Monday Humor: Lutheranerin fühlt sich mit Martin Luther verheiratet

Monday Humor, Leipzig. Die Lutheranerin Katharina von Bother hat sich nun geoutet, sie fühle sich mit dem Reformator Martin Luther verheiratet. Die in der nähe von Leipzig lebende und seit acht Jahren verwitwete Frau hat deshalb eine gerichtliche Auseinandersetzung begonnen, nicht nur den Namen des Mannes annehmen, sondern auch das Grab des Reformators von der Schlosskirche Wittenberg nach Leipzig überführen zu dürfen. Im Interview erklärte sie: „Ich bin einfach im falschen Körper geboren. Nicht nur das, sondern auch das Jahrhundert habe ich total verfehlt, in das ich eigentlich gehörte. Deshalb ist es nur gut und billig, dass in meinem Fall die Krankenkasse alle notwendigen Kosten übernehmen muss.“ Und auf die Frage, was ihre nächsten Schritte sein werden, antwortete sie: „Da meine Krankenkasse bisher nicht bereit ist, meinen Wünschen zu entsprechen, werde ich mit Hilfe meiner Seelsorger und des Anwalts Lutt Herr-Aner auf die Bezahlung und einen Schadensersatz klagen. Da ich mit meinen 79 Jahren nicht mehr die Jüngste bin, werde ich leider auch nicht mehr allzu lange das Vergnügen haben, mit meinem richtigen Mann zusammenzuleben.“

Zum Reformationsjahr #1: Was machen wir mit Martin Luther?

Von der Lutherphobie bis zur Lutherphilie finden sich in der medialen Welt viele Extreme, wie mit dem Leben und Werk Martin Luthers umgegangen wird. Besonders das Reformationsjahr und die ganze Lutherdekade bietet viel Stoff und viel Gelegenheit, um den Reformator für alle möglichen und unmöglichen Zwecke zu vereinnahmen. Es ließe sich bestimmt eine ganze Menge grüner Energie produzieren durch die Drehbewegung, die Luther machen müsste, wenn er sich noch im Grabe befände, ob all des Unsinns, der heutzutage über ihn oder in seinem Namen verbreitet wird. Aber wie kann man objektiv und unaufgeregt mit dem umgehen, was Luther gesagt und geschrieben hat?
1. Context is King!
Wenn man Luthers Werk ansieht, wird man von der Menge schier erschlagen. Die größte Gesamtausgabe seiner Werke umfasst 127 Bände, die sogenannte Weimarer Ausgabe. Ebenso viele Jahre hat die Fertigstellung dieser umfassenden Ausgabe in Anspruch genommen. Sein Leben war von vielen Kontroversen geprägt, wodurch er sich nach allen Seiten hin gegen eine fälschliche Vereinnahmung wehren musste. Gegen die Papisten Roms, die ihn zurück in den Mutterschoß der Kirche führen wollten, gegen den Humanisten Erasmus von Rotterdam, gegen die Vertreter der Bauernaufstände, die mit der christlichen Freiheit argumentierten, um ihr gewalttätiges Treiben gegen die Grundbesitzer zu rechtfertigen, gegen die sogenannten „Schwärmer“, die schon eine Art frühe Vertreter der Bibelkritiker waren, oder auch gegen andere Reformatoren wie Huldrych Zwingli, dessen Verständnis vom Abendmahl Luther zu symbolisch war. Hier wird jeder irgendwo Sätze finden, denen er – aus dem Kontext gerissen – zustimmen kann. Deshalb ist es enorm wichtig, immer genau darauf zu achten, wann, an wen und unter welchen Umständen was geschrieben wurde. Es ist deshalb auch schwierig, Luther späte Veränderungen seines Charakters oder seiner Ansichten unterzuschieben. Wer sich etwa mit der frühen Römerbrief-Vorlesung von 1515 – 1516 befasst, wird erstaunt, wie sehr Luther dann schon Reformator ist.
2. Semper reformanda!
Einer der Grundsätze der Reformation ist, dass die Kirche oder Gemeinde ständig erneut reformiert werden muss. Dabei bedeutet „reformieren“ immer: Zurückbringen zur Bibel als Gottes Wort! Zurück zu den Quellen! Dass alle menschlichen Aussagen und Bekenntnisse Stückwerk sind und deshalb auch immer neu an der Schrift gemessen werden müssen, ist dem Reformator nur allzu sehr klar. Doch er weiß: Der Mensch braucht zwingend den festen Boden der Heiligen Schrift, der ganzen Bibel, weil er sonst dazu verdammt ist, sich selbst und den jeweiligen Zeitgeist zum Prüfstein zu machen. Wie das herauskommt, zeigt die Geschichte des 3. Reiches mit den „Deutschen Christen“ nur allzu gut. Davor schützt einzig und allein das Ernstnehmen der Offenbarung Gottes in der gesamten Bibel. Diese muss nicht herausgearbeitet werden, sondern ist in jedem Buch, jedem Satz, jedem Wort und jedem Buchstaben der Bibel zu finden. Wir müssen deshalb keineswegs in allem mit Martin Luther einverstanden sein. Die Frage ist einzig: Was sagt Gottes Wort, die Bibel, dazu? Luther würde selbst auch gar nicht wollen, dass wir seine Worte zur „norma normans“ machen, also zum Maßstab, um daran die Wahrheit zu messen. Er sagt nur: In allem, worin Ihr mich überzeugen wollt, gilt allein die Heilige Schrift, und diese, indem sie sich selbst auslegt.
3. Dankbarkeit!
Nicht zuletzt dürfen wir einfach dankbar sein. Dankbar für Martin Luther, der standhaft blieb und sich von Gott gebrauchen ließ. Mit allen Ecken und Kanten. Mit allem, was er in seinem Leben erlebt und erreicht hat. Und ich möchte auch hinzufügen: Dankbar, dass er nicht perfekt war. Denn das macht Hoffnung. Es macht Hoffnung, dass Gott auch weitere unperfekte Gefäße gebrauchen kann und will. Es macht Hoffnung, dass wir nicht erst ewig warten müssen, bis ein zweiter Martin Luther geboren wird. Egal wie dunkel die Zeit erscheinen mag, Gott hat Menschen vorbereitet, die Seine Botschaft treu weitergeben. Unter allen Umständen und zu jedem Preis.

