Buchtipp: The woman in the window

The Woman in the WindowWas hat sie wirklich gesehen von A J Finn

Finn, A. J., The woman in the window – Was hat sie wirklich gesehen?, BlanvaletVerlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH München, 1. dt. Aufl. 2018, 544S. Verlagslink, Amazon-Link

Anna Fox lebt nach einem Unfall allein in ihrem großen Haus. Sie kann es nicht verlassen, da sie sonst Panikattacken bekommt. Ihre Welt besteht nur noch aus Fenstern: Jenen im Browser, durch welche sie – ausgebildete Psychologin – anderen Betroffenen der Agoraphobie helfen kann, und denen im Haus, durch welche sie ihre Nachbarn sehen und beobachten kann. Eines Tages bemerkt sie im relativ frisch bezogenen Nachbarhaus ein schreckliches Bild: Die Frau des Hauses – blutüberströmt – mit einem Messergriff in der Brust.

Damit beginnt eine rasante Suche nach der Wahrheit, was in diesem Moment genau alles geschehen ist und was nicht. Hatte sie sich alles eingebildet, weil sie ihre Medikamente mit Alkohol zusammen eingenommen hatte und dies zu Nebenwirkungen führte? Jedenfalls glaubt das die Polizei. Aber woher kommt das Foto, das sie in der Nacht beim Schlafen zeigt? Und wer ist tatsächlich die Frau des Nachbars? Fragen über Fragen, die in diesem spannenden Thriller erst ganz gegen den Schluss hin geklärt werden.

A. J. Finn hat da ein raffiniertes Werk geschaffen, das so gedacht sein muss, dass der Leser sich immer wieder hinters Licht geführt sieht – und die ganze Geschichte mit jedem neuen Detail wieder komplett neu bewertet werden muss. Vielleicht muss ich an der Stelle festhalten, dass es dann wohl etwas zu raffiniert war, denn mit der Zeit ergibt sich ein Muster, anhand dessen sich der weitere Verlauf der Geschichte ziemlich gut vorhersagen lässt. Ungefähr nach zwei Dritteln war mir klar, wie das Ende aussehen wird. Es ist so ein Roman, den man am besten nicht zweimal liest, denn wer den Schluss kennt, wird das Buch nicht mehr so genießen können und gleich von Anfang an dem Täter mit dem nötigen Urteil begegnen.

Eine der ganz wichtigen und wertvollen Aussagen des Romans lässt sich mit den Worten Jesu aus Johannes 8,32 wiedergeben: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Anna beginnt ihren Heilungsprozess damit, dass eine Polizistin ihr die eine schmerzhafte Wahrheit an den Kopf wirft, welche sie seit Langem verdrängt. Es ist leider nicht die ganze Wahrheit, aber doch so viel, dass da alte, faulende Narben aufplatzen können und sie langsam aber sicher wieder Boden unter den Füßen bekommt. Was klar bleiben muss: Finn meint dies nicht im Sinne Jesu, dass der stellvertretende Kreuzestod die eine, ewig gültige Wahrheit ist, die den Menschen frei macht, aber in einem unvollkommenen Sinne lernen wir Menschen aus der Erfahrung immer wieder, dass wir geschehene Ereignisse und Erfahrungen verdrängen, und dieses Verdrängen uns ganz schön Probleme bereiten kann.

Auch die Geschichte an und für sich gefällt mir gut. Insbesondere, wie Finn die Frage angeht, wie eine ausgebildete Psychologin wohl damit umgeht, wenn sie eines Tages selbst therapiebedürftig wird, fand ich richtig gut umgesetzt. Ebenso befasst sich der Autor auf eine gute Art und Weise damit, wie schnell falsche Vorurteile greifen können und welches Unheil sie anrichten, wenn sie erst einmal in ihrer Spurrille festgefahren sind. Das macht das Buch lesenswert und wertvoll. Der Leser muss sich immer wieder mit neuen Details befassen, welche schon wieder einen ganz neuen Blick auf die gesamte Geschichte verlangen. Und bei jeder dieser Wendungen wird man daran erinnert, wie schnell ein vorschnelles Urteil aufgrund von zu wenig Fakten gebildet wird.

Etwas mühsam fand ich die seitenlangen Chatauszüge. Diese hätte man ruhig um drei Viertel kürzen können und nur das Allerwichtigste wiedergeben. Es ist natürlich klar, dass damit auch wieder eine falsche Fährte gelegt werden sollte. Dennoch sehnte ich mich während dieser immer danach, dass endlich wieder etwas Interessanteres passiert. Am Anfang tut sich die Story sehr schwer, es dauert lange, bis sich etwas entwickelt. Doch ab den ersten 150 Seiten geht es dann sehr schnell voran und wird richtig spannend. Wer gut aufpasst, wird den Schluss jedoch schon vor den zwei letzten Wendungen kennen.

Fazit:

Ein spannender Roman, der nach einem zähen Anfang ganz schön an Geschwindigkeit zulegt. Gute Ideen, die noch etwas punktgenauer und teilweise weniger langatmig hätten umgesetzt werden können. Ich gebe dem Buch vier von fünf möglichen Sternen.

