Gepredigt: Verloren und gefunden – Teil 1 von Lukas 15

Heute habe ich eine neue kurze Predigtserie über Lukas 15 begonnen. Überblick über das Kapitel und besonders die ersten beiden Verse betrachtet. Nachzuhören wie üblich im Predigtarchiv.
Der verlorene Sohn hat seinen Vater besser gekannt als der zweite Sohn, der zurückblieb. Der verlorene Sohn, der sein Erbe wollte, hat gewusst, dass der Vater den Wunsch hat, dass seine Söhne sich freuen sollen. Sein Problem war nur, dass er die Freude am falschen Ort suchte. Und falsche Orte um unsere Freude zu suchen, gibt es für jeden von uns genug. Wenn unsere Freude darin besteht, in einer Diskussion über die Bibel am Ende recht zu behalten, dann suchen wir am falschen Ort. Wenn wir unsere Freude darin suchen, zu murren, wie schlecht die Welt doch grad ist, dann suchen wir unsere Freude am falschen Ort. Manchmal geht es uns Bibeltreuen so. Wir lieben die Diskussionen, weil uns der Widerstand das Gefühl gibt, auf der richtigen Seite zu stehen. Das kann schnell einmal zum Grund für unsere Freude werden, und dann sind wir genau so wie der verlorene Sohn.
Die Preisfrage vom ganzen Kapitel 15 im Lukasevangelium lautet: Ist meine Freude dieselbe wie Gottes Freude? Es gibt ein Maß, mit dem man die Größe dieser Freude messen kann. Dieses Maß ist die Menge der Schwierigkeiten, die ich auf mich zu nehmen bereit bin, damit wer zum Glauben an Jesus Christus findet. Ganz praktisch zeigt Gott uns das in Jesus Christus: Gott liebt Seinen Sohn, Jesus Christus, aber Gott möchte uns erlösen und gibt dafür alles auf, weil Gottes Freude an der Erlösung von Sündern die größte Freude ist. So groß, dass Gott Vater bereit ist, Seinen Sohn dafür zu opfern. So groß, dass Jesus Christus Sein Leben dafür opfert. So groß, dass der Heilige Geist bereit ist, in so unfertigen und unperfekten Gefäßen Wohnung zu nehmen wie wir es sind. Und jetzt ist Gottes Frage heute morgen an jeden von uns: Ich habe alles getan, damit viele Sünder gerettet werden. Und was bist Du dafür zu tun bereit?

Lukas 15 erzählt uns die Geschichte von Gottes Freude, was geschieht, wenn Menschen gerettet werden. Diese Geschichte wird dreimal erzählt und es sieht wie drei verschiedene Geschichten aus. In Wirklichkeit ist es eine Geschichte, die von drei verschiedenen Seiten angeschaut wird. Es ist ein Kapitel, das uns auf die Knie treiben soll, weil wir viel zu oft eher so wie die Pharisäer und Schriftgelehrten reagieren und murren. So haben schon die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus Vorwürfe gemacht weil Er mit Menschen abhing, die sie nicht im Reich Gottes haben wollten.

Christsein, das ist Freude!

 Diese Predigt kann in meinem Predigtarchiv auch als MP3 angehört oder heruntergeladen werden.

Was von Anfang war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir angeschaut und was unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens — und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns erschienen ist —, was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude vollkommen sei. (1. Johannes 1, 1 – 4)

Wir werden diesen Herbst den 1. Johannesbrief etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dieser Brief – und das ist ganz wichtig, dass wir das kapieren – ist eine Botschaft für gläubige Christen. Besonders die Verse aus dem ersten Kapitel werden ja oft für den evangelistischen Zweck gebraucht, und da möchte ich sagen, obwohl diese Verse auch dem Ungläubigen etwas zu sagen haben, findet oft ein Missbrauch statt, indem man die Botschaft, die an Gläubige gerichtet ist, auch an die Ungläubigen richtet.
Dieser Brief wurde von Johannes geschrieben, und zwar von dem Johannes, der auch als Lieblingsjünger Jesu bezeichnet wird, nämlich Johannes der Sohn von Zebedäus. Er war es, der sowohl das Johannes-Evangelium, als auch die drei Johannesbriefe und die Offenbarung geschrieben hat. In unserem Brief bezeichnet er sich als einer der Augenzeugen. Er hat den Herrn Jesus mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört und mit eigenen Händen berührt. Darüber kann es absolut keinen Zweifel geben, wenn wir der Bibel glauben. Der Brief hat seine Autorität nicht nur dadurch, dass er in der Bibel steht, sondern auch dadurch, dass er von einem geschrieben wurde, der drei Jahre seines Lebens mit dem Herrn Jesus verbracht hat. Um den Brief besser zu verstehen, werden wir immer wieder Parallelen zu den anderen Schriften von Johannes ziehen. Johannes hat nämlich seine ihm ganz persönliche und spezielle Wortwahl und Argumentation, auf die er immer wieder zurückgreift. Paulus würde das Gleiche ganz anders ausdrücken. Paulus arbeitet nämlich viel mit Argumenten der Logik. Wenn das eine so ist, dann muss daraus logischerweise jenes folgen. Das ist Paulus’ Vorgehensweise, der ein Stück weit wie in der Schule ein Lehrer argumentiert. Johannes hingegen gebraucht viele Gegensätze und arbeitet stark auf der emotionalen Ebene, seelsorgerlich. Wir werden das noch sehen.
