Buchtipp: Macbeth

Macbeth von Jo Nesbo

Nesbø, Jo, Macbeth. Blut wird mit Blut bezahlt, Penguin Verlag München, 2018, 621S., Verlagslink, Amazon-Link

Das Hogarth Shakespeare Projekt versucht, mit zeitgenössischen Autoren die Werke von Shakespeare für unsere Zeit neu zu erzählen. Als kleine Auffrischung habe ich Macbeth im Original von Shakespeare direkt vor der Lektüre von Nesbø gelesen. Ich war gespannt, wie er die verschiedenen Details des Romans modern umsetzt. Die Geschichte ist deshalb auch schon weitgehend vorgegeben. Sie hat keinen Anspruch, etwas ganz Neues zu sein. Das sollte man sich bei solchen Projekten bewusst sein und nicht erwarten, dass dahinter so ein richtig typischer Nesbø stecken muss.

Inspektor Macbeth arbeitet bei der Polizei einer Stadt, die hauptsächlich noch von Drogen, Spielsucht und Korruption lebt. Der frühere Chief Commissioner Kenneth war ein Tyrann, der alles in seiner Hand hatte. Dann sind da noch die Norse Riders, ein krimineller Motorradclub, der die Stadt in Angst und Schrecken hält, Hecate, ein alter Mann, der die Drogen produzieren lässt und im Hintergrund alle möglichen Fäden zieht und Tourtell, der schwere Bürgermeister, der überall mitreden will, aber durch zahlreiche Abhängigkeiten gebunden ist. Und natürlich Lady, die Geliebte von Macbeth, die das beste Spielcasino der Stadt betreibt und versucht, Macbeth zu überzeugen, neuer Chief Commissioner zu werden. Banquo, sein Sohn Fleance. Angus, Lennox, Caithness und Duff, der bei Shakespeare Macduff heißt, sind weitere Personen, die ihre Namen und Rollen bereits im 400 Jahre alten Original erhielten.

Man kann unterschiedlicher Meinung über Sinn und Unsinn von Neuerzählungen älterer Geschichten sein. Ich sehe Vor- und Nachteile darin. Und natürlich muss sich jeder Autor, der eine solche Aufgabe übernimmt, auch die Frage stellen, was von der Geschichte gleich bleiben soll und was man davon modernisiert. Die Mordwaffe ist ungefähr dieselbe geblieben. Hat Shakespeare Macbeth noch seine Feinde mit dem Dolch erstechen lassen, nimmt der moderne Macbeth Messer, die er werfen kann. Da fand ich es unglaubwürdig, dass kaum jemandes Verdacht auf ihn fiel und er zumindest die längste Zeit des Buches fortfahren konnte. Nesbø hat versucht, möglichst nahe am Original zu bleiben, indem er Namen, Waffen und anderes mehr beibehielt. Das ist durchaus lobenswert, wenn er sich bloß dabei nicht in solche Widersprüche verstricken würde.

Richtig gut umgesetzt fand ich die Verwandlung von Macbeth vom unsicheren, einfachen Polizisten zum herrischen Tyrannen. In Macbeth geht es um die Gier, die Herrschsucht, den Machthunger, der mit der Zeit derart zunimmt, dass er zur totalen Verblendung führt. Macbeth will eigentlich nur das Beste für seine Stadt. Chief Commissioner Duncan war zu schwach, um die Stadt aus ihrem Elend zu führen, in das sein Vorgänger Kenneth sie geführt hatte. Zumindest aus der Sicht von Lady, dann auch von Macbeth. Ein Mord führte zum nächsten Mord, eine Lüge zu einer weiteren, und das Ringen um Macht hinterlässt eine breite Blutspur. Doch wer hat eigentlich das Sagen? Hecate, der die Menschen gut einzuschätzen weiß und überall Spione hat? Bürgermeister Tourtell? Oder der Chief Commissioner, der im Falle eines Notstandes die vollständige Immunität und Befehlsgewalt erhält? Der Autor nimmt seinen Leser in das Gewirr von Korruption, Erpressung, Kriminalität und Drogensucht hinein, ein Strudel, der sich verdichtet und erst ganz am Schluss entwirrt sich das Ganze.

Wie ein Tintenfisch umfängt die Gier den Protagonisten – mit allen Armen und Tentakeln reißt sie ihn in die äußerste Finsternis menschlichen Daseins. Macbeth wird sich selbst zum größten Feind, weil er sich so blind seiner eigenen Verderbtheit in den Rachen wirft. Hier wird aber auch die größte Stärke zur größten Schwäche des Buches. Es ist eine Adaptation einer 400 Jahre alten Geschichte und ist für eine Leserschaft des 21. Jahrhunderts geschrieben. Was Nesbø nicht gelingt, ist die Übersetzung des Shakespeare’schen Denkens – und ich bezweifle offen gesagt auch, dass sich der Autor dieses Denken tatsächlich verinnerlicht hat. Zu plump sind manche seiner Formulierungen am Original angelehnt. Der Leser, welcher Shakespeares Version kennt, fühlt sich zwischen den beiden Zeiten hin- und hergerissen. In keiner der beiden Zeiten scheint sich die Geschichte wirklich zu spielen. Für den Leser des 21. Jahrhunderts wäre entweder das Denken Shakespeares besser zu erklären (sei es im Vorwort, in Fußnoten oder einfach durch besser erklärende Formulierungen im Text), oder die Sprache und das Denken komplett an die heutige Zeit anzupassen (was ich persönlich schade fände, denn einen politisch korrekten Macbeth braucht keiner…). Ich kann die heutigen Leser, die vom Buch enttäuscht sind, verstehen, denn es braucht einiges an gedanklicher Vorbereitung, um im Leben und Denken des frühen 17. Jahrhunderts anzukommen. Dennoch möchte ich jene Leser herausfordern, den originalen Macbeth zu lesen und dann zu versuchen, Nesbø besser zu verstehen. Ich glaube, das ist es wert.

