Verschwende nicht – deine Fragen!

 

Vor einem guten Jahrzehnt gab es für viele junge Menschen den Leitspruch „Don‘t waste your life!“ Verschwende nicht dein Leben! Inzwischen hat sich eine Menge verändert. Junge Menschen haben vielfach gelernt, Entscheidungen zu treffen und ein verantwortliches Leben zu leben. Im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gibt es eine andere Not:

Ich glaube, die größte Weisheit dieser unserer Zeit besteht darin, gute Fragen von weniger guten Fragen unterscheiden zu können.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht deine Fragen!

Was meine ich damit?

Es geht nicht darum, dass wir bestimmte Fragen unterdrücken, verbieten, verdrängen sollen. Absolut nicht. Es gibt keine falschen Fragen, solange sie ernst (und nicht einfach nur rhetorisch gemeint sind). Es gibt keine verbotenen Fragen.

ABER

Es gibt Fragen, die es mehr wert sind als andere, dass wir sie stellen, ihnen nachgehen und nach Antworten suchen.

Darum geht es mir.

Wir leben in einer Zeit, in welcher man sich an Fragen bis zum Gehtnichtmehr vollfressen kann. Jede und jeder wird beständig mit unzähligen Fragen bombardiert. Und lasst uns ehrlich sein: Fragen kosten. Sie kosten Zeit, Kraft, Aufmerksamkeit, Ausdauer, Geduld, und vieles mehr.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht (länger) deine Fragen!

Wie machen wir das praktisch?

Es gibt dazu sehr viel zu sagen. Man könnte Bücher damit füllen, glaube mir. Die Schwierigkeit bei Fragen ist oftmals die, dass es nicht so eine klare, einfache Richtlinie gibt. Wie gesagt, es geht nicht um richtige und falsche oder um erlaubte und verbotene Fragen. Es geht viel mehr um bessere, um wertvollere Fragen und weniger gute.

Schauen wir noch einmal zurück: Vor einem guten Jahrzehnt war die Ausgangslage eine andere. Es war schon damals eine Informationsflut. Aber viele der Informationen kamen in einem längeren Kontext. Sie kamen aus Onlineforen, längeren Blogposts, ganzen Fernsehsendungen, häufig längeren YouTube-Videos und vielem mehr.

Was jetzt anders ist: Microblogging und Microvideoing und Instagramming hat Kurzformate gepusht. TikTok ist zur neuen Bibel- und Denkschule geworden. YouTube gibt es immer noch, aber die durchschnittliche Länge von Content hat abgenommen. Twitter hat Kurznachrichten gepusht. Instagram hat zunächst Bilder, dann Kurztexte und Kurzvideos gepusht.

Vergiss nicht: All das ist nicht schlecht. Aber es verändert unser Denken. Es macht etwas mit uns. Wir alle verändern uns dadurch, wenn wir diese Medien nutzen.

Wenn du in diesen Medien (und ich habe viele ausgelassen) Erfolg haben willst, musst du dich kurz fassen. Du musst kürzen, verkürzen, Themen anreißen, Fragen anreißen. Ohne sie abschließend zu beantworten. Dafür taugen die Formate nicht.

Die Folge ist, dass du in wenigen Minuten scrollen, wischen, klicken, und so weiter, eine immense Anzahl von Fragen aufgetischt bekommst. Jeden Tag. Wenig Antworten, aber viele, viele Fragen. So viele Fragen, dass eigentlich jeder Mensch davon überfordert ist.

Was uns heute also stärker als vor zehn Jahren überfordert, ist also nicht mehr die Informationsflut, sondern die Fragenflut.

Don‘t waste your questions! Verschwende nicht deine Fragen!