Charles Dickens lesen: Leben und Denken

Wie können wir uns einem Autoren nähern, der in einer anderen Zeit lebte? Können wir das überhaupt? Können wir gewissermaßen in seine Schuhe steigen, um möglichst viel von ihm lernen zu können? Ich meine, dass dies zu einem guten Stück weit möglich ist, und möchte am Beispiel von Charles Dickens zeigen, wie ich persönlich dies mache. Vielleicht fragt sich mancher, warum ausgerechnet Dickens? Es war ein schneller, kurzer Impuls, der mich dazu brachte. Im Dezember letzten Jahres stieß ich zweimal auf seinen Namen. Zunächst in einem online Artikel – ich weiß nicht mehr, welcher es war, er hatte etwas mit der französischen Revolution zu tun, mit welcher ich mich damals immer wieder beschäftigte – fand ich den Titel seines Buches „A Tale of Two Cities“. Da wurde mir etwas schmerzlich bewusst, dass das Einzige, was ich von Dickens bislang kannte, „A Christmas Carol“ war. Diese kurze Weihnachtsgeschichte las ich dann um die Feiertage herum erneut, und wurde wieder stark berührt davon. Der zweite Grund lag darin, dass ich wusste, dass Dickens in vielen Themen ganz andere Meinungen vertrat als ich. Und da es heilsam ist, sich immer wieder von gegensätzlichen Meinungen konfrontieren zu lassen, entschloss ich mich kurzerhand, dass für Jahresanfang und Frühjahr 2018 Dickens zu meinem persönlichen Leseprojekt werden sollte. In den Monaten Januar bis Mai 2018 las ich insgesamt gut 8400 Seiten in 13 Büchern von ihm, sowie einer Dickens-Biographie von einem Zeitgenossen und Freund von Charles Dickens, John Forster. Alle 14 Bücher (und noch mehr) sind kostenlos als Kindle-Downloads auf englisch und / oder deutsch bei Amazon.de erhältlich.

Charles Dickens wurde 1812 in Portsmouth geboren. Seine frühe Kindheit war unstet, da sein Vater wegen immer wieder wechselnder Anstellungen mehrmals umziehen musste. Als Charles 12 war, musste sein Vater ins Schuldgefängnis, und Charles musste für seine Familie arbeiten gehen. Er wuchs also in ärmlichen Verhältnissen auf und besuchte die Schule nur sporadisch. Mit 15 Jahren wurde er Schreiber eines Rechtsanwalts und zwei Jahre später wurde er Stenograf beim britischen Parlament. Wiederum zwei Jahre später – inzwischen 19 Jahre alt geworden – wurde er Journalist, und mit 24 Jahren schrieb er den ersten Roman – „Pickwick Papers“ -, welcher in monatlichen Sonderheften zur Zeitung erschien. Von diesem Zeitpunkt an verlief sein Leben relativ gleichmäßig. Er schrieb seine Romane, welche als Monatsbeiträge erschienen, und immer mehr an Einfluss gewannen.

Für mich persönlich ist besonders dieser erste Teil des Lebens interessant, welcher sein Schreiben sehr stark prägten. Das ist auch der Grund, weshalb ich gerne vor den Werken eine Biographie lese. Die soziale Herkunft und Biographie helfen sehr, die Werke besser verstehen und einordnen zu können. Dickens lebte in einer Zeit, in welcher besonders oft Bücher geschrieben wurden, deren Handlungen in der Aristokratie und unter Reichen spielte. Doch er traf einen Nerv der Zeit, indem er gerade Geschichten aus dem einfachen Volk erfand, Geschichten, in welchen sich jeder wiederfinden konnte, und ganz besonders auch Geschichten, die eine moralische Botschaft trugen. Diese Botschaft wurde jedoch nicht von oben herab mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen, sondern sehr satirisch und mit viel Witz, was ich als angenehm empfunden habe. Auch wenn man – wie ich – der moralischen Botschaft nicht unbedingt zustimmen kann, sind die Geschichten auf jeden Fall sehr unterhaltsam zu lesen und bringen den Leser immer wieder zum Nachdenken und zur Selbstprüfung. Das finde ich wertvoll an diesem Autor, und kann seine Bücher mit gutem Gewissen zum Lesen, Schmunzeln und Prüfen weiter empfehlen.

Aufgefallen ist mir jedoch, dass ich andere Romane von ihm als besonders wertvoll empfinde als die Literaturgeschichte mit ihren Dickens-Bestsellern. So konnte ich etwa „Oliver Twist“ ziemlich wenig abgewinnen, während mir „Martin Chuzzlewit“ viel besser gefiel, obwohl dieser Roman kaum bekannt ist (außer unter richtigen Dickens-Kennern natürlich). Auch die „Pickwick-Papers“ habe ich gerne gelesen und immer wieder gestaunt, mit welcher Reife und Weitsicht der 24jährige Dickens das Leben beschreibt, aber auch wie in sich geschlossen sein Werk ist, obwohl es über Monate hinweg Stück für Stück geschrieben wurde. Es gibt keine inneren Widersprüche oder Brüche, die dem Leser in die Augen springen würden, auch wenn man das Buch am Stück liest. Möglicherweise liegt dies aber auch daran, dass Schriftsteller in der prädigitalen Zeit einfach gezwungen waren, sich besser an das früher Geschehene zu erinnern, weil die Suche noch deutlich umständlicher war. Oder vielleicht konnten damals auch durch natürliche Auslese nur die allerbesten Schriftsteller ihre Werke veröffentlichen. Wie dem auch immer sei, ich fand Dickens’ Schreibstil total klasse, gerade auch weil er es voll gut drauf hat, bestimmten Charakteren ihre eigenen Dialekte zuzuordnen – und auch das bis zum „bitteren Ende“ durchhalten konnte.