Fazit:

Jo Nesbø ist mit Macbeth ein Werk gelungen, das dem Original in einem modernen Setting sehr nahe kommt. Es ist spannend geschrieben, orientiert sich jedoch vom Denken und mancher Formulierung ebenso am Original, sodass es dem Autor nicht gelingt, die Brücke ins Denken des westlichen 21. Jahrhundert zu schlagen. Der Leser müsste sich zunächst in die Weltanschauung Shakespeares einarbeiten, um das Buch richtig einordnen zu können. Ich gebe 4 von 5 Sternen.

Buchrezension: Anpfiff zur zweiten Halbzeit

Anpfiff zur zweiten Halbzeit von Christian Eisert

Eisert, Christian, Anpfiff zur zweiten Halbzeit, Wilhelm Goldmann Verlag München, 1. Aufl. April 2018, 287 Seiten, Verlagslink, Amazon-Link

Auf dem Cover steht der Untertitel des Buches: „Wenn aus Jungs MÄNNER werden“. Wer mich kennt, weiß, dass mich die Frage fasziniert und umtreibt, wie man Jungs helfen kann, zu Männern zu werden. Gerade von diesem Blickwinkel her hat mich das Buch total enttäuscht. Es gibt nicht keine Antwort, sondern jede Menge falscher Antworten. Doch weiter dazu etwas weiter im Text.

Christian Eisert wird im Umschlag als „TV-Autor, Satiriker und Comedy-Coach“ bezeichnet. Als er auf die 40 zuging, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er damit schon die Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung überschritten hat. Er merkt, dass die ersten Haare grau werden. Und weniger dicht. Und dass die Waage beim chronisch schlanken Mann plötzlich in die falsche Richtung ausschlägt. Es beginnt eine hektische Suche nach der Haarverdichtung, der richtigen Ernährung, und nicht zuletzt auch zum Stressabbau. Der Autor mutiert zu einem gestresst hinter der Stressfreiheit herjagenden Menschen, der von Ärzten über Hormonpillen, Aquafit und Scharfschützenkursen bis hin zu Esoterikern mit ihren Angeboten rennt. Zwischendurch finden zahlreiche Diskussionen mit Freunden und Bekannten ihren Platz, welche ihn mit ihren Meinungen zu beeinflussen suchen und natürlich umgekehrt genauso.

Ich muss zunächst einmal festhalten, dass ich – noch gute sieben Jahre vor der 40 stehend – vermutlich die falsche Leserschaft bin. Dennoch möchte ich ein paar Gedanken zu dem Buch von Christian Eisert festhalten. Zwei Dinge haben mir besonders gut gefallen und das möchte ich deshalb auch gleich sagen. Eisert schafft es gut, Hintergrundwissen so ins Buch einzubringen, dass es sich flüssig und leicht verständlich liest. Er hat sich intensiv mit Studien, wissenschaftlichen Methoden und so weiter befasst, und es ist seine Stärke, dass er dieses Wissen so weitergeben kann, dass es praxisnah ist und von jedem verstanden wird. Zum Zweiten wirft er sehr viele gute Fragen auf, die auch den Leser persönlich betreffen. Der Leser wird unbewusst aufgefordert, sich Gedanken zu seinem bisherigen Leben, zu seinen Gewohnheiten, seinem Charakter, und so weiter, zu machen. Und das ist wertvoll.

Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass mich das Buch in seiner Gänze enttäuscht hat. Angefangen beim Humor. Ich bin ein großer Freund guter Satire und des schwärzeren Humors, aber diese ständigen ultraflachen und längst überholten „Witze“ unter die Gürtellinie haben mich schon fragen lassen, ob man(n) ab 40 tatsächlich nur noch mit den Genitalien zu denken vermag. Womöglich ist da die abnehmende Haardichte auch ein Zeichen für weniger Aktivität unter der Schädeldecke, während zugleich das Selbstbild nur noch via Potenz gesteuert wird. Zumindest liest sich das Buch so. Und damit sind wir auch schon bei meinem zu Beginn erwähnten Hauptproblem des Buches. Die Frage, wann ein Junge zum Mann wird. Hier widerspreche ich dem Autor vollkommen und stelle auch seinen Lebensstil in Frage. Er beschreibt sich als jemand, der viele Beziehungen zu Frauen hatte und sozusagen von einer zur nächsten wandert. Wo jedoch eine lebenslängliche verantwortliche Beziehung fehlt, geht auch die langfristige Verantwortlichkeit verloren und damit die Möglichkeit zum Erwachsenwerden.

Am Ende bleibt die Frage, wie man mit dem Altern umgeht. Versucht man mit allen möglichen und unmöglichen Verjüngungskuren seine Mitmenschen zu täuschen und etwas vorzugaukeln, was man nicht mehr hat oder kann, oder lernt man, mit dem klar zu kommen, was man noch kann – oder auch: Was man in dem Alter noch besser kann? Das ewige Jungheitsstreben, die Suche nach dem heiligen Gral der ewigen Jugend, wird zum Götzendienst unserer Zeit. Und manchmal ertappe ich mich auch dabei, den Zeiten hinterher zu trauern, in welchen ich noch schneller, fitter und mit weniger Schlaf zu leben vermochte. Doch um keinen Preis möchte ich missen, was ich inzwischen lernen und erfahren durfte. Insofern lasse ich gerne die Phasen meiner Teenie- und Twen-Zeit sterben und nehme dankbar alles Neue an, was das Leben im Jahrzehnt zwischen 30 und 40 mit sich bringt.