Wie gesagt, es gibt viel dazu zu sagen, wie man Fragen von Fragen unterscheiden kann. Vermutlich werde ich im Laufe der Zeit noch mehr dazu schreiben. Hier zunächst einmal meine drei wichtigsten Überlegungen, die ich im Laufe der letzten Jahre dazu angestellt habe:

1. Wer darf dir Fragen geben?

Damit bin ich schon mitten im wichtigsten Thema drin. Deine und meine Zeit ist begrenzt. Deine und meine Kraft und Geduld und Denkfähigkeit und so weiter ist begrenzt. Also die Ressourcen, die für Fragen benötigt werden.

Wenn du diesen Blogpost bis hierher gelesen hast, lass mich dir ein großes DANKE sagen. Es ist ein Privileg, dass du mir so viel deiner Ressourcen schenkst. Und bei allen anderen ist es dasselbe. Nutze deinen Verstand und beschränke die Anzahl der Personen, von denen du dir solche Fragen stellen lässt. Ich schreibe dir nicht vor, dass du mich lesen sollst und bestimmte andere nicht. Das steht mir nicht zu.

Überlege dir, von wem du Fragen bekommst, durch die du gesegnet wirst. Die dir gut tun. Die Fragen stellen, die dich im Leben und im Glauben wirklich vorwärts bringen. Lieber doppelt so viel Zeit und Kraft in die richtige Richtung investieren, als überall hin.

2. Vermeide unehrliche Fragen

Es gibt ehrliche und unehrliche Fragen. Ehrliche wollen dich weiter bringen, unehrliche halten dich ab, halten dich klein, zerstören deinen Glauben. Doch wie können wir sie erkennen?

Unehrliche Fragen wollen dich entmündigen. Sie wollen dir vorschreiben, dass du zuerst auf eine gelehrte Stimme hören musst, um die Bibel verstehen zu können. Sie versuchen zu erklären, was davon alles nur ein Teil der frühen Kultur war und deshalb heute ungültig ist. Sie wollen dir weismachen, dass nur jemand mit der richtigen Ausbildung imstande ist, die Bibel richtig zu verstehen. Sie halten dich klein und unmündig.

3. Mach Pausen und denk richtig darüber nach

Die Fragenflut unserer Zeit wird schnell überwältigend. Selbst dann, wenn wir die ersten zwei Punkte einhalten und nur bestimmte Menschen uns Fragen aufdrängen lassen, über die wir nachdenken. Das Fruchtloseste, was du tun kannst, ist 50 Fragen zugleich im Hinterkopf zu wälzen. Egal wie gut und wie wertvoll die Fragen sind, Fragen (und auch Zweifel) sind etwas Gutes, weil sie uns dazu bringen wollen, dass wir gezielt darüber nachdenken und Antworten suchen.

Deshalb nimm dir immer wieder 2-3 Fragen, über die du gezielt nachdenkst und lass nicht locker (und keine neuen Fragen dazu kommen) bis du Antworten gefunden hast.

Was sind deine Tipps oder weitergehenden Fragen zum Umgang mit den vielen Fragen unserer Zeit?

Asoziale Medien, künstliche Dummheit und die Krise der Demokratie

Auf den ersten Blick könnte man meinen, die sogenannten „sozialen Medien“ würden die Demokratie stärken. Jeder, der möchte, kann sich anmelden, kann mitreden und am Dialog teilhaben, der da stattfindet. Vor diesen Medien war das Internet eine einseitige Sache: Wer es konnte, stellte Content online, andere konsumierten ihn. Austausch fand via Online-Formulare und e-Mail statt. Mailing-Listen und rudimentäre Online-Foren waren Vorläufer der Social Media.

Darauf folgten erste Content-Management-Systeme (CMS), die das Erstellen und Pflegen von Inhalten erleichterten und quasi jedem zugänglich machten. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Versuche mit Mambo (später Joomla!) vor 17 Jahren. In einem aufwendigen Backend lassen sich AddOns wie Gästebücher, Formulare, Foren, Bildershows und vieles mehr sowie eine komplexe Benutzerverwaltung mit verschiedensten Rechten einrichten. Aus solchen Websites entstanden Communities („Gemeinschaften“) von Menschen mit ähnlichen Zielen oder Interessen, welche dann wiederum durch Wachstum zu den „sozialen Medien“ mutierten.

