Auslegungspredigt: Wie ich Predigtserien vorbereite

Nachdem ich kürzlich über die besten Ressourcen zur Auslegungspredigt gebloggt und dort einige Bücher der Predigtlehre vorgestellt hatte, kam bald die Frage auf, wie man sich am besten auf das Predigen durch ganze Bibelbücher hindurch vorbereitet. Diese Sache ist natürlich sehr unterschiedlich von Prediger zu Prediger, weshalb es kein fixes Rezept für alle geben kann. Das will ich auch gar nicht. Aber ich möchte als ein Teil der Antwort auf diese Frage meine eigene Praxis vorstellen, die ich im Laufe der Jahre entwickelt und verfeinert habe, damit sie auf meinen persönlichen Stil und meine Gegebenheiten passt und werde manches auch so versuchen zu begründen, dass es möglichst anderen (jungen) Predigern Hilfe geben kann.

Meine Umstände sehen zur Zeit so aus, dass ich hauptberuflich in der Kunststoffindustrie tätig bin und daneben etwa alle 2-3 Wochen bei uns in der Gemeinde predige. Insgesamt kann ich pro Jahr ungefähr 18 – 20 Predigten innerhalb von Serien vorbereiten und dazu noch etwa zwei bis drei Einzelpredigten an Feiertagen oder zu anderen Anlässen. Hinzu kommen Einladungen in andere Gemeinden, wo ich als Gastredner predigen darf.

Beginn: Ein Jahr im Voraus

Meine Vorbereitung auf eine Predigtserie beginnt in der Regel ein Jahr bevor die erste Predigt der Serie gehalten wird. Ich beginne mit der Entscheidung unter Gebet, was nach der oder den den bereits vorbereiteten Serie/n als Nächstes drankommen wird. Immer wieder staune ich, wie perfekt diese Predigttexte auf die Situation der Welt und der Gemeinde passen, wenn ich dort angelangt bin. Gottes Treue wird dadurch immer wieder neu sichtbar. Ich muss nicht bis drei Tage vor dem Gottesdienst warten, um zu wissen, was gerade für die Gemeinde relevant ist (das Wort „relevant“ ist in unserer Zeit zu einem Götzen verkommen), sondern Gottes Wort, jeder Vers und jeder Abschnitt, ja geradezu jedes einzelne Wort der Bibel ist immer und zu jeder Zeit 100% relevant.

Ungefähr 10 Monate vor Beginn der jeweiligen Serie lese ich zehn bis 15 Mal die Texte, über die ich predigen werde und mache nebenbei eine ungefähre Einteilung in Predigten, die ich dazu halten will, jeweils zusammen mit einem vorläufigen Arbeitstitel. Im neunten und achten Monat davor lese ich Kommentare und zuweilen auch Predigten, die andere gute Prediger zu den Texten schon gehalten haben. Dazu mache ich mir pro Predigt etwa fünf bis sechs Stichworte oder notiere mir ein bis zwei Sätze, die mir wichtig geworden sind. Kommentare dienen mir vor allem dazu, um wichtige grammatikalische Spezialitäten zu finden und die wichtigsten Fragen an den Text und dessen Kontext zu formulieren. Das hilft mir später bei der eigentlichen Vorbereitung. Die restlichen Monate nutze ich, um hin und wieder die Notizen durchzusehen und mir Gedanken darüber zu machen, die ich auch im Gebet immer wieder besprechen kann.

Wozu so lange im Voraus beginnen?

Manche werden sich jetzt fragen: Wozu diese lange Vorlaufzeit? Ich bin ein Denker und ein denkender Wiederkäuer. Ich brauche das. Man mag mir das als Schwäche auslegen, damit habe ich überhaupt kein Problem. Immerhin ist es mir noch nie passiert, dass ich in der Woche vor einer Predigt noch nicht wusste, worüber ich predigen soll. In den sieben oder acht Monaten bis zur Predigt sind für mich Kommentare und Predigten anderer Prediger über jene Texte tabu. Ich habe das Wichtigste vom Wichtigsten in meinen Notizen, das muss mir reichen.

Etwa zwei Wochen vor dem jeweiligen Termin beginnt dann die eigentliche Vorbereitung: Noch einmal den Text durchlesen, dann die Arbeit im griechischen oder hebräischen Grundtext mit Überlegungen zur Textkritik, die Übersetzung der wichtigsten Passagen (so ungefähr zwei bis drei Verse gehören bei jeder Predigt mindestens dazu), Wortstudien (welche Bedeutungsbreite hat ein bestimmtes Wort, wie wird es bei welchen Autoren verwendet) und ein Blick in die Grammatik sind die Grundlage. Als Nächstes versuche ich, die Botschaft des Textes in einem Satz zusammenzufassen und nehme diesen Satz, um darauf die Gliederung der Predigt aufzubauen. Der schwierigste Teil ist das Wissen darum, was weggelassen werden soll, denn nach dieser Vorbereitung ist so viel Stoff vorhanden, um allein pro Abschnitt mehrere Sonntage zu füllen. Weniger ist mehr – und da habe ich noch viel Lernpotenzial.

Ich bin in den vergangenen Jahren immer mehr zum Schluss gekommen, dass mir Kommentare nur am Rande helfen. Viel mehr Zeit verbringe ich bei Autoren der so genannten „Biblischen Theologie“, da deren Horizont deutlich weiter reicht. Sehr gute Kommentare sind zugleich auch Werke der Biblischen Theologie, aber da muss man weit suchen, um das Richtige zu finden. Auch ein Blick in die Dogmatik (Systematische Theologie) ist sehr wertvoll, um einen erweiterten Blick auf das Thema des Predigttextes zu erlangen. Und dann ist da die Gemeinde, die einzelnen Menschen, die zuhören werden und auf die Predigt reagieren sollen. Wie kann der Bibeltext für sie möglichst eindringlich verständlich werden? Und nicht zuletzt: Wo im Text finde ich das Kreuz und die Auferstehung Jesu? Kein Mensch kann Gottes Gebote aus sich selbst halten. Immer und immer wieder brauchen wir das Evangelium, in welchem erst die Kraft steckt, um Gottes Willen zu tun.