Noch ein kurzes Wort zum Inhalt des ganzen Briefes. Wenn man einen Brief schreibt, so hat dies eine bestimmte Absicht. Man will etwas weitergeben. Besonders zu der Zeit, als Johannes lebte, war es teuer, einen Brief zu schreiben und zu verschicken. Da hat man sich fünfmal überlegt, ob das jetzt wirklich nötig ist, und nur das Wichtige geschrieben. Damals gab es noch kein WhatsApp, Skype, eMail oder Facebook-Messenger. Die Absicht des ersten Johannesbriefs bestand darin, vor drei falschen Sichtweisen über den Herrn Jesus zu warnen und zu zeigen, was geistliches Leben wirklich bedeutet. Johannes möchte uns zeigen, woran wir erkennen können, dass wir tatsächlich zu Gott gehören und uns unserer Erlösung absolut gewiss sein dürfen.
1. Innige Gemeinschaft Gottes
Johannes schreibt oft etwas verschachtelte Sätze und Botschaften, wo er eine Aussage anfängt, dann etwas anderes dazwischen schiebt, und die Aussage später fortsetzt. Die Übersetzung ins Deutsche macht das noch komplizierter, weil es im Deutschen manche Sprachformen gar nicht erst gibt. Unsere vier Verse haben drei Themen zum Inhalt: Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, die Gemeinschaft und die Freude.
Am Anfang geht es um das, was bereits vor der Erschaffung der Welt vorhanden war, nämlich die göttliche Gemeinschaft zwischen Gott Vater und Gott Sohn. Diese innige Gemeinschaft ist für Johannes das Vorbild für die Gemeinschaft, die wir mit Gott und miteinander als Gläubige haben sollen. Gehen wir kurz ins Evangelium von diesem Johannes. Da sehen wir, wie der Herr Jesus gebetet hat: Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen, und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst. (Joh. 17, 20 – 23) Das ist ein total krasses Gebet. Unsere Gemeinschaft mit Gott und die Gemeinschaft als Gläubige untereinander soll so stark sein wie die Liebesbeziehung zwischen Gott Vater und Gott Sohn, die bereits vor der Erschaffung des Universums bestand. Einfach der Hammer.
Ok, also Johannes sagt uns: Von Anfang an war da eine perfekte Beziehung der Liebe, des Gehorsams, und so weiter, zwischen Gott Vater und Gott Sohn. Die war schon da, bevor das Universum geschaffen wurde. Und von Anfang an war auch das Erlösungswerk am Kreuz ein Teil von Gottes Plan. Das war absolut keine spontane Reaktion auf etwas Unvorhergesehenes, sondern es war der von Gott geplante Liebesbeweis dem Menschen gegenüber. Am Anfang steht die Liebesbeziehung innerhalb von Gott, die dann durch die Selbsthingabe Jesu am Kreuz auf der einen Seite Gottes Liebe zeigen soll, und auf der anderen Seite die Gemeinschaft des Menschen mit Gott wieder ermöglichen.
2. Gemeinschaft mit Gott durch die Menschwerdung Gottes
Johannes fährt nun fort und erzählt von diesem Umstand. Das Leben ist erschienen. Gott ist Mensch geworden, der ewige Gott wurde zu einem sterblichen Menschen, der alles durchmachen musste, was wir auch durchmachen – mit einem Unterschied: Er hat nie gesündigt. Weil Gott in Jesus Mensch wurde und weil Er sündenfrei lebte und am Schluss des irdischen Lebens Sein Lebens als Bezahlung unserer Schuld bei Gott gegeben hat, deshalb wird diese Gemeinschaft mit Gott erst möglich gemacht.
Heutzutage ist die Menschwerdung Gottes für viele Menschen etwas Unvorstellbares. Aber nicht erst heute, das war es schon immer. Und das ist mit ein Grund, weshalb Johannes diesen Brief geschrieben hat. Zu seiner Zeit gab es drei Irrlehren, die heute immer noch kursieren, also komplett altmodische Sichtweisen. Die erste war, dass der Herr Jesus eigentlich nur eine Art Engel mit menschlich aussehendem Körper war. Die Zeugen Jehovas sagen das ähnlich. Sie sagen, dass der Erzengel Michael später als Jesus auf die Erde kam. Eine zweite Richtung sagte, dass wir zwischen dem Menschen Jesus und dem Christus oder Messias unterscheiden müssen und erst bei der Taufe im Jordan, als der Heilige Geist wie eine Taube auf Ihn kam, der Mensch Jesus zum Christus und Sohn Gottes wurde. Die dritte sagte, dass Jesus einfach ein guter Mensch war, der aufgrund seines guten Lebens zu einem von vielen Kindern Gottes gemacht wurde und so einfach unser Vorbild sein soll. Alle drei Richtungen sind mir in der heutigen Zeit immer wieder begegnet.
Und gegen alle diese drei Richtungen bezieht Johannes hier klar Stellung. Jesus war vor der menschlichen Geburt nicht einer der Erzengel, sondern Gott. Und er wurde durch die Zeugung in der Jungfrau Maria, die übrigens nicht Jungfrau blieb, sondern auf ganz normale, menschliche Weise noch mehr Kinder bekam, als Messias geboren. Es war notwendig, dass der Erlöser ohne menschliche Zeugung, sondern durch ein göttliches Eingreifen gezeugt wurde, damit Er nicht die Sündennatur bekommt, mit der jeder von uns zur Welt kommt.
Am Kreuz von Golgatha hat der Herr Jesus unsere Sünden bezahlt und hat damit den Weg frei gemacht, damit wir mit Gott in dieser Gemeinschaft leben können, die Er auch hat. Der Tod und die Aufer-stehung Jesu haben ein Stück weit den Kreis der Gemeinschaft in der Dreieinigkeit Gottes geöffnet, sodass wir als Gläubige an dieser Gemeinschaft teilhaben dürfen. Aufgepasst, wir werden dadurch nicht zu Göttern, die Gott gleich wären. Aber uns wird ein Platz in diesem Zusammensein, in dieser Einheit drin geschenkt.
