Buchtipp: Schlafende Schönheiten

King, Stephen, King, Owen, Sleeping Beauties, Heyne-Verlag München, 1. Aufl. 2017, Verlagslink, Amazon-Link

Vielen Dank an den Heyne-Verlag für das zugesandte Rezensionsexemplar!

Wer oder was ist Evie? Was passiert in einer Welt, in welcher nur noch Männer wach sind? Wie würde es den Frauen ergehen, wenn sie an einem neuen Ort eine neue Existenz unter sich aufbauen könnten? Lauter spannende Fragen, die Vater und Sohn King gemeinsam aufwerfen und in ihrem Roman nach Antworten suchen.

Vor 20 Jahren bin ich nach einer ganzen Reihe von Fantasy-Bänden von Wolfgang Hohlbein irgendwann beim ersten Buch von Stephen King gelandet. Wenn ich mich richtig erinnere, war es ES, das Buch, welches inzwischen erneut verfilmt und vor Kurzem in die Kinos gekommen ist. Darauf folgten einige weitere von King, dessen Bücher mich über die Jahre hinweg immer wieder begleitet haben. So war ich gespannt auf das Neuste von ihm und begann gleich zu lesen, als das Paket kam.


Die Geschichte spielt in Dooling, einer von den Kings für diesen Roman erfundenen Stadt in den Appalachen, ein kleines Städtchen mit einem Frauengefängnis, das eine wichtige Rolle spielt. Im ersten Kapitel werden ein paar für beschauliche Städtchen typische Szenen geschildert. Eine Unterhaltung im Frauengefängnis, die Gedanken eines frisch ausgebildeten Psychiaters zu seinem ersten Patienten, das Gespräch dieses Psychiaters mit seiner Frau, die zufällig auch noch Sheriff des Städtchens ist.

Plötzlich geschieht etwas Unerwartetes: Weltweit tritt eine Schlafkrankheit, Aurora genannt, auf. Sie befällt nur Frauen, und zwar ausnahmslos alle, die ab dem bestimmten Tag einschlafen oder bereits in diesen Tag hinein schlafen. Bei all diesen schlafenden Frauen wächst ein Kokon, ein spinnwebenartiges, immer dichter werdendes Netz aus den Körperöffnungen des Kopfes heraus, der mit der Zeit den ganzen Körper umschließt. Ein Wettrennen mit der Zeit beginnt. Viele Frauen versuchen mit allen Mitteln wach zu bleiben. Sie nehmen Drogen, Medikamente, Kaffee oder laufen ständig im Kreis, bis sie halbwegs vor Müdigkeit den Verstand verlieren.

All dies geschieht weltweit, doch eine Sensation gibt es bei den Frauen von Dooling: Sie sind die einzigen, welche stellvertretend für alle anderen Frauen wieder aufwachen – aber zu einer späteren Zeit, in welcher sie alleine Dooling und die Umgebung bewohnen. Sie bekommen die Chance, das Leben ohne Männer auszuprobieren. In dieser neuen Welt, die sie Unser Ort nennen, vergeht die Zeit viel schneller. In wenigen Tagen in der normalen Welt sind am neuen Ort bereits Monate vergangen. So können sie sich in kurzer Zeit ein Bild darüber machen, wie ein solches Leben aussehen würde. Natürlich gefällt es ihnen gut.

In der normalen Welt bricht unterdessen Panik aus. Fake-News werden verbreitet, dass Aurora ansteckend sei und ganze Brenner-Brigaden zündeln an den schlafenden Frauen herum. Mittlerweile ist bekannt geworden, dass Evie Black als einzige Frau einschlafen und ganz normal wieder aufwachen kann. Da mittlerweile auch Lila Norcross, die Sheriff des Ortes, eingeschlafen ist, hat eine Gruppe von Männern den Vorsitz der Polizei übernommen und versucht, Evie aus dem Frauengefängnis zu bekommen. Clint Norcross, der Psychiater des Gefängnisses, versucht Evie zu beschützen, während die Polizisten inzwischen glauben, dass Evie getötet werden muss, um der Aurora ein Ende zu setzen. So kommt es in beiden Welten zu einem sehr unterschiedlichen Showdown: Wird Evie, deren Tod das Tor zwischen den beiden Welten verschließen würde, lange genug am Leben bleiben? In der Welt der Frauen Doolings stellt sich die Frage anders: Ist die Frauenheit bereit, sich geschlossen und demokratisch für eine Rückkehr in die normale Welt zu entscheiden?