Wo ich hingegen Mühe habe, ihm zu folgen, da geht es um seine Vorstellungen zur Verbesserung der Welt. Er propagiert Lösungen, um soziale Missstände zu beheben, die mehr Eingriffe durch den Staat in die Wirtschaft bedeuten würden. Jeder Interventionismus führt zur gesellschaftlichen Verarmung. Eins ist klar: Es gab viel Armut und Kinderarbeit zur Zeit als Dickens lebte. Das ist eine traurige Tatsache, die sich dadurch ergab, dass die industrielle Revolution einiges veränderte und zu jener Zeit immer noch am Verändern war. Insgesamt hat sich das Wohlergehen der Gesellschaft jedoch gerade durch freie Marktwirtschaften deutlich erhöht. Für Dickens wird der Staat zum Messias, während die freie Gesellschaft den Einzelnen unterdrückt und zur Kriminalität zwingt, wie dies etwa bei Oliver Twist gezeigt wird. Der Mensch wird so durch die Gesellschaft geprägt, dass nur mit Gesetzen diese allzu freie und böse Gesellschaft in die Schranken gewiesen werden kann. Der einzelne Mensch hingegen ist – in geradezu Voltaire’scher Naturverehrung – an und für sich gut, solange er nicht durch die verdorbene Gesellschaft auch gleich mit verdorben wird. Manche der Romane Dickens’ gehören deshalb auch dem Genre des Bildungsromans an, so etwa auch „Great Expectations“, die Geschichte von Philip „Pip“, der als Waisenjunge aufgezogen wird, später in aristokratischer Manier erzogen wird und so Stück für Stück die Welt kennenlernt. Häufig arbeitet sich Dickens mit seinen Romanen an der eigenen Vergangenheit ab, in der er sich aus der Armut hocharbeiten musste.

2018: Ein neues Lesejahr

Nachdem ich 2017 mit 95 Büchern und rund 40000 Seiten deutlich mehr zum Lesen kam als ich erst dachte, wird es vermutlich 2018 etwas weniger. Ich möchte mehr selbst zum Schreiben kommen, und ich werde auch nach wie vor in der nichtvirtuellen Welt zeitlich und kräftemäßig beansprucht, was wirklich sehr gut ist.

Trotzdem bin und bleibe ich ein Vielleser. Für 2018 habe ich mir zum Ziel gesetzt, bei den älteren Büchern Shakespeares Werke zu lesen und mich so weit wie möglich mit den wichtigsten Werken von Charles Dickens befassen. Ob es von diesen beiden etwas zu bloggen gibt, werde ich spontan entscheiden. Ein anderer Schwerpunkt werden die neuen Romane sein, die schnell mal zu Bestsellern werden. Hier habe ich mir zum Ziel gesetzt, einige zu lesen und rezensieren – immer mit dem biblischen Welt- und Menschenbild im Hinterkopf.

Warum gerade Bestseller? Bestseller sagen viel über die jeweilige Zeit aus, in welcher sie zu Bestsellern werden. Bestseller sind Bücher, die besonders häufig gekauft und gelesen werden. Wenn ein Autor erst mal etabliert, das heißt bekannt, ist, so sind es die Leser, die entscheiden, ob ein Buch dem Denken seiner Zeit entspricht oder nicht.

Wer möchte, kann auch dieses Jahr mein Lesejahr auf Goodreads verfolgen. Allerdings werde ich wohl kaum täglich diese Seite updaten, aber vermutlich so 1 – 2x die Woche, was dann bedeutet, dass umso mehr gelesen wurde. Ich lese durchschnittlich 110 Seiten pro Tag, was schätzungsweise 2,5 Stunden entspricht. Das bedeutet aber tatsächlich: Es gibt Tage, da lese ich deutlich länger und andere Tage deutlich weniger. Ich würde sagen eine halbe Stunde pro Tag im Minimum, und somit etwa 30 Seiten mindestens pro Tag. Das ist für mich eine Art, wie ich mich entspannen, zurücklehnen und mich auf eine Sache konzentrieren kann. Die meiste Zeit des Tages muss ich Multitasking betreiben, deshalb ist das Monotasking des Lesens einfach so entspannend und wohltuend. Viel besser als Schlafen 😉 Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Buchtipp: Leere Herzen

Zeh, Juli, Leere Herzen, Luchterhand Literaturverlag München, 1. Aufl. 2017, Verlagslink, Amazon-Link

Vielen Dank an den Luchterhand-Verlag für das Rezensionsexemplar!

Eine kurze Geschichte, noch nicht einmal 350 Seiten lang, und doch finden sich darin alle notwendigen Elemente für einen erfolgreichen Roman: Gut durchdachte und konstruierte Persönlichkeiten, eine zumeist stringente Handlung, eine sich stetig steigernde Spannungskurve und eine ganze Reihe von Fragen, die sich unsere Zeit stellen muss. Ich habe den Roman von Juli Zeh insgesamt genießen können, wenngleich am Schluss noch manche Frage offen bleibt.

Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft Deutschlands. Inzwischen regiert die BBB (Besorgte-Bürger-Bewegung). Keiner kennt mehr die Wahrheit; und die wenigsten sind an dieser interessiert; nicht zuletzt deshalb, weil die Menschen einfache Antworten wollen und ihnen die Realität zu komplex geworden ist. Die BBB gibt einfache Antworten und spaltet damit die Gesellschaft: Entweder man ist Anhänger oder Gegner der BBB.