3. Freude ist Ausdruck der Gemeinschaft
Weil wir wissen, dass wir als Gemeinschaft aller Gläubigen in dieser Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott sind, spricht Johannes davon, dass er den Brief schreibt, damit seine Leser wissen, dass sie auch mit Johannes und den übrigen Aposteln und als Gläubige untereinander Gemeinschaft haben. Die Gemeinschaft als Gläubige entspringt nicht etwas Menschengemachtem wie etwa der Ökumene, dem Arbeits-kreis Christlicher Kirchen oder der evangelischen Allianz. Das hat alles nichts zu tun mit dem, was Gott unter Einheit und Gemeinschaft versteht. Es geht auch nicht darum, dass alle in jedem Detail dieselbe Erkenntnis haben müssen, um zu dieser Gemeinschaft zu gehören.
Ein Produkt von dieser Gemeinschaft beschreibt Johannes im vierten Vers: Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude vollkommen sei.Die Freude soll vollkommen sein. Die Freude entsteht aus dieser Gemeinschaft heraus. Sie ist ein Merkmal oder Kennzeichen dafür, dass man in dieser Gemeinschaft drin ist. Paulus war in Rom im Gefängnis, und trotzdem hatte er diese Freude. Der Herr Jesus betete im Garten Gethsemane und schwitzte Blut – und trotzdem hatte Er diese Freude. Er starb am Kreuz unter qualvollen Schmerzen – und trotzdem hatte Er Freude.
Freude heißt nicht, dass plötzlich alles Spaß machen muss, was man tut. Das ist so eine Lüge der modernen Spaßgesellschaft. Echte Freude, die von Gott kommt, gibt uns die Kraft, unsere Angst zu überwinden und in allem, was wir tun, nach Gottes Willen zu fragen und handeln. Sie ist nichts, was man in sich selbst machen kann, wie auch der Glaube nichts ist, was man machen kann, beides wird in uns bewirkt – durch die Gemeinschaft mit Gott und mit Geschwistern im Glauben. Wenn die Bibel von der Freude spricht, meint sie unsere Reaktion, die sich aus dieser Gemeinschaft heraus ergibt.
Freude ist auch eine Art der Zufriedenheit, die daraus entsteht, dass wir wissen: Gott kümmert sich um uns, ich muss mir keine Sorgen machen, ich darf meine Sorgen auf Ihn werfen, denn Er sorgt für mich. Freude entsteht zum Beispiel dann, wenn wir über das nachdenken, was Gott uns geschenkt hat und Ihm dafür danke sagen. Sie gibt uns Kraft, die Dinge, die wir anpacken müssen, mit verstärktem Elan zu tun.
Und jetzt sagt uns Johannes, dass diese Freude ein Merkmal unseres Glaubens sein soll. Sie soll vollkommen werden. Das Wort für „vollkommen“ wird besser mit „vollständig aufgefüllt“ übersetzt. Wir sind in einer Welt, die im Argen liegt, leben in einem Land, das vor die Hunde geht, wo es für eine natürliche Freude schon gar keine Gründe mehr gibt. In der Gemeinschaft mit Gott wird diese Freude immer und immer wieder aufgefüllt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir diese Gemeinschaft mit Gott pflegen. Die Freude, die von Gott kommt, soll einerseits unveränderlich da sein, und andererseits sollen wir sie immer wieder auffüllen lassen.
Dieser vierte Vers in unserem Text ist eine wahnsinnige Herausforderung an jede und jeden von uns. Wir leben in einer Zeit, in welcher die Hektik des Alltags und die Unruhe der Welt ständig an unseren Nerven zehrt. Dennoch haben wir die Aufgabe, diese Freude in uns auffüllen zu lassen. Sie kommt durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt. Dazu schreibt Paulus im Brief an die Epheser: Und berauscht euch nicht mit Wein, was Ausschweifung ist, sondern werdet voll Geistes; redet zueinander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen; sagt allezeit Gott, dem Vater, Dank für alles, in dem Namen unseres Herrn Jesus Christus; ordnet euch einander unter in der Furcht Gottes!(Eph. 5, 18 – 21)
Unsere Freude soll nicht durch ein Übermaß an alkoholischen Getränken kommen, sondern dadurch, dass wir uns immer wieder in der Gemeinschaft unserer örtlichen Gemeinde aber auch zu Hause in der einsamen Kammer Gott loben und danken. 
Johannes fordert uns aber noch mehr dazu heraus, unser Leben zu prüfen, wie es denn um diese Freude steht. Haben wir diese Freude, die ein erstes wichtiges Merkmal der Gotteskindschaft ist? Deshalb möchte ich dir, uns allen, heute diese Frage auch stellen: Hast du diese erfüllende, bleibende Freude, die auch in schweren Zeiten beim Durchhalten und Weitermachen hilft? Diese Freude, die größer ist als alles, was die Welt uns geben kann? Diese Genügsamkeit im Herrn Jesus? Diese Zufriedenheit trotz der schrecklichen Verderbtheit und Gefallenheit der Welt?
Schluss
Wir haben gesehen, dass es von Anfang an – längst bevor Gott die Himmel und die Erde geschaffen hat – eine wunderbare, perfekte Einheit und Gemeinschaft zwischen Gott Vater und Gott Sohn gab. Diese Gemeinschaft ist am Kreuz von Golgatha geöffnet worden, so dass jeder, der an den Herrn Jesus glaubt, zu einem Teil von dieser Gemeinschaft werden darf. Diese Gemeinschaft ist das Vorbild für die Gemeinschaft zwischen den Geschwistern im Glauben in der Gemeinde. Aus dieser segensreichen Gemeinschaft mit Gott und den Geschwistern heraus kommt die Freude. Sie ist ein erstes wichtiges Merkmal unserer Gotteskindschaft. Wenn uns diese Freude fehlt, so dürfen wir in der Gemeinde auch Hilfe suchen und einander gegenseitig helfen. Die Gemeinschaft unter uns soll zu einer Quelle dieser Freude werden.