Das Buch wirft spannende Fragen auf. Überhaupt ist das eine große Stärke von Stephen King, in seinen Romanen Fragen zu stellen und immer wieder neu zu beantworten. Doch in diesem Fall sind die Antworten mehr als dürftig. Insgesamt hat mich das Buch enttäuscht, da ich mir von King Besseres gewohnt bin. Seine Antworten auf die tiefen Fragen, die er aufwirft, werden mit einem billigen Steinzeit-Feminismus beantwortet: Am weiblichen Wesen wird die Welt genesen. Die Frauen von Dooling opfern sich buchstäblich, weil sie aus einer nahezu perfekten weiblichen Welt freiwillig wieder in die normale Welt zurückkehren, und damit retten sie diese Welt. Die Männer hingegen kennen im Roman der Kings nur Krieg, Streit, Habsucht, Machtgeilheit.

Da haben wir das alte Märchen der Feministinnen von Simone de Beauvoir bis hin zu einem inzwischen kleineren Strang der postmodern-feministischen Bewegung: Männer sind böse, oder besser gesagt: Sie sind das Böse schlechthin, und sie brauchen eine Evie, die sie dazu zwingt, mal untätig warten zu müssen und die richtige Entscheidung den Frauen zu überlassen. Wir Menschen sind als Frauen und Männer geschaffen, die einander gegenseitig ergänzen, aber erlösen können sie einander nicht. Das kann nur der stellvertretende Opfertod von Jesus Christus und Seine nach drei Tagen erfolgte Auferstehung aus den Toten. Der letztendliche Versuch der Kings, den Steinzeitfeminismus abzuschwächen, indem Evie am Schluss über die Entscheidung der Frauen, wieder zurückkehren zu wollen, weinen muss, misslingt vollständig. Es wirkt einfach nicht mehr glaubwürdig. Es handelt sich um ein derart absurdes Ende, dass damit die ganze vorige Geschichte zerstört wird. Schließlich gibt es auch keine zusätzliche Auflösung in dem Sinne, dass eigentlich etwas ganz anderes gemeint sei. Es ist einfach ein weiterer Bruch innerhalb einer sowieso schon von Brüchen durchzogenen Story, der den Leser am Ende fragend und enttäuscht zurücklässt.

Daneben gibt es aber auch weitere Fragen, die aufgeworfen und gut beantwortet werden. Etwa die Herkunft und Verbreitung von Fake-News. Die Verbreitung geschieht nämlich kaum gewollt, sondern durch Unwissenheit und Bequemlichkeit, weil man zu faul ist, um die Fakten zu prüfen. Was mir auch gut gefiel, ist die Art, wie herausgearbeitet wird, dass wir oft das Gewohnte als so normal empfinden, dass wir den Wert davon erst bemerken, wenn es uns fehlt. Doch insgesamt kommt das Buch um Längen nicht an die früheren, wirklich spannenden Romane wie ES heran. Wie weit das auf die Zusammenarbeit mit seinem Sohn Owen zurückzuführen ist, kann ich nicht sagen, da ich dessen Short Stories einfach nicht kenne. Es könnte aber auch einfach daran liegen, dass King langsam die Ideen ausgehen und er deshalb längst ausgetretene Pfade vertiefen muss. Ich weiß es nicht und werde ihm auch in Zukunft weitere Chancen geben, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Die Länge fand ich jedenfalls angenehm; die über 950 Seiten der deutschen Ausgabe geben einem genügend Zeit und Gelegenheit, um in der Geschichte anzukommen und sich hineinzufinden.

Ich gebe dem Buch drei von fünf möglichen Sternen.