Diese „Mutanten“ lassen sich heutzutage kaum noch aus dem Leben vieler Menschen wegdenken. E-Mails werden durch „Nachrichten“ oder „DMs“ ersetzt, man kann in Echtzeit sehen, wer was schon gelesen hat, man kann sich bei Inhalten bestimmter Freunde noch speziell informieren lassen, und vor allem: Man ist immer nah an den „Trends“. Algorithmen durchsuchen die Medien und informieren ständig über die Begriffe, die gerade häufig benutzt werden. Beiträge mit vielen Interaktionen werden besonders belohnt, indem sie an zentralen Stellen erscheinen und dadurch noch mehr Aufmerksamkeit erlangen.

Was nun aber automatisch passiert, ist Folgendes: Diese Algorithmen sind nämlich Teil der „Künstlichen Dummheit“ (naive Nasen nennen das auch „Künstliche Intelligenz“, aber dazu sind mir die Funktionsweisen jener Formeln und Programme zu simpel – auch wenn sie lernen können, aber auch der „Pawlowsche Hund“ lässt sich dazu konditionieren; der frühste Moment, in welchem ich bereit bin, etwas „Künstliche Intelligenz“ zu nennen, wäre dann, wenn sich das Programm aus ethischen Gründen weigert, den Befehl seines Programmierers auszuführen) was also diese Algorithmen in den Sozialen Medien machen, ist eine Selbstverstärkung, die zur Übersteuerung führt. Und weil in den „Sozialen Medien“ vor allem negative Schlagzeilen viel Aufmerksamkeit bekommen, funktionieren diese Algorithmen als Verstärker der negativen Schlagzeilen – man nennt das dann „Shitstorm“ – und so werden die „Sozialen Medien“ plötzlich zu asozialen Medien. Es wird nur noch der lauteste Wetterer bemerkt, und weil man sich in dem Gepfeife der Selbstverstärkung nur noch schreiend bemerkbar machen kann, versuchen immer mehr User, diese Medien mit lauten, polemischen und negativen Schlagzeilen zu füttern, um zu zeigen, dass sie auch noch da sind. Der Benutzer wird – gleich dem Pawlowschen Hund – zur Lautstärke und zur Polemik konditioniert.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, die sozialen Medien würden die Demokratie stärken. Für Länder mit Diktaturen ist das tatsächlich mitunter der Fall. Im freien Westen hingegen sind sie mitverantwortlich für eine Krise der Demokratie. Der größte Politclown unserer Zeit, Donald Trump, ist kein „Selfmade Man“, sondern ein „Socialmedia-made Man“, einer, der die gesellschaftszersetzende Wirkung der Social Media verstanden hat und sie auszubeuten weiß. Mit immer neuen absurden Tweets hält er seine Fans und Gegner beständig in Bewegung, Zustimmung und Ablehnung im richtig großen Maße. Er weiß, dass jeder Shitstorm, den er gegen sich selbst zu generieren weiß, nur Vorteile für ihn haben können. Sie halten ihn in aller Munde. „All PR is good PR“, weiß der Amerikaner.

Gerade die selbstverstärkende Funktion der sozialen Medien machen aus einem demokratischen Instrument ein demokratiegefährdendes Instrument. Jeder kann sich anmelden, jeder kann mitreden, das sind gute Eigenschaften. Aber Empörung schlägt höhere Wellen als Zustimmung. Deshalb gibt es auch keine Anti-Shitstorms. Der Empörte greift viel schneller zu seinem Gerät, um die Empörung loszuwerden als jener, welcher im Grunde zustimmt. Zustimmung behält man eher für sich, Ablehnung äußert man. Und so sind Shitstorms auch nur pseudodemokratische Machtmittel, das dazu dient, mehr oder weniger absichtlich einem Menschen langfristig großen Schaden zuzufügen. Am Shitstorm „teilnehmen“ kann nur, wer in den sozialen Medien angemeldet ist, wer zur Zeit des Shitstorms gerade eingeloggt ist und wer dem Shitstorm zustimmt (bzw. mit-empört ist). Es gibt bis dato keinen Button, mit welchem man sich aktiv gegen einen Shitstorm äußern kann. Diese Äußerung muss viel aufwendiger mit einem eigenen schriftlichen Text erfolgen und hat kaum Chancen auf allzu weite Verbreitung.