Die Feuerschreiber – ein historischer Roman von Claudia Schmid

Schmid, Claudia, Die Feuerschreiber: Martin Luther und Philipp Melanchthon. Historischer Roman, Fontis Verlag Basel, 2016. Amazon-Link
Ich habe mich nun mal in ein Genre hineinbegeben, das ich sonst eigentlich eher meide: Historische Romane. Warum ich dieses meide? Mir ist die Mischung aus Recherche und Fiktion suspekt. Muss ich ehrlich zugeben. Da haben mich solche Romane, die ich vor langer Zeit mal gelesen habe, abgeschreckt; es ist dann nämlich oft so, dass die Recherche durch die Phantasie der Autoren ersetzt wird und der tatsächliche historische Inhalt ungefähr dem entspricht, was auf Wikipedia zu finden ist. Aber nun habe ich mich – dank eines Gewinns des Buches (herzlichen Dank an den Blog „Bücher ändern Leben“, an die Autorin und an den Fontis-Verlag) einen neuen Versuch gewagt – und bin begeistert.
Hier ist nun mal ein historischer Roman, wo man das Gefühl bekommt, dass sich die Autorin wirklich viel Mühe mit den Recherchen gibt und sich zugleich auch gut in die Charaktere hineinversetzen kann. Natürlich sind die meisten Unterhaltungen und auch einige der Nebencharaktere frei erfunden. Dennoch muss ich der Autorin für das Verstehen und schriftstellerisch praktische Umsetzen der Theologie der Reformatoren ein großes Lob aussprechen. Ein kleines Beispiel: “Ja, der Mensch in seiner Vermessenheit wollte sein wie Gott. Mit dieser Anmaßung kam das Böse in die Welt, es brachte den Teufel ins Spiel, der mit Gott um die Herrschaft über die Menschen rang. Aber der gnädige Gott eröffnete in seiner Weisheit einen Weg für die Gläubigen. Denn er liebte die Menschen so sehr, dass er seinen Sohn für sie opferte. Der Glaube an die Erlösungstat des Heilands, an seinen Tod und an seine Auferstehung schenkt Erlösung. Gottes Liebe steht über allem!”(S. 59) Man kann sich jetzt über die exakte Formulierung natürlich trefflich streiten, aber alles in allem finde ich es gut ausgedrückt.
Ich möchte das Buch besonders zwei Gruppen von Menschen empfehlen: Erstens jenen, welche gerade erst beginnen, sich mit der Geschichte der Reformation zu beschäftigen. Jenen empfehle ich, es nicht bei diesem einen Buch zu belassen. Es gibt zahlreiche weitere Literatur, die sich mit der Biographie und Theologie der Reformation beschäftigt. Die zweite Gruppe betrifft Menschen, die sich bereits eingehend mit der Reformation befasst haben, und sich einfach mal entspannt einem Buch hingeben möchten, das sie auch emotional in die damalige Welt mit ihren Sorgen, Nöten, Ängsten und Diskussionen hinein begeben wollen. So war es für mich persönlich. Das Buch hat mich erneut für die fünf „Solae“ der Reformation begeistert und ermutigt, trotz allem Widerstand und all der Irrlehren, die in unseren Tagen umgehen, weiter dran zu bleiben und Gottes Wort, die Bibel, treu zu predigen.