Der Brief der Freude

Der Brief der Freude

Paulus und Timotheus, Knechte Jesu Christi, an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Diakonen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Ich danke meinem Gott, so oft ich an euch gedenke, indem ich allezeit, in jedem meiner Gebete für euch alle mit Freuden Fürbitte tue, wegen eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt, weil ich davon überzeugt bin, daß der, welcher in euch ein gutes Werk angefangen hat, es auch vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi. (Philipper 1, 1 – 6)
Der Philipperbrief ist der Brief der Freude. In keinem anderen Brief wird die Freude so oft erwähnt, kein anderer Brief zeugt mit dem Stil, in welchem er geschrieben ist, so sehr von der Freude. Und kein anderer Brief fordert uns so oft auf, dass wir uns freuen sollen. Das ist das wichtigste Thema des Briefes an die Philipper. Paulus schreibt noch viel mehr darin, aber alles, was er schreibt, soll uns zur Freude führen. Paulus schreibt diesen Brief aus Rom, wo er in Gefangenschaft ist. Zu der Zeit, als er den Brief schrieb, durfte er in einer Mietwohnung leben, die vergitterte Fenster und bewachte Türen hatte, aber er lebte dort drin doch für sich und durfte Besuch empfangen. So war gerade Timotheus auf Besuch bei ihm, den er dann nach Philippi schicken wollte. Das schreibt er dann im Brief auch.
Paulus, der Mann der Freiheit, der große Evangelist, Apostel, Pastor und Gründer von vielen neuen Gemeinden, der Mann mit den Plänen, wie er die ganze Welt auf den Kopf stellen und für Christus gewinnen kann, dieser Mann sitzt im Gefängnis und schreibt übersprudelnd von der Freude. Komisch, nicht wahr? Er hätte jeden Grund, sich verbittert zurückzuziehen und zu denken, dass Gott ihn verlassen habe. Aber das tut Paulus nicht. Stattdessen weiß er, dass Freude nicht von den äußeren Umständen abhängt, sondern von seiner Reaktion auf diese Umstände. Wir finden in den Versen 3 – 6 in diesem ersten Kapitel insgesamt fünf Gründe, weshalb Paulus so voll Freude auch von diesem dunklen Ort in Rom schreiben konnte. Er möchte seine Gemeinde in Philippi informieren, wie es ihm geht. Sie haben gesehen, dass er im Gefängnis ist, waren darüber betrübt und haben ihm Geld geschickt und auch ein paar Fragen gestellt. So packt er die Gelegenheit am Schopf und schreibt ihnen diesen Brief.
1. Dankbarkeit
Der erste Grund für die Freude des Paulus ist seine Grundhaltung der Dankbarkeit. Es ist auffällig, dass er fast alle Briefe mit einem Gebet anfängt, in welchem er Gott für die Gemeinde dankt. Die einzige und sehr auffällige Ausnahme ist der Galaterbrief. Dort kommt er sofort zur Sache, denn es gibt einige sehr böse Geschehnisse in diesen Gemeinden, er hat von Leuten erfahren, die kurz davor waren, dem Glauben den Rücken zu kehren und versucht haben, andere dort mit hineinzureißen. Aber sonst haben wir in allen Briefen am Anfang den Teil mit der sogenannten Danksagung, also ein Gebet zu Gott, in dem Paulus für die Gemeinde dankt und insbesondere auch erwähnt, was er an den Gemeinden gut findet.
Dankbarkeit ist eine Grundhaltung des Menschen. Wir haben sehr oft eine Grundhaltung der Unzufriedenheit. Wenn man unzufrieden ist, so sieht man nur das, was man gerne anders hätte. Aber Paulus hat sich da etwas anderes angewöhnt: Er sucht immer zuerst nach dem, was er positiv anerkennen kann. Es ist faszinierend, wie er im ersten Brief an die Korinther, in der er ja, wie wir wissen, drei Kapitel lang über den rechten Gebrauch der Geistesgaben geschrieben hat, wo es daran doch so viel zu korrigieren gibt, trotzdem an erster Stelle dafür dankt, „dass ihr keinen Mangel habt an irgend einer Gnadengabe“ (1. Kor. 1, 7).
Natürlich – es gab viel, was die Gemeinden noch zu verändern hatten. Übrigens auch in Philippi. Da kommen viele Ermahnungen und Ermutigungen zur Veränderung nach. Aber zuerst stellt Paulus das heraus, was es zu würdigen gibt, und dankt dafür Gott. Auch für uns ist es wichtig, dass wir eine Kultur der Dankbarkeit leben und fördern. Viel zu oft leben wir nach dem Motto „ned gschumpf isch gnug globt“. Wir sprechen irgendwann nur noch das an, was uns stört, und verändern damit auch unseren Blickwinkel, weil wir dann auch nur noch das sehen, was nicht gut ist. Alles andere ist dann für uns wie selbstverständlich. Aber eigentlich ist es das nicht, denn viele Menschen haben gar nichts von alledem, was für uns selbstverständlich ist.
Die innere Haltung der Dankbarkeit zeigt sich äußerlich in dem, wie wir beten, aber auch dadurch, wie wir miteinander umgehen. Wer die Haltung der Dankbarkeit hat, der schaut sich nach dem um, wofür er „Danke!“ sagen kann. Bei Paulus sehen wir, wie er zugleich Gott dankt, aber dies so tut, dass klar wird, dass er zugleich auch den Leuten in Philippi dankt. Es ist also auf der einen Seite eine Dankbarkeit gegenüber Gott, aber zugleich ist er sich auch nicht zu gut dafür, das, was er kann, auch bei den Menschen positiv zu erwähnen. Er zeigt hier, dass es für ihn nicht selbstverständlich ist, dass sie an ihn gedacht haben und für ihn sorgen möchten. Er sagt also gewissermaßen auch den Philippern danke für ihre Anteilnahme und Hilfe. Freude kommt aus der inneren Haltung der Dankbarkeit.