Gibt es ein Gegenmittel? Gute Frage. Auf jeden Fall sollte man sich gut überlegen, an welchen Stürmen man teilnehmen will. Der Knopf ist sehr schnell gedrückt, der Empörung weiterverbreitet. Habe ich mich wirklich so gut damit beschäftigt, dass ich jetzt jemandem für seine Äußerung Schaden zufügen kann und will? Diese Frage sollte unseren Finger in manchen Fällen etwas bremsen. Auch die Frage, ob mir der Konsum bestimmter sozialer Medien so gut tut, ist eine Überlegung wert. Ich möchte hier nicht grundsätzlich vom Gebrauch der sozialen Medien abraten. Ich persönlich habe im letzten Sommer bei Facebook die Reißleine gezogen und nach einer vorbereitenden Zeit von rund 10 Monaten davor mein Profil stillgelegt. Weil ich merkte, dass es mir zur Zeit nicht gut tut. Dennoch bin ich überzeugt: Wir Christen gehören überall hin, wo Menschen sind und wo wir ihnen ein Segen sein können.

Das wertvollste Gegenmittel besteht darin, dass wir eine Kultur der Anerkennung schaffen – oder zumindest zu schaffen versuchen. Statt negativer Schlagzeilen einfach mal schreiben, wofür wir dankbar sind. Einfach mal sagen: Der macht seinen Job gut! Die ist mir ein Vorbild! Davon möchte ich mir eine Scheibe abschneiden! Das habt ihr super gemacht! Vielleicht schaffen wir es dann doch irgendwann noch, einen Lobessturm statt einem Scheißesturm auszulösen. Das wäre doch mal was, oder?

Datenschutz: Warum mir meine Daten in den Händen privater Unternehmen lieber sind

DSGVO ist in aller Munde. Dieses neue Gesetz soll meine Daten davor schützen, dass sie von privaten Unternehmen missbraucht werden. Zahlreiche Blogger haben ihre Blogs stillgelegt, weil sie zu unsicher sind, mit welchen Mitteln sie diesem neuen Gesetz entsprechen können. Kleinere und mittlere Unternehmen, besonders jene mit Online-Dienstleistungen, sind am stärksten betroffen. Dann auch Fotografen, Vereine, und so weiter. Ich wage es nun mal, etwas weiter zu denken und erkläre, weshalb es mir lieber ist, wenn meine Daten in den Händen privater Unternehmen sind als in den Händen des Staates.

Als ich in der Schule zum ersten Mal Informatik-Unterricht hatte, war ich bis dahin immer offline. Am Familien-Computer habe ich geschrieben, ausgedruckt, und per Post versandt. Ein paar Male habe ich bei Freunden zugesehen, wie diese ihr Internet nutzten. Es waren noch andere Zeiten, jene von Windows 95, welches gerade relativ frisch die Heim-PCs eroberte. Auf den Schulcomputern war Mac OS 7 installiert. Die erste Frage im Unterricht war: Wer hat noch keinen eMail-Account? Das war meine erste Erfahrung mit Datenschutz und dem Austausch von Daten. Ohne eMail-Adresse lässt sich inzwischen (und das war schon damals nicht so viel anders) nur sehr wenig online und in vielen Fällen auch offline machen.