Fazit:

Christian Eisert hat mit „Anpfiff zur zweiten Halbzeit“ ein interessantes Buch vorgelegt, das auf eine leicht verständliche Art viele Hintergrundinfos zum Altern und Möglichkeiten des Umgangs damit in sein Buch eingebunden. Er stellt auf unterhaltsame Weise viele gute Fragen, allerdings haben mich seine Antworten und auch sein persönlicher Umgang damit enttäuscht. Ich habe am Ende des Buches nicht das Gefühl, dass der Autor durch seine Schwierigkeiten mit dem Altern reifer und erwachsener geworden ist. Vieles erinnert mich eher an das Verhalten eines Schuljungen, der versucht, den Problemen aus dem Weg zu gehen, statt sie anzupacken. Aber da muss sich natürlich jeder Leser selbst fragen, wie er damit umgeht. Ich gebe dem Buch drei von fünf möglichen Sternen.

Cessationismus – aus Angst erwachsen?

Ich habe vor einiger Zeit schon eine Art Vorrede zu meiner Auseinandersetzung mit dem Cessationismus geschrieben (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Heute möchte ich damit fortfahren und eine Beobachtung teilen, die ich schon häufig in Gesprächen mit Cessationisten gemacht habe: In vielen Fällen entsteht der Hang zum Cessationismus aus einer Angst heraus.

Ich möchte in einem späteren Blogpost die Geschichte des Cessationismus etwas näher betrachten, aber greife heute schon ein wenig vor, wenn ich verschiedene Beispiele aus der Kirchengeschichte anführe. Man darf dabei nicht vergessen, dass sich die Lehren der Theologie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändern, auch dann, wenn man sie immer gleich benennt. So ist es auch beim Cessationismus. Heutige Cessationisten verweisen gerne auf die Reformatoren, obgleich bald klar wird, dass die Reformatoren den Argumenten der heutigen Cessationisten nur in wenigen Fällen zustimmen würden. Der heutige Cessationismus wurde erst im 20. Jahrhundert von Benjamin B. Warfield begründet.

Im Gespräch mit Cessationisten kommen häufig Ängste zum Vorschein. Und ja, manche dieser Ängste haben eine Grundlage in schlechten Erfahrungen, die sich nicht abstreiten lassen. Ich kenne diese Erfahrungen auch. Als jemand mit schwerer Hörbehinderung sich in pfingstlichen und charismatischen Kreisen bewegen ist oft mit Verletzungen verbunden. Ich weiß, wie es ist, wenn einem zu wenig Glaube attestiert wird, wenn man auch nach dem gefühlt hundertsten Gebet um Krankenheilung immer noch nicht gesund geworden ist. Ich weiß, wie es ist, wenn bestimmte Geistesgaben als Machtmittel gebraucht werden, um über das Leben von Mitmenschen zu bestimmen. Die Liste könnte noch ziemlich lang werden, wenn ich sie fortfahren wollte. Wenn die Erfahrung, das persönliche Erleben, so wichtig wäre, müsste ich schon lange einer der größten Verfechter des Cessationismus sein. Doch – Gott sei Dank – geht es gar nicht so sehr um mich, sondern es geht um Gott und Sein Wort, dem ich gehorsam sein will.

Es gibt also die Angst vor Verletzungen durch Menschen, die die Charismen oder Gaben des Heiligen Geistes ausüben. Diese Angst ist verständlich. Und es stimmt, es gibt immer wieder Verletzungen durch Menschen, die auf diese Weise begabt sind. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich frisch bekehrt und total begeistert von Jesus war, als ich nicht allzu lange danach begann, Menschen mit Gebet, Lebenshilfe und auch immer wieder mit prophetischen Worten zu dienen, da war ich geistlich gesehen noch ein kleines Kind im Glauben und muss rückblickend sagen, dass ich heute manches anders machen würde. Ich habe Fehler gemacht, ich musste mich bei Menschen entschuldigen, und bei anderen ging das schon gar nicht mehr, weil ich sie nicht wieder getroffen habe. Ich habe gelernt, aus der Gnade Gottes und der Vergebung der Mitmenschen heraus zu leben. Die Gaben sind kein Spielzeug, aber Gott schenkt sie gern und eben oft auch schon an unreife, im Wachstum stehende junge Gläubige.

Eng damit verknüpft ist auch die Angst vor Machtmissbrauch durch die Gaben. Auch hier gilt: Diese Angst ist nicht unbegründet. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen auf Grund ihrer Gaben eine bestimmte Machtposition erhalten, Es gibt leider auch in den pfingstlich-charismatischen Kreisen immer wieder das falsche Denken, dass jemand mit der prophetischen Gabe eine direktere Beziehung zu Gott, einen näheren Zugang zu Gottes Wesen und Wirken hat als jemand ohne diese. Fakt ist jedoch (und hier muss ich schon jetzt mit einem beliebten cessationistischen Scheinargument aufräumen), dass der Begabte nicht beliebig über seine Gabe verfügen kann. Ich werde darauf auch noch ein anderes Mal näher zu sprechen kommen. Jeder Gläubige hat genau gleich direkten Zugang zu Gott, indem er Gottes Wort lesen und zu Ihm beten kann. Die Bibel ist Gottes inspiriertes, fehlerfreies und unfehlbares Wort.