Buchbesprechung: Welt unter Sechs von Beile Ratut

Ratut, Beile, Welt unter Sechs, Ruhland Verlag Bad Soden, 2015. Link im Verlag / Amazon
Vielen Dank an den Ruhland-Verlagund die Agentur Literaturtestfür die Zusendung des Rezensionsexemplars. Mit großem Interesse habe ich das Buch „Welt unter Sechs“ von Beile Ratut gelesen.
Die Autorin Beile Ratut ist Finnin, hat lange Zeit in Frankfurt am Main gelebt und schreibt auf deutsch. Es ist ihr drittes Buch, die zwei anderen habe ich allerdings nicht gelesen. Ich fand es spannend, dass sich eine Frau auf die Suche nach der Antwort auf das Problem der fehlenden Männlichkeit macht. Sie verarbeitet das Thema in drei kurzen Romanen, die jeweils ungefähr 60 Buchseiten umfassen.
Bücher lesen ist etwas, was jeder Mensch aufgrund seiner Prägung unterschiedlich macht. Ich werde deshalb kurz meinen Hintergrund und meine Vorgehensweise erläutern. Wer das langweilig findet, darf diesen Abschnitt gern überspringen. Ich bin ein freikirchlich geprägter und theologisch geschulter Mensch, der sehr gerne liest. Leider komme ich zu selten zum Lesen von Romanen, habe für diese jedoch eine mir eigene Vorgehensweise entwickelt. Ich lese das Buch jeweils dreimal hintereinander, jedes Mal mit einer anderen Frage im Hinterkopf. Dazu mache ich mir Notizen und Unterstreichungen am Buchrand. Beim ersten Durchgang ist meine Frage: „Wie wirkt das Buch auf mich? Welche Geschichte erzählt es? Was will das Buch in mir erreichen?“ Beim zweiten Durchgang frage ich mich: „Wie ist die Weltanschauung des Autors oder der Autorin?“ Dabei geht es um die Fragen nach Herkunft der Welt (Schöpfung), Herkunft des Bösen (Sündenfall) und wie das Gute wiederhergestellt werden kann (Erlösung). Beim dritten Durchgang frage ich mich, welche Fragen oder Probleme die Geschichte anspricht und wie diese beantwortet oder gelöst werden. 
Die drei Geschichten
Die Hauptperson der ersten Geschichte ist ein Pfarrer, 55 Jahre alt, verheiratet, allerdings kinderlos geblieben. Er war ein guter Kommunikator, einer, der die richtigen Worte zu treffen wusste um die Menschen zu trösten; und er liebte seinen Beruf, weil er sich auf diese Weise gebraucht fühlte. Seine Frau hatte sich in den Jahren der Ehe immer weiter von ihm zurückgezogen, sie war oft im Garten. Plötzlich entdeckte der Pfarrer, dass seine Gesichtshaut mit einem riesigen Schandmal „verziert“ war. Er konnte sich nicht mehr sehen lassen, versteckte sich, und hatte dadurch Zeit, sich Gedanken zu machen. Er erkannte nun, dass er nicht wirklich glaubte, was er predigte, und dass auch seine Frau sich nicht einfach so von ihm zurückgezogen hatte, sondern deshalb, weil er sie nie nahe genug an sie herangelassen hatte. Am Ende fanden sie einander, fanden Worte für einander und dann wurde seine Frau auch endlich schwanger.
In der zweiten Geschichte geht es um Heinrich, einen Wissenschaftler, der sich durch seine Forschung einen Namen gemacht hatte. Auch er war verheiratet; doch er hatte einen Sohn. Am Anfang der Geschichte erfährt man, dass der Sohn weggelaufen war. Der Sohn war sehr anhänglich, zart, mitfühlend, lebte ganz in der Welt der Mutter. Heinrich sah das mit Sorge, er wusste nicht, wie Sebastian von der Welt der Mutter in die Welt des Vaters hinüberwechseln sollte. Heinrich hatte das auch ohne Vater lernen müssen; bei ihm war es ein Ritual, das eine Art Vergewaltigung war, die durch andere Schüler des Internats ausgeübt worden war. Mantraartig wiederholt er in der Geschichte, er habe seinem Sohn nichts getan, ihm nur die Hand auf den Kopf gelegt und ihm das „Wissen der Mannbarkeit“ (u. a. S. 65) geschenkt. Schreckerstarrt erfährt der Leser zum Schluss, worin das bestand. Diese Geschichte endet mit dem Versprechen Heinrichs, seinen Sohn zu suchen und nicht aufzuhören, bis er ihn gefunden habe.