Fragen, die mir bei der Vorbereitung helfen:
  • Wer hat den Text an wen gesprochen, geschrieben oder anderweitig kommuniziert?

  • In welchem Kontext steht er? Altes oder Neues Testament? Vor oder nach Ostern?

  • Welche Art von Text ist es? Ein Geschichtsbericht? Ein Brief? Ein biographischer Text? Ein Lied?

  • Wie wurde der Text im Laufe der Kirchengeschichte verstanden?

  • Was an dem Text überrascht mich?

  • Warum steht das so da wie es da steht? Wie hätte es anders geschrieben werden können und warum wurde es nicht anders geschrieben?

  • Wie ist der Text aufgebaut? Welche kleinen Wörter wie „und“, „aber“, „sondern“, „dennoch“, „denn“, „doch“, und so weiter machen den Fluss des Textes aus und wie machen sie das?

  • Wie ist der jeweilige Abschnitt in das ganze Buch eingebunden? In welcher Beziehung stehen die Teile der Serie zueinander? Wie lautet die ganze Argumentation, die über mehrere Teile der Serie hinweg verläuft?

  • Wo ist Christus in meinem Text? Wo hilft Er mir bei der täglichen Umsetzung?

  • Was könnte in unseren modernen Ohren anstößig sein? Wie antworten wir einem Skeptiker darauf?

  • Was bedeutet der Text für unsere Gemeinde, unser Zusammenleben in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz oder in der Familie?

  • Welche Lebenslügen spricht der Text an und durch welche Wahrheiten will er sie ersetzen?

Alle diese Fragen dienen zum besseren Verständnis des Textes. Welche davon am Ende in die Predigt einfließen, ist eine ganz andere Frage. Nicht alle Infos, die sich aus diesen Fragen ergeben, können tatsächlich erwähnt werden, sonst wird der Hörer mit too much an Wissen bombardiert und häufig überfordert. Ich versuche – passend zum jeweiligen Text – Abwechslung in die Arten der Infos zu bringen. Mal mehr apologetisch, mal mehr Infos zu den Einleitungsfragen, mal mehr Infos aus den Wortstudien, und so weiter.

Zum Schluss noch drei Hinweise:
  1. Ich habe das riesige Privileg, dass ich die Sprachen der Bibel lernen durfte. Es gibt aber auch gute Hilfsmittel, mit denen man auch ohne dieses Wissen die Bibel auslegen und verstehen kann. Verschiedene Bibelübersetzungen (möglichst auch in anderen Sprachen wie englisch, französisch, spanisch oder was auch immer man kann), Konkordanzen zu den Wörtern der Bibel, Interlinear-Übersetzungen, Lexika zur Bibel, und so weiter. Eine gute Dogmatik sollte keinesfalls fehlen.

  2. Ich möchte an der Stelle das Element der Freiheit betonen. Dass man eine Predigt vorbereitet und vielleicht auch schon ausgeschrieben hat, bedeutet noch nicht ganz zwingend, dass man sie auch genau so halten muss. Hier bin ich ein Verfechter der predigerlichen Freiheit. Es kann vorkommen, dass man alles bereit hat und sich dann doch vom Geist Gottes gedrängt fühlt, spontan etwas ganz anderes zu predigen. Oder dass man am Abend davor merkt, dass Gott doch noch was anderes sagen will. Oder dass im Gottesdienst etwas gebetet wird, worauf der Geist Gottes in der Predigt reagieren möchte. Oder dass eine Predigt im Laufe des Predigens plötzlich eine ganz andere Richtung nimmt und einen anderen Schwerpunkt erfordert. All das sind Beispiele aus dem Predigeralltag, die wohl dem Einen oder Anderen bekannt vorkommen werden. Und das ist gut so, denn der Geist weht, wo Er will. Das alles spricht nicht gegen eine sehr gute Vorbereitung, denn wer gut vorbereitet ist, kann improvisieren; wer schlecht vorbereitet ist, muss improvisieren.

  3. Was würde ich ändern, wenn ich jeden Sonntag predigen sollte? Ich würde noch früher mit der Vorbereitung anfangen. Vermutlich 18 statt zwölf Monate im Voraus. Wenn zwei oder drei Wochen verstreichen bis man die Gemeinde in der Serie wieder weiterführt, ist es wichtig, dass man den Rückblick auf das Bisherige, wenn man es noch weiter vertiefen will, nicht zu oberflächlich aber auch nicht zu langwierig macht. Das ist ein Spagat, zu dem man immer wieder herausgefordert ist.

Hast Du noch mehr Fragen, Anregungen oder eigene Tipps für die Vorbereitung von Predigtserien oder Serienpredigten?

Auslegungspredigt: Die besten Ressourcen

Im Laufe von zwölf Jahren Predigtdienste in verschiedensten Gemeinden habe ich zwischen 40 und 50 Bücher über das Vorbereiten und Halten von Predigten gelesen – oder manche zumindest angelesen und irgendwann nur noch überflogen. Da ich hin und wieder danach gefragt werde, stelle ich hier die „ultimative Homiletik“ vor, also wie ein Band zur Predigtlehre aussehen würde, wenn ich ihn aus den besten Kapiteln aller bisher gelesenen Homiletikbüchern zusammenstellen könnte.

Kurz nach meiner Bekehrung anno 2002 stieß ich auf meiner Suche nach mehr Tiefgang für mein geistliches Leben auf die Predigten von Charles Haddon Spurgeon und John F. MacArthur. Diese beiden waren meine ersten Bibellehrer, wenn man das so sagen will. Beide haben ein Buch zur Predigtlehre veröffentlicht. So war es nicht erstaunlich, dass ich deren Bücher schon früh zur Hand nahm. 

C. H. Spurgeon – Ratschläge für Prediger (Amazon-Link). Dieses Buch gefällt mir gut – doch die Predigten von Spurgeon sind besser. Ich würde das Buch als Prolegomenon zur Predigtlehre empfehlen, zusammen mit zwei bis drei Predigtbänden nach eigenem Geschmack. Spurgeon ist immer gut, auch dann, wenn man ihm nicht zustimmt.

