Buchtipp: Hört endlich zu!

Richter, Frank, Hört endlich zu!, Ullstein Buchverlage Berlin, 1. Aufl. März 2018, 96 S., Verlagslink, Amazon-Link

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar! Ich habe es in der Kindle-Version gelesen.

Ein Theologe schreibt eine Streitschrift für ein Mehr an Demokratie, an Diskussion und an gegenseitigem Zuhören. Frank Richter ist ein katholischer Theologe, der bereits in der Zeit vor der Wende Bekanntheit erlangte, als er sich an den Protesten beteiligte und einen Anstoß zur Diskussion statt blinder Polizeigewalt gegen die Demonstranten gab. Er war 2009 – 2017 Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und hat auch sonst schon eine Menge Diskussionen geleitet, die den Anhängern verschiedener Sichtweisen half, miteinander an einen runden Tisch zu sitzen und zuzuhören, bzw. zu reden.

Die Hauptthese ist dann entsprechend auch, dass man miteinander reden müsse, um gemeinsam Demokratie zu wagen. Er appelliert besonders an jene, die vor dem Rechtsrutsch Angst haben, die andere Seite mal anzuhören: „’Deutschland geht es gut’ – diese im Bundestagswahlkampf 2017 von den Regierungsparteien bis zum Überdruss beanspruchte Behauptung klingt in den Ohren von überlasteten Hausärzten und Pflegekräften wie blanker Zynismus. Wie mag sie in den Ohren der ungezählten vernachlässigten und unterversorgten pflegebedürftigen Alten klingen?“ (Pos. 69ff)

Interessant fand ich die Ausführungen Richters zur Wende, die er unter dem Titel „Das Verhängnis einer unvollendeten Revolution“ ausführt. So erklärt er – nachdem er mit „Einerseits“ aufzeigt, dass in der DDR eine echte Revolution von innen heraus begonnen hat – dann auch: „Andererseits blieb die Revolution unvollendet. Eine innere, tief greifende, umfassende und nachhaltige Demokratisierung der Gesellschaft der DDR aus eigener Kraft, wie sie nach Jahrzehnten totalitärer und autoritärer Herrschaft notwendig gewesen wäre, unterblieb.“ (Pos. 412f) und etwas später: „Unter dem offiziell sauberen Deckmantel des sich als antifaschistisch deklarierenden Staates – die Abkehr vom ‘Hitlerfaschismus’ gehörte zum Gründungsmythos der DDR – konnte nationalistisches, rassistisches und faschistisches Gedankengut durchaus weiter existieren.“ (Pos. 542f)

Ein späteres Kapitel ist ebenso interessant: „Das Verhängnis einer visionslosen Politik: schwarze Null und schwarze Löcher“. Was fehlt – so Richter – sei eine Vision, und damit die Motivation für den Einzelnen, sich in der Gesellschaft einzubringen. Er wünscht sich mehr Durchlässigkeit für Quereinsteiger oder Menschen, die häufig umziehen müssen, auch in den Parteien und bei den politischen Ämtern, damit die geballte Kreativität an die Oberfläche treten kann und man gemeinsam gute Lösungen für die Zukunft findet.

Hört endlich zu“ ist ein Buch, das man schnell gelesen hat, und das durchaus einiges mitgibt, worüber es sich lohnt, nachzudenken. Das dünne Booklet ist in weniger als zwei Stunden gelesen. Bei mir hat es einen inneren Zwiespalt hinterlassen, und zwar zwischen Form und Inhalt. Es ist ein Buch, das motivieren möchte, das die Visionslosigkeit an den Pranger stellt – doch es ist ist in sich selbst enorm unkonkret und bleibt irgendwo im Nebel hängen. Ich war manchmal an die Aussage von Paulus erinnert, dass eine Posaune, die einen unklaren Ton von sich gibt, niemanden dazu bringen kann, sich zum Kampf zu rüsten. Richter prangert den oberlehrerhaften Ton mancher Politiker und Amtsinhaber an – und verfällt leider selbst auch immer mal wieder in diesen Ton. Da ist dieser Widerspruch im Buch, den ich einfach nicht auflösen kann. Oder auch der Aufruf, dass sich Demokraten aller Lager zusammentun und gegen die kämpfen sollen, welche Verfassungsfeinde sind, da fehlt die klare definitorische Abgrenzung zwischen diesen beiden gegensätzlichen Teilen der Gesellschaft, sodass sich am Ende jeder im Lager der Demokraten finden kann. Wer alle anspricht, spricht niemanden an. Möglicherweise ist dies aber auch der Kürze des Buches geschuldet.

Fazit: Ich möchte das Buch grundsätzlich empfehlen, weil es viele gute Gedanken enthält. Doch gibt es insgesamt einige Dinge, die mir negativ aufgefallen sind. Lasst uns das Buch lesen, alles prüfen, darüber reden, einander zuhören und das Gute behalten. Ich gebe dem Buch vier von fünf möglichen Sternen.