 

Fürchte Dich nicht… …vor dem Fehler machen

Immer wieder fällt mir auf, wie viele Menschen zurückhaltend sind, am liebsten schweigen, sich bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wollen. Aus Angst. Angst, sie könnten damit einen Fehler machen. Angst, sie würden damit Gott enttäuschen. Angst, sie würden nicht mehr ernst genommen. Angst, einen „Shitstorm“ auszulösen. Ein paar Gedanken dazu.
Jeder von uns wird immer wieder Fehler machen.
Wenn jemand an einen Unfall heranläuft, gibt es nur einen Fehler: Nichts zu machen. Wer keine Ausbildung in der Rettung hat, kann für Fehler nicht belangt werden. Wenn etwas passiert, was dem Verunfallten zusätzlich Schaden zufügt, so ist der Ersthelfer immer auf der sicheren Seite. Es ist natürlich ein Unterschied, wenn vorsätzlich Schaden zugefügt wird, aber davon gehen wir ja nicht aus. Wer hilft, möchte Leben retten. Und so ist es da gesetzlich geregelt, dass Ersthelfer nicht belangt werden können. Das Schlimmste, was man machen kann, ist nichts zu machen, aus Angst, etwas falsch zu machen. Seien wir ganz ehrlich: Jedem wird es immer wieder passieren, dass wir Fehler machen. Manchmal gibt es auch Situationen, wo wir uns nur zwischen schlechten Wahlmöglichkeiten entscheiden können. Das ist in unserer gefallenen Welt etwas ganz Normales. Damit müssen wir klarzukommen lernen. Wer das nicht einsehen will, verweigert sich der Realität. Auch in solchen Momenten ist es wichtig, dass wir irgend eine Entscheidung treffen und daran festhalten. Das Schlimmste ist, wenn wir nichts tun, weil dann wird die Entscheidung doch getroffen – aber nicht von uns selbst, sondern von den Umständen. In solchen Momenten ermutigt uns Martin Luther mit seinem Wort, das er schon 1521 seinem Freunde Melanchthon schrieb: „Sündige kräftig, aber glaube noch kräftiger.“ Wenn wir uns nur zwischen schlechten Möglichkeiten entscheiden können, so sollen wir nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung treffen und dies im Glauben an den Gott, der größer ist als unsere Entscheidungen.
Gott ist immer noch größer.
Das führt mich zu einem zweiten Gedanken. Es geht bei der Freiheit des Christen nicht darum, dass wir tun und lassen sollen, was uns gerade einfällt. Freiheit bedeutet nicht nur von etwas befreit zu werden, sondern vor allem zu etwas. Christus befreit uns von unserm Selbst. Vom Kämpfen um ein Selbst-Wertgefühl. Vom Stolz auf sich selbst und was man schon alles erreicht hat. Von der Selbst-Überhebung, mit der man sich besser fühlen will als der andere. Gott ist das Zentrum des Christen, weshalb dieser sich selbst verleugnen muss, damit er aufhört, um sich selbst zu drehen. Selbstverleugnung bedeutet, sich selbst zu sterben. Sich bewusst zu werden, dass man es nicht schafft. Dass man Jesus braucht. Dass man die Kraft der Auferstehung und ein neues Herz nötig hat, um Gott und seinen Nächsten zu lieben. Und da merken wir: Gott ist größer. Es geht nicht so sehr um uns selbst, es geht um Ihn. Gott ist größer als all unsere Fehler. Er ist so groß, dass Er unsere Fehler schon kennt, bevor wir sie begehen. Er ist so groß, dass Er unsere Fehler nutzen kann, um Geschichte zu schreiben. Das bedeutet nun keinesfalls, dass wir unsere Entscheidungen auf die leichte Schulter nehmen sollen. Es bedeutet aber, dass wir im Fall eines Falles wissen dürfen, dass unser Gott immer noch größer ist. Er wird nicht von uns enttäuscht oder überrumpelt von unseren Fehlern. Joseph wurde von seinen Brüdern verkauft und kam so nach Ägypten. Gott gebrauchte diese schreckliche Sünde, um damit Weltgeschichte und Heilsgeschichte zu schreiben und eine ganze Gegend in der Hungersnot zu bewahren.
Werdet wie die Kinder.
Wenn ich unseren Sohn beim Wachsen und Lernen zuschaue, so freue ich mich immer über alles Neue, was er lernt. Zur Zeit ist er immer wieder dabei, neue Wörter zu testen und zu lernen. Kinder lernen sehr leicht, weil sie sich keine Gedanken über Fehler machen müssen. Sie freuen sich, wenn sie was sagen können und besonders wenn sie auch noch verstanden werden. Wir dürfen auch hier von den Kindern lernen. Mir ist das Lernen von Sprachen schon immer recht leicht gefallen, weil ich da wenig Hemmungen habe, Fehler zu machen, korrigiert zu werden und daraus zu lernen. Korrektur ist nichts Schlechtes, sie ist nichts, dessen wir uns schämen müssen. Sie ist notwendig für jeden von uns. Leben ist lernen. Lernen bedeutet Fehler zu machen und zu korrigieren.

Die Ehe – ein „weltlich Ding“?