Meine meistgenutzten eMail-Adressen laufen bei GMX. Es gibt verschiedene Optionen, zwischen welchen jeder von uns wählen kann, wenn es um die Frage einer Mailadresse geht. Es gibt Angebote für werbefreie Adressen, für welche man einen monatlichen Betrag zahlt. Oder jeder der Internetspeicher (Webspace) und eine Domain mietet, kann sich eine Mailadresse generieren. Auch da entstehen regelmäßige Kosten. Die meisten Menschen nutzen eine Variante, bei welcher sie (wie ich auch beim „kostenlosen“ GMX-Account) mit ihren Daten bezahlen. Wer dieses Angebot nutzt, gibt dem Anbieter das Recht, seine Daten an andere Firmen zu verkaufen, um damit die Kosten wieder reinzuholen, die für die Bereitstellung von eMail-Speicher, Wartung, Personal und vielem mehr entstehen. Von nichts kommt nichts, deshalb ist das vollkommen legitim, und jeder einzelne von uns hat die Freiheit, sich für eine andere Variante zu entscheiden.

Alle diese Unternehmen sind Konkurrenten, jede versucht, mit den Daten und allen ihren Dienstleistungen den größtmöglichen Profit zu machen. Das ist genau richtig so, denn auf diese Art können alle Kunden (die User und Nutzer dieser Dienstleistungen) mitbestimmen was in Zukunft wichtig sein soll. Es ist die demokratischste Art überhaupt, weil Kunden da König sind und mit ihrem Kauf- oder Nutzverhalten das zukünftige Produkt bestimmen können. Wenn jeder von uns oder eine große Mehrheit von uns anfangen würde, die AGBs der Anbieter genauer zu lesen und nur Angebote der Anbieter mit den strengsten Datenschutzregeln nutzen würde, dann wäre DSGVO rei8ne Makulatur, weil dann jedes Unternehmen gefordert wäre, die anderen mit noch strengerem Datenschutz zu überbieten. Vermutlich bleibt dies ein Traum, aber es wäre letztendlich die einzig sinnvolle Möglichkeit, um alle Unternehmen dazu zu bringen, sich um den Datenschutz richtig zu kümmern. Solange unser Nutzerverhalten signalisiert, dass uns unsere Daten egal sind, solange wir nur alles möglichst kostenlos nutzen und profitieren können, wird sich da nichts ändern – und die Regierungen werden weiterhin das Gefühl haben, dass es ihre Aufgabe sei, sich Gesetze dafür zu überlegen, welche in der Praxis jedoch nur den kleinen Unternehmen schaden werden.

Viel kritischer sehe ich jedoch, dass die staatlichen Ämter weiterhin beliebig Daten sammeln und verarbeiten dürfen – und dazu noch nicht einmal meine Erlaubnis brauchen. Warum müssen wir dem Staat misstrauen? Es geht nicht um ein zwingendes Misstrauen gegen jede Regierung, sondern auch um die Frage: Was passiert, wenn eines Tages Menschen ans Regieren kommen, die es nicht mehr gut mit dem Bürger meinen? Was ist, wenn eine nationalistische, kommunistische, ökofaschistische oder sonstwie totalitäre Regierung den Gang durch die Institutionen antritt und Verantwortung bekommt? In ihrem Roman „Leere Herzen“ (Link) beschreibt Juli Zeh auf erschütternde Weise das mögliche Leben unter der „Besorgte Bürger Bewegung“. In Romanen von Aldous Huxley und George Orwell sind ähnliche Beschreibungen des Lebens in sozialistischen Regimes zu finden.