John F. MacArthur – Biblisch predigen (Amazon-Link). MacArthur hat hier mit einigen Kollegen ein richtig spannendes Werk geschaffen. Wirklich wichtig finde ich die ersten drei Kapitel, in welchen es darum geht, was eine Auslegungspredigt ist und wie sie in der Geschichte der Christenheit an Wichtigkeit gewonnen und inzwischen leider auch wieder vielerorts verloren hat.

D. Martyn Lloyd-Jones – Die Predigt und der Prediger (Amazon-Link). Der wichtigste britische Prediger des 20. Jahrhunderts war Lloyd-Jones. Dieses Buch ist für mich das Wichtigste zur Predigtlehre überhaupt. Ich bin inzwischen dabei, es zum 15. Mal zu lesen. Auch mit ihm muss man nicht in jeder Frage einig sein, aber es tut gut, das eigene Selbstverständnis als Prediger immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen und sich neu unter den Gehorsam gegen Gott und Sein Wort zu stellen. Meine „ultimative Homiletik“ würde sein Buch in voller Länge enthalten.

Timothy Keller – Predigen. Damit Gottes Wort Menschen erreicht (Amazon-Link). Ich muss zugeben, dass mich das Buch vom Keller im ersten Durchgang enttäuscht hat, da ich so viel Gutes darüber gelesen habe, und das Buch zur Ehe von Ehepaar Keller exzellent ist, hatte ich wohl zu viel erwartet. Mein Fazit ist nach wie vor, dass zu den meisten Themen Lloyd-Jones die gleichen Dinge auf eine bessere Art und Weise sagt, aber ich möchte hinzufügen, dass das 5. Kapitel über das spätmoderne Denken wirklich gut ist und unbedingt lesenswert. Somit würde ich nach dem ganzen Buch von Lloyd-Jones das Kapitel 5 von Kellers Buch anhängen.

Michael F. Ross – Predigen wirkt Wunder. Der Glaube kommt aus der Predigt (Amazon-Link). Das ist (leider?) kein pfingstlich-charismatisches Buch, wie der Titel es denken lassen könnte, sondern eine exzellente Studie zur Predigtweise der Puritaner. Der Autor möchte die heutigen Prediger jedoch nicht überzeugen, puritanische Predigten zu halten, sondern vielmehr von der Vielfalt und zugleich Ausgewogenheit der puritanischen Predigten zu lernen. Ich würde den Teil 2 (Kapitel 5 – 10) über die fünf Arten der puritanischen Auslegungspredigt der „ultimativen Homiletik“ hinzufügen.

Daneben gibt es einige weitere gute Bücher zur Predigtlehre, etwa von meinem Dozenten für Praktische Theologie, Prof. Armin Mauerhofer, dasjenige von Haddon Robinson, von Arturo Azurdia oder John R. W. Stott. Diese alle sind gute bis sehr gute Ressourcen, die sich jedoch immer wieder in Teilen überschneiden. Wer also die Muße (und die Mäuse oder die Uni-Bibliothek) hat, zehn Bücher zum Predigen zu lesen, hat hier eine ziemlich definitive Liste. Eins habe ich schon lange aufgeschoben und bin bisher immer noch nicht dazu gekommen, nämlich das dünne Booklet von David R. Helm (Expositional Preaching) in der Serie von 9Marks.

Eines der wichtigsten Hilfsmittel ist jedoch das Lesen von guten Predigten, denn das prägt noch mehr. Allerdings möchte ich eine Warnung aussprechen: Predigten zu dem Text zu lesen, über den man gerade predigen will, verführt oft dazu, dass man Gedanken blind übernimmt. Deshalb empfehle ich, möglichst oft gute Predigten zu anderen Bibelbüchern zu lesen als man gerade drin steckt. Gute Predigten prägen uns und unseren Predigtstil. Es gibt Predigten aus allen Zeiten der Kirchengeschichte zu finden. Von Kirchenvater Chrysostomus über die Reformatoren, Puritaner, Methodisten, Heiligungsprediger bis zu C. H. Spurgeon, D. M. Lloyd-Jones, John Piper, Tim Keller, und vielen mehr. Auch mein Freund Michael Freiburghaus, Pfarrer der ev.ref. Kirchgemeinde Leutwil-Dürrenäsch in der Schweiz, hat schon mehrere sehr empfehlenswerte Predigtbände veröffentlicht.

Vom Hören der Predigt und vom Lesen

Im Jahre 1960 hat D. Martyn Lloyd-Jones eine bemerkenswerte Lektion über das Erlangen von echter und falscher Erkenntnis gehalten. Im Zeitalter von Internet und freier Verfügung von so viel Wissen ist die Gefahr, die er anspricht, noch viel größer geworden. Ein lesenswerter Auszug aus diesem Vortrag:
„Aber wir müssen dem dritten Grund mehr Aufmerksamkeit widmen, welcher etwas kontroverser sein könnte. Ich bin der Meinung, dass es eine ganz spezielle Gefahr gibt an diesem Punkt und in dieser Beziehung der Diskussion, wo es um das Ausspielen von Lesen gegen Predigen geht. Vielleicht ist das eine der größten aller Gefahren in der Zeit, in der wir leben. Ich stelle fest, dass das Lesen viel gefährlicher ist als das Hören der Predigt, und ich weise darauf hin, dass eine wirklich echte Gefahr entsteht, wenn jemand seine Zeit nur mit Lesen verbringt und nicht unter die Kraft der Predigt kommt. Was will ich damit sagen? Ich will damit ungefähr folgendes sagen: Wenn jemand ein Buch liest, so hat er in einem gewissen Sinne die gesamte Kontrolle. Es hängt zwar teilweise vom Buch ab, ich weiß, aber sobald er beginnt, sich unwohl zu fühlen, kann er es zumachen und einen Spaziergang machen, oder – er kann viele Dinge tun. Aber all das kannst du nicht tun, während du eine Predigt hörst. Natürlich, es könnte sein, dass du so unhöflich bist, um aufzustehen und hinauszugehen, und manche Leute tun das ja auch, aber aufs Ganze gesehen ist das nicht üblich.