In der dritten Geschichte erzählt ein alter Mann, ein Bettler, seine Geschichte. Bei ihm starb der ältere Bruder als er noch ein Kind war. Er selbst führte daraufhin ein sehr unstetes, von vielen Liebschaften und einer Abtreibung geprägtes Leben. Er heiratete sehr spät und hatte sich nach einigen Jahren von seiner Frau entfremdet. Einer seiner Kollegen vergewaltigte die Frau dieses Mannes und er glaubte ihr nicht einmal. Als sie den Kollegen dazu bringen wollte, ihrem Mann seine Tat zu gestehen, rastete der Kollege aus und vergewaltigte sie noch einmal, bevor er sie im Wald bewusstlos schlug, mit Benzin übergoß und verbrannte. Der alte Mann bekam dann in einem Kloster von einem jungen Priester eine Antwort auf die Frage, was es bedeute, an Gott zu glauben. So fand er schlussendlich als alter Mann echten Frieden.
Meine persönlichen Gedanken dazu
Beile Ratut spricht tatsächlich viele wichtige Themen an, die das Mannsein oder Mannwerden ausmachen. Verantwortung tragen, Zeit haben, Ehrlichkeit, sich ganz öffnen, sich verwundbar machen, Sexualität und die Suche danach, der Weg vom Kind zum Mann, und so weiter.
Heinrich, der Vater in der zweiten Geschichte, machte sich Gedanken dazu: „Was sollte aus dem Kind werden? Wer würde ihm helfen, aus der Welt seiner Mutter in die Welt des Mannes zu treten? Wie sollte aus ihm ein Mann werden, der in dieser Wirklichkeit nicht unterging? War es nicht Verrat an seinem eigenen Blut, ihn damit allein zu lassen?“(S. 77f)
Auch die Unterhaltung – eine der seltenen Passagen in der direkten Rede – in der ersten Geschichte ist wertvoll:
Dann sagte sie vorsichtig: „Ich bin nicht dein Feind – ich bin deine Frau.“
Und ich bin dein Mann“, sagte er, wie um sie daran zu erinnern, welche Ehre ihm gebührte. Doch ihm gebührte keine Ehre.
Ich will dich sehen wie du wirklich bist“, fuhr sie fort. „Aber ich sehe nur einen Mann, der mir ausweicht. Warum machst du das? Kannst du mir denn nicht in die Augen schauen und mein Ehemann sein?““(S. 49)
So habe ich zahlreiche Absätze im Buch als echt wertvolle Hinweise auf solch wichtige Themen angestrichen. Zugleich stelle ich aber auch kritische (An-)Fragen an das Buch:
1) Der Umgang mit der Sprache. Die Sprache wird häufig gebraucht, um Emotionen aufzubauen. Ratut versucht, Sprache zu verstärken, indem sie Sätze inhaltlich und zuweilen auch äußerlich sinnlos und falsch aufbaut. Das erinnerte mich an die – natürlich falsche – Sichtweise von Friedrich Nietzsche, welcher schrieb:
Überall ist hier die Sprache erkrankt, und auf der ganzen menschlichen Entwickelung lastet der Druck dieser ungeheuerlichen Krankheit. Indem die Sprache fortwährend auf die letzten Sprossen des ihr Erreichbaren steigen musste, um, möglichst ferne von der starken Gefühlsregung, der sie ursprünglich in aller Schlichtheit zu entsprechen vermochte, das dem Gefühl Entgegengesetzte, das Reich des Gedankens zu erfassen, ist ihre Kraft durch dieses übermäßige Sich-Ausrecken in dem kurzen Zeitraume der neueren Civilisation erschöpft worden: so dass sie nun gerade Das nicht mehr zu leisten vermag, wessentwegen sie allein da ist: um über die einfachsten Lebensnöthe die Leidenden zu verständigen.“ (Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen IV, Kp. 5)