Und damit bin ich schon beim nächsten Thema angelangt: Angst vor der Verwässerung und Aushebelung von Gottes Wort. Diese Angst hat im Laufe der Kirchengeschichte oft Menschen dazu gebracht, zu Cessationisten zu werden. Martin Luther und Johannes Calvin werden beide gerne zu den Cessationisten gezählt, weil sie dieses Argument gebraucht hatten, um gegen die römisch-katholische Kirche ihrer Zeit und die frühen Bibelkritiker unter den „Wiedertäufern“ zu kämpfen. Die römisch-katholische Kirche hat ihre Lehren und Praktiken gerne mit den Wundern und Heilungen begründet, die etwa an Wallfahrtsorten geschahen. Im Sinne von: Wo Wunder geschehen, da muss die einzig wahre, reine Lehre und die einzig wahre Kirche sein. Unter den Vorläufern der Baptisten gab es einige radikale Ablehner der Bibel, die meinten, wenn Gottes Geist schon in ihnen sei, dann bräuchten sie die Bibel nicht mehr. Leider hat all dies dazu geführt, dass die Reformatoren – allen voran Luther – grundsätzlich alle „Wiedertäufer“ verteufelten und verfolgen ließen. Auch Benjamin B. Warfield hat dieses Argument gebraucht. In seiner Zeit gab es etwa auch die Sekte der „Christlichen Wissenschaft“ („Christian Science“, von Mary Baker Eddy gegründet), welche die Wahrheit ihrer Lehre an den Wundern und Heilungen festmachten. Es ist wertvoll, wie viel Warfield tat, um die Irrtumslosigkeit der Bibel zu verteidigen. Gleichzeitig hat er aber dieselben philosophischen Maßstäbe und historisch-kritischen Methoden an jene Bibelstellen angelegt, in welchen es um die Geistesgaben geht.

Diese drei bisher angesprochenen Ängste sind leicht ersichtlich, weil sie in Gesprächen oft angesprochen werden. Unterschwellig schwingen häufig auch weitere Ängste mit, deren sich wohl die wenigsten Cessationisten bewusst sind (oder auch nur bewusst sein wollen). Ich möchte sie trotzdem ansprechen und bitte die „Cessis“ unter meinen Lesern, sie sich einfach mal eine Weile durch den Kopf gehen zu lassen. Da wäre die Angst davor, nicht zu genügen. Die Frage hinter dieser Angst ist: Was wäre, wenn ich Gott um die Gaben bitte und sie nicht bekomme? Habe ich dann versagt? Bin ich dann zu wenig wert? Diese Angst resultiert aus einem falschen Verständnis der Gaben. Sie werden dann so gesehen, als ob sie eine Belohnung für gutes Christenleben seien. Wer reif genug ist, kann sie ja dann bekommen. Aber genüge ich selbst dafür?

Oder die Angst vor der Verantwortung. Wer etwas mehr bekommen hat, steht in einer größeren Verantwortung. Das ist an und für sich ein biblischer Grundsatz. Aber Gott erwartet von keinem von uns totale Perfektion. Ein Leben mit den Gaben bedeutet auch immer zugleich ein Leben aus der Gnade und Vergebung heraus. Hier sind Gemeinden und besonders auch Prediger gefordert, über die Gaben zu lehren und ein Umfeld zu schaffen, in welchem Menschen die ersten Schritte darin gehen können und lernen, richtig damit umzugehen. Auch hier wieder verknüpft damit ist eine Angst vor Stolz und Hochmut. Wenn andere Begabte manchmal dazu neigen, die Christenheit in zwei Gruppen einzuteilen und sich selbst als besser betrachten weil sie eine bestimmte Gabe haben, so ist das verwerflich, aber kein Grund, um dafür zu danken, dass man nicht so wie diese Stolzen ist.

Es gibt aber auch noch eine Angst vor zu viel Demokratisierung in den Gemeinden. Möglicherweise war diese Angst mit ein Grund für die ersten Wellen des Cessationismus. Zu jener Zeit war gerade die Hierarchisierung der Gemeinden in vollem Gange. Bischöfe und Priester erhielten mehr Macht, und wenn jetzt der einfache gläubige Laie plötzlich so eine wichtige Gabe erhalten sollte, dann konnte das doch nur Probleme bringen. Ich meine, dass dieses Denken auch in unserer Zeit immer wieder dominiert. Prediger sind zu Alleinunterhaltern geworden, an deren Position keiner rütteln kann oder darf. Wohin käme man denn auch, wenn plötzlich der Neubekehrte etwas mehr oder besser wüsste als der Pastor? Doch die Bibel spricht gerade davon, dass jeder Gläubige ein gleichwertiger Baustein am Hause Gottes oder ein gleichwertiger Körperteil am Leib Christi ist. Deshalb liebt Gott es, zuweilen auch den Neubekehrten mit großartigen Erkenntnissen zu segnen, über die der langjährige Bibelstudent nur staunen kann.

Am umstrittensten mag wohl die nächste Angst sein: Angst vor dem unberechenbaren Gott. Wenn Menschen anfangen, die Gaben zu entdecken, dann ist das ein wunderbares Abenteuer. Eine Reise, von der man nicht weiß, was hinter der nächsten Kurve wartet. Das reißt uns aus der Komfortzone heraus. Manchmal wünscht Sich Gott, dass wir etwas Verrücktes tun. Zum Beispiel: Uns nicht rächen, sondern unseren Widersachern vergeben. Das ist etwas total Verrücktes, etwas, was unserem menschlichen Zustand total entgegen steht. Manchmal sollen wir mit völlig unbekannten Menschen ein Gespräch anfangen. Das braucht Mut. Und da habe ich manchmal das Gefühl, dass manche Cessationisten sich wünschen, Gott kontrollieren zu können. So ein Gott, der gerade in ihrer Bibel Platz hat. Ein Gott, den man bei Bedarf aus der Tasche ziehen und zitieren kann, aber auch wieder zum Schweigen bringen, indem man den Buchdeckel zuwirft und im Rucksack verstaut. So ein Gott, der auf Smartphone-Knopfdruck nichts mehr zu sagen hat. Das ist doch praktisch und bequem. Doch ob ein solcher Gott groß genug ist, um uns verändern zu können?