Das Predigen schützt uns deshalb in gewisser Weise vor diesen besonderen Gefahren, die aus dem Lesen allein resultieren, natürlich vorausgesetzt, es handelt sich um echtes Predigen. Denn wenn jemand echtes Predigen hört, so kommt er unter die Macht der Wahrheit, und zwar in einer Weise, in die er beim Lesen allein nicht kommt. Ob du jetzt die Definition des Predigens von Phillips Brooks magst oder nicht, der sagte, es sei „Wahrheit vermittelt durch Persönlichkeit“, aber sie beinhaltet eine Menge Wahrheit, und die Bibel gibt uns viele Beispiele dafür. Gott gebraucht die menschliche Persönlichkeit. Nicht nur das, sondern der Prediger erklärt nicht nur die Bibel, sondern er macht auch Anwendungen und sorgt dadurch dafür, dass die Anwendung auch ihr Ziel findet. Wenn jemand ein Buch liest, so kann es sein, dass er nie zu einer Anwendung kommt. Er kann sich dazu entscheiden, das Buch zu schließen und aufzuhören, wann immer er möchte; es gibt kein Beharren auf die Anwendung. Ich fürchte, dass in unserer Zeit, wo die Menschen dazu tendieren, immer weniger und weniger Predigten zu hören, und Predigten immer kürzer und kürzer werden, und unser Vertrauen in das Lesen immer größer wird, dass wir deshalb dieser Gefahr noch viel mehr ausgesetzt sind als unsere Vorfahren. Natürlich verurteile ich keinesfalls das Lesen an und für sich oder sage, dass es keine Veröffentlichungen mehr geben solle! Aber keinesfalls! Ich versuche lediglich die gefährliche Tendenz zu zeigen und halte an der Wichtigkeit und am Vorrang, sowie an der Überlegenheit des Predigens fest. Wir müssen unter die Kraft der Wahrheit gebracht werden. Wir mögen das nicht, aber das ist die Aufgabe eines Predigers, und wenn er dies verfehlt, so ist er ein armseliger Prediger. Wir versuchen immer, diesen Schlussfolgerungen und Anwendungen zu entkommen, aber der Prediger bringt diese ans Ziel. Er hält uns fest, sorgt dafür, dass wir ihnen ins Gesicht sehen müssen, und dadurch beschützt er uns vor bestimmten Gefahren. Eine Zeit, in welcher dem Lesen mehr Wichtigkeit beigemessen wird als dem Hören der Predigt ist immer eine gefährliche Lage. (D. M. Lloyd-Jones, The Puritans: Their Origins and Successors, S. 29 – 30, Übersetzung von mir)

Was ist Auslegungspredigt?

Im ersten und gleichnamigen Kapitel des Buches “Rediscovering Expository Preaching” (von John MacArthur herausgegeben) geht Richard L. Mayhue darauf ein, was Auslegungspredigt ist:
“Diskussionen über das Predigen teilen dieses in drei Arten auf: Themenpredigt, Textpredigt und Auslegungspredigt. Themenpredigten nehmen üblicherweise verschiedene Verse, die lose irgendwie mit einem Thema zusammenhängen. Textpredigten nehmen einen kurzen Text oder eine Passage, die dann allgemein als Eingang in das Thema dient, über welches der Prediger zu sprechen ausgesucht hat. Weder Themen- noch Textpredigt ist eine Methode, die aufzeigt, dass der Prediger sich die Mühe gemacht hat, Gottes Wahrheit, die im Kontext der Schrift steht, auszulegen, zu verstehen, zu erklären oder anzuwenden. 
Im Gegensatz dazu fokussiert sich die Auslegungspredigt in erster Linie auf den Text unter Beachtung des Kontextes. Die Auslegung konzentriert sich im Normalfall auf einen einzelnen Text der Schrift, ist aber manchmal auch für eine thematische / theologische Botschaft oder einen geschichtlichen / biographischen Diskurs möglich, auslegend zu sein. Eine Auslegung kann jede Länge der Passage betreffen.
Ein Weg, um klarzustellen, was Auslegungspredigt ist, besteht darin, zu identifizieren, was sie nicht ist:
1. Es ist kein Kommentar, der von Wort zu Wort und von Vers zu Vers geht, ohne Einheit, Aufriss und durchgehende Richtung.
2. Es ist kein Wandern von Kommentaren und Bemerkungen über eine Passage, ohne einen Hintergrund von gründlicher Exegese und logischer Ordnung.
3. Es ist nicht eine Menge von zusammenhangslosen Vorschlägen und Folgerungen, die auf der Oberfläche der Bedeutung einer Passage basieren, aber nicht getragen werden von tiefgehendem und breitem Studium des Textes.
4. Es ist nicht reine Exegese, egal wie wissenschaftlich sie durchgeführt wurde, solange sie kein Leitmotiv, keine These, keinen Aufriss und keine Entwicklung hat.
5. Es ist kein struktureller Aufriss einer Passage mit ein paar unterstützenden Kommentaren aber ohne rhetorische und predigtähnliche Elemente.
6. Es ist keine themenbezogene Predigt, die auseinandergerissene Teile einer Passage gebraucht, aber die Diskussion anderer gleich wichtiger Teile unterlässt.
7. Es ist keine zerhackte Sammlung von grammatikalischen Funden und Zitaten von Kommentaren, ohne eine Verbindung dieser Elemente in eine ausgeglichene, fließende, interessante und überzeugende Botschaft.
8. Es ist keine Sonntagsschul-Lektions-ähnliche Diskussion, die einen Aufriss der Inhalte hat, in sich aber formlos und inbrünstig ist, aber keine Struktur einer Predigt hat und keinerlei rhetorische Inhalte aufweist.
9. Es ist keine Bibel-Lesung, die eine Anzahl von verstreuten Passagen verknüpft, die ein bestimmtes Thema behandeln, aber es verpasst, jene in gründlicher, grammatikalischer und den Kontext mit betrachtenden Art und Weise zu behandeln.
10. Es ist nicht die übliche andachtsmäßige Gebetstreffsrede, die sich aus durchlaufenden Kommentaren, wandernden Anmerkungen, unverknüpften Vorschlägen und persönlichen Reaktionen zu einer halbwegs inspirierenden Diskussion zusammensetzt, aber den Nutzen der grundlegenden exegetischen und den Kontext betreffenden Studie und überzeugenden Elementen vermissen lässt.
[…]
Zusammenfassend zeigen die folgenden minimalen Elemente auf, was Auslegungspredigt ist:
1. Die Botschaft hat ihre einzige Quelle in der Schrift.
2. Die Botschaft ist durch gewissenhafte Exegese aus der Schrift extrahiert.
3. Die Vorbereitung der Botschaft legt die Schrift korrekt aus in ihrem normalen Sinn und ihrem Kontext.
4. Die Botschaft erklärt deutlich die originale, von Gott vorgesehene Bedeutung der Schrift.
5. Die Botschaft wendet diese der Schrift entsprechende Bedeutung auf unsere heutige Zeit an.”
Mayhue, Richard L., Rediscovering Expository Preaching, in: MacArthur, John, Rediscovering Expository Preaching, Word Inc., 1992, S. 9f und 12f; Übersetzt von mir.
Viel mehr kann man dazu nicht sagen, einzig noch: Preach the Word!