Wie Nietzsche scheint also auch Ratut der Meinung zu sein, dass Sprache weniger Sinn, Inhalt und Information, sondern vielmehr Emotion weitergeben soll. Das macht das Buch jedoch auch deutlich schwieriger lesbar. Deshalb frage ich mich, wen sie zum Zielpublikum machen möchte. Das Buch wird deshalb kaum junge Männer ansprechen, die sich diese Gedanken noch nicht gemacht haben. Lesebegeisterte und nachdenkliche junge Männer, die sich diese Frage auch schon gestellt haben, werden vermutlich auch nicht so viel Neues darin finden.
2) Gibt das Buch Antworten? Ja und nein. Ich vermute, dass Ratut sich das Buch als eine Gesamtkomposition gedacht hat. Drei Geschichten, die aufeinander aufbauen. Durch den Aufbau ergibt sich eine Art Antwort – wobei die Antwort dann im Glauben an Gott zu finden ist. Die einzelnen Geschichten geben für sich allein jedoch keine Antworten und auch kaum Hilfestellung zu einer besseren Lösung.
3) Wo oder wie ist Erlösung zu finden? Hier kommt meine wichtigste Frage an das Buch. Wenn Ratut den Leser dazu führen möchte, durch den Gesamtaufbau des Buches zu erkennen, dass der Glaube zum echten Mannsein gehört (und ich würde ihr darin völlig zustimmen), dann müsste das die letzte Geschichte noch besser herausarbeiten. Wenn sich der (in Glaubensdingen unkundige) Leser fragt, wie er dorthin kommt, ist er am Ende verlassen. Außerdem ergeben die Geschichten – wenn man sie einzeln liest – ein ganz anderes Bild. In der ersten Geschichte könnte man meinen, Malessa (die Frau des Pfarrers) sei am Ende die Erlöserin. Die zweite Geschichte spricht vom Schöpfer der Welt, den Heinrich um Vergebung bitten wolle. Auch hier fehlt eine Menge. Und in der dritten Geschichte findet der Erzähler die Antwort beim Priester im Kloster. Dort lautet sie, an Gott zu glauben, bedeutet: „Verkriech dich in den Fels und halte dich im Staub versteckt vor dem Schrecken des Herrn und vor der Pracht seiner Majestät.“ (S. 180) Keine der drei Antworten, die die drei Geschichten geben, wird den Leser zum Frieden mit Gott bringen. Eine konkretere Antwort zu finden bleibt Sache des Lesers. Auch wenn manchmal Teile der Bibel, etwa das Buch der Psalmen, genannt werden, fehlt der konkrete Hinweis darauf, dass dort die Antwort zu finden ist. Ebenso auch der Hinweis, wie diese Antwort aussieht.
Mein Fazit
Beile Ratut hat ein Kunstwerk geschaffen, das viele gute Dinge anspricht und den Finger wohltuend in manch eine Wunde hält. Dennoch ist es ein Kunstwerk, das manche Fragen offen lässt und auch nicht für jedes Publikum geeignet ist. Man muss zunächst mit ihrem Schreibstil klarkommen. Wie bereits angesprochen besteht das Buch aus fast keinen Dialogen und hat wenig Handlung – das meiste spielt sich in den Köpfen der Personen ab. Man muss damit klarkommen. Ebenso muss man die drei Geschichten am Stück und in der vorgegebenen Reihenfolge lesen, damit man hinter die Geschichten sieht – obwohl jede von völlig anderen Personen und Umständen berichtet.