2. Erinnerung
Paulus dankt Gott für die Philipper, und zwar „sooft ich an euch gedenke“. Er erinnert sich immer wieder an das, was er mit ihnen zusammen erlebt hat, wie er zu ihnen gekommen war und von Jesus erzählt hat. Und wie es manche gab, die das Evangelium annahmen und sogleich bereit waren, auch mitzuhelfen, dass noch mehr Leute davon erfahren sollten. Er erinnert sich, wie er in Philippi einer Frau den Wahrsagegeist ausgetrieben hat und wie daraufhin das Volk gegen Paulus aufgewiegelt wurde, so dass man Paulus sogar dort ins Gefängnis tat. Und doch hatten diese Menschen ihn nicht verlassen. Es war eine junge, brennende, feurige Gemeinde, die bereit war, alles zu geben, damit Menschen bekehrt wurden.
Und dann erinnert er sich auch, wie die Philipper sich immer wieder erkundigt hatten, wie es ihm gerade geht – und als sie erfahren haben, dass er in Rom in dieser Gefangenschaft ist, haben sie sich gesagt: Wir müssen ihm helfen! Lasst uns eine Sonderkollekte machen, die unser Epaphroditus dann zu ihm nach Rom bringen kann! Und wie sehr sich Paulus darüber freut, dass sie so an ihn denken, das kommt in jedem Kapitel dieses Briefs wieder erneut so deutlich rüber. Paulus erinnert sich, und das ist sein zweiter Grund für die Freude. Freude ist seine Reaktion auf die Umstände. Er ruft sich alles Gute in Erinnerung, wofür er danken kann. Deshalb kann er sich auch in seiner Gefangenschaft freuen.
Wenn du an Menschen denkst, die du um dich herum hast, was von ihnen kommt dir dann zuerst in den Sinn? Das, was sie dir schon alles Gutes getan haben oder die Dinge, mit denen sie dich verletzt haben? Paulus konnte in seiner Gefangenschaft gerade deshalb seine Freude behalten, weil er in allem das Gute gesucht hat. Wir lesen in diesem Brief weiter vorne noch viel mehr davon. Als Gefangener hätte er sich sagen können: Jetzt bin ich gefangen, da hat bestimmt Gott mich verlassen, damit das geschehen konnte. Aber davon lesen wir nichts. Im Gegenteil, er schreibt sogar, dass seine Gefangenschaft zur Förderung des Evangeliums beigetragen hat. Sein Leid, seine Gitter vor dem Fenster, seine Wächter, die auf ihn aufpassten, all das wurde von Gott zum Guten gebraucht, nämlich zur Förderung des Evangeliums, wie er im Vers 12 schreibt.
Dankbarkeit und die Erinnerung an all das Gute, was wir in unserem Leben bekommen, das sind zwei grundlegende Dinge, die zur Freude beitragen. Dazu müssen wir aber die Augen offenhalten und nach den Dingen suchen, die wir bekommen. Wenn es uns schwer fällt, uns in schwierigeren Zeiten an diese Dinge zu erinnern, hilft es auch sehr, wenn wir uns eine Art Danksagungstagebuch anlegen und es auch regelmäßig füllen. Dort kommt alles hinein, was wir mit Gott erleben und wo Menschen uns Gutes tun. Dann haben wir etwas, wo wir jederzeit lesen, uns erinnern und danken können.
3. Gebet / Fürbitte
Und dann sehen wir in einem weiteren Schritt: Paulus betet für diese Gemeinde, der er schreibt. Er tut Fürbitte für sie, und zwar nicht nur einmal, auch nicht nur hin und wieder, sondern jedes Mal, wenn er am Beten ist. Allezeit schreibt er. Das bedeutet nun nicht, dass er nur noch gebetet hat und sonst gar nichts anderes mehr getan, sondern er hat sich einfach angewöhnt, regelmäßig zu beten, und in diesen regelmäßigen Gebeten hat er auch jedes Mal für die Gemeinde in Philippi gebetet.
Wie jemand betet, auch wie oft und wofür, das sagt ganz viel über unsere Persönlichkeit und unsere Prioritäten im Leben aus. Wer vor allem für seine persönlichen Wünsche betet, fürs neue Auto oder einen schnelleren Computer, offenbart damit die Priorität dieser Dinge in seinem Leben. Paulus betet sehr viel für andere Menschen. Auch das offenbart seine Prioritäten. Ihm ist es nicht so wichtig, wann oder wie er aus seinem Gefängnis herauskommt, sondern vor allem, dass es den Leuten gut geht, die er liebt. Fürbitte, Gebet für andere, das ist etwas, was auch uns selbst ganz besonders verändert. Es gibt uns einen neuen Blickwinkel für unser Leben. Es macht uns frei von uns selbst, von der Priorität unserer selbst in unserem Leben. Wer vor allem an sich selbst im Gebet denkt, wird von sich und seinem Wohlergehen derart eingenommen, dass er von den eigenen Umständen abhängig wird.
Bei Paulus tritt dieses Ich-Mich-Mein-Mir so weit zurück, dass ihm das Wissen um das Wohlergehen der Philipper Freude bereitet. Er kann sich freuen, weil es ihnen gut geht. Er kann sich freuen, weil sie an ihn gedacht haben. Er kann sich freuen, weil sie ihre Sorge um ihn gezeigt haben. Fürbitte – Gebet für Andere – macht uns frei und bereitet uns Freude. Das ist wertvoll zu wissen. Für wen beten wir? Wen haben wir auf dem Herzen, für den wir in allen unseren Gebeten danken und um sein Wohlergehen bitten?