Britta, die Hauptperson, und Babak, ihr Geschäftspartner, haben in dieser Zeit eine Nische gefunden, an die man kaum zu denken wagt: Die Professionalisierung von Selbstmord-Attentaten. Möglichst wenig Tote, möglichst große Sichtbarkeit. Und eine gute Quote von Aussteigern aus ihrem aufwändigen psychologischen Programm zur Prüfung der Anwärter. Babak hat eine Software erstellt, welche mithilfe von Algorithmen eine Auswahl trifft, wer zu den möglichen Teilnehmern ihres Programms gehören könnte. Viele potentielle Selbstmörder finden in diesem professionellen Programm heraus, dass sie eigentlich gar nicht willens sind, zu sterben.

Doch plötzlich gibt es Konkurrenz. Ein gescheitertes Attentat, welches nicht von der „Brücke“ aus vermittelt wurde. Alles ergibt keinen Sinn in diesem Fall. Der Algorithmus bescheinigt den beiden Tätern viel zu wenig Selbstmordwillen. Und wenige Tage später erhängt sich dennoch der überlebende der beiden „Attentäter“ in seiner Zelle. Nun überschlagen sich die Ereignisse, bis sich am Ende herausstellt, wer für das stümperhafte Attentat und die Konkurrenz verantwortlich ist, nämlich… [nein, so viel werde ich nun doch nicht verraten; so viel Spannung darf erhalten bleiben].

Die Autorin trifft den Nerv unserer Zeit sehr schön: Ein ähnliches Szenario um die BBB ist durchaus denkbar, wenn die etablierten Volksparteien weiterhin so weit entfernt von der Basis agieren und sich im Elfenbeinturm bewegen, während die Demokratie durch die selbstverstärkende Wirkung der sozialen Medien, Fake-News und verblödende TV-Shows weiter bröckelt und auch die Generationenkonflikte weiter zunehmen, was absehbar ist. Etwas mehr Phantasie hätte ich mir bei der Beschreibung der Technologie der Zukunft gewünscht; unter der Annahme, dass sich der bisherige Fortschritt auch in Zukunft vergleichbar schnell entwickelt, dürfte bis in den 2020er-Jahren noch einiges mehr erfunden sein als die „Glotzis“, das Spielzeug von Zehs Zeit, und verbesserte Algorithmen. Vermutlich hätte Zeh gut daran getan, sich noch ein wenig mehr in die Zukunftsforschung zu vertiefen und dabei ihrer Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen.

Die Persönlichkeiten von Britta und Babak werden Stück für Stück enthüllt, wobei dem Schluss dabei eine wichtige Rolle zukommt, worauf ich noch zurückkommen werde. Das Buch wird gerade durch diese langsamen Enthüllungen der Charaktere immer wieder neu mit Spannung geladen. Immer wieder fragt sich der Leser: Oh, bisher habe ich mir Britta ganz anders vorgestellt! Und doch sind diese Enthüllungen in sich stimmig. Sie enthalten im Verlauf des Buches keine großen Brüche oder Widersprüche, aber neue Facetten zeigen immer wieder auf, dass man sich im ersten Moment täuschen kann. Bei Babak ist der Charakter von Anfang an stärker festgelegt, weshalb er im gesamten Buch auch eher in den Hintergrund rückt. Interessant ist hingegen Julietta, sie ist der vermittelnde Charakter, wenn Britta und Babak sich uneinig sind, dann lässt sie deren Zorn auf sich selbst fallen und führt die beiden – oft ungewollt – wieder zur Einigkeit.

Enttäuschend hingegen fand ich den Schluss. Hier kommt es zum totalen Bruch in der Geschichte. Babak bringt auf den Punkt, was auch der Leser in dem Moment über Britta denkt: „Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, warum du das getan hast.“ (S. 348) Entweder hat Britta die ganze Zeit nur ein übles Spiel gespielt und ist in Wirklichkeit die BBB-nahe Terroristin, oder sie ist dermaßen gleichgültig geworden, was wiederum ihrem gesamten Charakter widersprechen würde. Dieser Schluss lässt alles offen – und möglicherweise ist das von Zeh so geplant. Ich habe bisher noch keine anderen Romane der Autorin gelesen, um diese Frage etwas gewisser beantworten zu können (immerhin spiegelt jeder Roman die Weltanschauung ihres Autors in gewissen Punkten wider). Im ersten Moment würde ich dann die Botschaft von „Leere Herzen“ so verstehen, dass alles sinnlos ist und man einfach mit dem Mainstream mitgehen soll, weil ja alle Moral relativ ist. Doch irgendwie ist mir die Autorin noch zu sympathisch, als dass ich ihr diese Sichtweise unterstellen wollte. Vielleicht ergibt sich mit dem Roman „Unterleuten“, den ich demnächst auch noch lesen werde, ein etwas stimmigeres Bild.

Leere Herzen ist ein spannender Roman, der in der baldigen Zukunft Deutschlands spielt, und vieles ist sehr realistisch gezeichnet. Der Schluss und die sich daraus ergebende Gesamtbotschaft des Romans haben mich jedoch enttäuscht, weshalb ich dem Buch vier von möglichen fünf Sterne vergebe.

Buchtipp: Die Gabe der Könige

Hobb, Robin, Die Gabe der Könige, Penhaligon Verlag, RandomHouse, München, August 2017, Verlagslink, Amazon-Link
Vielen Dank an den Penhaligon-Verlag für das Rezensionsexemplar des Buches. 
 