Demokratie ist immer etwas Zerbrechliches, etwas, was gehütet und zuweilen auch neu erkämpft werden muss. Wer die weltweit immer wieder zu hörenden Rufe nach starken Regierungen, mehr Eingriffen oder auch nach dem „starken Mann“ wahrnimmt, und sich die Entwicklungen etwa in Russland, der Türkei, den USA oder auch Ungarn oder Polen (das zur Zeit mit der Errichtung der Einparteienregierung die Grenzen der Belastungsfähigkeit der EU testet) etwas näher ansieht, wird den Eindruck nicht los, dass neben dem Postfaktizismus auch die Postdemokratie auf der Weltbühne zunehmen könnte. Auch Bestrebungen, der EU mehr Macht über die einzelnen Staaten zu geben, sind in der Hinsicht kritisch zu sehen.  Wo die Demokratie überwunden wird, ist es mit der Freiheit nicht mehr besonders weit her. Und so gesehen: einer möglichen totalitären künftigen Regierung, die von ihren Vorgängern meine Daten erbt, möchte ich auch jetzt schon nicht über den Weg trauen. Deshalb wäre ich vor allem für mehr und transparenteren Datenschutz durch den Staat, während ich gerne selbst aussuche und es als Privileg erachte, meine Daten in Freiheit den Unternehmen anzuvertrauen, von welchen ich überzeugt bin, dass sie größtmöglich verantwortlich damit umgeht. Keiner muss Facebook, WhatsApp, Twitter, Google oder was auch immer für Unternehmen vertrauen. Jeder hat die völlige Freiheit, sich dort überall nicht anzumelden oder mit Anmeldung nur gerade das preiszugeben was jeder wissen darf. Auch per eMail sollte man – egal welche Art von Adresse man nutzt – immer nur das schreiben, was man auch hinten auf eine Postkarte schreiben und per Post versenden würde. Ungefähr so sicher sind eMails. Anderenfalls sollte man auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung achten, was wiederum mit einigem Aufwand verbunden ist.

Mein Traum wäre, dass der mündige Internetnutzer lernt, verantwortlich mit seinen Daten und Inhalten umzugehen, so verantwortlich, dass gar kein gesetzlicher Datenschutz nötig wäre. Ob der realistisch ist oder nicht, sei vorerst mal dahingestellt. Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn noch mehr Menschen mit mir mitträumen würden. Und irgendwann, wenn wir genügend Träumer sind, könnte es sein, dass wir aufwachen und feststellen, dass genau das geschehen ist. Who knows?

Marina Weisband, ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschlands, hat den ersten Beitrag zur DSGVO geschrieben, den ich wirklich treffend fand. Hier geht es zum Artikel (Link). Allgemein gesehen sind Datenschutz, Verschlüsselung und Sicherheit im Internet Themen, bei welchen wir von den Piraten lernen können.

Blogvorstellung Jesus24.de

Liebe Leser,

ich möchte heute mal etwas Neues wagen und möchte Euch ein Blog vorstellen, in welchem ich auch regelmäßig lese und welches ich außerordentlich wertvoll finde. Dies ist das Blog „Jesus24.de“, bzw. „J24“ (Link). Es enthält sehr viele gute Beiträge, die uns im Leben als Christen herausfordern. So zum Beispiel eine achtteilige Serie über die Bedeutung und den Wert der verbindlichen Gemeindemitgliedschaft (Link) oder eine bisher(?) zweiteilige Serie über die Glaubwürdigkeit der Bibel (Link und Link). Da sich viele von Euch für das Evangelium interessieren, wie meine Statistik zeigt, empfehle ich auch herzlich den Blogpost bei J24 zur verändernden Kraft des Evangeliums (Link).
Der Autor, Waldemar Justus, stellt sich in seinem Blog vor: „Meine Leidenschaft und Sehnsucht ist es, meinen Gott und Retter — Jesus Christus — zu verherrlichen. Sein Blut macht mich frei und lässt mich in Seiner Gegenwart aufatmen. Durch seine souveräne Gnade reinigt er mich von jeglicher Schuld und gibt mir überwältigende Freude in seinem Geist. Komm, und sieh selbst!

