienst berufen.
Ein Wächterdienst besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil ist es, “in den Riss zu treten”. Das bedeutet: Fürbitte zu tun für diese Menschen. Für sie zu beten, dass sie die Wahrheit erkennen und dem Schwert, das drohend über ihnen hängt, entfliehen können. Der zweite Teil ist der Wächterruf. Er besteht darin, dass wir diesen Menschen in Liebe aber mit klaren, deutlichen Worten erklären, welch ein Damoklesschwert über ihren Köpfen hängt, gar nur noch an einem seidenen Faden befestigt, der jederzeit reißen kann. Es ist unser Auftrag, ihnen dies klar zu machen, denn Gott hat uns zum Wächterdienst berufen. Man kann es aber auch Kain nachmachen, der fragte: “Bin ich denn meines Bruders Hüter?” Ja, du bist es. Ich bin es. Wir alle sind vor Gott füreinander verantwortlich. Wir dürfen es nicht auf die leichte Schulter nehmen, dass Gott uns mitteilen lässt: Wenn wir nicht ins Horn stoßen und deutlich machen, dass ein Unheil droht, so sind wir an diesem Unheil mitschuldig geworden. Sei mutig und geh voran als Wächter im Namen des HERRN!