Je suis moi-même – ich bin ich selbst!

Erst ist man „Charlie“, etwas später ist man „Niger“, dann ist man auch noch „Juif“ und plötzlich ist man jede Woche etwas Neues. Zunächst mal so viel: Es ist wichtig, dass man sich mit den Dingen auseinandersetzt, die Tag für Tag in der Welt geschehen. Gerade als Christ habe ich den Auftrag: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden!“(Römer 12, 15) Das ist ein ganz dringender Auftrag, ein Befehl Gottes, der an mich persönlich gerichtet ist. Mich berührt es deshalb zutiefst, wenn ich vom Pariser Attentat oder dem Terror durch Boko Haram oder die Verfolgungen und Brandstiftungen im Niger lese. Das geht mir nahe.
Und ich bin gerade deshalb, weil es mir nahe geht, auch schnell versucht, Solidarität ausdrücken zu wollen. Das geht ganz schnell, indem ich mein Profilbild auf Facebook wechsle und den Hashtag „#JeSuisCharlie“ benutze. Dann gehöre ich auch dazu. Dann darf ich mich zu der großen Menge der Empörten zählen. Dann hab ich was Gutes getan, ich bin ein Held, ich kämpfe gegen das Unrecht. Ich habe „meine Stimme erhoben“.
Täglich bekomme ich im Schnitt etwa zwei bis drei eMails, die von mir wünschen, dass ich eine Petition unterschreibe. Ich habe im Thunderbird inzwischen einen Spezialordner eingerichtet, in dem alle Online-Petitionen via Schlagwortsuche automatisch abgelegt werden. Etwa einmal im Monat überfliege ich die Themen der Petitionen und lasse rund 99% davon im Mülleimer landen. Man darf sich jetzt über mich aufregen, das ist ok. Wer ein Ventil braucht, um seine Wut verdampfen zu lassen, darf auch die Kommentarfunktion meines Blogs nutzen. Allerdings werden Hasstiraden etwa in ähnlichem Abstand wie der Petitionsordner aussortiert.
Ich glaube, Emotionen sind etwas ganz Wichtiges, Wertvolles, Gottgewolltes. Ein Geschenk, das es wert ist, dass wir es hüten und pflegen. Und dazu zähle ich nicht nur die „positiven“ Emotionen. Auch Zorn ist etwas durch und durch Gottgewolltes – genauso wie die Freude auch. Zorn ist eine ganz wichtige – und nur zu häufig vernachlässigte – Eigenschaft Gottes. Gottes Zorn richtet sich gegen die Sünde. Gott hasst die Sünde und deshalb ist Er zornig auf die Sünde. So zornig, weil uns die Sünde von Ihm trennt. Weil sie uns hässlich macht in Gottes Augen. Weil sie uns zerstört.
Und wegen dieser Sünde, die uns hässlich und kaputt macht, ist Jesus Christus auf die Welt gekommen. Er war ebenso zornig auf die Sünde. So zornig, dass Er eine Peitsche aus Seilen machte und damit die Leute aus dem Tempel verjagte, die mit der Sünde der anderen Menschen ein großes Geschäft machten. Der grausame Tod Jesu am Kreuz von Golgatha hat uns in Gottes Augen wieder sauber und schön gemacht. Wenn wir zu Jesus Christus gehören, dann sieht Gott – wenn Er uns anschaut – nicht uns sündige Menschen, sondern Er sieht Jesus Christus. Weil wir in Jesus Christus verborgen sind.
Und deshalb glaube ich, dass Zorn etwas Heiliges ist. Ich meine damit nicht die Wut im Bauch, wenn man neidisch zusieht, wie der Nachbar schon wieder ein neues Auto in der Garage hat. Heiliger Zorn ist eine Antriebsfeder, die uns dazu bringen soll, gegen die Sünde in der Welt zu kämpfen. Als Christen kämpfen wir vor allem mit dem Evangelium gegen die Sünde. Gottes Reich wird dort gebaut, wo Menschen das Evangelium von Jesus Christus hören und zum Glauben kommen. Dort, wo immer mehr Menschen zum Glauben kommen und sich bewusst unter den Gehorsam unter Gottes Wort stellen, nimmt auch in der ganzen Umgebung die Sünde ab. Zeiten der Erweckung werden zum Beispiel dadurch charakterisiert, dass viel weniger Alkohol getrunken wird und es deshalb weniger Schlägereien und Unfälle gibt. Wo immer mehr Menschen zum Glauben kommen, nimmt die Zahl von Ehescheidungen, von Prostitution und Abtreibung automatisch ab. So breitet sich Gottes Reich durch das treue Verkündigen des Evangeliums aus. Das ist die echte Art der biblischen Gesellschaftstransformation.
Immer mehr Gemeinden kommen jedoch davon ab und versuchen, als Gemeinde Politik zu machen. Das ist nicht biblisch, weil es nicht die primäre Aufgabe der Gemeinde ist, Politik zu treiben. Es ist natürlich die Aufgabe der einzelnen Gemeindeglieder, die in der Politik tätig sind (oder werden möchten), nach biblischen Maßstäben fürs Zusammenleben in der Gesellschaft zu suchen. Das ist die indirekte Art der Gesellschaftstransformation, die aber nicht der Gemeinde als solcher gegeben ist.
Ok, zurück zu Charlie Hebdo und Co. Ich glaube, wie gesagt, dass echter Zorn etwas Heiliges ist, was uns antreiben sollte. Und hier möchte ich meinen Zorn nicht durch ein billiges Substitut ersetzen. Ich meine das so: Ich könnte mein Profilbild wechselb und mich in die riesige Masse der Charlie-Hebdos begeben. Dann habe ich etwas getan. Ich habe einen Einsatz gebracht. Ich habe meine Stimme erhoben. Ich fühle mich wieder gut (oder zumindest besser), weil mein Zorn ein Ventil gefunden hat. Aber mein Zorn gegen die Sünde, die unsere Welt beherrscht, möchte ich nicht für einen Teller des Linsengerichts verscherbeln. Er ist mir heilig. Er soll mich anspornen, soll meine Antriebsfeder sein, um in dieser Welt mehr zu bewegen. Ich hege und pflege ihn. Deshalb bin ich nicht Charlie. Ich bin immer noch ich selbst. Und das ist gut so.
Ich glaube, dass es mit der politischen Einflussnahme mancher Gemeinden ähnlich verhält. Das Evangelium treu zu verkünden bringt keine schnellen Erfolge. Manchmal braucht es Jahre und Jahrzehnte, bis man etwas sehen kann. Aber diese langsamen Erfolge sind erwiesenermaßen größer und wertvoller. Sie bleiben für die Ewigkeit. Das ist es, wofür mein Herz brennt und wofür mein heiliger Zorn gepflegt werden soll.

Leave a comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Ich stimme zu