Wie wird ein Junge zum Mann? Gedanken zu Robert Blys „Eisenhans“

Im Laufe der vergangenen zwei Wochen habe ich das Buch „Eisenhans“ von Robert Bly gelesen. Ich muss dazu vorausschicken, dass mich das Werk als Ganzes enttäuscht hat. Dies wird zum Teil auch daran liegen, dass ich hohe Erwartungen an das Buch hatte. Seit ich vor einigen Jahren John Eldredges „Der ungezähmte Mann“ gelesen hatte und dieser Bly mehrmals lobend zitiert, war mir klar, dass ich den Eisenhans auch noch lesen muss. Nun habe ich mir die deutsche Übersetzung besorgt, da sie antiquarisch inklusive Versand günstiger war als das englische Original.
Enttäuscht hat mich dabei nicht, dass es kein theologisches Werk war. Mir war klar, dass da ein heidnischer Dichter am Werk war. So konnte mich weder erstaunen, dass er den Gott der Bibel ein schlechtes Vorbild nannte, noch dass er der Meinung war, dass im Christentum Satan der böse Bruder von Jesus sei. Das deutet zwar auf schlechte Recherche hin, war mir in diesem Fall jedoch ziemlich egal.
Enttäuschend war vielmehr die Art, wie argumentierte, nämlich häufig gar nicht. Viele seiner Behauptungen sind entweder gänzlich unbegründet, oder dann beruft er sich oft auf Gedichte bestimmter Dichter, welche er dann als „Argumente“ heranzuziehen versucht. Dass diese Gedichte häufig überhaupt nicht in den jeweiligen Zusammenhang passen, mag zuweilen den Grund in der Übersetzung haben. Aber allein eine Behauptung damit begründen zu wollen, dass jemand etwas Entsprechendes in ein Gedicht gefasst hat, ist mir persönlich zu wenig.
Auch hat mich seine blumige und metaphorische Sprache gestört. Er gebraucht viele Bilder; er will etwa in der Seele eines jeden Mannes sage und schreibe sieben verschiedene Charaktere mit je einer positiven und einer negativen Seite finden. Da jeder dieser sieben Charaktere drei bis vier verschiedene Namen trägt, wird es zuweilen recht komplex, der Schilderung zu folgen.
Dennoch gibt es einige Perlen zu finden in diesem Buch. Um jene soll es heute gehen. Bly wagt sich in seinem Buch nämlich an ein sehr wertvolles Thema heran. Er versucht, mit der Hilfe des Grimm’schen Märchens „Der Eisenhans“ zu erklären, wie ein Junge zum Mann wird. Sein Buch ist eine Abschnitt-für-Abschnitt-Auslegung dieses Märchens, und jeder Abschnitt wird dabei auf die Wortwahl, Bildwahl und Analogien aus den Mythologien und Praktiken der verschiedensten Völker und Kulturen untersucht.
Bly kommt dabei zu einem Ablauf des Übergangs, der sich in sehr vielen Kulturen – obwohl sich die genauen Umstände stark unterscheiden können – gleicht. Sehen wir uns diesen Ablauf mal an. Um es einfacher zu machen, versuche ich, die langwierigen Erklärungen dazu in eigenen Worten in Kürze wiederzugeben:
1. Bindung an und Lösung von der Mutter. Das Kind bindet sich bereits vor der Geburt, aber vielmehr noch danach, sehr stark an die Mutter. So kann es Vertrauen aufbauen und viel Wichtiges lernen. Diese Zeit umfasst die ersten etwa sieben bis acht Jahre.
2. Wechsel vom „Reich der Mutter“ ins „Reich des Vaters“.Dies geschah (und geschieht noch heute in vielen Kulturen) dadurch, dass der Vater seine Söhne mit zu seiner Arbeit nimmt und sie in den Fertigkeiten seines Berufs ausbildet. Dies fällt bei uns häufig weg, da viele Väter ihre Kinder nicht an ihren Arbeitsplatz nehmen (dürfen).
3. Lösung vom Vater und Wechsel zum Mentor. Der Mentor ist in den meisten Kulturen eine Gemeinschaft der älteren Männer. Diese, welche bei uns heute im Seniorenheim weggesperrt werden. In der christlichen Kultur war es lange Zeit der Taufpate, welcher die Aufgabe des Mentors übernommen hatte.