Die nächsten großen Fragen unserer Zeit

Vieles beeinflusst heutzutage unser Leben, was noch vor wenigen Jahren wie Science-Fiction geklungen hätte, wenn es jemand erzählt hätte. Und jetzt sind wir mitten in der Zukunft. Das braucht uns keine Angst machen, es ist eine enorm spannende Zeit, für die ich dankbar bin. Und so möchte ich ein paar Fragen prognostizieren, die uns die nächsten Jahre beschäftigen werden.

Bislang waren wir uns gewohnt, als Christen in säkularen Bahnen zu denken. Wir konnten manchen Dingen zustimmen und manche ablehnen, aber im großen Ganzen hat unsere Argumentation immer säkulare Elemente enthalten. Schauen wir uns das an einem Beispiel an: Menschenwürde. Wir haben betont, was den Menschen vom Tier trennt und das dann als das genuin Menschliche betrachtet, was dem Menschen diese Würde gibt. Das ist nicht ganz falsch, aber es wird nicht länger ausreichend sein. Es gibt auf der einen Seite viel Forschung dazu, wie weit Tiere dem Menschen ähnlich sind (emotionale Reaktion, Kommunikation, etc.) und auf der anderen Seite ein großer Zweig der Forschung an „künstlicher Intelligenz“ mit sehr lernfähigen Algorithmen. Wir müssen lernen, das Menschsein ganz neu zu denken, und zwar von der Bibel, Gottes Wort, her. Ich werde hier nur Fragen aufwerfen, noch keine Antworten geben. Erste Frage lautet also: Was ist der Mensch? Was macht seine Würde, sein eigentliches Menschsein, aus?

Mit der Frage nach dem Menschen hängen zwei weitere Fragen ganz eng zusammen, die auch neu unter Beschuss kommen werden: Wer ist Gott? Und hier ist es ebenso wichtig, sich nicht von der säkularen Begrifflichkeit zu nähern, sondern die Antworten direkt aus der Bibel zu gewinnen. Häufig werden philosophische Konzepte in die Theologie hinein geschmuggelt, welche dann zu einer einseitigen Auflösung mancher Spannungen führen. So etwa die philosophische Vorstellung eines Determinismus, die dann die Vorstellung einer doppelten Prädestination prägt, oder die Systemtheorie oder Prozesstheologie, Offener Theismus, und so weiter, welche allesamt zu ziemlich abenteuerlichen Schlüssen führen. Oder dann werden säkulare romantische Vorstellungen über eine bedingungslose Liebe in die Theologie geholt, die dann alles umzudeuten versuchen. Hier müssen wir lernen, unsere Weltanschauung von der Bibel und zwar von ihr allein prägen und vorgeben zu lassen.

Ebenfalls stark mit dem Menschenbild verknüpft ist unsere Vorstellung von der Realität. Die „Enhanced“ oder „Mixed“ Reality (also „erweiterte“ oder „gemischte“ Realität), die durch den technologischen Fortschritt schon länger am Entstehen ist und unsere Zukunft enorm prägen wird, stellt uns vor die Frage, was eigentlich real ist und was nicht. Sehr viel am Menschen kann chemisch und elektronisch manipuliert werden. Viele Menschen lagern ihr Wissen in externe Geräte wie Smartphone aus und lassen dadurch die Struktur ihres Denkens nachhaltig verändern. Was also ist Realität? Was kann der Mensch wissen und wie entsteht dieses Wissen? Teile des Internets schaffen durch Algorithmen immer häufiger Filterblasen, innerhalb welcher der Nutzer nur noch das findet, was ihn in seiner Sichtweise bestätigt. Fake-News werden im großen Stil verbreitet. Was ist real? Was ist wahr? Hier sind wir herausgefordert, für die absolute, ewig und universal gültige Wahrheit Gottes einzutreten und eine echte, authentische Realität in unserem Leben fassbar zu machen.

Eine vierte Frage, die uns beschäftigen wird, betrifft Freiheit und Gerechtigkeit. Was bedeutet Freiheit in einer Welt, die alles überwachen kann, und in der doch so vieles unsicher und ungewiss ist? Was ist Gerechtigkeit? Kann es so etwas wie „soziale Gerechtigkeit“ geben oder ist das ein Widerspruch in sich selbst? Oder ist es gar nur eine leere Worthülse, die gern genutzt wird, um damit alles Mögliche zu begründen? Fragen über Fragen, und es ist hochinteressant, sich damit von der Bibel her kommend zu befassen.

Es werden auch noch weitere Fragen auf uns zukommen, aber ich möchte es mal bei diesen ersten und meiner Meinung nach dominierenden Fragen belassen. Ich meine, dass unser Nachdenken über diese Fragen damit anfangen muss, dass wir beginnen, die Bibel ganz neu zu lesen. Häufig finden wir in der Bibel nur das, was wir schon immer gewusst und schon oft gelesen haben. Das ist auch ein wenig sowas wie eine Filterblase. Jedes Jahr bei der neuen Jahres-Bibellese wieder eine Bestätigung dessen, was man ja eh schon wusste. Ich möchte uns herausfordern, nach dem Abenteuerlichen, Schockierenden oder Überraschenden zu suchen. Ich bin häufig enttäuscht über unsere Übersetzungen der Bibel, weil so viele Texte eingeflacht sind, sie werden verharmlosend übersetzt; wohl um die Leser nicht zu erschrecken. Aber wenn Paulus im Philipperbrief über all seine Privilegien als jüdischer Schriftgelehrter nachdenkt, dann findet er diese im Vergleich zu Jesus Christus so ziemlich kacke (in Philipper 3,8 wird häufig mit „Dreck“ übersetzt, was besser in Fäkalsprache wiedergegeben werden sollte). Das darf uns schockieren, es darf uns aus unserer Komfortzone rausjagen, denn die Bibel wurde nicht für unseren Komfort gemacht, sondern eher für unsere Komm-fort-und-folge-Mir-nach-Zone. 