Postmoderne Geschichtenerzähler und die Veränderung des Denkens

Postmoderne Geschichtenerzähler und die Veränderung des Denkens
Und paßt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern laßt euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist. (Römer 12, 2)
Wir Menschen der Postmoderne lieben Geschichten. Wir lieben sie so sehr, dass viele Prediger inzwischen auf den Zug des Geschichtenerzählens aufgesprungen sind, sodass manche Predigten zu einer Art Geschichtenmarathon geworden sind. Ich möchte zuerst aufzeigen, warum wir Geschichten so sehr lieben, danach diese Gründe auf den Vers von Paulus aus dem Römerbrief beziehen und zum Schluss aufzeigen, wie in der Bibel Geschichte und Geschichten erzählt werden und was wir daraus lernen können für unser eigenes Leben.
1. Warum wir Geschichten lieben
Die Gründe hierfür kann man in bewusste und unbewusste, bzw. in vordergründige und hintergründige Arten von Gründen einteilen. Die bewussten und damit vordergründigen hören sich in der Regel sehr positiv an:
– Diese Geschichten kommen direkt aus dem Leben.
– Diese Geschichten bewirken etwas in mir.
– Diese Geschichten kann ich mir gut einprägen.
Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass durch diese Geschichten sehr wenig wirkliche, bleibende Veränderung (die Bibel nennt das „Frucht“) festzustellen ist. Deshalb müssen wir uns auch mit den unbewussten, hintergründigen und plötzlich nicht mehr so positiven Gründen unserer Kultur der Geschichten befassen:
– Die Geschichten wühlen unsere Gefühle auf und vernebeln damit das klare Denken.Wir haben uns in unserer Gesellschaft (auch als Christen) angewöhnt, die Gefühle als Maßstab für unsere Situation zu betrachten. Auch wenn wir das abstreiten oder uns nicht bewusst sind, es ist dennoch so. Wir werden von Kindesbeinen dazu erzogen, nach unseren Gefühlen zu urteilen und zu handeln. Weil uns keine absoluten Maßstäbe mehr beigebracht werden, müssen wir subjektive Maßstäbe suchen; und sobald wir mit dem Willen nicht festen Maßstäben folgen, setzen sich automatisch immer die Gefühle durch und bestimmen unser Handeln. Wir müssen hier aufpassen, dass wir die Gefühle nicht gänzlich beiseite schieben, denn auch sie sind uns von Gott gegeben und haben ihre bestimmte Funktion, aber innerhalb fester Grenzen des durch Gottes Wort veränderten Denkens. Zurück zu den Geschichten: Sie sind heutzutage immer so aufgebaut, dass sie einem Drama gleichen mit einem Höhe- (besser gesagt Tief-)punkt und dem darauf folgenden Happy-End. Dies lässt den Hörer innerlich mitgehen, er identifiziert sich für die Dauer der Geschichte mit der Hauptperson und das wirkt sich natürlich automatisch auf die Gefühle aus. Der Hörer „fühlt“ sich verändert, während lediglich seine Gefühle mitgegangen sind. Und dies vernebelt sein ganzes Denken, denn einerseits werden die Hormone in Wallung gebracht und andererseits bildet er sich gleich darauf ein, richtig verändert worden zu sein.
– Die Geschichten sind zu persönlich und zu detailreich. Während der Hörer sich bei der Erzählung dieser Geschichte mit der Hauptperson identifiziert, hört dies nach dem Ende der Geschichte plötzlich auf. Man realisiert: ich bin nicht die Person, sondern es ist die andere Person, die das subjektiv und persönlich so erlebt hat. Im Sinne von: Was Gott mit der anderen Person vorhat, wird bestimmt nicht bei mir der Fall sein. Wir werden noch sehen, wie Jesus in den Gleichnissen sehr weise mit diesem Problem umgegangen ist.
– Die Geschichten „müssen“ nicht beurteilt werden. Wir haben als Kinder unserer Zeit eine panische Angst davor, zu urteilen, sehr oft gepaart mit einer Faulheit, die das noch verstärkt. Jesus befahl uns, alles zu prüfen und wachsam zu sein. Bei Geschichten haben wir das Problem, dass sie subjektiv erlebt wurden und deshalb schon als solche „echte Erlebnisse“ gar nicht erst an der Bibel geprüft werden „dürfen“. Denn es ist ja das Erleben jener Person, also „muss“ es echt sein. Alles bewusst in Anführungszeichen, denn das Denken ist falsch. Auch das Erlebte (genauso wie alle unsere Gefühle) müssen an der Bibel ganz klar und bewusst geprüft werden. Mit Geschichten kann man das Problem „Lehre trennt, Liebe eint“ (so ein typisches falsches postmodernes Denken) elegant umgehen.
2. Die Erneuerung eures Sinnes
Unsere Welt liebt Geschichten, weil sie ein schnelles Ergebnis bringen (Stichwort: Konsumgesellschaft), denn sie sorgen für schnelle, schöne Gefühle. Geschichten werden so zu einer Art Droge, was auch in unserer evangelikalen Welt zu einer Art Event-Christentum geführt hat. Um dies wirksam zu bekämpfen, werden nun diese Gefühls-Events durch das Geschichten-Predigen in die einzelnen Ortsgemeinden hineingetragen.