Was lernte der Junge beim Mentor? Zuerst lernte er, sich in ein neues Umfeld einzugliedern. Interessant ist da etwa auch die Lehr- und Wanderliteratur, da bei den wandernden Lehrlingen der Lehrmeister die Aufgabe des Mentors übernahm. Wem das zu lange ist, der kann sich auch mal die Ballade von J. W. v. Goethe „Der Zauberlehrling“ vornehmen. Dort erkennt man einen Lehrling, der wohl schon einige Zeit bei seinem Meister war, aber wie er sich anhört, durfte er wohl noch kaum selbst das Metier erlernen, sondern wurde zum Putzen und Aufräumen abkommandiert. Und dann – endlich – als der Meister einmal weg ist, da kann der Lehrling mal ausprobieren, was er von seinem Meister gesehen und gehört hatte.
Bly nennt dies den „Weg der Asche“. Man muss beim Mentor erst mal unten anfangen. Bei den Eltern ist man bekannt, da „ist man wer“. Beim Mentor muss man sich erst beweisen, man muss im Kleinen treu sein, um dann die größeren Aufgaben zu bekommen. So war es in den Lehr- und Wanderjahren häufig so, dass der Lehrling die ersten Monate nur putzen und aufräumen durfte. Wenn der Meister damit zufrieden war, dann begann die eigentliche „Lehre“.
Beim Mentor darf der junge Mann erst mal sich selbst kennenlernen. Er darf sich austoben und wachsen lernen. Man lernt sich selbst und seine Seele, seine Wunden, seine Stärken und Schwächen ganz neu kennen. In diese Zeit fällt auch eine Zeit der Trauer, denn das Kind, das man mal war, das stirbt langsam – und nach dieser Zeit ist man ein neuer Mensch – ein Mann. In manchen Kulturen gibt es am Ende dieser Zeit einen neuen Namen und der junge Mann wird seinen Eltern ganz neu vorgestellt, als ob sie ihn noch gar nicht gekannt hätten.
Ein wichtiger Punkt ist auch, dass man in dieser Zeit lernen muss, sich zu entscheiden. Man muss sich fragen, was einem wichtig ist und was nicht. Muss lernen, Prioritäten zu setzen.
Am Ende dieser Zeit kommt die Entdeckung. Im Märchen des Eisenhans lernte der junge Königssohn viel und wurde wegen seines Könnens am Schluss entdeckt. Die Leute wollen wissen, wer das ist, weil sein Können auffällt.
Eine solche Zeit des Mentors fehlt uns heute. Viele junge Männer wollen den dritten oder oft auch den zweiten und dritten Schritt überspringen. Das kann nicht gut kommen, denn der Mensch ist immer noch derselbe, er hat immer noch dieselben Bedürfnisse in sich.
Viele Probleme lassen sich auf diesen Mangel an Übergang in die Männerwelt zurückführen. Etwa die Probleme, die in der Pubertät auftauchen, wenn Jungen sich plötzlich von ihren Eltern distanzieren, was zu Streit führt. Sie merken, dass sie eigentlich woanders sein sollten, bei einem Mentor. Doch es mangelt an Mentoren und am Wissen, was diese weitergeben sollen.
Der Tenor lautet heute: Du musst dich selbst anpreisen, kannst nicht warten, bis du entdeckt wirst. Diese Selbstprostitution (Selbstzurschaustellung) kann dazu führen, dass manche junge Männer mit halbgegorenen Fähigkeiten schnell die Karriereleiter erklimmen, aber irgendwo steckenbleiben und nicht weiterkommen, weil sie zu ungeduldig waren und viele wichtige Charaktereigenschaften nicht gelernt haben.
Es ist alarmierend, dass zunehmend mehr Ausbildungsbetriebe darüber klagen, dass die Bewerber nicht ausbildungsfähig sind, weil es an den grundlegendsten Fähigkeiten wie etwa Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Ordnung fehlt. Das hat mit einem systematischen Versagen der Gesellschaft zu tun.
Auch die sogenannte Midlife-Crisis lässt sich darauf zurückführen, dass die Menschen in ihrer Lebensbildung einen Schritt übersprungen haben, nämlich zumindest den dritten. In der Zeit sollten nämlich die Menschen selbst zu Mentoren heranwachsen und merken, dass ihnen etwas fehlt, was sie weitergeben sollten. Sie beginnen rastlos danach zu suchen, was genau ihnen fehlt – und niemand ist da, der ihnen dabei helfen kann.
So weit meine Gedanken zu dem, was ich von Bly gelesen habe. Am Ende bleibt eine Leere übrig: Es fehlen die Hinweise darauf, wie man es besser machen kann. Wertvolle Analysen, ich nenne sie „Perlen“, doch keinerlei Verbesserungsvorschläge oder Hinweise darauf, was man damit machen kann. Wer hat eine Idee?