Wenn wir Martin Luthers Rede von der Ehe als ein „weltlich Ding“ verstehen wollen, so müssen wir zuerst einen Blick in die Ehe- und Familienlehre des Mittelalters werfen.
Als das Christentum mit der so genannten „konstantinischen Wende“ unter Kaiser Konstantin dem Großen legalisiert und dann unter Kaiser Theodosius dem Großen im Jahre 380 nach unserer Zeitrechnung zur Staatsreligion erhoben wurde, hatte dies einen großen Einfluss auf die damalige Familienpolitik. Seit Konstantin wurde das Scheidungsrecht stark eingeschränkt: Scheiden lassen durfte man sich nebst dem Ehebruch nur noch, wenn der Ehepartner ein Mörder war, Zauberei oder Grabschändung betrieb.1
Konstantin wird zumeist noch in die römische Spätantike angesiedelt. Er hatte seinen Regierungssitz an das altgriechische Byzantion verlegt, und benannte es in Konstantinopel um. Heute heißt dieser Ort Istanbul. Danach wurde das römische Reich aufgeteilt. Das weströmische Reich ging im Zuge der Völkerwanderung gegen Ende des 5. Jahrhunderts unter. Durch Missionierung wurden auch die neu zugewanderten germanischen Völker christianisiert.
Das Mittelalter kennt drei unterschiedliche Konzepte von Familie. Zunächst das verwandtschaftliche Konzept, nach welchem die Familie die Menge aller Menschen ist, die miteinander verwandt oder verschwägert sind. Im Mittelalter hat die Verwandtschaft starke Bande geknüpft, auf die man sich verlassen konnte. Zugleich behielt die Familie auch weiterhin die Bedeutung des römischen „Domus“, also des Hauses, und meinte damit Besitz und Bewohner eines Hauses unter der Aufsicht des Familienvaters. Eine dritte Bedeutung kam dem explizit christlichen Begriff der „geistlichen Familie“ zu. Hier kam zu den bisherigen Bedeutungen der Familie auch die neue Verwandtschaft durch die Gemeinde hinzu, insbesondere der Taufpaten im Falle der seit dem Beginn des Mittelalters häufigen Kindertaufe. Michael Mitterauer schreibt dazu:
Die Taufpatenschaft ist keineswegs eine urchristliche Institution. Sie entstand aus der Bürgschaft, die Mitglieder der christlichen Gemeinden für Erwachsene abgeben mussten, die durch die Taufe aufgenommen werden wollten. Bei Kindern christlicher Eltern war eine solche Zeugenschaft nicht erforderlich. Dafür musste bei der Taufe von Säuglingen eine erwachsene Person stellver-tretend für sie sprechen. Zunächst waren das Vater und Mutter. Seit dem vierten Jahrhundert verschmolzen die beiden Formen in der Taufliturgie. Auch bei Kleinkindern wurden Bürgen herangezogen, die jedoch nicht – wie bisher bei der Erwachsenentaufe – für das Vorleben der Täuflinge einzustehen hatten, sondern verpflichtet waren, für eine christliche Erziehung der Kinder zu sorgen.“2
So wurden auch die Taufpaten bald zu den „Eltern“ dazu gezählt und waren mit verantwortlich für die Erziehung.
Die Ehelehre des Mittelalters war stark durch den Kirchenvater Augustinus von Hippo beeinflusst. In seiner Schrift „De bono conjugali“ („Vom Gut der Ehe“) legt er seine wichtigsten Grundlinien der Ehelehre dar. Er fragt sich zunächst, weshalb die Ehe denn ein Gut sei, und antwortet:
Und sie scheint mir ein solches nicht nur zu sein wegen der Zeugung von Kindern, sondern gerade auch wegen der von Natur aus gegebenen Gemeinschaft in einer Unterschiedlichkeit des Geschlechts.“3
Auch wenn Augustinus die Ehe in erster Linie als den Ort sieht, an welchem Kinder gezeugt und erzogen werden, ist dies doch nicht der einzige Grund für die Ehe. Er hat auch kein Problem damit, dass die ausgelebte Sexualität innerhalb einer Ehe nicht nur für die Zeugung von Kindern genutzt wird.4Ein weiteres wichtiges Gut der Ehe ist die Treue. Hierzu führt er die Aussage Pauli an, dass in der Ehe niemand sich selbst, sondern beide einander gegenseitig gehören.5Für Augustinus ist die Ehe ein Bund, ein Sakrament, und deshalb unauflöslich. Der Bund der Ehe bleibt für ihn bestehen – außer im Fall von Ehebruch oder Tod.6
Dieses augustinische Eheverständnis war für das gesamte Mittelalter maßgeblich. Auch die Reformatoren schlossen sich dem an. Martin Luther war ein Augustinermönch, und auch der Genfer Reformator Johannes Calvin war ein ausgezeichneter Augustinuskenner, was sich in seinen Schriften deutlich niederschlug. Auch wenn man Luther gern mit der Ehe als „weltlich Ding“ in seinem „Traubüchlein“ zitiert, wird dabei oft der Zusammenhang vergessen:
Demnach, weil Hochzeit und Ehestand ein weltlich Geschäft ist, gebührt uns Geistlichen oder Kirchendiener nichts, darin zu ordenen oder regieren, sondern lassen einer iglichen Stadt oder Land hierin ihren Brauch und Gewohnheit, wie sie gehen.“7
Bereits im nächsten Abschnitt berichtigt Luther seine Leser, dass damit lediglich die äußere Form der Trauung gemeint ist:
Weil man denn bisher mit den München und Nonnen so trefflich groß Gepränge getrieben hat in ihrem Einsegenen, so doch ihr Stand und Wesen ein ungöttlich und lauter Menschengeticht ist, das keinen Grund in der Schrift hat, wieviel mehr sollen wir diesen göttlichen Stand ehren und mit viel herrlicher Weise segenen, beten und zieren? Denn ob’s wohl ein weltlicher Stand ist, so hat er dennoch Gottes Wort für sich und ist nicht von Menschen ertichtet oder gestiftet wie der Münche oder Nonnen Stand, darumb er auch hundertmal billicher soll geachtet werden denn der klösterliche Stand, welcher billich der allerweltlichst und fleischlichst soll geachtet werden, weil er aus Fleisch und Blut und allerdinge aus weltlicher Witze und Vernunft erfunden und gestift ist.“8
Hier wird klar, dass auch für Martin Luther die Ehe von Gott und nicht als „weltlich Ding“ gestiftet wird. So war also Augustinus mit seiner Ehelehre für die Zeit des Mittelalters und auch die Reformation prägend. Luther schloss sich Augustinus an und sagte lediglich, dass die örtlichen Bräuche einer Eheschließung ein „weltlich Ding“ sind. Wenn jetzt also der Staat sagt, dass die Ehe standesamtlich festgehalten werden soll, so ist das etwas, wogegen wir nicht aufbegehren müssen, denn dieser Brauch ist laut M. Luther „ein weltlich Ding“. Was aber eine Ehe ist (und was keine Ehe ist), das ist auch nach ihm keinesfalls ein weltlich Ding, denn Gott hat die Ehe geschaffen und definiert sie somit auch. 
 