Soli Deo Gloria — Waldemar Justus“

Ich möchte Euch empfehlen, schaut rein, seht Euch um – und lasst Euch von der wunderbaren Begeisterung für den souveränen Gott anstecken, um den es geht. Der Herr Jesus Christus ist das Zentrum des Lebens und damit auch des Blogs – und das empfinde ich als sehr ermutigend, gerade auch in einer Zeit, in welcher sich mehr und mehr auch im evangelikalen Bereich die Theologie zur Anthropologie wandelt: Statt Gott steht der Mensch im Zentrum, statt der Souveränität Gottes die – angebliche – Souveränität des Menschen, der sich selbst entscheiden, sich selbst entfalten, sich selbst suchen und finden soll.
Sehr herzlich ist auch jeder eingeladen, dem Blog Jesus24 über Facebook (Link), Twitter (Link) und Google+ (Link) zu folgen. 

Praktische Konsequenzen ziehen

Aus dem gestern rezensierten Buch Wer bin ich, wenn ich online bin… …und was macht mein Gehirn so lange? von Nicholas Carr habe ich versucht, ein paar Konsequenzen für mein tägliches Leben und den Umgang mit dem Computer und Internet zu ziehen. Da ich hochgradig schwerhörig bin, kann ich auf die digitale Kommunikation nicht einfach verzichten. Vielleicht sind die folgenden Punkte auch für jemand anders eine praktische Hilfestellung:

  1. Ich möchte meine Kräfte und meine Ressourcen möglichst sinnvoll und konzentriert nutzen.
  2. Ich habe meine kurzen Pausenzeiten, in welchen ich in den Foren, Social Medias und per eMail erreichbar bin, ansonsten sind diese Anwendungen geschlossen und können mich nicht erreichen.
  3. Ich lese so viel wie irgend nur möglich ist in Papierform, um mein Gehirn nicht an einen externen “Speicherplatz” zu gewöhnen, sondern möchte möglichst viel von dem Gelesenen auch aktiv bereithalten können. Dazu kann es auch sinnvoll sein, ein eBook mal auszudrucken, zum Beispiel mit der Funktion, die es einem erlaubt, zwei Seiten auf eine A4-Seite auszudrucken. Lesen kann man das meist nach wie vor und spart dadurch 50% an Papier und nochmal fast so viel an Tinte. Diese Vorgehensweise erlaubt es mir auch, die bedruckten Blätter mit Textmarkern einzufärben und meine Notizen handschriftlich dazu anzubringen.
  4. Ich denke über das nach, was ich gelesen habe und nach Möglichkeit suche ich andere Menschen, die sich auch mit dem Thema auskennen. Ich scheue dabei nicht, meine Sicht immer wieder erneut zu hinterfragen und bin bereit, sie bei besseren Argumenten auch zu revidieren.

Ich denke auf diese Weise kann man durchaus auch noch ein Stück weit selbst mitbestimmen, wie weit unser Gehirn vom Internet umfunktioniert wird. Wer noch mehr Tipps hat, immer nur her damit!

Wer bin ich, wenn ich online bin?

Das Internet verändert nicht nur unser Verhalten, sondern unser gesamtes Dasein als Menschen. Diese Feststellung macht Nicholas Carr in seinem Buch Wer bin ich, wenn ich online bin… …und was macht mein Gehirn solange? Er beginnt im Prolog mit einer kurzen Zusammenfassung des Buches “Die magischen Kanäle” von Marshall McLuhan. Dieses Buch sei “eine Prophezeiung, in der die Auflösung des linearen Denkens vorhergesagt wurde.” (S. 15) Auf anschauliche und auch erstaunlich selbstkritische und reflektierte Art und Weise durchleuchtet Carr in den folgenden Kapiteln, wie das Internet unser Denken beeinflusst und unser Gehirn verändert.