Und genau hier greift das Wort von Paulus: Passt euch nicht dem Weltlauf an. Besser übersetzt: Lasst euch nicht der Welt gleichförmig machen. Wir sollen als Christen nicht gleich sein wie die Welt, sondern uns verändern lassen. Die Schwierigkeit ist folgende: Veränderung hat ihren Preis. Der Welt gleichförmig wird man automatisch. Veränderung kostet Zeit, Kraft, die Bereitschaft, auch weniger beliebt zu sein in der Welt, und so weiter. Wenn wir bei Paulus weiter lesen, wird uns bewusst, was genau verändert werden muss: Nicht die Gefühle, sondern unser Denken. Gefühle sind wie der Wind, sie kommen und gehen wie immer sie gerade wollen. Sie können leicht beeinflusst werden, aber sind sehr unstet. Unser Denken besitzt eine gewisse Konstante, die sich durchaus verändern lässt, aber durch diese Konstante ist diese Veränderung des Denkens mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Echte Veränderung des Denkens findet dort statt, wo der Mensch sich und sein bisheriges Denken von Gottes Wort beurteilen und verurteilen lässt und aus dieser Verurteilung dazu geführt wird, das falsche Denken durch richtiges Denken zu ersetzen. Aus dem richtigen Denken gespeist können dann auch erst die richtigen Worte und Handlungen kommen.
Und dann kommt Paulus zum eigentlichen Grund, weshalb wir unser Denken überhaupt verändern lassen sollen: Damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist. Ohne das veränderte Denken sind wir also nicht imstande, Gottes Willen zu erkennen! Ich denke schon, dass der Großteil der Christen wissen möchte, was Gottes Wille für sein Leben ist. Wo wir also unsicher sind, was Gottes Wille ist, da liegt es sehr oft an unserer Unfähigkeit, zu prüfen, was der Wille Gottes ist. Es liegt daran, dass wir am Anfang des Christenlebens stehen bleiben, uns von Events und Geschichtchen hin- und hertreiben lassen, uns dabei zwar für kurze Zeit gut fühlen, aber nicht wirklich im Glauben voran gehen können. Wir stehen uns selbst im Weg. Und das ist eine Katastrophe, die uns tief, tief bestürzen und ins Gebet treiben sollte.
3. Trotzdem Geschichten erzählen?
Mit dem bisher Gesagten wurde über unsere heutige Art, Geschichten zu erzählen, ein vernichtendes Urteil ausgesprochen. Nun mag der Leser einwenden: Das mag ja alles stimmen, aber man hat doch zu allen Zeiten Geschichten erzählt und Jesus war auch ein großer Geschichtenerzähler. In der Tat stimmt dies. Deshalb möchte ich zum Abschluss einen kurzen Exkurs anfügen, wie dennoch Geschichten nach dem Vorbild der Gleichnisse Jesu erzählt werden können.
Wenn man die Gleichnisse Jesu aus der Vogelperspektive überfliegt, so fällt auf, dass sie alle Konstrukte sind, die der Verdeutlichung eines bestimmten Umstands dienen. Sie gleichen einem Strichmännchen beim „Sonntagsmaler“, das eine bestimmte Tätigkeit zeigen soll. Sie sind auf das Wesentliche gekürzt, es sind keine Wendungen darin enthalten, die Anlass geben, sich mit der Person auf emotionaler Ebene zu identifizieren. Es sind keine unnötigen Details enthalten, jedes Detail, jeder Nebensatz dient lediglich der Verdeutlichung der Hauptaussage des Gleichnisses. Abgesehen von Lazarus wird keine Person mit Namen genannt, und auch dort nur, um aufzuzeigen, dass im Himmel die Namen der Gläubigen bekannt sind und um dies in den Gegensatz zum „unbekannten“ reichen Mann zu setzen. Ansonsten geht es immer um einen Sämann, einen König, ein Ackerfeld, ein Knecht, und so weiter. Deshalb fällt die Anwendung auf die eigene Person auch viel leichter. Und genau das bezwecken diese Geschichten Jesu auch. Es geht um die Anwendung, also um die Veränderung des Denkens und dadurch des Handelns.
Wenn wir also Geschichten erzählen wollen, so ist es wichtig, dass danach der Zusammenhang auf jeden einzelnen Hörer ganz deutlich herausgearbeitet wird. Geschichten verändern nicht von sich aus, es ist die aus ihr gewonnene Lehre, die, auf den Hörer angewandt, zu einer Veränderung führt. Jesus gibt uns als ein wunderbares Beispiel die Deutung vom Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld. Er wendet es Schritt für Schritt auf seine Zuhörer an. Nach diesem Vorbild können auch wir vorgehen. Aber wir dürfen niemals bei der Geschichte stehen bleiben und den Rest dem Hörer überlassen. Die Hauptaufgabe bei jeder dieser Geschichten ist die Auslegung und Anwendung auf den einzelnen Hörer. Ebenso müssen wir lernen, sie so zu beschränken, dass jedes Detail dann tatsächlich auch angewandt werden kann. Und dies ist eine ganz große Herausforderung in einer Zeit, von der Paulus sagte, dass die Menschen „immerzu lernen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können“ (2. Tim. 3, 7) und den Fabeln hinterherjagen und dem, was in den Ohren kitzelt (also dem, was sich gut anfühlt).
Hier ist unsere große Verantwortung, zur Gleichförmigkeit mit der postmodernen Welt ein klares „Nein“ zu haben und uns gegen diese falsche Kultur des Geschichten Erzählens zur Wehr zu setzen. Sei gesegnet mit der Kraft Gottes dazu!