Fitz Chivalric Weitseher ist ein uneheliches Kind von Prinz Chivalric, dem geplanten Thronfolger der Sechs Provinzen. Er erzählt in diesem Buch aus seiner Sicht, was sich in seinem Leben bisher zugetragen hatte. Die ersten Jahre wächst er ohne Erinnerung an seine Mutter oder weitere Familie auf; das erste Ereignis, an das er sich erinnern kann, ist die Ankunft in der Stadtfestung. Was er noch nicht weiß, ist, dass tief in ihm die Gabe der Weitseher-Könige schlummert – eine Fähigkeit, sich in die Gedanken anderer Menschen und Tiere „einzuhacken“, um diese zu lesen oder gar zu manipulieren. Damit diese Gabe zu ihrer Entfaltung kommt, muss sie hart trainiert werden; doch sie ist auch enorm gefährlich, da sie leicht missbraucht werden kann.
In Friedenszeiten wird eine solche Wunderwaffe nicht gebraucht, doch eines Tages wird klar, dass nicht allzu weit ein Feind lauert: Die Roten Korsaren. Sie waren mit Schiffen unterwegs, überfielen immer mal wieder Dörfer auf dem Festland der Sechs Provinzen, und kidnappten die Bevölkerung. Sie wollten Lösegeld, wenn die Geraubten getötet werden sollten. Ansonsten wurden sie zurückgebracht – als Entfremdete. In diesem Zustand waren die Rückkehrer emotions- und willenlos, agierten wie Roboter, überfielen Reisende, um sich ernähren zu können, und waren ansonsten so gleichgültig allem gegenüber, dass sie nur herumsaßen, bis sie wieder Hunger hatten. Ihre Notdurft verrichteten sie gerade da, wo sie sich zufällig befanden. Angesichts dieser Gefahr sollten die jungen Menschen mit dieser Superwaffe in kürzester Zeit ausgebildet werden, damit sie helfen konnten, die Sechs Provinzen zu beschützen. Doch ob dies gelingt? Das Leben auf dem Hof nimmt inzwischen den normalen Lauf, eine Hochzeit bahnt sich an, Intrigen verdichten sich ob der Gefahr von außen.
Die Lektüre dieses Fantasy-Romans hat mir gut gefallen, insbesondere auch deshalb, weil er viele aktuelle Fragen mit einem neuen Hintergrund erneut aufwirft: Wie gehen wir mit Superwaffen um? Was macht den Menschen aus? Fitz muss viele ethische Fragen klären und sich entscheiden, was er in welchem Fall tun will. Als Leser müssen wir uns diese Fragen auch stellen, und es tut uns gut, diese von einem Fantasy-Roman gestellt zu bekommen. Es ist keine leichte Lektüre, wenngleich mit der Zeit immer fesselnder, als sich die Ereignisse überstürzen und kurzfristige, ungeplante Reaktionen erfordern. Den Einstieg fand ich hingegen eher etwas zäh. Auch muss man sich natürlich fragen, ob die Autorin mit der Handlung im Roman die richtigen Antworten auf die brennenden Fragen zu geben vermag, was ich nicht immer so empfand. Doch alles in allem ist es ein spannender und lesenswerter Roman.
Ich gebe dem Buch vier von fünf Sternen.

 

Warum ich die klassischen „alten“ Romane genieße

Gerade lese ich unter anderem den Roman „Middlemarch“ von George Eliot. Auch einzelne Romane der Geschwister Bronte („Sturmhöhe“ von Emily und „Jane Eyre“ von Charlotte Bronte) oder manche Romane von Jane Austen, oder von den russischen Schriftstellern Dostojewski und Tolstoi haben meine vergangenen Lesemonate bereichert. Heute möchte ich meine wichtigsten Gründe aufzählen, weshalb ich diese Romane ganz besonders genieße – im Vergleich zu den meisten zeitgenössischen Romanautoren.
1. weil es ganz einfach Klassiker sind.
Ein Buch wird nicht einfach ohne Grund zu einem Klassiker. Klassiker – auch wenn über deren genaue Definition gestritten wird – sind Bücher, welche über Generationen und verschiedene Kulturen hinweg Bestseller sind. Klassiker haben den Test der Zeit bestanden und sind daher zeitlos, obgleich sie natürlich einer Zeit und Kultur entstammen. Die Zeit ist ein guter Richter über Bücher: Nur das Beste vom Besten behält den Platz unter den Bestsellern, während viel Neues das weniger Gute verdrängt und seinerseits wieder dem Test der Zeit unterworfen werden.
2. weil sie wie Zeitreisen sind.
Gut, das könnte man von jedem älteren Buch sagen. Aber da ich nicht die Zeit habe, um jedes davon zu lesen, beschränke ich mich gerne vorerst mal auf die Besten der Besten aller Zeiten. Beim Lesen der Klassiker fühle ich mich in eine andere Zeit versetzt und lerne über meinen beschränkten Horizont des 21. Jahrhunderts hinauszuschauen. Ich lerne typische Charaktere, Gewohnheiten, Einschränkungen und Vorteile anderer Zeitalter kennen. Mit den Klassikern brauche ich zumindest für die Vergangenheit keine Zeitmaschine.
3. weil Helden und Tugenden statt Opfermentalität zählen.
Unsere Zeit hat Angst vor Helden mit eisernen Grundsätzen und kompromisslosem Handeln. Deshalb ist die Literatur unserer Zeit voll langweiliger Antihelden geworden, die letztendlich mit ihrer Opfermentalität punkten wollen. Nicht die Tugend zählt mehr, nicht der Charakter, sondern die Geschichte, die den Einzelnen zum Opfer macht. Da sind mir die älteren Klassiker viel sympathischer und auch für das heutige Leben viel lehrreicher und positiver.
4. weil sie unterschwellig oft voll von bissigem Sarkasmus und Satire sind.
Heutige Satire ist meist so offensichtlich und klar erkennbar; in den Klassikern muss man erst danach suchen und wird dafür dann umso mehr belohnt. Jane Austen etwa ist eine Meisterin den unterschwelligen Sarkasmus und einer satirischen Schreibweise. Im wohl bekanntesten Roman „Stolz und Vorurteil“ wird die damalige Erwartung, welche die Gesellschaft an Frauen und deren Haltung zur Ehe hatte, aufs Korn genommen. Jede Frau, so erwartete es die Gesellschaft, will nur möglichst reich heiraten, um finanziell abgesichert zu sein. Für Männer hingegen zähle einzig der Schein, wie sie von der Umwelt wahrgenommen werden.
5. weil sie oft enorm bibelgetränkt sind.
Mich hat schon oft erstaunt, wie viel von der Bibel und vom Glauben in diesen Klassikern vorkommt – und nicht mal unbedingt immer so positiv, aber wirklich häufig. Manche arbeiten sich am Glauben ihrer Zeit ab, wie etwa bei George Eliot, andere wie Dostojewski hingegen sehr positiv. Austen hatte ein gemischtes Gefühl dem Glauben gegenüber, was sich auch in ihren Romanen niederschlug. Aber alle entstammen Zeiten, Orten, Kulturen und Gesellschaftsschichten, die vom christlichen Glauben geprägt sind, und das merkt man.