Wir brauchen eine neue Leidenschaft für Jesus Christus, eine Leidenschaft, die uns bereit macht, allen Komfort, alle Ehre der Welt, alle weltliche Anerkennung hinter uns zu lassen und von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen zu sprechen. Sein stellvertretendes Sühnopfer am Kreuz auf Golgatha ist das Zentrum und der rote Faden der ganzen Bibel. Vom Sündenfall an in 1. Mose 3 wussten die Menschen vom Messias, den Gott senden wird, damit Er an unserer Stelle für unsere Sünde stirbt, und das Buch der Offenbarung ist ein prophetisches Buch, das die Auswirkungen des Kreuzes zeigt: Ein Gottesvolk von Menschen aus allen Stämmen, Nationen und Sprachen. Überall in der Bibel ist die Rede von Jesus Christus, der den einen ein Stolperstein und anderen eine Torheit ist. Das wird sich nicht ändern – es wird noch zunehmen. Es wird zunehmend schwieriger werden, „auf beiden Beinen zu hinken“ oder lauwarme Christen zu sein. Aber das ist auch gut so – es fordert uns heraus, uns ganz und gar Gott hinzugeben und uns von Ihm verändern zu lassen. Die Zeit, in der man das Kreuz irgendwie humanistisch umdeuten konnte, ist endgültig vorbei. Was soll jemand mit einem humanistischen Kreuz, wenn er den Humanismus auch kreuzlos haben kann? Das Kreuz bezahlt unsere Schuld, besiegt Satan, wäscht uns rein, nimmt unsere Schmach und unsere Krankheit und gibt uns die vollendete Gerechtigkeit Jesu Christi. Darum geht es. Und wer meint, er habe das nicht nötig, wird sich lieber eine Selbstwertgefühlstherapie suchen, die ihm einredet, wie gut er in sich selbst sei. Was dabei herauskommt, wird spätestens die Zeit zeigen.

Zweifel sind eine Chance

Wie gehen wir damit um, wenn wir beginnen, zu zweifeln? Was, wenn plötzlich unser ganzer Glaube in Frage gestellt wird? Was, wenn Menschen, die uns wichtig sind, auf einmal mit ganz vielen Fragen und Zweifeln ankommen? Oder was, wenn wir in einem Gespräch mit einem Menschen mit einer anderen Weltanschauung Fragen gestellt bekommen, auf die wir nicht sofort eine Antwort haben? Ist das ein Grund zur Sorge? Nein, ist es nicht. Zweifel sind eine Chance – aber wie jede Chance wollen sie genutzt werden. Zumeist werden die falschen Weichen gestellt. Ich möchte drei falsche Wege aufzeigen, und am Schluss den vierten, der nicht der einfachste ist, aber sich wirklich lohnt.
1. Ablehnung und Verdrängung
Zweifel sind vom Teufel“, so hört man noch von Zeit zu Zeit. Allerdings ist diese Redensart schon deutlich seltener anzutreffen wie in früheren Zeiten. Die Folge davon ist, dass manche Menschen Angst vor Zweifeln haben und sie versuchen zu verdrängen. Man trifft ab und zu auf ganz subtile Verdrängungsmechanismen, die zum Beispiel so lauten: „Zum Glück ist der Glaube für mich keine Kopfsache. Da muss ich mir keine Gedanken machen.“ Oder es wird zu einem Relativismus gegriffen: „Jeder kann glauben, was er will.“ Das ist ja an sich nicht falsch, aber es führt doch immer wieder dorthin, dass Menschen nicht bereit sind, über den Glauben nachzudenken. Andere Menschen verzweifeln daran, dass der Glaube angeblich nichts für den Kopf sei. Fakt ist: Der Glaube ist fürs ganze Leben. Unser ganzes Denken, Fühlen, Wollen, Reden und Tun will von ihm bestimmt sein.
2. Resignation
Eine heute häufig verbreitete Reaktion auf Zweifel ist Resignation. Zweifel gehörten zum Glauben dazu, sonst würde es ja nicht Glaube sondern Wissen heißen, so wird dann da oft argumentiert. Also wolle man nicht sicherer sein als nötig, sondern sich irgendwie mit den Zweifeln arrangieren. Doch diese ganze Argumentation ist falsch, weil sie von einer falschen Definition des Glaubens ausgeht.Biblischer Glaube bedeutet, jemandem oder etwas zu vertrauen, wenn man dafür gute Hinweise aber nicht unbedingt Beweise hat, und entsprechend danach handelt. Wenn ich ins Flugzeug steige, gibt es keinen Beweis dafür, dass dieses eine Flugzeug nicht entführt und in einen Wolkenkratzer geflogen wird. Trotzdem vertrauen wir darauf. Wir lesen Gottes Wort und finden, dass die Dinge, die darin beschrieben sind, zuverlässig sind. Deshalb vertrauen wir Gott, dass Er unsere Erlösung voll und ganz vollbracht hat.
3. Vergötzung der Zweifel
Die dritte falsche Reaktion geht noch einen Schritt weiter und Vertreter dieser Reaktion meinen, es sei sogar gesund, Zweifel zu haben und vielmehr noch, sie sorgsam zu pflegen und zu kultivieren. Hinter dieser Reaktion steht der Gedanke, dass ein zu starker Glaube intolerant machen würde, und die Zweifel deshalb eine Balance zur Stärke des Glaubens halten sollten. Dies mag für manche Religionen zutreffen, aber ein christlicher Glaube wird gerade dadurch tolerant, dass er stark ist, denn wer den biblischen Gott liebt, kann nicht anders als die Mitmenschen auch zu lieben. Allerdings muss man natürlich zugeben, dass es einigen Missbrauch dieses Glaubens gab. Die Frage, die sich stellt, ist nun, ob es sich deshalb lohnt, wegen des Missbrauchs den richtigen Gebrauch zu begrenzen. Im großen Ganzen gesehen wäre das kontraproduktiv, weil Menschen dann noch vielmehr beginnen würden, die anderen falschen Reaktionen auf den Zweifel zu verfolgen. Das würde im Endeffekt zu mehr Intoleranz führen, denn gerade so genannte „Tolerante“ verhalten sich besonders intolerant jenen gegenüber, die sie als intolerant sehen.
4. Zulassen, überdenken, nachforschen, überwinden
Der vierte und m.E. Beste Weg, um mit Zweifeln umzugehen, ist nicht der einfachste. Er ist nicht von heute auf morgen beschritten. Verdrängen, resignieren oder vergötzen ist viel einfacher und schneller getan. Wir brauchen vor Zweifeln keine Angst haben. Wir können sie als ein Werkzeug betrachten, das Gott gebraucht, um uns zu stärken. Das Ziel sollte sein, sie irgendwann überwunden zu haben und zur Seite legen zu können, wie einen Hammer, nachdem man sich den Daumen rot und den Nagel in die Wand geschlagen hat. Wir dürfen wissen, dass Menschen seit Jahrtausenden Zweifel gehabt haben; und so haben sich viele Generationen mit denselben Fragen beschäftigt, die wir uns auch heute noch fragen. Wir dürfen die Bücher früherer Generationen befragen, aber auch anderer Menschen in unserer eigenen Generation. Es ist wertvoll, einen Freund zu haben, mit dem man darüber sprechen kann. Es ist nicht immer alles einfach und so schnell beantwortet, wie wir uns das wünschen. Aber es lohnt sich – und macht uns stärker im Glauben und Vertrauen in Gott. Mit Fragen, die den Glauben betreffen, beschäftige ich mich übrigens auch auf meinem zweiten Blog, und lade dazu ein, mir dort Fragen zuzusenden, die sich damit befassen.