Predigen in der Kraft des Geistes

Predigen in der Kraft des Geistes
Wenn unsere Predigt in der Kraft des Heiligen Geistes geschehen soll, so müssen wir uns an die Art halten, wie der Heilige Geist wirkt. Wir verfügen nicht über den Geist, sondern Er verfügt über uns. Und Seine Art, zu handeln, muss zu der Art werden, wie wir selbst auch handeln. Also: Nicht der Geist richtet Sich nach uns, sondern umgekehrt, wir richten uns nach Ihm und den Prinzipien, die Sein Wirken ausmachen.
Ein erstes Merkmal ist, dass der Heilige Geist der Autor der gesamten Bibel ist. Die ganze Bibel von 1. Mose bis zur Offenbarung ist gottgehaucht, was bedeutet, dass der Heilige Geist die Autoren der einzelnen Bücher der Bibel inspiriert und überwacht hat. Gott der Heilige Geist trägt die volle Verantwortung für die Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Bibel. Und da Er Gott ist, wird Er Sich niemals widersprechen. Wir dürfen somit vertrauen, dass Gott uns durch die Bibel die ganze Wahrheit sagt und nichts aus ihr mit dem Menschenverstand erst überprüfen und gegebenenfalls verwerfen müssen. Im Gegenteil: Jesus Christus bestätigt am Schluss in der Offenbarung, dass von allem, was geschrieben steht, nichts weggenommen und nichts hinzugefügt werden darf. In diesem Moment war also die Schrift vollkommen und alle ihre Inhalte vollkommen zuverlässig. Daran hat sich zu keiner Zeit etwas geändert, sodass es weder Umdeutungen noch verdrehende Interpretationen braucht. Vielmehr genügt die Schrift so, wie sie uns vorliegt. Wer also in der Kraft des Geistes predigen möchte, muss dafür die Bibel in ihrer Gesamtheit und in ihrem vorliegenden Wortlaut ernst nehmen. Sie hat uns heute exakt genau so viel zu sagen wie den Menschen vor 2000 und 3000 Jahren. Das erste Prinzip des Heiligen Geistes ist also dasjenige, dass Er die Bibel nicht nur erschaffen hat, sondern zu jeder Zeit gebrauchen will und wird.
Ein zweites Prinzip nannte uns der Herr Jesus, als Er vom Kommen den Geistes sprach. Da sagte Er, dass der Geist Ihn, also den Herrn Jesus, verherrlichen wird. Das Zentrum aller Predigt in der Kraft des Geistes ist somit der Herr Jesus und Sein Werk am Kreuz von Golgatha. Es ist also so, dass jeder Text der Bibel auf den Herrn hinweist. Das ist auch ein Wunder, aber es ist so. Welchen Text wir auch wählen, wir haben ihn erst dann wirklich verstanden, wenn wir den Herrn Jesus und Sein Werk am Kreuz von Golgatha, nämlich das ganze Evangelium, aus diesem jeweiligen Text heraus predigen können. Es ist Jesus Christus, der unser Ein und Alles sein soll. Er ist für uns auf die Erde gekommen, hat für die Bezahlung unserer Schuld gelitten, ist gestorben, damit wir mit Gott versöhnt leben können und ist auferstanden, damit auch wir auferstehen können und in Ewigkeit bei Ihm sein. Er hat unsere Ungerechtigkeit getragen und uns dafür das Kleid der Gerechtigkeit erworben. In Ihm sind wir vor Gott gerecht gemacht, haben Frieden mit dem Schöpfer und Richter von Himmel und Erde. Das ist der Hauptgedanke, der jeden Abschnitt der ganzen Bibel durchzieht, der rote Faden, der uns durch jede Predigt hindurchführen kann und den der Heilige Geist benutzen möchte, um den Menschen, die uns zuhören, die Erlösung anzueignen. Das zweite Prinzip ist somit, dass der Heilige Geist immerzu auf den Herrn Jesus hinweist und Ihn verherrlicht. So konnte der Apostel Paulus auch an die Korinther schreiben, dass er unter ihnen nichts wusste als Christus, und Ihn als Gekreuzigten.
Das dritte grundlegende Prinzip des Heiligen Geistes betrifft das Wirken, das Er als Auftrag hat. Auch hiervon berichtet uns der Herr Jesus in Seiner Abschiedsrede. Der Heilige Geist, wenn Er dann in Seiner neuen Fülle gekommen sein wird, soll die Welt überführen von Sünde, Gerechtigkeit und Gericht. Wenn wir also wollen, dass Menschen zum Herrn Jesus finden und zur Schar der Erlösten hinzugefügt werden sollen, so müssen wir diese drei fundamentalen Wahrheiten in all unsre Verkündigung mit einfließen lassen. Es gibt nichts Schlimmeres, als den Menschen zu sagen, sie seien gerettet, obwohl sie es doch nicht sind. Wir müssen wieder und wieder von der Sünde sprechen, von dieser Kraft, die den Menschen ohne Wiedergeburt versklavt hält. Die Bekehrung und Wiedergeburt, das Erfüllen mit Glauben, all das ist das Werk des Heiligen Geistes. Aber dies kann nur geschehen, wo zuerst die Notwendigkeit all dessen klargemacht wurde. Nur wer von dem Fluch der Sünde und der Schuld weiß, kann das Verlangen verspüren, von Gott in Besitz genommen zu werden. Nur wer von seiner natürlichen Ungerechtigkeit weiß, kann nach dem weißen Kleid der Gerechtigkeit hungern und dürsten. Und nur wer von dem letzten und schrecklichen Gericht weiß, kann sich nach dem göttlichen Freispruch sehnen. Aus diesem Grund wird die Predigt dort in der Kraft des Heiligen Geistes geschehen, wo wir bereit sind, mit Ihm zusammenzuarbeiten. Wo dies nicht geschieht, ist der Mensch auf seine eigene Kraft und Rhetorik angewiesen, wird aber auch kein bleibendes Werk der Erlösung in seinen Zuhörern voranbringen können. Wer die Geschichte der Erweckungen kennt, wird leicht feststellen können, dass dies mit ein Grund ist, weshalb es Erweckungen geben konnte. Menschen begannen, mit dem Heiligen Geist zusammenzuarbeiten und der Herr Jesus bestätigte ihre Arbeit durch nachfolgende Zeichen. Möchtest auch du Erweckung sehen? Vertraue auf das Werk des Herrn und die Kraft des Geistes!