4. Gemeinschaft
Dann dankt Paulus für die Gemeinschaft am Evangelium. Die Leute in Philippi haben ihn unterstützt in seinem Dienst, und zwar auf ver-schiedene Art und Weise. Zunächst denkt er daran, wie sie, als er frisch zu ihnen kam, das Evangelium angenommen haben. Wie sie ihn ermutigt haben in seinem Dienst, als er gefangen genommen wurde und sie ihn nicht verlassen haben, sondern trotzdem weiter gemacht, mit ihm gelitten, mit ihm evangelisiert haben.
Doch auch jetzt geben sie Paulus noch genügend Grund zur Dank-barkeit, mit ihrer Unterstützung. Wie sie ihm Geld geschickt haben, damit er davon leben konnte und mehr Zeit für seinen Dienst hatte. Nicht nur einmal, sondern mehrmals haben sie ihm schon Teile aus der Kollekte zukommen lassen. Dann lesen wir in Vers 19, dass sie für ihn beteten, für seinen Dienst. Auch das war für Paulus eine große Ermutigung. Wie er zum Beispiel auch im Epheserbrief (6, 20) schreibt, ist es ihm wichtig, dass andere für ihn beten. Er weiß, dass er die Hilfe Gottes nötig hatte, er war nie einfach ein Einzelkämpfer, dem es egal war, was andere tun und denken. Er wusste um seine Kämpfe und Schwächen, und wünschte sich auch Gebet für noch besseren Dienst. In Vers 27 schreibt Paulus, dass sie auch jetzt immer fleißig dabei sind, das Evangelium bekannt zu machen. Auch das hat ihn ermutigt, denn so wusste er, dass er nicht allein war in diesem Dienst.
5. Vertrauen in Gott
Der letzte und wichtigste Grund zur Freude in diesen vier Versen ist die Gewissheit von Gottes Zuverlässigkeit. Er weiß, dass er Gott ganz und gar vertrauen kann. Und das ist ganz wichtig. Paulus sitzt in Rom, seine Wohnung ist überwacht, er kann nichts tun für die Philipper. Trotzdem freut er sich. Warum? Weil er weiß, dass sein Gott treu ist. Gehen wir einen Schritt näher in den Text. Was hier mit „ich bin überzeugt“ übersetzt wird, das ist ein Verb, das „sich sicher sein“ bedeutet. Das Verb ist in einer Zeitform, die eine abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit bezeichnet. Wenn wir uns in der Bibel umsehen, so finden wir diese Zeitform in Johannes 19, 30. Da wird von der Kreuzigung Jesu berichtet. Das Letzte, was Jesus am Kreuz ausrief, das war: Es ist vollbracht! Dort bedeutet das Verb „etwas seinem Ziel zuführen“ und in der Zeitform der Handlung, die in der Vergangenheit abgeschlossen ist, bedeutet es: „Es ist vollständig ausgeführt“ oder „es ist vollkommen vollbracht“. Auf unser Verb bezogen zeigt es die Gewissheit, die Paulus hatte, dass Gott alles vollbringen wird, was Er Sich vorgenommen hat.
Bei Paulus finden sich ja immer wieder die Hinweise darauf, dass alles, was geschieht, lediglich die Ausführung von Gottes Plan ist, den Er bereits vor der Erschaffung der Welt gefasst hatte. Anders gesagt: Die ganze Weltgeschichte ist die Ausführung von Gottes Heilsplan. Alles, was geschieht, war von Gott zuvor geplant und wird jetzt in Raum und Zeit ausgeführt. Deshalb kann Paulus sich auch freuen, denn er weiß, dass es nicht so sehr auf ihn ankommt, sondern Gott tut alles zum Besten. Ich fürchte, dass wir uns manchmal zu ernst nehmen und denken, dass alles nur auf uns ankommt. Es stimmt, Gott gebraucht uns, ja, aber Er hat das, wofür Er uns gebraucht, bereits längst vorbereitet (Epheser 2, 10). Mit diesem Wissen können wir uns in allem freuen, denn Gott hat es im Griff, nicht wir.
Schluss:
So sehen wir: fünf Dinge sind es, die unsere Freude sein sollen. Und in unserem Brief kommt mehrmals der Befehl: Freut euch! Freut euch alle Zeit im Herrn! Freut euch! Warum ist Freude so wichtig? Wenn wir aufhören, uns in Gott zu erfreuen, beginnen wir ganz automatisch, uns um uns selbst zu drehen. Und irgendwann fangen wir an, denen, die sich freuen, das Leben schwer zu machen. Denn es darf sich ja niemand das Leben leichter machen als wir selbst, oder? Man fängt an, sich auf das zu konzentrieren, was andere alles tun sollten oder zu unterlassen hätten. Eins muss uns klar sein: Menschen werden uns immer wieder verwunden, verletzen. Wenn wir Freude haben, werden wir vergeben können, und die Sache ist erledigt. Wenn uns die Freude fehlt, wird jede Wunde ein Stück Bitterkeit bringen, denn ein Herz, in der diese Freude fehlt, ist wunderbarer Nährboden dafür.
Fünf Dinge haben wir aufgezählt, die uns helfen, die Freude statt der Bitterkeit zu kultivieren: Erstens Dankbarkeit. Offene Augen für das Gute und Schöne, für das, was Gott und Menschen uns Gutes tun. Zweitens Erinnerung. Ein Gedächtnis, das sich an das erinnern kann, wofür man zu danken hat. Drittens Gebet, Fürbitte für Menschen. Das wird unsere Herzen mit Liebe für jene erfüllen, für die wir beten. Viertens Gemeinschaft. Zusammen unterwegs sein, zusammen Zeit verbringen, zusammen für Gott arbeiten. Keiner ist allein. Und fünftens Vertrauen in Gott. Er wird es recht machen. Er wird auch aus unseren Fehlern das Beste machen. Er ist in Kontrolle, Sein Plan wird erfüllt. Er wird das Werk der Gnade, das Er in euch begonnen hat, vollenden.