Buchtipp: Mit Rechten reden

Leo, Per, Steinbeis, Maximilian, Zorn, Daniel-Pascal, Mit Rechten reden, Klett-Cotta Verlag, 2017, 183S., Verlagslink, Amazon-Link

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, das ich als Kindle-Datei erhalten habe.

Hier haben wir ein Buch, das ich jedem Lehrer empfehlen möchte, in seiner Schulklasse ab der Oberstufe zu lesen und gründlich zu besprechen. „Mit Rechten reden“ ist ein Buch, das sich für eine Erneuerung der Diskussionskultur einsetzt. Der Titel ist reißerisch, aber es geht grundsätzlich um viel mehr als nur um den Dialog zwischen Rechten und anderen, und darüber werde ich weiter unten noch etwas mehr ausführen.

Eins vorweg: Ich habe mit dem Buch hauptsächlich eineinhalb Probleme. Das erste Problem ist aber zugleich eine der Stärken des Buches, es macht das Buch erst zu einem Ratgeber für jede einzelne Diskussion zwischen wem auch immer. Das erste Problem ist, dass die Autoren „rechts“ nicht über Inhalte definieren, sondern über Denkweisen und vielleicht noch etwas mehr über Sprechweisen: „Nennen wir es ein Wortspiel. Im Sinne dieses Begriffs wollen wir als ‘rechts’ nicht in erster Linie bestimmte Inhalte bezeichnen, sondern eine Praxis, eine bestimmte Art zu reden.“ (Pos. 267) Das Problem dieser Definition ist, dass sie sehr allgemein gehalten ist, und das führt zu ihrer Stärke, weil sie sich so auf jede Diskussion bezieht. Das zweite Problem ist damit eng verknüpft: Es finden sich in praktisch allen Ideologien und Gesinnungen entlang des politischen Spektrums Menschen, die so als „Rechte“ definiert werden. Das macht die Definition für den Alltag enorm unbrauchbar, hilft aber auch hier wieder sehr, die Hinweise des Buchs auf praktisch jede mögliche Situation einer Diskussion anzuwenden.

Die in der Mitte des Buches eingeflochtene Geschichte vom Theater hat mich amüsiert. Sie ist sehr treffend geschrieben, vermutlich vollständig frei erfunden, aber mit sehr vielen Punkten, die echt treffend sind. Und damit komme ich zum allerbesten Teil des Buches – die Sache mit dem Kreis. Das hat mich an einen uralten Spruch erinnert, den ich mir schon in der Kindheit eingeprägt habe: „Manche Menschen haben einen Horizont mit einem Radius von 0 und das nennen sie dann ihren Standpunkt.“ Die Sache mit dem Kreis ist echt enorm wertvoll. In vielen Diskussionen kommt man immer wieder an einen Punkt, an welchem manchen Menschen die Argumente ausgehen, und dann springen sie einfach auf einen anderen Punkt auf diesem „Kreis“. Ein Punkt auf dem Kreis steht für Behauptung und ein anderer für Zweifel, einer für Patt (Gleichstand: „Ihr denkt das, und wir was ganz anderes; jedem das Seine“) und einer für die „Kaserne“ (Monolog-Punkt, wo es nur noch um die Sinnlosigkeit dieser ganzen Debatten geht). Diese bildliche Beschreibung des Kreises ist enorm gut gelungen. Allein dieses Kapitel vom Kreis ist es schon wert, das ganze Buch zu lesen.

Ich möchte das Buch auch uns Christen im besonderen „verschreiben“ oder zumindest jedenfalls empfehlen. Hier sehe ich eine ganze Menge an Diskussion und Debatten, die genau auf diesem Kreis im Sand verlaufen. Ich sehe auch eine Menge Vogel Sträuße, die den Kopf in den Sand stecken und nur noch sehen wollen, wie dunkel es da unten ist, frei nach dem Motto: „Früher war alles besser!“ Was wir brauchen, ist eine gesunde und vernünftige Debattenkultur, die Gegenwind aushält, indem sie ihr Fundament dort festigt, wo es tatsächlich fest und zuverlässig ist. Als Christen sind wir weder „Rechte“ noch „Linke“, sondern Nachfolger Jesu Christi, die sich durch den Heiligen Geist umwandeln lassen und zulassen können, dass ihr ganzes Denken, Fühlen, Wollen, Handeln und Reden von Jesus Christus geprägt wird. Wir müssen nicht in den Strukturen dieser Welt denken, denn siehe, ER hat die Welt überwunden. Wir sind frei, das Richtige zu tun, das, was im jeweiligen Moment gerade dran ist. Und hier braucht es viel Weisheit.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch, das sich für jede Art von Diskussion eignet und das wir alle noch mehr beherzigen sollen, mich inklusive. Ich gebe dem Buch fünf von möglichen fünf Sternen.