Unsere Hoffnung in der Predigt

I do not come into this pulpit hoping that perhaps somebody will of his own free will return to Christ. My hope lies in another quarter. I hope that my Master will lay hold of some of them and say, “You are mine, and you shall be mine. I claim you for myself.” My hope arises from the freeness of grace, and not from the freedom of the will.“ (Charles Haddon Spurgeon)

Auf Deutsch:

Wenn ich auf die Kanzel trete, dann hoffe ich nicht, dass vielleicht irgend jemand nach seinem eigenen freien Willen zu Christus umkehren wird. Meine Hoffnung liegt woanders. Ich hoffe, dass mein Meister welche von ihnen an Sich reißen wird und sagen: „Du bist mein, und du gehörst mir. Ich beanspruche dich für Mich Selbst.“ Meine Hoffnung liegt in der Freiheit der Gnade, nicht in der Freiheit des Willens“ (Charles H. Spurgeon)

Wir sehen also, wo das Problem der „modernen“ Predigtweisen liegt: Viele Prediger sind überzeugt, dass sie ihre Zuhörer überreden müssen, zu glauben. So gehen sie Kompromisse mit dem jeweiligen Zeitgeist ein. Sie wenden Strategien der Psycho-Manipulation an, um erfolgreicher zu sein. Sie rufen dazu auf, ein Gebet nachzusprechen, durch welches man gerettet werden könne. In all dem aber vergessen sie, dass es Gottes freie Gnade ist, die einen Menschen überwinden muss. Denn jeder Sünder kann sich nur gegen Gott entscheiden, bis Gottes starke Hand ihn zu Sich herumreißt und ihn für Sich beansprucht. In diesem Wissen liegt viel Freiheit und Freimut des Predigers: Wir müssen den Sünder nicht bekehren, denn das kann nur Gott. Statt dessen müssen wir in unserem heiligen Amte das Evangelium, die wunderbare Botschaft von der freien und damit unverdienbaren Gnade im Herrn Jesus Christus verkünden. Diese Botschaft von der Gerechtigkeit, der Heiligkeit und der Liebe Gottes, dem göttlichen Zorn, aber auch der göttlichen Gnade, will der Heilige Geist gebrauchen, um die Herzen der Sünder zu erreichen und im Glauben, der auch eine reine Gnadengabe Gottes ist, diese steinernen Herzen erneuern.

Bücher zur Predigtlehre

Meine Top 5 der Predigtlehrbücher:

An dieser Stelle möchte ich ein paar Bücher vorstellen, die sich damit befassen, wie man eine Predigt vorbereitet und hält. Ich habe hier die fünf besten, die ich bisher gelesen habe, herausgesucht und stelle sie kurz vor.

Ross, Michael F., Predigen wirkt Wunder. 3L-Verlag, 2009, ISBN-978-3-935188-70-8

Dieses ziemlich neue Buch hat es in sich. Ross hat erkannt und erlebt, dass eine Gemeinde vor allem dann gesund wachsen kann, wenn wir, statt ständig neuen Lehren hinterherzueilen, erneut anfangen, die fundamentalen Wahrheiten der Schrift zu predigen, und zwar in der Ausgewogenheit, wie dies schon bei unseren Vorvätern, den Puritanern, der Fall war. Von ihnen lernt und lehrt er predigen. Eine ausgewogene Predigt muss vor allem auch eine Auslegungspredigt sein. Mit vielen Beispielen und kraftvollen Worten ruft der Autor die Prediger auf, die Predigt zum absoluten Zentrum aller pastoraler Handlungen zu machen.

Lloyd-Jones, D. Martyn, Die Predigt und der Prediger, 3L-Verlag, 2005, ISBN 3-935188-47-1

Bei diesem Buch handelt es sich – wie man sich das bei Lloyd-Jones natürlich gewohnt ist – um eine Serie von Vorträgen, die er am Westminster Theological Seminary für die dortigen Studenten zu halten gebeten worden war. Für ihn ist der Fall eindeutig – die wahre Predigt, so drückt er es aus, sei das dringendste und wichtigste Bedürfnis für die Kirche der heutigen Tage – und damit auch für die Welt. Aus seinem reichen Erfahrungsschatz kann er über all die wichtigen Themen aber auch über Hindernisse und Fehler der Predigtvorbereitung und -durchführung sprechen. Ein Meister seines Fachs!

Mauerhofer, Armin, JESUS Mitte jeder Predigt, jota-Publikationen, 2005, ISBN 3-935707-35-5

Dieses Buch ist aus den langjährigen Vorlesungen meines Dozenten an der STH Basel, Armin Mauerhofers, entstanden. Es ist ein ausgezeichnetes Buch, das dem Prediger vermittelt, dass der Herr Jesus in jeder Predigt das Zentrum sein muss. Alles, was uns die Bibel verheißt, ist das direkte Ergebnis der Erlösungstat des Herrn, und jeder Forderung, die die Schrift dadurch stellt, kann nur mit Hilfe des innewohnenden Christus entsprochen werden. Auf diese Art und Weise wird jede Predigt lebendig und bleibt keine Theorie, sondern will und kann im täglichen Leben des Hörers auch angewandt werden.

Azurdia, Arturo, In der Kraft des Geistes, 3L-Verlag, 2003, ISBN 3-935188-27-7

In diesem Buch findet man in erster Linie Tipps, wie man mehr Vollmacht in der Verkündigung bekommen kann. Es geht weniger um den Prediger und das Halten von Predigten, sondern um eine Grundhaltung, in der man predigen soll, damit der Heilige Geist das Werk des Predigers in den Hörern bestätigt. Azurdia ist selbst Pastor, der auch von seinen eigenen Fehlern und zahlreichen Überraschungen auf der Kanzel berichtet.

Robinson, Haddon, Predige das Wort, Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, 2001, ISBN 3-89436-299-5

Dieses Buch habe ich mit großem Gewinn für meine ersten Gehversuche in der Predigtvorbereitung und -durchführung benutzt. Es werden zehn Schritte mit Beispielen und Illustrationen erläutert und viel wertvolles Arbeitswerkzeug vorgestellt. Es lohnt sich speziell für (noch) nicht ausgebildete Prediger und Theologen.