Gottes Führung vertrauen

Es gibt viele Christen, die ein halbes Leben lang mit Warten zubringen. Warten auf einen speziell für sie gemachtes Zeichen, auf ein Wunder, auf eine Erscheinung des Herrn, um sich in eine bestimmte Aufgabe senden zu lassen. Nicht selten ist dieses Warten ein Ausdruck der Angst vor dem Ungewissen, was folgen wird. Eine Angst vor dem, was kommt, wenn man ganz auf Gott vertraut. Wie anders haben doch unsere Vorfahren im Glauben gehandelt. Paulus und Timotheus waren auf einer Missionsreise unterwegs:

Als sie aber Phrygien und das Gebiet Galatiens durchzogen, wurde ihnen vom Heiligen Geist gewehrt, das Wort in [der Provinz] Asia zu verkündigen. Als sie nach Mysien kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen; und der Geist ließ es ihnen nicht zu. Da reisten sie an Mysien vorbei und kamen hinab nach Troas. Und in der Nacht erschien dem Paulus ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand vor ihm, bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber dieses Gesicht gesehen hatte, waren wir sogleich bestrebt, nach Mazedonien zu ziehen, indem wir daraus schlossen, daß uns der Herr berufen hatte, ihnen das Evangelium zu verkündigen. (Apostelgeschichte 16, 6 – 10)

Sie warteten nicht und beteten, ob sie irgend eine Weisung von Gott bekämen. Sie zogen los, weil sie wussten, dass die Verkündigung des Evangeliums ihre Aufgabe war. Das ist die Aufgabe von jedem und jeder von uns, solange wir leben. Sie machten sich Pläne und zogen los. Erst in diese Pläne hinein sprach Gott und zeigte ihnen, wo ER sie haben wollte.

Auch wir dürfen unseren Verstand benützen und uns Gedanken und Pläne machen, uns überlegen, was wir für die Gemeinde Jesu tun können. Unser Glaube zeigt sich nicht im Warten und Beten, sondern im Vorwärtsgehen. Das Vorwärtsgehen ist der Ort, an welchem Gott Sich uns offenbaren möchte. Auch Mose musste zuerst vorwärts gehen, auf den brennenden Dornbusch zu, bevor Gott Sich ihm offenbaren wollte.

Deshalb: Sei tapfer und mutig und bereit, voran zu gehen. Gott ruft uns in jedem Vers Seines Wortes die Botschaft zu: Dass Er Sich uns offenbaren und uns Seine Pläne zeigen möchte. Die Bereitschaft, Ihm zuzuhören, zeigen wir durch unser mutiges Vorwärtsgehen. Verzagtheit und Warten (auch wenn es durch Fasten und Beten getarnt wird) ist ein Ausdruck unseres Unglaubens.

Vertraue auf den Herrn und geh voran, Er hat dir versprochen, dich zu führen und zu leiten!

Nicht einen Geist der Furchtsamkeit

Aus diesem Grunde erinnere ich dich daran, die Gabe Gottes anzufachen, die durch Auflegung meiner Hände in dir ist; denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. (2. Timotheus 1, 6 – 7)

Gottes Gnadengaben können in unterschiedlicher Stärke vorhanden sein. Paulus gebraucht hier das Bild der noch schwach glimmenden Kohle, die durch einen Luftstoß wieder zu einem richtigen Feuer auflodern kann und ermutigt Timotheus, dafür zu sorgen, dass es dazu kommt. Deshalb hier auch die Frage an dich, liebe Leserin, lieber Leser, was wünschst du dir? Möchtest du die Gaben als schwach glimmende Kohlen in dir drin haben oder als lodernder Waldbrand? Es liegt zum großen Teil in deiner Verantwortung, die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kohlen wieder richtig zum Brennen gebracht werden können.