1Siehe Saar, Stefan Chr., Ehe – Scheidung – Wiederheirat, S. 74

2Mitterauer, Michael, in: Gestrich / Krause / Mitterauer, Geschichte der Familie, S. 187

3Augustinus, Aurelius, On the Good of Marriage, in: Schaff, Philip, Nicene and Post-Nicene Fathers, Series I, Volume 3, Abschnitt 3, S. 585, Übs.: JE

4Ebd., Abschnitt 12, S. 593

5Ebd., Abschnitt 4, S. 586

6Ebd., Abschnitt 7, S. 589

7BSLK, S. 528

8BSLK, S. 529
Große Teile dieses Texts erschienen zunächst in meiner Auseinandersetzung mit dem EKD-Familienpapier (S. 25 – 27). Für diesen Beitrag wurde Einzelnes leicht angepasst und ergänzt.

Ecclesia semper reformanda est – Gedanken zu einer verratenen Reformation

Heute feiern wir den Reformationstag. Dass dieser in unserer nachchristlichen Zeit und Kultur noch gefeiert wird, hinterlässt einen etwas bitteren Nachgeschmack. Vor 494 Jahren ist ein Mann namens Martin Luther aufgestanden und hat sich gegen den damaligen Mainstream gestellt. Dies konnte ihn damals Kopf und Kragen kosten, dennoch war er bereit dazu, für Gottes Wort alles zu riskieren. Er hat radikal für die Wahrheit gekämpft, hat für sie alle Sicherheiten seines gesicherten Lebens als Augustinermönch und Dozent der Theologie aufgegeben. Er hat den ganzen römischen Mainstream mit all seinen Falschlehren unter die Lupe genommen und dagegen die Wahrheit der Heiligen Schrift gesetzt. So schrieb er 1520 in dem Brief „An den christlichen Adel deutscher Nation“ sehr klare Worte:

Die Romanisten haben drei Mauern mit großer Behendigkeit um sich gezogen, womit sie sich bisher beschützt, dass niemand hat können reformieren, wodurch die ganze Christenheit greulich gefallen ist. Zum ersten: Wenn man hat auf sie gedrungen mit weltlicher Gewalt, haben sie gesetzt und gesagt, weltliche Macht habe nicht Recht über sie, sondern wiederum: geistliche sei über die weltliche. Zum andern: hat man sie mit der Heiligen Schrift wollen strafen, setzen sie dagegen, es gebühre die Schrift niemand auszulegen denn der Papst. Zum dritten: dräuet man ihnen mit einem Concilio, so erdichten sie, es könne niemand ein Concilium berufen denn der Papst. Also haben sie drei Ruten uns heimlich gestohlen, dass sie mögen ungestraft sein, und sich in sichere Befestigung dieser drei Mauern gesetzt, alle Büberei und Bosheit zu treiben, die wir denn jetzt sehen. Und ob sie schon ein Concilium mussten machen, haben sie doch dasselbe zuvor dasselbe matt gemacht damit, dass sie die Fürsten zuvor mit Eiden verpflichteten, sie bleiben zu lassen, wie sie seien, dazu der Papst volle Gewalt gegeben über alle Ordnung des Concilii, also dass gleich gilt, es seien viel Concilia oder keine Concilia, abgesehen davon, dass sie uns nur mit Larven und Spiegelfechten betrügen. So gar greulich fürchten sie für ihre Haut vor einem rechten, freien Concilio und haben damit Könige und Fürsten schüchtern gemacht, dass sie glauben, es wäre wider Gott, so man ihnen nicht gehorche in allen solchen schalkhaften, listigen Spuknissen.“

Zum Einen lässt sich rückblickend sagen, dass sich bei den „Romanisten“ seither nicht wirklich etwas geändert hat. Zwar ist es dem römisch-katholischen Gläubigen inzwischen erlaubt, die Bibel auch als Laie selbst zu lesen und ebenso ist es erlaubt, von Anhängern anderer Denominationen als „Brüder“ zu sprechen. Dennoch ist das Papstprimat und die Macht der „Concilia“ ungebrochen. Kein Wunder, denn das gesamte Lehrgebäude (und damit die Institution) der Römisch-Katholischen Kirche steht auf diesem Fundament. Die Katholische Kirche baut ihre gesamte Lehre auf diesen beiden Fundamenten auf und das wird sich nie ändern können. Somit ist auch die gesamte Ökumene mit den „Romanisten“ ein einziger Hohn gegen alles, was die Reformatoren gesagt und getan haben. Ein Verrat an der Reformation ohnegleichen.

Zugleich muss man festhalten, dass die von Luther entlarvte Strategie der drei Mauern in unserer Zeit in einem anderen Kontext wieder entdeckt werden kann. Das, was Luther den „Romanisten“ vorgeworfen hat, geschieht seit über 250 Jahren in der historisch-kritischen Theologie, ja, nicht nur da, sondern in der gesamten aufklärerischen Philosophie und Geschichts(neu)schreibung genauso. Man setze für „Papst“ das Wort „Verstand“ ein und lese obigen Text erneut. Für „Concilium“ kommt „Publikation“ und schon ist man dabei, die aufklärerischen Versuche der Bibelverfremdung zu demaskieren. Mit eben dieser Strategie lässt sich jede beliebige Diktatur durchsetzen, sie sei „romanistisch“, „absolutistisch“, „aufklärerisch“ oder „tolerant“.

So bleibt zum Schluss nur noch eine Frage. Ecclesia semper reformanda est, die Kirche muss immer reformiert werden. Wir brauchen auch heute wieder Männer und Frauen, die mit den prophetischen Worten eines Martin Luther aufstehen:

Überzeugt mich mit den Zeugnissen der Heiligen Schrift, oder mit öffentlichen, klaren und hellen Gründen, also mit den Bibelworten und Argumenten, die von mir beigebracht worden sind. Denn die Autorität von Papst und Konzilien allein überzeugt mich nicht, da sie offenkundig oft geirrt und gegen Schrift und Vernunft gestanden haben. Nur wenn mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, will ich widerrufen. Denn es ist nicht geraten, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“ (Quelle)