Spannend ist die Feststellung, dass jedes neue Werkzeug unser Gehirn verändert. Wenn wir zum Beispiel lernen, mit einer Zange umzugehen, so wird die Zange für das Gehirn zu einem Körperteil, bzw. das Gehirn “denkt” sich die Zange als Verlängerung des Arms. Anschaulich führt der Autor danach die Geschichte der wichtigsten menschlichen Werkzeuge aus: Schrift, Karte, Uhr, Buchdruck, Phonograph, Radio, Computer, Internet. Jedes neue Werkzeug beinhaltet auch ein eigenes Ethos. (Der Autor nennt es “die geistige Ethik”). Da zuerst Bücher laut gelesen wurden, weil die Schrift noch keine Lücken zwischen den Worten kannte und das Lesen deshalb anstrengend war, veränderte sich die “geistige Ethik” des Buches mit der Einführung von Satzzeichen und Lücken zwischen den Worten: “Die Entwicklung des Wissens wurde zunehmend zu einem privaten Akt, bei dem jeder Leser in seinem eigenen Geist eine persönliche Synthese der Gedanken und Informationen schuf, die ihn durch die Schriften anderer Denker erreichten. Der Gedanke des Individualismus wurde dadurch immer stärker.” (S. 113)

Das Internet und auch seine Texte bestehen zu einem Großteil aus Hyperlinks. Diese sind Verweise, die mitten im Text stehen. Sie führen uns direkt dorthin, worauf sie verweisen. Dies führt verschiedenen Studien zufolge zu einer starken Belastung unserer Ressourcen im Gehirn. Das Auswerten von Verweisen während des Lesens ist eine sehr anstrengende Sache. Carr schreibt dazu: “Wann immer wir – als Leser – auf einen Hyperlink stoßen, müssen wir wenigstens für einen Sekundenbruchteil innehalten, damit unser präfrontaler Kortex entscheiden kann, ob wir ihn anklicken sollen oder nicht. […] In dem Augenblick, in dem sich die exekutiven Funktionen des präfrontalen Kortex zusätzlich einschalten, wird unser Gehirn nicht nur trainiert, sondern überfordert. […] Bei der Online-Lektüre opfern wir die Ressourcen, die ein vertieftes Lesen erst ermöglichen, sagt Maryanne Wolf. […] Unsere Fähigkeit, jene reichen geistigen Verbindungen zu bilden, die beim ungestörten und konzentrierten Lesen entstehen, bleibt dabei weitgehend ungenutzt” (S. 194)

Da unser Gehirn jedes Werkzeug als ein neuer Teil des Körpers betrachtet, sieht er nun auch den Computer und das Internet als einen externen Speicher an. Anders gesagt: Das Gehirn verlässt sich auf den Speicher namens Internet und benutzt sich selbst vornehmlich als “Wissen, wie man zum Wissen kommt”. Es wird mehr nur noch der “Datenpfad”, die “Datenstruktur” zur gewünschten bzw. gelesenen Information gespeichert, der eigentliche Inhalt geht nur noch über äußerst viel Lernen in den Kopf rein. Das eigentliche Verstehen, das persönliche Verständnis des Gelesenen bleibt dabei außen vor. Ein weiterer Faktor ist auch die Tatsache, dass das Internet mit seiner vernetzten Datenstruktur eine relativ ähnliche Struktur aufweist wie das Gehirn mit seiner Vernetzung via Synapsen. Die beiden Netze sind “grundsätzlich kompatibel und leicht zu verbinden”. (S. 329)

Nicht zuletzt sollte man laut Nicholas Carr auch bedenken, dass das Internet und auch der Computer ganz allgemein uns immer mehr Möglichkeiten geben, unsere Entscheidungen, die eigentlich nicht nur Wissen, sondern Weisheit benötigen, an eine Rechenmaschine abzuschieben. Die immer leichter und intuitiver zu bedienenden Programme, Oberflächen und Browser führen uns doch allzu gerne in Versuchung, nicht mehr selbst entscheiden zu müsse, sondern sich einen “Tipp” anzeigen zu lassen, der uns die Entscheidung (und damit vermeintlich auch die Verantwortung für unser Handeln) abnimmt. Carr hat damit ein sehr empfehlens- und überdenkenswertes Buch geschrieben.

Man muss nicht in allem seiner Meinung sein, um dennoch erkennen zu können, dass das Internet weit größere Folgen für die Menschheit und unsere Zukunft hat, als wir gerne zugeben. Hier kann das Buch bestellt werden.