Freude an Gott

Freude an Gott
Wir leben in einer Zeit, in welcher man viel davon spricht, was Gott für uns getan hat, was Er für uns tut, was Er uns schenken möchte, was Er für uns bereit hält – aber wo wird noch darüber gepredigt, wer und wie Gott ist? Wo wird man noch dazu herausgefordert, sich auf den eifernden, eifersüchtigen, feurigen, mit Inbrunst liebenden aber auch über das Unrecht zürnenden Gott einzulassen? Es ist wunderbar, wenn wir uns an dem erfreuen können, was Gott alles für uns tut, getan hat, geschaffen hat – alles zu unserer Freude. Aber wie viel größer und besser ist eine Freude an Gott um Gottes Willen! Der Herr Jesus sagte: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Heute würde Er wohl sagen: Selig sind, die nicht empfangen und doch Freude haben!
Die schlimmste Sünde oder anders gesagt: die Sünde schlechthin, wird in Jeremia 2, 13 genannt: „Mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen: Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!“Es ist die Sünde schlechthin, Gott als die Quelle unseres Lebens zu verlassen, um uns auf eine eigene, selbstgerechte Lebensgrundlage zu verlassen, die kein echtes Leben bringt. Es ist die Sünde schlechthin, Gott als die Quelle unserer Kraft zu verlassen, um uns auf unsere eigene, menschliche Stärke zu verlassen. Es ist die Sünde schlechthin, Gott als die Quelle unserer Freude zu verlassen, um unseren eigenen, weltlichen Freuden einen höheren Platz einzuräumen als Ihm, dem Herrn.
Paulus schreibt im ersten Kapitel des Römerbriefs von dieser Sünde: „Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, so daß sie keine Entschuldigung haben. Denn obgleich sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in nichtigen Wahn verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild, das dem vergänglichen Menschen, den Vögeln und vierfüßigen und kriechenden Tieren gleicht.“ Was die Menschen also getan haben, war genau dies, was Gott dem Volk Israel durch Jeremia vorwirft: Sie haben Gott als Quelle von allem Guten verlassen und stattdessen die Schöpfung angebetet. Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit der Schöpfung! Und hier kommt nun, was uns alle das angeht: Wie viele Christen freuen sich mehr über die Erlösung, über die Geistesgaben, über die Vollmacht, die Gott ihnen gibt, über ihren Mund, mit dem sie Gott bezeugen können oder über ihre Gelehrsamkeit, mit der sie über göttliche Dinge philosophieren können, als über Gott Selbst! Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden. Da geht es nicht einfach nur um „die Ungläubigen da draußen“, nein, da sind wir alle herausgefordert, uns zu prüfen!
Eines Tages, wenn die ganzen Gerichte vorbei sein werden, und die Ewigkeit begonnen hat, dann werden wir sehen, wie das sein wird. Dann wird die Erlösung nicht mehr nötig sein, denn es wird in Gottes Gegenwart nur noch Erlöste geben. Es werden keine Geistesgaben mehr gebraucht, denn Gottes Reich wird vollkommen zu Ende gebaut sein. Es wird auch kein scharfsinniges Nachdenken oder ein gutes Mundwerk mehr nötig sein. Das Einzige, was dann noch zählen wird, ist die Frage, ob wir gelernt haben, Gott als Quelle unserer Freude zu sehen und zu genießen. Das höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu erkennen und sich an Ihm zu erfreuen. Und je mehr wir uns an Ihm erfreuen, desto mehr ist Er geehrt. Das heißt nun für uns, dass tatsächlich die Freude am Herrn unsere Stärke ist, und wenn wir zu Gottes Ehre leben wollen, sind wir dazu herausgefordert, diese Freude am Herrn zu suchen und darin zu wachsen. Wenn am Schluss eine Ewigkeit lang (und die ist dann doch eine recht lange Dauer) nur noch Gott da ist, wird sich zeigen, ob wir dies gelernt haben. Und ich kann mir vorstellen, dass es für manche von uns, die sich nie darum gekümmert haben, sondern immer nur die weltliche Freude oder die Freude an der Schöpfung und an den Gaben Gottes kennengelernt haben, wird diese Zeit wohl auch nicht ganz einfach sein.
Unsere Zeit prägt uns zu einer Konsumgesellschaft, die sich an dem erfreut, was man schnell haben kann. Freude an Gott ist nichts, was einem einfach so zufliegt. Man kann sie auch nicht kaufen. Sie will erarbeitet werden. Aber sie ist es wert, erarbeitet zu werden, denn sie ist es, was in der Ewigkeit bleibenden Bestand haben wird.
Gottes Befehl an uns, dass wir uns zu jeder Zeit freuen sollen, ist gewissermaßen ein Dilemma, in dem wir alle stecken. Denn niemand kann Freude “machen”. Freude ist eine Frucht des Geistes, und kann deshalb nur empfangen werden. So, wie der Baum sich nicht entscheiden kann, im Frühjahr Frucht zu tragen, ist es auch für uns nicht möglich, Freude durch einen reinen Akt des Willens zu empfangen. Sonst wäre es keine Frucht des Geistes, sondern eine Frucht des Willens. Nun haben wir einerseits also einen Befehl, der uns sagt, dass wir uns allezeit freuen sollen, andererseits aber keine Möglichkeit, diesen Befehl aus eigener Kraft zu befolgen. Ich glaube, dieses Dilemma ist eben gerade deshalb perfekt für uns gemacht, weil es uns in die Ver-Zwei-flung und in die Ent-Täuschung treiben soll.