Das habe ich nur als Mutter gemeint!

Ein kurzes Gespräch im Roman „Middlemarch“ von George Eliot beschreibt ein typisches Phänomen, das wir auch heute oft beobachten können. Es geht um Dr. Lydgate, den frisch zugezogenen, in dem Sinne fremden, Arzt, der laut Gerüchten kurz davor stehen soll, die Rosamonde zu heiraten (was sich später dann auch bewahrheitet). Hier ein Auszug aus der brodelnden Gerüchteküche:
Not but what I am truly thankful for Ned’s sake,” said Mrs. Plymdale. “He could certainly better afford to keep such a wife than some people can; but I should wish him to look elsewhere. Still a mother has anxieties, and some young men would take to a bad life in consequence. Besides, if I was obliged to speak, I should say I was not fond of strangers coming into a town.” “I don’t know, Selina,” said Mrs. Bulstrode, with a little emphasis in her turn. “Mr. Bulstrode was a stranger here at one time. Abraham and Moses were strangers in the land, and we are told to entertain strangers. And especially,” she added, after a slight pause, “when they are unexceptionable.” “I was not speaking in a religious sense, Harriet. I spoke as a mother.”(Kindle-Position 5267 – 5271)
Auch heute findet man oft, dass zwischen dem, was dem christlichen Glauben entspricht und dem, was Menschen diesen Bekenntnisses tatsächlich tun, eine tiefe Kluft. So, als wollte man sagen: Das habe ich nicht im Sinne des Glaubens gemeint, das habe ich nur als Weltmensch gemeint!