Die wichtigste Frage eines frischgebackenen Vaters

Vor gut einem Monat ist unser Sohn zur Welt gekommen. Unser erstes Kind. Für mich als frischgebackenen Papa hat sich dadurch eine Menge verändert – manch einem wird wohl auch aufgefallen sein, dass ich zur Zeit weniger häufig blogge.
Vater zu werden (und zu sein) ist etwas sehr Schönes, sehr Wertvolles. Und ich möchte aus dieser Zeit, in der ich meinen Sohn begleiten darf, möglichst viel machen. Ich möchte allen möglichen Segen aus dieser Zeit für meinen Sohn und für mich selbst (natürlich auch für meine Frau) rausholen. Deshalb stelle ich mir frühzeitig die wichtigen Fragen, damit ich nicht eines Tages aufwache und mich fragen muss, wo denn all die Zeit hingegangen ist. Sie wird noch schnell genug voranschreiten.
Meine wichtigste Frage (und meine unvollständige Antwort darauf) möchte ich heute mit euch teilen. Meine wichtigste Frage lautet: Wie kann ich meinem Sohn ein Papa sein, dessen Vorbild er nacheifern können soll?
Paulus schreibt im Brief an die Korinther: Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Nachahmer des Christus bin!(1. Korinther 11,1) Seien wir mal ehrlich: Mein Sohn wird mich nachmachen und von mir lernen, ob ich das nun will oder nicht. Er kann noch nicht unterscheiden, was ein gutes und was ein schlechtes Vorbild ist. Und seien wir auch ehrlich: Egal wie ich mich anstrenge, es wird doch immer wieder und wieder Momente geben, die ich bereuen werde und dafür um Vergebung bitten muss.
Aber mein Wunsch ist es, dass mein Sohn zu mir aufschauen kann und daran sehen, was einen echten Mann ausmacht. Deshalb habe ich mich auch die letzten Monate immer wieder gefragt, was denn nun einen echten Mann ausmacht. Irgendwann werde ich dazu noch etwas ausführlicher schreiben.
Was tue ich, um diesem Ziel näher zu kommen, ein gutes Vorbild für meinen Sohn zu sein?
1. Ich bete. Ich bitte den Heiligen Geist, mir die Dinge in meinem Leben aufzuzeigen, die nicht zu diesem Ziel passen. Ich bitte den Geist der Heiligung, diese Heiligung in mir immer mehr zu bewirken. Mich immer christusähnlicher zu machen, damit ich meinem Sohn sagen (nicht unbedingt mit Worten) kann: Sei mein Nachahmer, gleichwie auch ich Nachahmer des Christus bin!
2. Ich suche nach Helfern. Ich schaue mich um nach anderen Männern, die mir bei dieser Aufgabe helfen können. Ich möchte, dass mein Sohn auch andere Männer sehen und kennenlernen kann, damit er von jedem von uns Männern bestimmte Aspekte des Mannseins lernen kann. Ich weiß, dass auch mein Mannsein ergänzungsbedürftig ist. Da brauche ich Hilfe.
3. Ich möchte meinem Sohn helfen, den Übergang vom Jungen zum Mann zu feiern. Ich suche nach einer Möglichkeit, diesen Übergang festzustellen. In der Soziologie nennt man diesen Vorgang einen „Initiationsritus“, also eine Art Ritus, die der jeweiligen Person hilft, zu verstehen, dass sie von einem Status in einen anderen übergegangen ist. Etwa die Feier der Hochzeit ist ein solcher Ritus, bei welchem der Übergang von zwei einzelnen Menschen zu einem Ehepaar gefeiert wird. Ich möchte, dass mein Sohn zurückblicken kann auf ein Ereignis und daran festmachen: Seither bin ich ein Mann geworden.
Ich habe in letzter Zeit mehrere Männer gefragt, wann sie vom Jungen zum Mann geworden sind, und meist sehr unbefriedigende Antworten bekommen. Vermutlich wissen es tatsächlich die meisten von uns nicht. Weißt Du es? Wie ist es bei Dir geschehen? Ich freue mich auf Deine Gedanken dazu.