Buchtipp: Die Entscheidung

Link, Charlotte, Die Entscheidung, Blanvalet, München, 3. Aufl., 2017, 575 S., Verlagslink, Amazon-Link

Vielen Dank an den Blanvalet-Verlag für das Rezensionsexemplar!

Entscheidungen prägen unser Leben, und gerade in einer Zeit, in der man sich gar nicht gerne auf etwas festlegt, ist es wichtig, dass das betont wird. Wenn ein Roman, in dem es genau darum geht, zu einem Bestseller wird, so ist das ein gutes Zeichen. Es bedeutet nämlich, dass sich immer mehr Menschen bewusst werden, wie wertvoll richtige und klare Entscheidungen sind.

Charlotte Link präsentiert in ihrem Buch „Die Entscheidung“ zwei parallele Erzählstränge, die sich mit der Zeit kreuzen. Einer spielt in Frankreich und einer in Bulgarien. Eine arme Familie in Sofia sieht als einzige Lösung, um aus ihren Schulden zu kommen, ihre Tochter mit eine Model-Agentur nach Rom zu schicken, damit das bildhübsche Mädchen dort eine Karriere aufbauen kann. In Frankreich begegnet der entscheidungsunfreudige Deutsche Simon einer jungen Frau, die auf einem fremden Grundstück gefasst wurde, aber nicht zur Polizei wollte. Sie brauchte Hilfe. Warum wollte sie nicht zur Polizei? „Ich glaube, ich habe einen Mann umgebracht!“ Sie war auf der Flucht. Simon musste sich entscheiden. Die Frau ist Nathalie, die Simon immer tiefer in eine mysteriöse Geschichte hineintreibt, die sie selbst nicht wirklich durchschaut. Jérôme, der Freund von Nathalie, hatte Selina, der Tochter einer anderen bulgarischen Familie zur Flucht verholfen, die durch den organisierten Menschenhandel nach Paris verschleppt worden war. Plötzlich sind alle auf der Flucht.

Die Autorin hat ein spannendes Werk vorgelegt, das wichtige Themen unserer Zeit behandelt. Prostitution, Menschenhandel, Armut, Schulden, Korruption, Entscheidungsfindung. Immer wieder die Frage, ob die Entscheidung richtig war. Simon bereut es bald, überhaupt jemals Nathalie geholfen zu haben. Sie bringt ihn in gefährliche Situationen. Doch mit der Zeit merkt er, dass es wichtig ist, dass er ihr helfen kann. Hinter der ganzen Geschichte steckt so viel Gewalt und Verbrechen, dass da irgendwer endlich mal aufräumen muss. Sehr schön ist es, immer wieder von Link in eine neue Falle geraten zu sein, weil jede neue Info das ganze Bild der Geschichte wieder umdreht. Man merkt, wie schnell man sich in falsche Vorstellungen verrennt und sich beeinflussen lässt. Auch wird die Spannung durch dieses Vorgehen erhöht, da man nie weiß, welche neue Wendung hinter der nächsten Buchseite wartet.

Wertvoll finde ich an „Die Entscheidung“, dass sich die Autorin an die Themen Prostitution und Menschenhandel wagt. Es ist etwas, was in unserer Zeit häufig verschwiegen wird. Prostitution ist in jedem Fall nichts anderes als eine durch Bezahlung „legalisierte“ Vergewaltigung, und Link zeigt deutlich, dass es in diesem Bereich häufig zwei zugedrückte Augen und Korruption von höchster Stelle gibt.

Was ich allerdings vermisst habe, war eine brauchbare Antwort auf die eigentlich größte Frage des Buches: Woran kann ich erkennen, ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist? Dieser Frage geht die Autorin aus dem Weg, indem sie sie immer wieder anschneidet, die Antwort dabei jedoch offenlässt. Irgendwann ist das Buch zu Ende, und der Leser bleibt fragend zurück. Oder er wird einfach wieder auf sich selbst zurückgeworfen und sagt sich: Dann muss ich halt doch mich selbst zum Maßstab für meine Entscheidungsfindung machen. Das wäre zwar enorm unweise, doch werden vermutlich die wenigsten Leser auf eine bessere Lösung kommen. Ebenfalls gestört hat mich der Wechsel der Schriftart, sobald Nathalie in der ersten Person von ihrem Erleben erzählt. Dieser Wechsel hat mich immer wieder vom Inhalt abgelenkt – wohlgemerkt: Nicht der Wechsel der Person, was ein schönes Stilmittel ist und häufiger genutzt werden dürfte, sondern der Wechsel der Schriftart im Layout des Buches. Insofern ist dies eine Kritik nicht an der Autorin, sondern am Verlag, der sich üblicherweise um das Layout kümmert. Insgesamt habe ich mich aber auch häufig gefragt, ob die Geschichte realistisch ist. Sie ist nicht unmöglich, aber doch sehr unwahrscheinlich, fast ein wenig in James-Bond-Manier, dem auch nie etwas Ernsthaftes zustößt, egal wie schlimm er dran ist.

Fazit: Ein gutes Buch für Krimi-Freunde, die auch gerne über die großen Themen unserer Zeit nachdenken und sich gerne überraschen lassen, das jedoch auch ein paar kleinere Mängel beinhaltet und sich vor allem vor der großen Frage des Buches drückt. Ich gebe dem Buch vier von möglichen fünf Sternen.