Fragen zu den Feuerschreibern und der Reformationszeit

Nachdem ich vor ein paar Tagen die Rezension zum Buch „Die Feuerschreiber“ hier im Blog veröffentlicht habe, nahm ich Kontakt mit der Autorin Claudia Schmid auf. Ihr durfte ich ein paar Fragen zu ihrem Buch, ihrer Arbeit und der Reformationszeit stellen. Nachfolgend meine Fragen mit den Antworten von Frau Schmid.
1. Hallo Frau Schmid, bitte stellen Sie sich doch einmal kurz vor: Ihren Werdegang und besonders auch wie es zu Ihrem Interesse an der Reformation gekommen ist.
Claudia Schmid: Ich habe nach einigen Jahren der Berufstätigkeit Germanistik und Betriebswirtschaftslehre studiert, mein Ehemann und ich haben eine gemeinsame erwachsene Tochter. Wir wohnen ziemlich mittig zwischen Heidelberg und Mannheim in der Nähe des Neckars. Vor beinahe zehn Jahren veröffentlichte ich meine erste Kurzgeschichte. Mittlerweile sind es über vierzig, dazu haben sich sechs Bücher gesellt.
Mein Mann und ich haben in der Nikolaikirche in Isny im Allgäu geheiratet, weil mein Mann von dort stammt. In deren Turm befindet sich ein kostbares Kleinod, nämlich die Prädikantenbibliothek. Sie ist in ihrem Original-Zustand erhalten, sogar der Teppich, der zum Schutz auf dem Tisch lag, weil die Bücher ja regelrecht „aufgeschlagen“ wurden, ist noch ein Original. Gegen Ende des dreißigjährigen Krieges gab es einen verheerenden Stadtbrand in Isny, wie durch ein Wunder blieb der Kirchturm mit dieser Bibliothek erhalten. Während meines allerersten Besuchs in der Prädikantenbibliothek, als ich in diesem ganz besonderen Raum mit diesen kostbaren Bücherschätzen stand, fing ich Feuer für das Zeitalter der Reformation.
Denn in Isny gründete einer der Männer, der bei Luthers Heidelberger Disputation im April 1518 anwesend war, die erste hebräische Druckerei im deutschen Sprachraum, auch Bücher aus dieser Druckerei befinden sich in der Prädikantenbibliothek. Er arbeitete gemeinsam mit dem jüdischen Gelehrten Elias Levitha, der dazu, wie damals üblich, zu Fuß anreiste. Von Venedig über die Alpen, und das, obwohl er bereits siebzig Jahre alt war. Der Reformator war Paul Fagius, geboren in Rheinzabern. Das liegt in der Nähe unseres Wohnortes, und so kam es, dass ich anfing, mich mit der Reformation zu beschäftigen. Zuerst habe ich mich dem Thema mit historischen Kurzgeschichten angenähert, dann habe ich vor einigen Jahren den Roman „Die brennenden Lettern“, quasi eine Romanbiographie des Paul Fagius, geschrieben. Daraufhin entstand bei mir der Wunsch, nochmals einen Reformationsroman zu schreiben, bei dem ich so richtig tief in die Materie eintauchen konnte. Ich gestehe, dass ich es liebe, ausdauernd und umfassend zu recherchieren und mich mit Empathie in meine Figuren einzufühlen. Mit der Arbeit an dem Roman „Die Feuerschreiber“ ist dieser Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Dafür bin ich dem Verlag Fontis sehr dankbar.
2. Was ist Ihnen bei Ihrer Beschäftigung mit der Reformationszeit wichtig geworden? Gibt es Dinge, die Sie ganz neu erkannt haben?
Claudia Schmid: Philipp Melanchthon setzte sich unermüdlich für die Bildung aller ein, etliche Schulgründungen entsprangen seiner Initiative. Für ihn war Bildung unerlässlich. Alle Reformatoren, auf die ich während meiner Recherche aufmerksam wurde, waren fürsorgliche Familienväter, die viel Kraft aus der Liebe zu ihren Familien schöpften. Und, was ein wesentlicher Punkt ist, sie hatten keine Angst vor falschen Autoritäten.
Geschichte ist immer auch eine Geschichte der Macht, von Beherrschung, Bedrohung und von der Gier nach Reichtum. Ich gewann den Eindruck, dass es den Reformatoren nicht um Macht und um eigene Vorteile ging. Sie wollten eine Erneuerung der Kirche zum Wohle aller Menschen, die Gemeinschaft sollte davon profitieren. Es waren mutige Menschen, von denen etliche sogar ihr Leben riskierten und auch ließen, weil sie etwas Höheres als sich selbst gesehen haben, sich dabei aber nicht über die anderen stellten.
3. Was können heutige Kirchen und Freikirchen ganz konkret von der Reformationszeit lernen?
Claudia Schmid: Mein historischer Roman bietet einen Einstieg in die Thematik der Reformation. Weiterreichendes können Interessierte im Selbststudium und im Rahmen ihrer Gewissensbildung für sich selbst erarbeiten und selbst Rückschlüsse daraus auf unser Leben heute übertragen.
4. Sie hatten für Ihre Recherche die Gelegenheit, eine ganze Menge Literatur zu Luther, Melanchthon und auch zur Reformation insgesamt zu wälzen – wohl mehr als ich im ganzen Leben werde lesen können. Mal angenommen, es gibt Blogleser, die durch Ihr Buch ein großes Interesse an der Reformation und den Protagonisten gewonnen haben. Welche (für Laien einfach verständliche) Literatur würden Sie empfehlen, um fortzufahren?
Claudia Schmid: Ich habe wirklich sehr viel gelesen! Über die Fernleihe der hiesigen Universitätsbibliothek habe ich unzählige Bücher bestellt und ich war in Archiven, um dort vor Ort in der vorhandenen Literatur zu lesen. Es ging für mich als Romanautorin zusätzlich zu theologischen Aspekten auch darum, herauszufinden, wie die Menschen damals lebten, wie haben sie sich ernährt, wovor hatten sie Angst, was hat sie beschäftigt, wie war die politische und soziale Lage. Was hat sie angetrieben, was wollten sie verändern und erreichen?
Mein absoluter Favorit ist über all die Jahre, in denen ich mich mit dem Thema Reformation beschäftige, das 1000seitige Buch von Diarmaid MacCulloch, „Die Reformation 1490 – 1700“ geblieben. Es hat einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal. Ich liste es mit einigen weiteren Titeln in der Literaturliste meines Romans „Die Feuerschreiber“ auf.
5. Gibt es für Sie persönlich Fragen, die noch offen geblieben sind? Über welche Themen und Fragen würden Sie gern mit den Reformatoren sprechen, wenn das möglich wäre?
Claudia Schmid: Das ist eine sehr interessante Frage! Ehrlich gesagt, habe ich sie mir noch nie gestellt. Für mich als Schriftstellerin wirft sie eine Reihe von weiteren Fragen auf, etwa: In welcher Form wäre ich den Reformatoren begegnet? Welcher sozialen Schicht hätte ich angehört? Würde es mir gelingen, von meinem Hier und Jetzt zu abstrahieren und mich im Kontext der damaligen Zeit zu bewegen und zu denken? Das ist sehr spannend. Ich denke, ich wäre gerne bei einer Arbeitssitzung dabei gewesen, als die Gelehrten im Schwarzen Kloster gemeinsam an der Übersetzung des Alten Testaments arbeiteten. Aber als stille Beobachterin. Und sobald die Zeitmaschine mich wieder ins Heute befördert hätte, hätte ich sofort ALLES aufgeschrieben.
6. Gibt es schon weitere Projekte, an denen Sie arbeiten, und von denen Sie ein wenig erzählen können?
Claudia Schmid: Die gibt es. Aber ich gehöre zu den Kreativen, die ihren eigenen „workflow“ ausbremsen, sobald sie darüber reden. Soviel: Das Zeitalter der Reformation bleibt meine bevorzugte Epoche für historische Texte.
7. Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der mit dem Gedanken spielt, selbst einen historischen Roman zu schreiben?
Claudia Schmid: Für ein Thema bedingungslos brennen! Lesen, lesen, lesen! Alles, aber auch wirklich alles, was damit zu tun hat und was man bekommen kann. Die ganz alten Bücher darf man ja nicht ausleihen oder sie sind in einer Form verfasst, die für uns heute schwer lesbar ist, beispielsweise in einer Schriftart, die nicht mehr gebräuchlich ist. Da ist es dann zu empfehlen, zu recherchieren, ob dieses Buch in einer neuen Herausgabe erhältlich ist. Unbedingt an die Orte reisen und verweilen, an denen der Roman handelt! Versuchen, einzutauchen in die damalige Zeit und vom Heute abstrahieren, sich selbst zurücknehmen. Und dann, wenn man sich an so einem Ort befindet und ihn mit all seinen Sinnen aufnimmt, wenn die Romanfiguren zum Leben erwachen, wenn man sie sieht und riecht und sie zu einem sprechen, dann ist es soweit, mit dem Schreiben zu beginnen.
Vielen Dank für Ihre wertvollen Antworten!
Claudia Schmid: Ich bedanke mich für die Fragen und für das Interesse an meinem Roman.