Die Verzweiflung ist der Zustand, in welchem wir gewahr werden, dass es zwei (oder mehr) Dinge gibt, die man tun sollte, aber unter keinen Umständen selbst zusammenbringen kann. Deshalb ist Verzweiflung der Zustand der äußersten Not des Hin- und Hergerissenseins zwischen zwei oder mehr Möglichkeiten. Zugleich bewirkt es auch Ent-Täuschung, also den Zustand, der eine Selbsttäuschung beendet. Solange man meint, dass man etwas selbst tun kann, täuscht man sich, deshalb ist diese Enttäuschung sehr hilfreich. Der Mensch in unserer modernen Konsumgesellschaft bildet sich sehr viel auf sich, auf seine Erfahrung, auf seinen Verstand, auf sein Vermögen, seine Erlebnisse und so weiter ein. Er braucht deshalb ganz dringend diesen Zustand der Verzweiflung und der Enttäuschung, um sich ganz neu auf das einlassen zu können, was Gott von ihm und für ihn möchte.
Noch einmal zurück zum Thema: Freude ist eine Frucht des Geistes. Psalm 1 sagt es deutlich, auch Jesus sprach oft von der Frucht, die wir bringen sollen. Im ersten Psalm heißt es von dem Gläubigen, dass er wie ein Baum ist, der an Wasserbächen gepflanzt ist und seine Frucht bringt zu seiner Zeit. Das Bild ist perfekt zugeschnitten auf unser Leben als Nachfolger Jesu. Betrachten wir dieses Bild aus dem ersten Psalm mal im Detail:
  1. Wie ein Baum, der gepflanzt ist. Es ist ganz wichtig, dass wir uns bewusst sind: Gott hat uns da gewollt, wo wir sind. Wir sind in die richtige Zeit, in die richtige Familie, in das richtige Umfeld, an den richtigen Ort, und so weiter, hingestellt. Es ist kein Zufall, dass wir geboren wurden. Es war kein „Unglück“ oder sonst etwas Ähnliches, sondern Gott hat uns gewollt, geschaffen und an den richtigen Ort gepflanzt. Egal, wie schwierig die Menschen um uns sind, Gott hat uns genau zu ihnen geschickt, wir haben eine Verantwortung für den Umgang mit ihnen.
  2. Gepflanzt an Wasserbächen. Ein Baum braucht Wasser, Licht und Nährstoffe für gesundes Wachstum. Deshalb haben wir Gottes Wort bekommen, dazu die Predigt in der Gemeinde, die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, und so weiter. Auch unsere Gemeinde ist der Ort, an den wir gepflanzt sind. Dort gehören wir hin, denn Gott hat die Predigt von Gottes Wort dazu bestimmt, uns zu helfen, wenn es uns an Glauben mangelt. 
  3. Damit ein Baum stark werden kann und zu einem stabilen Wurzelwerk kommen und an Stärke zunehmen, braucht er ziemlich viel Gegenwind. So sind die Schwierigkeiten in unserem Leben nicht etwa eine Strafe oder eine Art gestelltes Bein von Gott, selbst wenn uns das manchmal so vorkommt. Vielmehr dient es uns zum Besten, damit wir daran reifen, wachsen und stärker werden können. 
  4. Damit ein Baum viel Frucht bringen kann, ist es wichtig, dass er regelmäßig „beschnitten“, also zurückgeschnitten, wird. Bei einem Baum werden nur die stärksten Äste übrig gelassen, der Rest muss tüchtig zurückgeschnitten werden, damit die Kraft des Baumes nicht für die vielen schwachen Ästchen verschwendet wird, die nur wenig Frucht tragen können. Auch in unserem Leben gibt es Dinge, darin sind wir durch Schwierigkeiten und Gegenwind schon stark gewachsen, haben darin Vertrauen auf Gott gelernt, und andere Dinge, die bringen uns immer wieder in Versuchung, ihnen mehr zu vertrauen als Gott. Von solchen Dingen sagte Jesus mal, dass wir sie abhacken und wegwerfen sollen, wenn sie uns in solche Versuchung führen. Also: Unser Auftrag ist es, auf die Sachen freiwillig zu verzichten, die uns von Gott wegführen, und über all unser Tun immer wieder mit uns selbst ins Gericht gehen, uns prüfen, was es in unserem Leben gibt, was uns verführt. Davon spricht Paulus, wenn er in Bezug auf das Herrenmahl schreibt, dass es besser sei, wenn jeder sich selbst richten würde. Wenn wir es nämlich nicht selbst – freiwillig – tun, so muss es Gott tun, denn Er wird alles tun, um uns mit Seiner Liebe festzuhalten und nicht von Ihm weglaufen zu lassen. 
  5. Der Baum bringt Frucht zu seiner Zeit. Im Winter erholt er sich, im Frühjahr wächst er besonders stark, blüht im frühen Sommer und dann kommt die Frucht, die im Herbst dann geerntet werden kann. Die Frucht braucht ihre Zeit, aber sie kommt. Unsere Aufgabe ist es, alles aus dem Weg zu räumen, was die Frucht vom Wachsen abhalten kann. Mehr müssen wir gar nicht, ja, vielmehr: Wir können es gar nicht! Wenn wir unseren Teil dazu täglich tun und mit uns selbst ins Gericht gehen und auf das verzichten, was uns von Gott wegbringt, dann kann es gar nicht anders sein, als dass die Frucht wächst und irgendwann reif ist. Das ist das geistliche Gesetz von Saat und Ernte. Wer mit Tränen sät, wird mit Freuden ernten, sagt die Bibel. Es braucht Geduld, es braucht Ermutigung dazu, es braucht immer wieder damit weitermachen, aber gerade dadurch machen wir den Weg frei für das Wachstum der Freude in Gott.