Es gibt nämlich etwas, was unsere Gaben ersticken kann, und das ist die Furchtsamkeit, die Feigheit, oder schlicht gesagt: die Angst. Die Angst ist nie etwas, was Gott uns schickt oder für uns möchte. Gott möchte vielmehr, dass wir mutig vorwärtsgehen. Mut ist nicht Waghalsigkeit, sondern die goldene Mitte zwischen der Angst und der Waghalsigkeit. Mut bedeutet, die Kosten zu berechnen, und trotzdem im Vertrauen einen weiteren Schritt zu gehen. Vielleicht denkst du jetzt, dass Jesus die Angst als etwas Normales beschrieben hat, doch dem ist nicht so, ich möchte das jetzt erklären. Wenn wir in Johannes 16, 33 nachlesen, so steht da:

Solches habe ich zu euch geredet, auf daß ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Trübsal; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!

Martin Luther hat das Wort Trübsal zu seiner Zeit korrekt mit Angst übersetzt, aber das verstehen wir heute nicht mehr. Damals bedeutete Angst weniger das Gefühl der Angst, sondern in erster Linie: Die Umstände, die uns Angst einjagen können. Also eine schwierige Prüfung, ein Vorstellungsgespräch, ein schwieriger Chef, ein Fehler, den wir selbst gemacht haben und vieles mehr. Was im griechischen Text steht und hier mit Trübsal übersetzt wird, ist eigentlich ein Begriff aus der Architektur. Damit eine Säule in einem griechischen Tempel auch bei Wund und Wetter, bei Krieg und vielem mehr, stehen bleibt, muss sie durch eine bestimmte Menge an „Druck“ (Gewicht von oben her) auf ihr Fundament gedrückt werden. Diese Menge an Gewicht oder „Druck“ wurde mit dem griechischen Wort beschrieben, das übersetzt wird mit Trübsal. Man kann den Vers auch so lesen: In der Welt habt ihr Druck. Dieser Druck dient dazu, dass wir auf unser Fundament, den Herrn Jesus gedrückt werden und Ihm ganz nahe sind.

Wie wir auf diesen Druck reagieren, ist unsere Entscheidung. Und unsere Reaktion bestimmt sowohl das Maß unserer Gabe als auch einen Teil unserer Zukunft. Aus Entscheidungen werden nämlich Gewohnheiten und woran man sich gewöhnt hat, davon kommt man nur noch schwerlich los. Jede dieser Drucksituationen lässt uns zwischen zwei Arten von Reaktion wählen: Feigheit oder Mut. Wer die Feigheit wählt, verliert seine Freiheit, die wir durch Jesus bekommen haben. Er lässt sich dadurch fremdbestimmen von dem, der uns die göttliche Freiheit nehmen will: Satan. Wer den Mut wählt und im Glauben den nächsten Schritt geht, wird an Freiheit, Glauben und Stärke der Gnadengaben zunehmen und Gott damit ehren.

Noch ein Wort am Rande: Wer versucht, andere Menschen einzuschüchtern (Geist der Einschüchterung, Geist der Isebel: Sie schüchterte Elia dermaßen ein, dass er in die Wüste floh und dadurch seine prophetische Berufung verlor) macht sich selbst zum Werkzeug der Sünde und Satans. Das ist auch bei wiedergeborenen Christen jederzeit sehr gut möglich, beachte man zum Beispiel Römer 6,13. Wer andere zu manipulieren und einzuschüchtern sucht, nimmt ihnen die Freiheit, die sie in Christus haben, weg.

Der Heilige Geist ist aber nicht ein Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft, der Liebe und der Zucht. Der Geist der Kraft gibt uns die übernatürliche Stärke, die auch der Herr Jesus in Seinem Dienst hatte. Man bedenke: Er tat nichts aus Sich Selbst, sondern nur was Er den Vater tun sah. Er verzichtete ganz und gar auf Seine Göttlichkeit, auf die Macht, die Ihm als Gott zustand, und lebte als Mensch. Auch Er empfing diesen Geist der Kraft und wurde dadurch zu Seinem Dienst befähigt. Mit dem Geist der Kraft ausgerüstet können wir dieselben Werke tun, die auch Er schon tat (und nach Seinem Wort sogar noch größere). Dieselbe Macht also, die Er auf Erden hatte, lebt in dir und mir und möchte uns zu unserem Dienst befähigen.

Es ist aber auch der Geist der Liebe. Gott ist die Quelle aller Liebe, und ohne Gott kann niemand lieben. Durch den Geist der Liebe werden wir zur Liebe zu Gott und zugleich zur Liebe zu unseren Mitmenschen befähigt. Liebe zu Gott zeigen wir durch die Pflege der Beziehung zu Ihm: Lesen in Seinem Wort, Reden mit Ihm, auf Ihn hören, etc. Zugleich helfen wir in dieser Liebe unseren Mitmenschen, wo sie es nötig haben und wo immer wir das tun können.

Es ist drittens der Geist der Zucht. Zucht bedeutet Selbstbeherrschung oder Selbstdisziplin. Das sieht so aus, dass wir unser Leben so weit im Griff haben, dass wir nicht nur auf das verzichten können, was uns schadet, sondern oft auch auf Dinge, die uns einfach gefallen würden, die aber für den Dienst am Herrn oder an unseren Mitmenschen draufgehen müssen. Der Geist befähigt uns, dies mit Freuden zu tun.