 

Auseinandersetzung mit der Medienethik in Romanform

Da ich mich schon länger immer wieder mit der Medienkritik und Medienethik beschäftige, ist die Idee entstanden, diese Sammlung von Wissen und eigenen weiterführenden Gedanken in der Form eines Romans zugänglich zu machen. Die Rahmenhandlung ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind keinesfalls beabsichtigt. Nacherzählungen von Gedanken anderer Autoren sind mit bestem Wissen und Gewissen – wenn auch teilweise ein wenig vereinfacht – wiedergegeben. Die Inhalte dürfen gerne diskutiert werden – ich bin für Kritik und Ergänzung offen. Wichtig ist mir aber, dass die Gedanken so einfach bleiben, dass sie in jeder Familie nach-gedacht und umgesetzt werden können.
Wer sich für die Bedeutung und den Umgang verschiedener Medien interessiert, ist herzlich eingeladen, auf meiner neuen Seite mitzulesen und auch zu diskutieren. Ich habe vor, das Ganze am Ende zu überarbeiten und werde konstruktive Vorschläge mit aufnehmen.

Die Feuerschreiber – ein historischer Roman von Claudia Schmid

Schmid, Claudia, Die Feuerschreiber: Martin Luther und Philipp Melanchthon. Historischer Roman, Fontis Verlag Basel, 2016. Amazon-Link
Ich habe mich nun mal in ein Genre hineinbegeben, das ich sonst eigentlich eher meide: Historische Romane. Warum ich dieses meide? Mir ist die Mischung aus Recherche und Fiktion suspekt. Muss ich ehrlich zugeben. Da haben mich solche Romane, die ich vor langer Zeit mal gelesen habe, abgeschreckt; es ist dann nämlich oft so, dass die Recherche durch die Phantasie der Autoren ersetzt wird und der tatsächliche historische Inhalt ungefähr dem entspricht, was auf Wikipedia zu finden ist. Aber nun habe ich mich – dank eines Gewinns des Buches (herzlichen Dank an den Blog „Bücher ändern Leben“, an die Autorin und an den Fontis-Verlag) einen neuen Versuch gewagt – und bin begeistert.
Hier ist nun mal ein historischer Roman, wo man das Gefühl bekommt, dass sich die Autorin wirklich viel Mühe mit den Recherchen gibt und sich zugleich auch gut in die Charaktere hineinversetzen kann. Natürlich sind die meisten Unterhaltungen und auch einige der Nebencharaktere frei erfunden. Dennoch muss ich der Autorin für das Verstehen und schriftstellerisch praktische Umsetzen der Theologie der Reformatoren ein großes Lob aussprechen. Ein kleines Beispiel: “Ja, der Mensch in seiner Vermessenheit wollte sein wie Gott. Mit dieser Anmaßung kam das Böse in die Welt, es brachte den Teufel ins Spiel, der mit Gott um die Herrschaft über die Menschen rang. Aber der gnädige Gott eröffnete in seiner Weisheit einen Weg für die Gläubigen. Denn er liebte die Menschen so sehr, dass er seinen Sohn für sie opferte. Der Glaube an die Erlösungstat des Heilands, an seinen Tod und an seine Auferstehung schenkt Erlösung. Gottes Liebe steht über allem!”(S. 59) Man kann sich jetzt über die exakte Formulierung natürlich trefflich streiten, aber alles in allem finde ich es gut ausgedrückt.
Ich möchte das Buch besonders zwei Gruppen von Menschen empfehlen: Erstens jenen, welche gerade erst beginnen, sich mit der Geschichte der Reformation zu beschäftigen. Jenen empfehle ich, es nicht bei diesem einen Buch zu belassen. Es gibt zahlreiche weitere Literatur, die sich mit der Biographie und Theologie der Reformation beschäftigt. Die zweite Gruppe betrifft Menschen, die sich bereits eingehend mit der Reformation befasst haben, und sich einfach mal entspannt einem Buch hingeben möchten, das sie auch emotional in die damalige Welt mit ihren Sorgen, Nöten, Ängsten und Diskussionen hinein begeben wollen. So war es für mich persönlich. Das Buch hat mich erneut für die fünf „Solae“ der Reformation begeistert und ermutigt, trotz allem Widerstand und all der Irrlehren, die in unseren Tagen umgehen, weiter dran zu bleiben und Gottes Wort, die Bibel, treu zu predigen.